Begriff und Definition der Wiederverheiratungsklausel
Die Wiederverheiratungsklausel ist eine vertragliche oder letztwillige Bestimmung, insbesondere im Zusammenhang mit Eheverträgen, Erbverträgen, Testamenten und Schenkungsverträgen, die rechtliche Folgen an das Ereignis einer erneuten Eheschließung einer bestimmten Person, meist des überlebenden Ehegatten, knüpft. Ziel dieser Klausel ist es typischerweise, das Vermögen innerhalb einer bestimmten Familie zu halten und einen Vermögensabfluss an Dritte (potentielle neue Ehepartner) zu verhindern. Die Wiederverheiratungsklausel ist insbesondere im deutschen Erbrecht und Familienrecht von Bedeutung.
Rechtliche Grundlagen und Anwendungsbereiche
Erbrechtliche Wiederverheiratungsklausel
Funktion im Testament und Erbvertrag
Im Erbrecht wird die Wiederverheiratungsklausel häufig als sogenannte „Einsetzung des Ehegatten als Vorerben mit Auflage“ verwendet. Dies bedeutet, dass der überlebende Ehepartner nur unter bestimmten Voraussetzungen, etwa im Falle der Nicht-Wiederverheiratung, Alleinerbe oder Vorerbe wird. Im Falle einer Wiederverheiratung kann die Erbschaft zugunsten anderer Personen (häufig gemeinsamer Kinder oder Angehöriger der Erblasserfamilie) entzogen oder beschränkt werden. Klassische Formulierungen finden sich in gemeinschaftlichen Testamenten, wie z. B. dem Berliner Testament.
Regelung im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB)
Das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) enthält keine speziellen Regelungen zur Wiederverheiratungsklausel, jedoch werden solche Klauseln im Rahmen der Testierfreiheit nach § 1937 BGB und den normierten Bindungswirkungen bei Ehegattentestamenten und Erbverträgen grundsätzlich anerkannt.
Schenkungsverträge zu Lebzeiten
Auch im Zusammenhang mit Schenkungen kann eine Wiederverheiratungsklausel als Rückfallrecht ausgestaltet werden: Die Schenkung wird etwa unter der auflösenden Bedingung vereinbart, dass der Beschenkte im Falle einer erneuten Eheschließung das Geschenkte zurückgeben muss oder das Nutzungsrecht daran verliert.
Familienrechtliche Bedeutung
Eine besondere Rolle spielt die Wiederverheiratungsklausel im Ehegattenunterhalt. Hier findet sie vor allem bei Trennungs- und Scheidungsfolgenvereinbarungen Anwendung, etwa indem geregelt wird, dass mit Wiederverheiratung ein Anspruch auf Unterhalt erlischt oder reduziert wird (§ 1579 Nr. 2 BGB). Auch bei Gütertrennungs- und Zugewinnausgleichsvereinbarungen findet die Klausel Anwendung.
Typische Gestaltungsformen
Vorerbschaftslösung
Die am häufigsten anzutreffende Form ist die Einsetzung des überlebenden Ehegatten als Vorerben mit einer Nachvermächtigung zugunsten gemeinsamer Kinder, sofern der überlebende Ehegatte wieder heiratet. Der Zweck ist, das Familienvermögen im Verwandtenkreis zu behalten. Eine typische Formulierung könnte lauten: „Unser überlebender Ehegatte soll Vorerbe sein, unsere Kinder Nacherben, falls der überlebende Ehepartner wieder heiratet.“
Auflagen- oder Bedingungslösung
Die erbrechtliche Position des überlebenden Ehepartners wird mit einer auflösenden Bedingung oder der Auflage verbunden, im Falle einer Wiederverheiratung den Nachlass (ganz oder teilweise) an die Kinder oder andere benannte Begünstigte herauszugeben.
Rückforderungsrechte bei Schenkung
Im Schenkungsrecht kann ein Widerrufsvorbehalt für den Fall einer Wiederverheiratung vereinbart werden. Dies ist zulässig, solange keine sittenwidrige Benachteiligung vorliegt (vgl. § 812 BGB).
Zulässigkeit und Grenzen der Wiederverheiratungsklausel
Rechtliche Wirksamkeit
Wiederverheiratungsklauseln sind grundsätzlich zulässig, solange sie mit den zwingenden gesetzlichen Vorschriften und dem Gedanken der Testierfreiheit in Einklang stehen. Sie dürfen nicht gegen gesetzliche Verbote, die guten Sitten (§ 138 BGB) oder das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Begünstigten verstoßen.
