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Wirtschaftsausschuss

Wirtschaftsausschuss: Begriff, Funktion und rechtliche Einordnung

Ein Wirtschaftsausschuss ist ein betriebsverfassungsrechtliches Gremium auf Unternehmensebene. Er dient der systematischen Unterrichtung über wirtschaftliche Angelegenheiten des Unternehmens gegenüber der Interessenvertretung der Beschäftigten. Der Wirtschaftsausschuss bereitet wirtschaftsbezogene Themen für den Betriebsrat auf, fördert Transparenz über die wirtschaftliche Lage und Entwicklung und schafft damit eine Grundlage für informierte betriebliche Mitbestimmung. Er tritt nicht selbst als Verhandlungspartner für mitbestimmungspflichtige Maßnahmen auf; seine Kernaufgabe ist die Information, Beratung und Zuarbeit.

Voraussetzungen für die Bildung

Schwellenwert und Geltungsbereich

Ein Wirtschaftsausschuss ist in Unternehmen mit in der Regel mehr als 100 ständig beschäftigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern einzurichten. Maßgeblich ist die regelmäßige, nicht nur vorübergehende Beschäftigtenzahl des Unternehmens als wirtschaftlicher Einheit. Der Wirtschaftsausschuss setzt einen bestehenden Betriebsrat voraus; ohne Betriebsrat wird kein Wirtschaftsausschuss gebildet. In kleineren Unternehmen unterhalb des Schwellenwerts besteht keine Pflicht zur Einrichtung.

Unternehmens- und Konzernstrukturen

In Unternehmensgruppen kann neben den Wirtschaftsausschüssen der einzelnen Unternehmen ein Gremium auf Gruppenebene gebildet werden, das konzernweit relevante wirtschaftliche Vorgänge bündelt. In Unternehmen mit mehreren Betrieben koordiniert regelmäßig ein zentrales Gremium die unternehmensweiten wirtschaftlichen Themen. Diese übergeordneten Ausschüsse dienen der Zusammenführung von Informationen, insbesondere bei konzernweiten Maßnahmen mit Auswirkungen auf Beschäftigung und Standorte.

Zusammensetzung und Bestellung

Größe und Mitgliederkreis

Der Wirtschaftsausschuss besteht aus drei bis sieben Mitgliedern. Sie werden aus dem Kreis der Beschäftigten des Unternehmens bestellt. Mitglieder sollen über Kenntnisse in wirtschaftlichen Angelegenheiten verfügen oder diese erwerben können. Mindestens eine Person gehört dem Betriebsrat an. Leitende Angestellte im Sinne der Unternehmensleitung gehören dem Gremium nicht an.

Bestellung, Amtszeit, Abberufung

Die Mitglieder werden vom Betriebsrat bestellt und können von diesem auch wieder abberufen werden. Die Amtszeit orientiert sich regelmäßig an der Amtszeit des Betriebsrats. Bei Ausscheiden einzelner Mitglieder erfolgt eine Nachbenennung. Das Gremium organisiert seine Arbeit eigenständig und wählt üblicherweise eine Leitung innerhalb des Ausschusses.

Aufgaben und Informationsrechte

Unterrichtungspflichten des Arbeitgebers

Die Unternehmensleitung hat den Wirtschaftsausschuss rechtzeitig und umfassend über wirtschaftliche Angelegenheiten zu unterrichten und diese mit ihm zu beraten. Die Unterrichtung umfasst insbesondere:

  • wirtschaftliche Lage (Ertrags-, Finanz- und Vermögenssituation) und deren voraussichtliche Entwicklung,
  • Produktions-, Auftrags- und Absatzlage,
  • Investitionsvorhaben, Rationalisierungen und wesentliche Digitalisierungsprojekte mit Auswirkung auf die Arbeitsorganisation,
  • Änderungen des Produktionsprogramms sowie Forschung und Entwicklung mit Beschäftigungsauswirkungen,
  • betriebsorganisatorische Maßnahmen von erheblicher Bedeutung, etwa Einschränkungen, Stilllegungen, Verlegungen, Zusammenschlüsse oder die Veräußerung wesentlicher Unternehmensteile,
  • Beschäftigungs- und Personalplanung einschließlich Qualifikationsbedarf.

Die Unterrichtung hat so frühzeitig zu erfolgen, dass eine sachgerechte Erörterung möglich ist. Ziel ist, dem Betriebsrat eine fundierte Grundlage für seine Aufgaben zu verschaffen.

Regelmäßige Sitzungen und Ablauf

Der Wirtschaftsausschuss tagt regelmäßig mit Vertretungen der Unternehmensleitung, typischerweise einmal im Monat. Anlassbezogene zusätzliche Sitzungen sind möglich. Die besprochenen Themen werden dem Betriebsrat berichtet. Sitzungen können unter Beachtung der geltenden rechtlichen Rahmenbedingungen in Präsenz oder in Form von Video- oder Telefonkonferenzen stattfinden.

Einsichts- und Vorlageansprüche

Für eine ordnungsgemäße Unterrichtung sind die erforderlichen Unterlagen vorzulegen oder zugänglich zu machen, soweit dies für Verständnis und Erörterung der wirtschaftlichen Angelegenheiten notwendig ist. Dazu können Planungs-, Investitions- und Finanzunterlagen, Berichte zur Auftragslage sowie organisatorische Konzepte gehören. Dabei sind Geheimnisschutz und Verhältnismäßigkeit zu beachten.

