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Witwenrente/Witwerrente


Begriffsbestimmung und Rechtsgrundlagen der Witwenrente/Witwerrente

Die Witwenrente beziehungsweise Witwerrente ist eine Leistung der gesetzlichen Rentenversicherung in Deutschland, die an hinterbliebene Ehepartner nach dem Tod der Versicherungspflichtigen oder Rentenbezieher/in gezahlt wird. Die Rentenzahlung dient der wirtschaftlichen Absicherung der überlebenden Ehegattin oder des überlebenden Ehegatten und stellt eine der bedeutendsten Hinterbliebenenleistungen im deutschen Sozialrecht dar. Rechtsgrundlage für die Witwen- und Witwerrente ist insbesondere das Sechste Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI).

Arten der Witwenrente/Witwerrente

Kleine und große Witwenrente/Witwerrente

Unterschieden wird zwischen der sogenannten kleinen und großen Witwenrente beziehungsweise Witwerrente. Maßgeblich sind die persönlichen Voraussetzungen der/des Hinterbliebenen.

Kleine Witwen- bzw. Witwerrente

Die kleine Witwenrente wird gezahlt, wenn der überlebende Ehegatte zum Zeitpunkt des Todes der/des Versicherten

  • keine eigenen Kinder (unter 18 Jahren oder nach § 46 Abs. 2 SGB VI gleichgestellt) erzieht,
  • nicht erwerbsgemindert ist und
  • das 47. Lebensjahr (Hinweis: bis 31.12.2011 das 45. Lebensjahr) noch nicht vollendet hat.

Die Zahlung ist grundsätzlich auf 24 Kalendermonate nach dem Todesmonat begrenzt (zweijährige Befristung gemäß § 46 Abs. 2a SGB VI).

Große Witwen- bzw. Witwerrente

Die große Witwenrente wird gewährt, wenn der hinterbliebene Ehegatte

  • mindestens das 47. Lebensjahr vollendet hat, oder
  • ein waisenrentenberechtigtes Kind erzieht, oder
  • erwerbsgemindert im Sinne des Rentenrechts ist.

Die große Witwenrente wird grundsätzlich unbefristet und in höherer Höhe gezahlt.

Unterscheidung nach altem und neuem Recht

Durch das „Rentenreformgesetz 1999“ wurde das Hinterbliebenenrentenrecht umfassend reformiert. Für Ehen, die vor dem 1. Januar 2002 geschlossen wurden oder bei denen ein Ehepartner vor dem 2. Januar 1962 geboren ist, gelten günstigere Bedingungen („altes Recht“).

Anspruchsvoraussetzungen und Antragsverfahren

Anspruchsvoraussetzungen

Der Anspruch auf Witwenrente oder Witwerrente ist an folgende grundlegende Bedingungen geknüpft:

  • Die Ehe muss zum Zeitpunkt des Todes bestanden haben (§ 46 Abs. 1 SGB VI).
  • Die verstorbene Person muss die allgemeine Wartezeit von fünf Jahren in der gesetzlichen Rentenversicherung erfüllt haben (mindestens 60 Kalendermonate mit Pflicht- oder freiwilligen Beiträgen).
  • Grundsätzlich kein Anspruch bei einer sogenannten Versorgungsehe (Ehe bestand weniger als ein Jahr, § 46 Abs. 2a SGB VI), es sei denn, es liegen besondere Umstände vor, die belegen, dass die Heirat nicht nur zum Zweck der Versorgung geschlossen wurde.
  • Anwendung von Sonderregelungen für Lebenspartnerschaften: Seit dem Lebenspartnerschaftsgesetz (LPartG) und späterer Gleichstellung werden auch überlebenden eingetragenen Lebenspartnern Hinterbliebenenrenten gewährt.

