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Wildschaden


Begriff und rechtliche Grundlagen des Wildschadens

Der Begriff Wildschaden bezeichnet einen durch Wildtiere in land- oder forstwirtschaftlichen Kulturen sowie an Grundstücken verursachten Schaden. Die rechtliche Behandlung von Wildschäden ist maßgeblich im deutschen Recht, insbesondere im Bundesjagdgesetz (BJagdG) und den einzelnen Landesjagdgesetzen, geregelt. In diesem Zusammenhang stellt der Wildschaden eine Sonderform der Haftung im Bereich des Jagdrechts dar.


Definition und Arten von Wildschäden

Definition nach dem Bundesjagdgesetz

Laut § 29 BJagdG umfasst der Wildschaden denjenigen Schaden, der durch Schalenwild, Kaninchen oder Fasanen an land- oder forstwirtschaftlich genutzten Flächen entsteht. Der Begriff bezieht sich auf Schäden, die unmittelbar auf das Verhalten dieser Wildarten zurückzuführen sind, beispielsweise durch Äsen, Fegen, Schälen oder Wühlen.

Unterscheidung der Schadensarten

Es wird unterschieden zwischen:

  • Landwirtschaftlicher Wildschaden: Schäden an Feldfrüchten, Saatgut oder Ernteerzeugnissen, die durch Wildtiere verursacht werden.
  • Forstwirtschaftlicher Wildschaden: Schäden an Waldbeständen, insbesondere durch Verbeißen von Jungpflanzen oder Schäleingriffe an Baumrinde.
  • Sonstige Wildschäden: Diese können sich auf Grundstücke, Wege oder Anlagen beziehen, stehen jedoch häufig nicht im Fokus der gesetzlichen Regelungen.

Rechtliche Haftung beim Wildschaden

Verpflichtung zur Wildschadenersatzleistung

Träger der Ersatzpflicht für Wildschäden sind gemäß § 29 Abs. 1 BJagdG grundsätzlich die Inhaber des Jagdausübungsrechts (Jagdgenossenschaften oder Einzeljagdberechtigte). Diese haften gegenüber den betroffenen Eigentümern oder Nutzungsberechtigten der geschädigten Flächen.

Umfang der Ersatzpflicht

Die Ersatzpflicht umfasst nur bestimmte Wildarten (regelmäßig Schalenwild, Kaninchen und Fasanen) und bezieht sich auf Grundstücke, die land- oder forstwirtschaftlich genutzt werden. Schäden, die durch andere Wildarten oder an nichtlandwirtschaftlichen Flächen verursacht werden, sind von der gesetzlichen Ersatzpflicht grundsätzlich ausgeschlossen.

Ausschluss der Ersatzpflicht

Die Ersatzpflicht entfällt, sofern der Geschädigte nicht die zumutbaren Maßnahmen zur Schadensverhütung ergriffen hat, wie sie nach den jeweiligen Umständen erwartet werden können (§ 29 Abs. 2 BJagdG). Ebenso liegt der Ersatz ausgeschlossen vor, wenn eine Einzäunung oder anderweitige Sicherung erforderlich und möglich, aber unterlassen wurde.


Verfahren zur Geltendmachung von Wildschaden

Anzeige und Feststellungsverfahren

Die Geltendmachung eines Wildschadens setzt in den meisten Bundesländern eine fristgerechte Anzeige bei der zuständigen Behörde (in der Regel die Gemeinde) voraus. Die Frist beträgt typischerweise eine Woche ab Kenntnis des Schadens. Versäumt der Geschädigte die Anzeige, kann der Anspruch auf Ersatz entfallen.

Begutachtung und Schlichtung

Nach Eingang der Schadensmeldung erfolgt eine Begutachtung durch einen Wildschadensschätzer oder eine Kommission. Ziel ist die objektive Feststellung von Art, Ausmaß und Höhe des entstandenen Schadens. Kommt es zu keiner Einigung, besteht die Möglichkeit eines Schlichtungsverfahrens.