Sittenwidrigkeit und Rechtsprechung
Die Rechtsprechung sieht eine Wiederverheiratungsklausel dann als sittenwidrig oder unwirksam an, wenn durch sie eine unzumutbare Belastung für den überlebenden Ehepartner entsteht. Unzulässig wäre etwa ein vollständiger Ausschluss sämtlicher Rechte, der den Begünstigten in seiner Lebensgestaltung unangemessen beeinträchtigt oder zur „Ehefeindlichkeit“ führt. Die Schwelle zur Sittenwidrigkeit wird etwa überschritten, wenn die finanzielle Existenz des Ehegatten durch die Klausel im Falle einer Wiederverheiratung gänzlich aufgehoben wird (so etwa BGH, Urteil v. 22. November 2007 – IV ZR 74/06).
Berücksichtigung Pflichtteilsrecht
Wird durch eine Wiederverheiratungsklausel veranlasst, dass der überlebende Ehegatte im Falle der Wiederverheiratung von der Erbfolge ausgeschlossen wird, ist stets das Pflichtteilsrecht zu beachten. Ein Pflichtteilsanspruch kann durch die Klausel nicht ausgeschlossen werden (§ 2303 BGB).
Steuerliche Aspekte
Im Hinblick auf Erbschaft- und Schenkungsteuer kann die Wiederverheiratung als auslösendes Ereignis zu einer Steuerpflicht führen, etwa wenn durch die Klausel eine Rückübertragung oder Vermögensverschiebung bewirkt wird (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG). Hierbei empfiehlt sich eine genaue Abstimmung mit den steuerrechtlichen Rahmenbedingungen.
Internationale Aspekte
In internationalen Sachverhalten ist zu prüfen, welches Recht auf die erbrechtlichen oder familienrechtlichen Vereinbarungen Anwendung findet. Die Wiederverheiratungsklausel ist in den meisten europäischen Rechtsordnungen bekannt, ihre Wirksamkeit und Reichweite kann jedoch von den Grundsätzen des jeweiligen nationalen Familien- und Erbrechts abweichen.
Zusammenfassung
Die Wiederverheiratungsklausel ist ein bedeutendes rechtliches Instrument zur Sicherung von Familienvermögen und zur steuerlichen sowie familiären Vorsorge. Sie muss sorgfältig gestaltet werden, um die rechtlichen Grenzen einzuhalten, insbesondere im Hinblick auf Sittenwidrigkeit, Testierfreiheit und Pflichtteilsrecht. Die praktische Relevanz erstreckt sich auf das Erbrecht, das Familienrecht und das Schenkungsrecht und spielt zudem in steuerlichen und internationalen Zusammenhängen eine wichtige Rolle.
Weiterführende Literatur und Rechtsprechung
- Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), insbesondere §§ 1937, 2303, 2192 ff.
- ErbStG – Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz, § 9 Abs. 1 Nr. 1
- BGH, Urteil vom 22. November 2007 – IV ZR 74/06
- Staudinger, Kommentar zum BGB, Erbrecht
- Münchener Kommentar zum BGB, Familienrecht, Erbrecht
Dieser Artikel bietet eine umfassende und thematisch breit gefächerte Darstellung zur Wiederverheiratungsklausel und ihrer rechtlichen Bedeutung.
Häufig gestellte Fragen
Welche rechtlichen Auswirkungen hat die Wiederverheiratungsklausel auf den Anspruch auf eine Hinterbliebenenrente?
Die sogenannte Wiederverheiratungsklausel regelt im deutschen Recht, insbesondere im Zusammenhang mit Renten- oder Versorgungsansprüchen von Hinterbliebenen, die Beendigung solcher Ansprüche im Falle einer erneuten Eheschließung der berechtigten Person. Beispielhaft ist dies bei der gesetzlichen Witwen- und Witwerrente gemäß § 46 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) der Fall: Heiratet die oder der Hinterbliebene erneut, endet der Rentenanspruch grundsätzlich mit dem letzten Tag des Monats der Wiederverheiratung. Im Gegenzug erhält die betroffene Person eine sogenannte „Wiedereinheiratungsabfindung“, eine einmalige Kapitalzahlung. Diese Regelung verhindert eine Doppelbegünstigung und ist Ausdruck des Grundsatzes, dass die Hinterbliebenenversorgung der Absicherung nach dem Tod des Ehepartners dient und nicht über die Neugründung einer Versorgungsgemeinschaft hinaus fortbestehen soll. Eine analoge Regelung findet sich häufig auch in betrieblichen Versorgungswerken und privaten Lebensversicherungsverträgen.
Gilt die Wiederverheiratungsklausel auch bei gleichgeschlechtlichen Ehen?
Die rechtliche Gleichstellung eingetragener Lebenspartnerschaften und später auch gleichgeschlechtlicher Ehen hat dazu geführt, dass die Wiederverheiratungsklausel uneingeschränkt für alle Eheformen Anwendung findet. Seit Inkrafttreten des Gesetzes zur Einführung des Rechts auf Eheschließung für Personen gleichen Geschlechts am 1. Oktober 2017 besteht in allen relevanten Rechtsvorschriften, etwa im SGB VI oder im Beamtenversorgungsrecht, kein Unterschied mehr zwischen hetero- und homosexuellen Ehen. Die Rechtsfolgen einer Wiederverheiratung – also insbesondere der Wegfall des Rentenanspruchs und der Anspruch auf eine Abfindung – treffen somit alle Hinterbliebenen gleichermaßen, unabhängig von der rechtlichen Ausgestaltung der Partnerschaft.
