Legal Lexikon

Wildfolge


Begriff und Bedeutung der Wildfolge

Die Wildfolge ist ein rechtlicher Begriff aus dem Bereich des deutschen Jagdrechts. Sie bezeichnet das Recht und in bestimmten Fällen auch die Pflicht eines Jägers, verletztes Wild, das sich nach dem Schuss in ein benachbartes Jagdrevier oder auf fremdes Gelände flüchtet, nachzuverfolgen, um dieses zu erlegen oder das verendete Tier zu bergen. Die Regelungen zur Wildfolge dienen sowohl der Waidgerechtigkeit als auch dem Tierschutz und sind zentraler Bestandteil der Jagdausübung in Deutschland sowie in Teilen des schweizerischen und österreichischen Rechts.


Rechtliche Grundlagen in Deutschland

Gesetzliche Regelungen

Die Wildfolge ist im deutschen Jagdgesetzbuch (BJagdG) sowie den jeweiligen Landesjagdgesetzen geregelt. Konkret normiert § 22 Abs. 1 BJagdG das Vorgehen bei der Nachsuche auf Wild, das nach dem Schuss flüchtet oder verwundet wurde.

§ 22 Abs. 1 Bundesjagdgesetz (BJagdG):

„Das Such- und Fangrecht an krankgeschossenem oder in anderer Weise verletztem Wild erstreckt sich über die Reviergrenzen hinaus bis zum Ort der Erlegung oder zum Auffinden des verendeten Wildes.“

Aus dieser gesetzlichen Vorgabe leitet sich ab, dass die Wildfolge grundsätzlich erlaubt und notwendig ist, um unnötigem Leiden des Wildes vorzubeugen.

Voraussetzungen für die Wildfolge

Folgende Bedingungen sind für die Wildfolge zu beachten:

  • Verletztes Wild: Die Nachsuche muss aus tierschutzrechtlichen Gründen oftmals unmittelbar erfolgen, wenn eine Verfolgung Verletzungen beim Wild schnellstmöglich beenden soll.
  • Grenzüberschreitung: Das Wild muss nachweislich in ein angrenzendes, fremdes Jagdrevier geflüchtet sein.
  • Anzeigepflicht und Zustimmung: Vor der Nachsuche im fremden Revier muss oftmals die vorherige Zustimmung des benachbarten Jagdausübungsberechtigten eingeholt werden, es sei denn, eine unmittelbare Nachsuche ist erforderlich, um ein weiteres Leiden des Tieres zu verhindern.

Ablauf der Wildfolge

Die Wildfolge beginnt mit der Feststellung, dass ein Stück Wild verletzt die Reviergrenze überschreitet. Im weiteren Verlauf gelten folgende Regeln:

  • Unverzügliche Benachrichtigung: Der Jagdausübungsberechtigte des betroffenen Nachbarreviers ist unverzüglich zu informieren.
  • Begleitung: Im Regelfall ist eine Nachsuche nur im Beisein des Jagdausübungsberechtigten des fremden Reviers zulässig.
  • Beuterrecht: Das erlegte oder aufgefundene Wild wird in der Regel dem Ursprungsjäger zugesprochen, der die Nachsuche vorgenommen hat, unabhängig davon, ob das Wild auf fremdem Grund zur Strecke gekommen ist.

Einschränkungen und Ausnahmen

Die Wildfolge ist auf bestimmte Bereiche beschränkt und unterliegt weiteren Einschränkungen:

  • Privates Eigentum: Grundstücke, die eindeutig als befriedet gelten (z. B. Hofanlagen, Wohnbereiche, befriedete Bezirke), dürfen im Rahmen der Wildfolge meist nicht betreten werden, es sei denn, der Eigentümer gestattet dies ausdrücklich oder ein akuter Notfall des Tierschutzes liegt vor.
  • Öffentliche Sicherheit: Privatgrundstücke, Bahnlinien, Autobahnen oder militärische Sperrgebiete sind von der Wildfolge in vielen Fällen ausgeschlossen.
  • Tatbestandsmäßigkeit: Die Verfolgung von nicht verletztem Wild über die Reviergrenze hinaus ist nicht von der Wildfolge gedeckt und stellt eine Ordnungswidrigkeit oder Straftat dar.

Aspekte des Tierschutzes

Ein zentrales Ziel der Wildfolge ist die Vermeidung von vermeidbarem Leiden des Wildes. Nach § 17 Tierschutzgesetz ist es untersagt, einem Tier ohne vernünftigen Grund erhebliche Schmerzen, Leiden oder Schäden zuzufügen. Die unverzügliche Nachsuche auf angeschossenes oder verletztes Wild im Rahmen der Wildfolge folgt direkt aus dieser gesetzlichen Verpflichtung zum aktiven Tierschutz.