Verhältnis zum Betriebsrat und anderen Gremien

Der Wirtschaftsausschuss ist ein Hilfs- und Vorbereitungsorgan des Betriebsrats in wirtschaftlichen Fragen. Er trifft keine mitbestimmten Entscheidungen gegenüber der Unternehmensleitung; diese verbleiben beim Betriebsrat. Der Wirtschaftsausschuss berichtet dem Betriebsrat und unterstützt ihn in Verfahren, die wirtschaftliche Hintergründe betreffen, etwa bei größeren betrieblichen Änderungen. Soweit im Unternehmen ein Aufsichtsrat besteht, können wirtschaftliche Informationen über die Arbeitnehmervertretung im Aufsichtsrat berücksichtigt werden, um eine einheitliche Informationslage sicherzustellen.

Vertraulichkeit und Geheimnisschutz

Mitglieder des Wirtschaftsausschusses unterliegen der Verschwiegenheit über Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse sowie über als vertraulich gekennzeichnete Informationen. Die Pflicht zur Vertraulichkeit betrifft auch die Weitergabe an den Betriebsrat, wobei eine sachgerechte Information in geeigneter Form sicherzustellen ist. Eine pauschale Einstufung beliebiger Inhalte als geheim ist unzulässig; maßgeblich ist das berechtigte Interesse des Unternehmens am Geheimnisschutz.

Kosten, Arbeitszeit und Qualifizierung

Die zur ordnungsgemäßen Aufgabenerfüllung erforderlichen Sachmittel, Räume und Informationszugänge werden vom Unternehmen bereitgestellt. Mitglieder werden für die Teilnahme an Sitzungen und die notwendige Vorbereitung von der Arbeit freigestellt und behalten ihre Vergütung. Erforderliche Schulungen zur Erlangung der notwendigen wirtschaftlichen Kenntnisse können berücksichtigt werden, wenn sie der Ausschusstätigkeit dienen.

Durchsetzung und Streitklärung

Kommt es zu Meinungsverschiedenheiten über Umfang, Zeitpunkt oder Art der Unterrichtung, stehen innerbetriebliche Konfliktlösungsmechanismen zur Verfügung. In letzter Konsequenz können gerichtliche Klärungen angestrebt werden. Ziel dieser Verfahren ist die Sicherstellung einer ordnungsgemäßen und rechtzeitigen Information des Wirtschaftsausschusses.

Abgrenzungen und typische Irrtümer

  • Der Wirtschaftsausschuss ist kein Verhandlungsgremium für mitbestimmungspflichtige Maßnahmen; zuständig bleibt der Betriebsrat.
  • Er ist nicht mit dem Betriebsausschuss des Betriebsrats oder Ausschüssen des Aufsichtsrats zu verwechseln; seine Aufgabe ist die wirtschaftsbezogene Unterrichtung und Beratung.
  • Unterhalb des gesetzlichen Schwellenwerts besteht keine Pflicht zur Bildung; freiwillige Strukturen ersetzen den Wirtschaftsausschuss rechtlich nicht.

Häufig gestellte Fragen

Wann ist ein Wirtschaftsausschuss verpflichtend einzurichten?

Ein Wirtschaftsausschuss ist verpflichtend, wenn ein Unternehmen regelmäßig mehr als 100 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer beschäftigt und ein Betriebsrat besteht. Maßgeblich ist die Unternehmensperspektive, nicht die eines einzelnen Betriebs.

Wer darf Mitglied im Wirtschaftsausschuss werden?

Mitglieder werden aus dem Kreis der Beschäftigten des Unternehmens bestellt. Mindestens eine Person gehört dem Betriebsrat an. Leitende Angestellte zählen nicht zum wählbaren Personenkreis des Wirtschaftsausschusses.

Welche Informationen muss die Unternehmensleitung bereitstellen?

Bereitzustellen sind rechtzeitig und umfassend alle wesentlichen wirtschaftlichen Informationen, die für Verständnis und Erörterung der Unternehmensentwicklung relevant sind, etwa zur Finanz- und Ertragslage, Auftrags- und Absatzlage, Investitionen, Rationalisierungen, größeren organisatorischen Änderungen und zur Beschäftigungssituation.

Hat der Wirtschaftsausschuss eigene Mitbestimmungsrechte?

Nein. Der Wirtschaftsausschuss bereitet wirtschaftliche Themen vor und informiert den Betriebsrat. Mitbestimmungsrechte werden durch den Betriebsrat ausgeübt. Der Wirtschaftsausschuss fungiert als Informations- und Beratungsgremium.

Wie häufig finden Sitzungen statt?

Regelmäßig finden monatliche Sitzungen mit Vertretungen der Unternehmensleitung statt. Zusätzlich sind anlassbezogene Sitzungen möglich, wenn wesentliche wirtschaftliche Vorgänge dies erfordern.

Gilt für Mitglieder eine Verschwiegenheitspflicht?

Ja. Mitglieder sind zur Verschwiegenheit über Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse verpflichtet. Informationen dürfen an den Betriebsrat weitergegeben werden, soweit dies zur Aufgabenerfüllung erforderlich ist und der Geheimnisschutz gewahrt bleibt.

Gibt es einen Wirtschaftsausschuss auch auf Konzern- oder Unternehmensebene über einzelne Betriebe hinaus?

Ja. In Unternehmen mit mehreren Betrieben sowie in Konzernen können übergeordnete wirtschaftliche Ausschüsse gebildet werden, um konzern- bzw. unternehmensweite wirtschaftliche Angelegenheiten strukturiert zu erörtern.

Wer trägt die Kosten der Tätigkeit des Wirtschaftsausschusses?

Die notwendigen Kosten der sachgerechten Aufgabenerfüllung, einschließlich der Freistellung für Sitzungen und erforderliche Vorbereitung, trägt das Unternehmen. Benötigte Unterlagen, Räume und Informationszugänge sind bereitzustellen.