Antragsverfahren

Die Witwen- oder Witwerrente wird nicht automatisch gezahlt, sondern muss bei der zuständigen Rentenversicherung beantragt werden. Der Antrag kann formlos oder mittels eines Formulars gestellt werden; maßgeblich sind die Angaben und Nachweise zum zurückliegenden Versicherungsverlauf, Nachweise der Eheschließung, eventuell der Geburtsurkunden gemeinsamer Kinder sowie der Todesbescheinigung.

Höhe der Witwenrente/Witwerrente und Rentenberechnung

Rentenartfaktor

Die Höhe der Witwen- oder Witwerrente ergibt sich aus dem Rentenanspruch, den die verstorbene Person zum Todeszeitpunkt gehabt hätte oder bereits erhalten hat. Der Rentenartfaktor beträgt bei der großen Witwen-/Witwerrente 55% des Rentenanspruchs (niedrigerer Rentenartfaktor) – nach altem Recht bis zu 60%. Die kleine Witwen-/Witwerrente beträgt 25% des Rentenanspruchs.

Anrechnung von Einkommen

Auf die Witwen- und Witwerrente wird eigenes Einkommen der/dem Berechtigten teilweise angerechnet (§ 97 SGB VI).

  • Es besteht ein Freibetrag (jährlich angepasst; beispielsweise ab Juli 2023: 950,93 € monatlich im Westen, 937,73 € im Osten), der nicht angerechnet wird.
  • Übersteigt das Einkommen diesen Freibetrag, werden 40% des überschießenden Betrags auf die Rente angerechnet.

Berücksichtigt werden unter anderem Einkommen aus Erwerbstätigkeit, andere Renten sowie gegebenenfalls Einkommen aus Vermietung und Verpachtung oder Kapitalerträge, sofern ein Erwerbsbezug besteht.

Kinderzuschlag

Stirbt eine versicherte Person und hinterlässt minderjährige Kinder, kann sich dies durch entsprechende Kinderzuschläge oder Waisenrenten positiv auf die Höhe der Hinterbliebenenrente auswirken.

Dauer und Ende des Rentenanspruchs

Der Anspruch auf Witwen- oder Witwerrente endet

  • mit dem Tod der/des Bezugsberechtigten,
  • bei Wiederheirat (es besteht dann Anspruch auf eine Abfindung in Höhe von 24 Monatsrenten, § 107 SGB VI),
  • oder bei Wegfall der übrigen Anspruchsvoraussetzungen (z. B. Ende der Kindererziehung, Wegfall der Erwerbsminderung bei der großen Witwen-/Witwerrente).

Steuerliche Behandlung der Witwenrente/Witwerrente

Die Witwen- oder Witwerrente unterliegt grundsätzlich der Einkommensteuer als sonstige Einkünfte gemäß § 22 Nr. 1 SGB VI EStG. Allerdings werden Renten gemäß dem „Alterseinkünftegesetz“ in der Regel nur mit einem bestimmten Anteil der Besteuerung unterworfen („Besteuerungsanteil“), der abhängig vom Rentenbeginn ist.

Ausschluss- und Sonderregelungen

Versorgungsehe

Eine Versorgungsehe liegt vor, wenn die Eheschließung weniger als ein Jahr bestanden hat, bevor der Tod eines Partners eintritt. In diesem Fall ist der Anspruch auf Witwen- oder Witwerrente grundsätzlich ausgeschlossen, es sei denn, es bestehen außergewöhnliche Umstände wie etwa ein Unfalltod.

Gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften

Mit der vollständigen Gleichstellung eingetragener Lebenspartnerschaften durch verschiedene Reformen und das Gesetz zur Einführung des Rechts auf Eheschließung für Personen gleichen Geschlechts steht die Hinterbliebenenrente seit spätestens 2017 auch diesen Partnerschaften offen.

Internationales Sozialversicherungsrecht

Bei im Ausland erworbenen Rentenansprüchen oder Wohnsitz im Ausland gelten besondere Regelungen. Sozialversicherungsabkommen und bilaterale Verträge beeinflussen in bestimmten Fällen die Gewährung von Witwen- und Witwerrenten.