Höhe und Berechnung des Wildschadens

Bewertungsmaßstab

Die Ersatzhöhe orientiert sich grundsätzlich am Wiederherstellungswert beziehungsweise Ertragsausfall. Berücksichtigt werden dabei etwa der entgangene Gewinn, notwendige Wiederbepflanzung, Pflegeleistungen oder anderweitige Kosten im Zusammenhang mit der Schadensbeseitigung.

Berücksichtigung von Mitverschulden

Ein Mitverschulden des Geschädigten, etwa durch unterlassene Sicherungsmaßnahmen, wird bei der Schadensberechnung angemessen abgezogen. Ebenso findet eine Abschreibung statt, falls landwirtschaftliche Kulturen über das Risiko hinaus gefährdet waren, das gewöhnlich bei bestimmungsgemäßer Nutzung vorhanden ist.


Spezielle Regelungen im Forst- und Landwirtschaftsrecht

Forstwirtschaftliche Wildschäden

Wesentlicher Streitpunkt stellen im Bereich der Forstwirtschaft häufig Schälschäden oder Verbissschäden durch Schalenwild dar. Hierbei sind jeweils regional unterschiedliche Schwellenwerte oder Einzäunungspflichten zu beachten, wie sie in den Landesjagdgesetzen und forstwirtschaftlichen Vorschriften festgelegt sind.

Landwirtschaftliche Wildschäden

Im Ackerbau werden insbesondere Schäden an Mais, Raps, Getreide sowie Grasflächen geltend gemacht. Hier gilt es, etwaige Vorsorgemaßnahmen zu prüfen, die vom Landwirt erwartet werden können, sowie die Nachweispflicht hinsichtlich der Verursachung durch jagdberechtigungspflichtige Wildarten.


Verfahrensrechtliche Besonderheiten und gerichtliche Klärung

Schiedsverfahren und Klageweg

Streitfälle werden zunächst im Verwaltungsverfahren abgearbeitet. Bleibt eine Einigung aus, ist der ordentliche Rechtsweg, meist das zuständige Amtsgericht, eröffnet. Die Rechtsmittel und Fristen richten sich nach den allgemeinen Vorschriften.

Kostenverteilung und -übernahme

Die Kosten des Schätzverfahrens werden im Regelfall dem Unterliegenden auferlegt, es sei denn, die Parteien treffen eine anderweitige Vereinbarung oder es bestehen besondere Umstände, die eine Aufteilung erfordern.


Wildschaden in den Landesjagdgesetzen

Die Regelungen des Bundesjagdgesetzes werden durch die Landesjagdgesetze präzisiert oder ergänzt. Regionale Unterschiede betreffen insbesondere die Antragsfristen, sachliche und örtliche Zuständigkeit sowie Sondervorschriften für bestimmte Wildarten oder Kulturen. Ein Abgleich mit dem jeweiligen Landesrecht ist daher in jedem Einzelfall erforderlich.


Prävention und Vermeidung von Wildschäden

Im Interesse der Schadensminimierung werden von Gesetzgeber und Behörden verschiedene Präventionsmaßnahmen gefordert oder empfohlen:

  • Anlage von Schutzzäunen
  • Wildabwehrmittel (optische, akustische oder chemische Mittel)
  • Anpassungen im Jagdmanagement, etwa durch gezielte Bejagung
  • Vereinbarungen zwischen Land- bzw. Forstwirten und Jagdausübungsberechtigten

Fazit

Der Wildschaden ist ein rechtlich umfassend geregeltes Thema mit zahlreichen Einzelvorgaben in Bundes- und Landesrecht. Die Pflicht zur Schadensersatzleistung, das Verfahren der Schadensfeststellung, die Bemessungsgrundlagen sowie die Maßnahmen zur Prävention sind außerordentlich detailliert ausgestaltet. Betroffene sollten sich frühzeitig über die maßgeblichen Vorschriften informieren und eine enge Abstimmung mit den Jagdausübungsberechtigten sowie den zuständigen Behörden anstreben, um ihre Ansprüche wirksam geltend zu machen und unnötige Rechtsstreitigkeiten zu vermeiden.

