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Wiederverheiratungsklausel

Wiederverheiratungsklausel: Begriff, Zweck und Einsatzbereiche

Eine Wiederverheiratungsklausel ist eine Verfügung, mit der für den Fall einer erneuten Heirat oder einer vergleichbaren neuen Partnerschaft bestimmte Vermögensfolgen festgelegt werden. Am häufigsten kommt sie in letztwilligen Verfügungen vor, insbesondere in gemeinschaftlichen Ehegattentestamenten (oft als Berliner Testament) oder in Erbverträgen. Ziel ist es in der Regel, das Familienvermögen nach dem Tod des Erstversterbenden zu sichern und zu verhindern, dass es im Zuge einer neuen Ehe mittelbar in einen anderen Familienverband abfließt. Typische Wirkungen sind etwa das frühere Anwachsen des Nachlasses auf die Kinder, die Umwandlung von Erbrechten in Nutzungsrechte oder die Rückforderung von zugewendetem Vermögen.

Rechtsnatur und Einordnung

Testamentarische Anordnung

Als testamentarische Regelung knüpft die Wiederverheiratungsklausel die Rechtsstellung des überlebenden Ehegatten an eine Bedingung: Heiratet er erneut, ändern sich Erbquoten, Nutzungsrechte oder Herausgabepflichten. Diese bedingten Anordnungen können als aufschiebend (Wirkung entsteht erst bei Wiederheirat) oder auflösend (ein zuvor gewährtes Recht entfällt bei Wiederheirat) gestaltet sein.

Erbvertragliche Bindungen

Wird die Klausel in einem Erbvertrag oder einem wechselbezüglichen gemeinschaftlichen Testament vereinbart, entfaltet sie nach dem ersten Erbfall regelmäßig Bindungswirkung. Der überlebende Ehegatte ist dann an die festgelegte Vermögensnachfolge und die Auslösetatbestände gebunden.

Schenkungen und Zuwendungen unter Bedingungen

Wiederverheiratungsklauseln finden sich auch bei Schenkungen zu Lebzeiten. Der Zuwendende behält sich für den Fall einer Wiederheirat Rückforderungs- oder Anpassungsrechte vor, etwa um Verfügungen rückgängig zu machen oder in Nutzungsrechte umzuwandeln.

Typische Ausgestaltungen

Vor- und Nacherbfolge mit Rückfall bei Wiederheirat

Funktionsweise

Der überlebende Ehegatte wird zunächst Vorerbe; die Kinder werden als Nacherben eingesetzt. Tritt eine Wiederverheiratung ein, endet die Vorerbschaft vorzeitig, und der Nachlass fällt an die Nacherben. Für Immobilien kann ein Nacherbenvermerk zur Sicherung eingetragen werden.

Zielsetzung

Diese Gestaltung schützt das Vermögen, indem sie die Weiterleitung an die nächste Generation steuert und eine Vermischung mit dem Vermögen eines neuen Ehepartners begrenzt.

Auflösende oder aufschiebende Bedingung

Eine auflösende Bedingung lässt ein zuvor eingeräumtes Recht (z. B. Erbquote, Nießbrauch, Wohnrecht) bei Wiederheirat entfallen oder in ein schwächeres Recht übergehen. Eine aufschiebende Bedingung bewirkt, dass bestimmte Rechte erst bei Wiederheirat entstehen, etwa ein Rückforderungsanspruch der Kinder.

Auflage und Rückforderungsrecht

Die Klausel kann als Auflage formuliert sein: Der überlebende Ehegatte hat beim Eintreten der Wiederheirat bestimmte Handlungen vorzunehmen, zum Beispiel die Auskehr eines festgelegten Vermögensanteils an die Kinder. Alternativ kann ein ausdrückliches Rückforderungsrecht der übrigen Bedachten vorgesehen sein.

Vermächtnislösungen und Nutzungsrechte

Beliebt sind Lösungen, die dem überlebenden Ehegatten Nutzungsrechte (z. B. Nießbrauch am Familienheim, Wohnrecht oder eine wiederverheiratungsabhängige Versorgungsrente) zuweisen. Heiratet er erneut, wird das Nutzungsrecht abgeschwächt, befristet oder ersetzt.