Zusammenfassung

Die Witwenrente beziehungsweise Witwerrente ist eine zentrale Leistung der gesetzlichen Rentenversicherung und dient der wirtschaftlichen Absicherung überlebender Ehegatten oder eingetragener Lebenspartner. Die Gewährung ist an strenge Voraussetzungen gebunden, insbesondere im Hinblick auf die Beitragszeiten des Verstorbenen, die Ehedauer und das Alter oder familiäre Situation der/des Hinterbliebenen. Die Rentenhöhe, Anrechnung eigenen Einkommens, mögliche Befristung und steuerliche Behandlung sind zentrale Aspekte bei der Beurteilung eines Anspruchs. Aufgrund zahlreicher Detailregelungen empfiehlt sich bei komplexen Sachverhalten die Überprüfung entsprechender Anspruchsvoraussetzungen und aktueller Gesetzesstände auf den Seiten der Deutschen Rentenversicherung oder in den einschlägigen gesetzlichen Vorschriften.

Häufig gestellte Fragen

Wie lange wird die Witwen- oder Witwerrente gezahlt?

Die Zahlung der Witwen- oder Witwerrente hängt maßgeblich vom Alter der hinterbliebenen Person sowie ihren Lebensumständen ab. Es wird zwischen der kleinen und der großen Witwen- oder Witwerrente unterschieden. Die kleine Witwen- oder Witwerrente wird grundsätzlich für 24 Monate gezahlt, sofern der Tod des Ehepartners nach dem 31. Dezember 2001 eingetreten ist. In bestimmten Ausnahmefällen ist auch eine lebenslange Zahlung möglich, beispielsweise, wenn die Ehe vor dem 1. Januar 2002 geschlossen wurde und mindestens ein Ehepartner vor diesem Datum geboren wurde. Die große Witwen- oder Witwerrente hingegen wird in der Regel lebenslang gezahlt, sofern der hinterbliebene Ehegatte beim Tod des Versicherten entweder das 47. Lebensjahr vollendet hat (dieses Alter wurde mehrfach angepasst, zuletzt zum 01.01.2029 auf 47 Jahre angehoben), ein waisenrentenberechtigtes Kind erzieht, erwerbsgemindert ist oder ein behindertes Kind betreut. Die Zahlung endet, wenn die Anspruchsvoraussetzungen wegfallen, beispielsweise durch Wiederheirat.

Unter welchen Voraussetzungen besteht ein Anspruch auf Witwen- oder Witwerrente?

Ein Anspruch auf Witwen- oder Witwerrente besteht, wenn der verstorbene Ehepartner die allgemeine Wartezeit von fünf Jahren in der gesetzlichen Rentenversicherung erfüllt hat oder wenn er eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit oder Alter bezogen hat. Weitere Voraussetzung ist, dass zum Zeitpunkt des Todes eine rechtsgültige Ehe oder eingetragene Lebenspartnerschaft bestand und die Ehe nicht nur zu dem Zweck eingegangen wurde, einen Rentenanspruch zu begründen (Stichwort: Versorgungsehe). Zudem darf die Ehe bzw. Lebenspartnerschaft grundsätzlich nicht kürzer als ein Jahr bestanden haben, es sei denn, der Eintritt des Todes war aufgrund besonderer Umstände nicht voraussehbar.

Wie wirkt sich eigenes Einkommen auf die Höhe der Hinterbliebenenrente aus?

Das eigene Einkommen des rentenberechtigten Witwers oder der Witwe wird auf die Witwen- bzw. Witwerrente angerechnet, sobald es bestimmte Freibeträge übersteigt. Zu den berücksichtigungsfähigen Einkünften zählen unter anderem Erwerbseinkommen, Renten, Versorgungsbezüge und bestimmtes Vermögenseinkommen. Der maßgebliche Freibetrag wird jährlich angepasst und orientiert sich am aktuellen Rentenwert. Einkommen, das den Freibetrag übersteigt, wird zu 40 Prozent auf die Witwen- oder Witwerrente angerechnet. Vor der Anrechnung werden verschiedene Abzüge, wie beispielsweise Werbungskosten oder Sozialversicherungsbeiträge, vom Nettoeinkommen berücksichtigt.