Wildfolge in Österreich und der Schweiz

Auch im österreichischen und schweizerischen Jagdrecht ist die Wildfolge verankert. Die Regelungen ähneln den deutschen Vorschriften, können in Details jedoch voneinander abweichen. Die wichtigsten Elemente – etwa Zustimmungspflichten, Anzeige- und Informationspflichten sowie Ausnahmen – sind auch hier geregelt, stets mit der Zielsetzung, Tierschutz und Waidgerechtigkeit zu gewährleisten.


Bedeutung für Jagdausübungsberechtigte

Für Jagdpächter und Revierjäger ergibt sich aus der Wildfolge eine doppelte Verantwortung:

  • Waidgerechtigkeit: Die Pflicht zur Wildfolge stellt einen Grundsatz waidgerechten Handelns dar, da sie sicherstellt, dass verletztes Wild schnell und tierschutzkonform aufgefunden und erlöst wird.
  • Revierübergreifende Zusammenarbeit: Die Pflicht zur Zusammenarbeit und gegenseitigen Information stärkt das nachbarschaftliche Verhältnis zwischen Revierinhabern und verhindert Konflikte im Jagdbetrieb.

Praxisfragen und Konfliktpotenzial

Im jagdlichen Alltag kommt es nicht selten zu Meinungsverschiedenheiten hinsichtlich des Ablaufs und der Rechte aus der Wildfolge. Konfliktpotenziale bestehen insbesondere bei Uneinigkeit über die Ursache der Verletzung, die Notwendigkeit der Nachsuche oder Betretungsrechte auf sensiblen Flächen. Eine rechtssichere Dokumentation des Sachverhalts und eine enge Absprache sind zur Risikominimierung empfehlenswert.


Zusammenfassung und Bedeutung

Die Wildfolge ist ein zentrales Element des Jagdrechts, das den Schutz verletzten Wildes und die tierschutzkonforme Jagdausübung sicherstellt. Ihre umfassende gesetzliche Regelung schafft Rechtssicherheit und trägt dazu bei, jagdliche Interessenkonflikte zu minimieren, die waidgerechte Behandlung des Wildes zu gewährleisten und die Zusammenarbeit zwischen benachbarten Jagdreviere zu fördern. Sie ist damit ein wichtiger Bestandteil des verantwortungsvollen Umgangs mit Wildbeständen und der nachhaltigen Bewirtschaftung heimischer Jagdgebiete.

Häufig gestellte Fragen

Wer ist für die Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben zur Wildfolge verantwortlich?

Für die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften zur Wildfolge ist in erster Linie derjenige Jäger verantwortlich, der das Wild verwundet hat und dem das Erlegen zugerechnet werden kann. Neben der Verantwortung des einzelnen Jagdausübungsberechtigten ergeben sich zudem Verpflichtungen aus den landesrechtlichen Jagdgesetzen, die sowohl dem Revierinhaber als auch Jagdgästen oder Berufsjägern auferlegt werden. Wildfolge darf nie eigenmächtig, sondern nur unter Berücksichtigung der rechtlichen Bestimmungen, insbesondere hinsichtlich des Betretens fremder Jagdreviere und der Zustimmung des jeweils zuständigen Jagdausübungsberechtigten, durchgeführt werden. Um Konflikte und mögliche Straftaten zu vermeiden, ist vor einer Wildfolge immer die Zustimmung des Revierinhabers einzuholen; wird diese ohne wichtigen Grund verweigert, besteht in bestimmten Fällen ein gesetzliches Betretungsrecht. Versäumnisse bei der Wildfolge können sowohl zivilrechtliche als auch strafrechtliche Folgen, etwa wegen Jagdwilderei, nach sich ziehen.

Welche rechtlichen Schritte müssen bei der Wildfolge auf ein Nachbarrevier beachtet werden?

Sobald es zur Nachsuche auf ein benachbartes Jagdrevier kommt, verlangt das Bundesjagdgesetz (§ 22 Abs. 4 BJagdG) sowie die Landesjagdgesetze unverzüglich, den betroffenen Nachbarrevierinhaber zu benachrichtigen und dessen Zustimmung einzuholen. Die Nachsuche darf nur mit Wissen und unter Umständen auch in Begleitung eines Berechtigten des Nachbarreviers erfolgen. Es besteht keine generelle Berechtigung zur Jagdausübung im fremden Revier, sondern ausschließlich das Recht zur Nachsuche auf krankgeschossenes Wild im Rahmen der sogenannten Wildfolge. Verweigert der Nachbar die Nachsuche ohne triftigen Grund, haben die Jagdbehörden ein Vermittlungsrecht, um tierschutzgerechtes Handeln sicherzustellen und Rechtsverstöße zu verhindern.