Wie verhält sich die Wiederverheiratungsklausel bei Lebenspartnerschaften, die vor 2017 geschlossen wurden?
Für Lebenspartnerschaften nach dem Lebenspartnerschaftsgesetz (LPartG), die vor Einführung der Ehe für Alle geschlossen wurden, galten bereits ähnliche Regelungen bezüglich der Hinterbliebenenversorgung und der Anwendung der Wiederverheiratungsklausel. Mit der vollständigen Gleichstellung durch das Gesetz zur Eheöffnung wurde auch die Anwendbarkeit der Klausel auf bestehende Lebenspartnerschaften klargestellt. Eine Wiederverpartnerung (also die Begründung einer neuen eingetragenen Lebenspartnerschaft oder Ehe) führt entsprechend zum Entfallen des Anspruchs auf Hinterbliebenenrente, analog zu verheirateten Paaren. Auch hier besteht Anspruch auf eine einmalige Abfindung entsprechend der gesetzlichen Regelungen.
Gibt es Ausnahmen oder Härtefallregelungen im Zusammenhang mit der Wiederverheiratungsklausel?
Das Gesetz sieht grundsätzlich keine Ausnahmen von der Wiederverheiratungsklausel vor, da sie zwingendes Recht ist. Auch Härtefallregelungen sind im Regelfall nicht vorgesehen. Die Einstellung der Rentenzahlung infolge erneuter Eheschließung ist obligatorisch und kann nicht durch einen Antrag oder durch Billigkeitserwägungen umgangen werden. Auch die Höhe der Abfindung ist abschließend gesetzlich geregelt. Es bleibt immer nur der Anspruch auf die Einmalzahlung, die sich an der für die nächsten 24 Monate zustehenden Rente orientiert. Sonderregelungen können ggf. in betrieblichen oder privaten (insbesondere internationalen) Versorgungswerken bestehen, sollten jedoch stets im Rahmen der vertraglichen Bestimmungen geprüft werden.
Was geschieht bei einer Aufhebung der neuen Ehe oder Lebenspartnerschaft?
Eine nachträgliche Aufhebung oder Scheidung der neuen Ehe/Lebenspartnerschaft führt nicht dazu, dass der alte Rentenanspruch wieder auflebt. Der einmalige Rechtsverlust durch Wiederverheiratung ist unwiderruflich, und der Anspruch auf die Hinterbliebenenrente kann dadurch nicht wiederhergestellt werden. Dies wurde von der Rechtsprechung mehrfach bestätigt, da ein Wiederaufleben des Versorgungsbedarfs in diesen Fällen grundsätzlich ausgeschlossen werden soll. Betroffene sollten daher die Entscheidung zur erneuten Eheschließung oder Eintragung einer Lebenspartnerschaft unter Berücksichtigung dieser Folgen abwägen.
Muss die Wiederverheiratung den Versorgungsträgern angezeigt werden?
Ja, jeder Renten- oder Versorgungsberechtigte ist gesetzlich verpflichtet, Änderungen in den für den Rentenanspruch maßgeblichen Verhältnissen, einschließlich einer Wiederverheiratung oder erneuten Lebenspartnerschaft, unverzüglich dem zuständigen Rentenversicherungsträger oder der zuständigen Versorgungseinrichtung zu melden. Kommt der Berechtigte dieser Pflicht nicht nach und bezieht er die Rente weiterhin zu Unrecht, besteht eine Rückzahlungsverpflichtung hinsichtlich der unberechtigt gezogenen Leistungen. In schweren Fällen kann dies als Sozialleistungsbetrug strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen.
Welche Besonderheiten gelten bei privaten Versorgungsverträgen im Zusammenhang mit der Wiederverheiratungsklausel?
Private (kapitalgedeckte) Lebens- und Rentenversicherungsverträge können Wiederverheiratungsklauseln enthalten, deren genaue Ausgestaltung jedoch vertraglich festgelegt wird und somit variieren kann. Es ist ratsam, die jeweiligen Vertragsbedingungen genau zu prüfen, da sowohl der Umfang des Versorgungsausfalls als auch die Höhe und Berechnung einer etwaigen Abfindung unterschiedlich geregelt sein können. In manchen Verträgen erfolgt ein vollständiger Anspruchsverlust, in anderen wird lediglich die Leistung reduziert oder zeitlich befristet weitergezahlt. Vertragliche Regelungen gehen etwaigen gesetzlichen Bestimmungen, sofern anwendbar, grundsätzlich vor – außer, es handelt sich um zwingendes öffentliches Recht.