Welche Unterschiede bestehen zwischen der kleinen und der großen Witwen- oder Witwerrente?

Die kleine Witwen- oder Witwerrente ist eine zeitlich befristete Leistung (in der Regel 24 Monate), die gezahlt wird, wenn keine der besonderen Voraussetzungen für die große Witwen- bzw. Witwerrente erfüllt sind, etwa hinsichtlich Alters, Kindesbetreuung oder Erwerbsminderung. Die Höhe beträgt 25 Prozent der Rente, die dem Verstorbenen zugestanden hätte oder die zuletzt bezogen wurde. Die große Witwen- bzw. Witwerrente umfasst grundsätzlich 55 Prozent dieser Rente (für Ehen, die vor dem 1. Januar 2002 geschlossen wurden und bei denen mindestens ein Ehepartner vor dem 2. Januar 1962 geboren ist, gelten 60 Prozent). Die große Witwen- oder Witwerrente wird meist lebenslang gezahlt, sofern die Anspruchsvoraussetzungen weiterhin gegeben sind.

Welche Auswirkungen hat eine Wiederheirat auf den Anspruch auf Witwen- oder Witwerrente?

Heiratet der oder die Hinterbliebene erneut, endet der Anspruch auf die Witwen- oder Witwerrente mit dem Monat der Eheschließung. In diesem Fall hat die anspruchsberechtigte Person jedoch Anspruch auf eine sogenannte Abfindung. Diese beträgt das 24-fache des monatlichen Rentenbetrages, den der Hinterbliebene zuletzt bezogen hat. Sollte die neue Ehe später aufgelöst werden, lebt ein Anspruch auf Witwen- oder Witwerrente grundsätzlich nicht wieder auf, es sei denn, der neue Ehepartner ist ebenfalls verstorben und die weiteren Voraussetzungen sind erfüllt.

Welche Meldepflichten bestehen im Zusammenhang mit dem Bezug der Witwen- oder Witwerrente?

Empfänger einer Witwen- oder Witwerrente sind gesetzlich verpflichtet, der Rentenversicherung alle Änderungen in den persönlichen Verhältnissen unverzüglich anzuzeigen, die Einfluss auf den Anspruch oder die Höhe der Rente haben können. Hierzu zählen insbesondere eine Wiederheirat, das Erreichen oder der Wegfall von Altersgrenzen, die Aufnahme oder Beendigung einer Erwerbstätigkeit sowie Änderungen beim Bezug von Einkommen oder Renten. Werden diese Meldepflichten verletzt und entsteht hierdurch ein zu Unrecht bezogener Rentenbetrag, sind Rückzahlungen oder sogar strafrechtliche Konsequenzen möglich.

Gibt es Besonderheiten für gleichgeschlechtliche Ehe- oder Lebenspartnerschaften?

Mit der Einführung der „Ehe für alle“ sind gleichgeschlechtliche Ehen gegenüber verschiedengeschlechtlichen Ehen rechtlich vollständig gleichgestellt, auch hinsichtlich Rentenansprüchen. Gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften, die vor dem 1. Oktober 2017 eingetragen wurden und nicht in eine Ehe umgewandelt wurden, genießen ebenfalls denselben rechtlichen Schutz. Die oben genannten Voraussetzungen und Ansprüche auf Witwen- oder Witwerrente gelten somit unabhängig vom Geschlecht der Partner. Besonderheiten bestehen nur insofern, als ggf. Fristen und Stichtage für die Gleichstellung zu beachten sind, insbesondere bei der Berechnung der Rentenhöhe für ältere Partnerschaften.