Häufig gestellte Fragen

Wer ist im Falle eines Wildschadens grundsätzlich ersatzpflichtig?

Im rechtlichen Kontext regelt das Bundesjagdgesetz (BJagdG) in Deutschland die Ersatzpflicht für Wildschäden. Grundsätzlich ist der sogenannte Jagdausübungsberechtigte zum Ersatz verpflichtet, wenn durch Schalenwild (wie Reh-, Rot-, Dam- oder Schwarzwild) an landwirtschaftlichen, forstwirtschaftlichen oder gärtnerischen Kulturen Schäden entstehen. Dies gilt insbesondere für Pächter eines Jagdreviers, falls sie die Jagdausübungsberechtigung innehaben. Eine Ausnahme besteht, wenn ein Mitverschulden des Geschädigten vorliegt, beispielsweise wenn dieser zumutbare Schutzmaßnahmen (z.B. Einzäunungen) unterlassen hat. Ebenso besteht keine Ersatzpflicht, wenn der Schaden vorsätzlich durch den Geschädigten verursacht wurde oder durch nicht ersatzpflichtiges Wild verursacht wurde, etwa bei Federwild. Die exakte gesetzliche Grundlage hierfür bildet § 29 BJagdG, ergänzt durch landesrechtliche Bestimmungen.

Welche Schäden werden als ersatzfähige Wildschäden anerkannt?

Ersatzfähig sind ausschließlich die durch jagdbare Wildarten verursachten unmittelbaren Schäden an sogenannten Grundflächen, insbesondere an landwirtschaftlich, forstwirtschaftlich oder erwerbsgärtnerisch genutzten Flächen. Erfasst sind dabei Schäden an Nutzpflanzen, Bäumen oder Saatgütern, nicht jedoch mittelbare Schäden wie etwa Ernteausfälle in Folgejahren oder Schäden an Maschinen und Bewässerungseinrichtungen. Wichtig ist, dass der Schaden eindeutig einer bestimmten Wildart und einer bestimmten Schadenszeit zugeordnet werden kann. Schäden durch nicht geschützte oder nicht jagdbare Tiere (wie Mäuse, Kaninchen oder Haustiere) sind nicht ersatzfähig. Auch Wildunfälle auf öffentlichen Straßen fallen nicht unter den Begriff des ersatzfähigen Wildschadens im Sinne des Jagdrechts, sondern hier greifen regelmäßig die Regelungen aus dem Straßenverkehrsrecht oder aus Versicherungsbedingungen.

Wie muss der Anspruch auf Wildschadensersatz geltend gemacht werden?

Nach den Vorgaben des § 34 BJagdG ist der Geschädigte verpflichtet, den Wildschaden unverzüglich, also ohne schuldhaftes Zögern, bei der zuständigen Gemeinde (beziehungsweise Gemeindeverwaltung) anzuzeigen. Die Anzeigefrist beträgt in der Regel eine Woche nach Kenntniserlangung des Schadens. Versäumt der Geschädigte diese Frist, verliert er in aller Regel seinen Anspruch auf Ersatz. Die Gemeinde leitet das Feststellungsverfahren ein und setzt einen Wildschadensschätzer zur Begutachtung und Feststellung des Schadens ein. Das daraus resultierende Gutachten ist Grundlage für die Höhe des zu leistenden Ersatzes. Die genaue Abwicklung und Fristenregelung können sich je nach Landesrecht unterscheiden.

Wie wird die Höhe des Wildschadens rechtlich ermittelt und wer trägt die Beweislast?