Zulässigkeitsgrenzen und Wirksamkeit

Schranken des Persönlichkeits- und Familienrechts

Klauseln dürfen die Freiheit zur Eheschließung nicht unzumutbar beeinträchtigen. Regelungen, die als Druckmittel ein faktisches Heiratsverbot bewirken oder unverhältnismäßige Nachteile auslösen, können unwirksam sein. Zulässig sind Gestaltungen, die primär der Nachlasssteuerung dienen und in einem angemessenen Verhältnis zum Sicherungsziel stehen.

Unangemessene Heiratsbeschränkung

Besonders kritisch sind Formulierungen, die den überlebenden Ehegatten dauerhaft ohne angemessene Versorgung stellen würden. Anerkannt sind hingegen abgestufte Modelle, die Versorgung bis zur Wiederheirat sichern und danach eine geordnete Vermögensüberleitung vorsehen.

Transparenz und Bestimmtheit

Die Klausel muss klar bestimmen, welches Ereignis die Rechtsfolge auslöst (z. B. standesamtliche Eheschließung) und welche Konsequenzen konkret eintreten. Unklare Begriffe wie „feste Lebensgemeinschaft“ können Auslegungsfragen aufwerfen; eindeutige Anknüpfungspunkte erhöhen die Rechtssicherheit.

Folgen im Erbfall

Auswirkungen auf den länger lebenden Ehegatten

Der überlebende Ehegatte kann Rechte verlieren (z. B. Erbquote, Nutzungsrecht) oder zur Herausgabe von Vermögenswerten verpflichtet sein. Häufig wird eine Übergangs- oder Versorgungsregel vorgesehen, um den bisherigen Lebensstandard zu berücksichtigen.

Auswirkungen auf Kinder und weitere Bedachte

Die Kinder profitieren in der Regel durch eine frühere oder umfassendere Erbfolge, sobald die Wiederheirat eintritt. Sind weitere Personen als Nacherben eingesetzt, richtet sich die Reihenfolge nach der im Testament festgelegten Ordnung.

Pflichtteil und Pflichtteilsrisiken

Pflichtteilsrechte bleiben von Wiederverheiratungsklauseln unberührt. Allerdings können sie die zeitliche Lage der Erbfolge und damit die Bewertung von Ansprüchen beeinflussen. In gemeinschaftlichen Testamenten kann eine Pflichtteilsstrafklausel neben der Wiederverheiratungsklausel bestehen; beide Instrumente verfolgen unterschiedliche Zwecke.

Bezug zu Güterstand und Zugewinnausgleich

Die güterrechtliche Lage (etwa Zugewinngemeinschaft, Gütertrennung oder Gütergemeinschaft) wirkt sich auf die Vermögensverteilung vor und nach dem ersten Erbfall aus. Wiederverheiratungsklauseln werden hierauf abgestimmt, um ungewollte Verschiebungen zu vermeiden. Sie können güterrechtliche Ausgleichsansprüche nicht ersetzen, aber deren praktische Bedeutung mindern oder zeitlich verschieben.

Vollzug und Durchsetzung

Testamentsvollstreckung und Nachlassverwaltung

Zur Umsetzung kann eine Testamentsvollstreckung angeordnet werden. Der Testamentsvollstrecker überwacht Bedingungen, veranlasst Auskehrungen und schützt die Rechte der Nacherben.

Grundbuch und Sicherungsmechanismen

Bei Immobilien wird häufig ein Nacherbenvermerk eingetragen. Bedingte Rechte und Rückforderungsabreden lassen sich so sichern. Bei Eintritt der Wiederheirat dient der Vermerk als Grundlage für Umschreibungen.

Bank- und Depotwerte

Für Konten und Depots können Verwahr- oder Zustimmungserfordernisse vorgesehen werden. Die Verfügungsbefugnis des überlebenden Ehegatten kann bei Eintritt der Bedingung enden oder eingeschränkt werden.