Welche rechtlichen Unterschiede bestehen zwischen federwild und Schalenwild bezüglich der Wildfolge?

Das Bundesjagdgesetz unterscheidet bei der Wildfolge zwischen Federwild (z. B. Enten, Gänse, Fasanen) und Schalenwild (z. B. Rehwild, Schwarzwild, Rotwild). Bei Federwild ist die Wildfolge meist weniger restriktiv, da die Nachsuche oft binnen kurzer Zeit erfolgen muss. Bei Schalenwild bestehen aus tierschutzrechtlichen Gründen und wegen des höheren Wertes strengere Vorgaben. Es gelten detaillierte Vereinbarungen hinsichtlich der erforderlichen Meldung und der Begleitung des Nachsucheberechtigten durch den Revierinhaber oder einen Beauftragten. Die Beantragung, Durchführung und Dokumentation der Nachsuche sind insbesondere bei Schalenwild in vielen Bundesländern explizit geregelt.

Welche Konsequenzen drohen bei Missachtung der rechtlichen Vorgaben zur Wildfolge?

Die Verletzung der gesetzlichen Vorschriften im Rahmen der Wildfolge kann erhebliche straf- und ordnungsrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen. Wer ein Nachbarrevier ohne die erforderliche Zustimmung betritt oder dort sogar die Nachsuche durchführt, kann sich des Hausfriedensbruchs oder der Jagdwilderei (§ 292 StGB) schuldig machen. Darüber hinaus sind auch Verstöße gegen das Tierschutzgesetz möglich, wenn krankgeschossenes Wild nicht ordnungsgemäß nachgesucht wird. Geldbußen, der Entzug des Jagdscheines oder disziplinarische Maßnahmen gegenüber Jagdausübungsberechtigten können zusätzliche Sanktionen darstellen.

Muss der Einsatz von Nachsuchhunden bei der Wildfolge rechtlich gesondert geregelt werden?

Der Einsatz von Nachsuchhunden ist in den meisten deutschen Landesjagdgesetzen zwingend vorgeschrieben, wenn Wild nachgesucht werden muss, insbesondere bei Schalenwild. Alle gesetzlichen Regelungen zur Wildfolge gelten gleichermaßen für begleitende Hunde und Nachsucheführer. In einigen Ländern ist verlangt, dass nur geprüfte und für Nachsuchen geeignete Hunde eingesetzt werden dürfen. Auch das Betreten eines fremden Jagdreviers mit Hund unterliegt denselben rechtlichen Grenzen; der Revierinhaber muss informiert werden und kann die Nachsuche unter bestimmten Umständen begleiten oder verweigern.

Welche Mitteilungspflichten bestehen nach Abschluss einer Wildfolge im Nachbarrevier?

Nach Durchführung der Wildfolge im Nachbarrevier ist der betroffene Revierinhaber unverzüglich über das Ergebnis der Nachsuche zu informieren. Jegliche Handlungen, wie das Erlegen, Auffinden oder Verenden des Wildes, müssen dokumentiert und gemeldet werden. Dies gilt unabhängig davon, ob das Wild lebend, tot oder nicht auffindbar aufgefunden wurde. Die Sorgfalts- und Informationspflicht dient sowohl der Konfliktvermeidung als auch der Einhaltung jagdrechtlicher und tierschutzrechtlicher Bestimmungen.

Wie wird im Streitfall über eine verweigerte Wildfolge rechtlich weiter verfahren?

Kommt es zu Unstimmigkeiten oder einer ungerechtfertigten Verweigerung der Wildfolge durch den Nachbarrevierinhaber, kann der Jagdausübungsberechtigte Kontakt zur zuständigen unteren Jagdbehörde aufnehmen. Diese kann vermitteln oder entscheiden, ob eine Nachsuche dennoch erfolgen darf oder wie das weitere Vorgehen zu gestalten ist. Die Behörden achten darauf, dass sowohl tierschutzrechtliche Vorgaben eingehalten als auch eigentumsrechtliche Belange der Revierinhaber gewahrt bleiben. Eine generelle Verpflichtung zur Duldung der Nachsuche kann von der Behörde angeordnet werden, insbesondere wenn eine tierschutzgerechte Nachsuche im Vordergrund steht.