Die Schadenshöhe wird im Rahmen eines behördlichen Wildschadensverfahrens durch einen von der Gemeinde bestellten Wildschadensschätzer festgestellt. Maßgeblich ist der tatsächliche, zum Feststellungszeitpunkt vorhandene Schaden an den betroffenen Kulturen. Grundlage für die Berechnung bildet die übliche, durchschnittliche Ertragslage unter Berücksichtigung regionaler und standortbezogener Besonderheiten. Der Geschädigte trägt die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen und den Umfang des Schadens. Kann ein ordnungsgemäßer Wildschaden nicht nachgewiesen werden, besteht kein Anspruch auf Ersatz. Beide Parteien, sowohl der Ersatzpflichtige als auch der Geschädigte, können gegen die Feststellung des Schätzerberichts Einspruch einlegen und unter Umständen vor den Zivilgerichten klagen.

Gibt es Ausschlussgründe für die Ersatzpflicht beim Wildschaden?

Ja, das Jagdrecht kennt zahlreiche Ausschlussgründe. Dazu zählt insbesondere das Mitverschulden des Geschädigten, wenn er zumutbare Abwehrmaßnahmen unterlassen hat. Hierzu gehören beispielsweise das Errichten von Zäunen bei hochgefährdeten Kulturen oder der Einsatz von Wildabwehrmitteln. Ein weiterer Ausschluss besteht, wenn der Geschädigte den Schaden nicht fristgerecht oder gar nicht anzeigt. Schäden, die während landwirtschaftlicher Tätigkeiten wie Mähen oder Ernten verursacht wurden (z.B. durch aufgescheuchtes Wild), sind grundsätzlich nicht ersatzfähig. Darüber hinaus sind Schäden durch nicht ersatzpflichtige Wildarten sowie an privaten Gärten, Hausgärten oder Zierpflanzen in der Regel ausgeschlossen.

In welchem Verfahren erfolgt die Festsetzung des Wildschadens und welche Rechtsmittel bestehen?

Die Feststellung des Wildschadens und die Festsetzung der Ersatzleistung erfolgen in einem Verwaltungsverfahren. Der Wildschadensschätzer wird von der Gemeinde bestellt, nimmt den Schaden vor Ort auf und erstellt ein Gutachten zur Schadenshöhe. Beide Parteien können gegen die Entscheidung beziehungsweise das Ergebnis des Schadensschätzers innerhalb einer festgesetzten Frist Widerspruch einlegen. Im Streitfall kann der Anspruch im Zivilrechtsweg, auch vor den ordentlichen Gerichten, durchgesetzt werden. In manchen Bundesländern besteht darüber hinaus die Möglichkeit eines verwaltungsinternen Schlichtungsverfahrens, bevor der Rechtsweg zu den Gerichten eröffnet ist. Alle getroffenen Entscheidungen müssen den Beteiligten förmlich zugestellt werden.

Welche Bedeutung hat die Wildschadenkasse oder eine Jagdhaftpflichtversicherung?

Viele Jagdpächter oder Jagdausübungsberechtigte sind gesetzlich oder satzungsmäßig verpflichtet, einer Wildschadenkasse beizutreten oder eine Jagdhaftpflichtversicherung abzuschließen. Diese Einrichtungen übernehmen im Schadensfall die Regulierung berechtigter Ersatzansprüche und entlasten damit den einzelnen Jagdausübungsberechtigten vom Risiko erheblicher Ersatzleistungen. Der Versicherungsschutz erstreckt sich in der Regel ausschließlich auf Schäden, die im Sinne des Jagdrechts ersatzpflichtig sind und die ordnungsgemäß angezeigt wurden. Schäden, die nicht unter den Versicherungsschutz fallen, müssen gegebenenfalls privat reguliert werden. Die genauen Leistungen und Deckungsumfänge ergeben sich aus den jeweiligen Versicherungsbedingungen beziehungsweise aus den Satzungen der Wildschadenskassen.