Steuerliche Aspekte

Der Eintritt einer Wiederverheiratungsklausel kann zu einem zusätzlichen steuerlichen Erwerb führen oder die zeitliche Abfolge von Besteuerungsvorgängen verändern. Auch die Bewertung von Nutzungsrechten und deren Wegfall kann sich auswirken. Die konkrete Belastung hängt von persönlichen Freibeträgen, Steuerklassen und der Vermögensstruktur ab.

Internationale Bezüge

Bei grenzüberschreitenden Sachverhalten richtet sich die maßgebliche Erbordnung regelmäßig nach dem letzten gewöhnlichen Aufenthalt des Erblassers oder einer getroffenen Rechtswahl. Wiederverheiratungsklauseln können in anderen Rechtsordnungen anders bewertet werden. Für Anerkennung und Vollzug sind klare Formulierungen und eine eindeutige Anknüpfung an das anwendbare Recht von Vorteil.

Abgrenzungen und verwandte Regelungen

Vom Begriff zu unterscheiden sind Regelungen außerhalb des Erbrechts, etwa das Ende einer Hinterbliebenenversorgung bei Wiederheirat oder die Beendigung bestimmter Unterhaltsansprüche. In erbrechtlichen Verfügungen dient die Wiederverheiratungsklausel allein der Steuerung der Vermögensnachfolge.

Risiken und typische Fehlerquellen

  • Unklare Auslöseereignisse (z. B. unbestimmte Begriffe ohne Beweismaßstab)
  • Unverhältnismäßige Sanktionen ohne angemessene Versorgungslösung
  • Fehlende Absicherung im Grundbuch oder bei Konten
  • Unbeabsichtigte Wechselwirkungen mit Pflichtteilsrechten und Güterrecht
  • Nicht abgestimmte internationale Bezüge bei Auslandsvermögen oder Wohnsitzwechsel

Häufig gestellte Fragen

Was versteht man unter einer Wiederverheiratungsklausel?

Darunter fällt eine Verfügung, die die Rechtsstellung des überlebenden Ehegatten vom Eintritt einer erneuten Eheschließung oder einer vergleichbaren Partnerschaft abhängig macht und bei Eintritt dieses Ereignisses Vermögensfolgen auslöst, etwa die vorzeitige Erbfolge der Kinder.

Wann tritt eine Wiederverheiratungsklausel in Kraft?

Sie wirkt, sobald das im Text definierte Ereignis eintritt. Regelmäßig ist dies die rechtsgültige Eheschließung. Je nach Formulierung können auch andere, klar bestimmbare Partnerschaftstatbestände erfasst sein.

Ist eine Wiederverheiratungsklausel rechtlich zulässig?

Solche Klauseln sind grundsätzlich anerkannt, sofern sie nicht unverhältnismäßig in die Eheschließungsfreiheit eingreifen und in einem angemessenen Verhältnis zur geordneten Vermögensnachfolge stehen. Überzogene Sanktionen können unwirksam sein.

Erfasst die Klausel auch nichteheliche Lebensgemeinschaften?

Nur, wenn dies ausdrücklich und hinreichend bestimmt geregelt ist. Allgemeine Formulierungen ohne klare Kriterien können Auslegungsprobleme verursachen und die Durchsetzung erschweren.

Welche Auswirkungen hat die Klausel auf Pflichtteilsrechte?

Pflichtteilsrechte bestehen unabhängig fort. Die Klausel kann jedoch den Zeitpunkt oder Umfang der Erbfolge beeinflussen und damit mittelbar auf die Bewertung von Ansprüchen wirken.

Was geschieht mit Immobilien, wenn die Klausel greift?

Bei Eintritt der Bedingung können Eigentumsrechte auf die Nacherben übergehen oder Nutzungsrechte des überlebenden Ehegatten enden. Ein vorhandener Nacherbenvermerk erleichtert die Umsetzung im Grundbuch.

Gilt die Klausel auch bei Eheschließung im Ausland oder eingetragenen Partnerschaften?

Das hängt von der Formulierung und dem anwendbaren Recht ab. Wird die Klausel an die rechtsgültige Eheschließung geknüpft, erfasst sie auch wirksam geschlossene Ehen im Ausland. Eingetragene Partnerschaften oder vergleichbare Institute sind nur umfasst, wenn dies klar vorgesehen ist.