Begriff und rechtliche Einordnung der Wiederverheiratung
Wiederverheiratung bezeichnet die Eingehung einer neuen Ehe nach Auflösung einer vorherigen Ehe durch Scheidung, Aufhebung oder Tod des früheren Ehegatten. Der Begriff erfasst ausschließlich die zivilrechtlich wirksame Eheschließung vor dem Standesamt. Eine religiöse Zeremonie allein begründet keine Ehe im Rechtssinn. Die Wiederverheiratung führt zu einem neuen familienrechtlichen Status mit eigenständigen Rechten und Pflichten gegenüber dem neuen Ehegatten und wirkt sich auf bestehende Rechtsverhältnisse aus früheren Beziehungen aus.
Voraussetzungen der Wiederverheiratung
Auflösung der Vorehe
Voraussetzung ist, dass eine frühere Ehe wirksam beendet wurde. Dies erfolgt durch den rechtskräftigen Scheidungsbeschluss, durch Aufhebung oder durch den Tod des früheren Ehegatten. Eine neue Ehe darf nicht eingegangen werden, solange eine bestehende Ehe fortbesteht. Mehrfachehen sind unzulässig.
Ehefähigkeit und Eheschließung vor dem Standesamt
Für eine Wiederverheiratung gelten die allgemeinen Ehevoraussetzungen. Dazu gehören die volle Eheschließungsfähigkeit, die Geschäftsfähigkeit und das Fehlen von Eheverboten (etwa Verwandtschaft in gerader Linie). Die Eheschließung erfolgt vor dem Standesamt. Der frühere Personenstand ist durch entsprechende Nachweise zu belegen, insbesondere die wirksame Auflösung der Vorehe.
Anerkennung ausländischer Entscheidungen
Wurde eine frühere Ehe im Ausland geschieden oder aufgehoben, kann eine förmliche Anerkennung der Entscheidung in Deutschland erforderlich sein. Ohne eine solche Anerkennung gilt die Vorehe unter Umständen fort, was eine Wiederverheiratung rechtlich hindert. Innerhalb bestimmter Staatenverbünde können vereinfachte Anerkennungsmechanismen bestehen.
Rechtsfolgen der Wiederverheiratung
Unterhalt und Versorgung
Nachehelicher Unterhalt
Die Wiederverheiratung einer unterhaltsberechtigten Person führt in der Regel zum Wegfall ihres Anspruchs auf nachehelichen Unterhalt aus der früheren Ehe. Bereits geleistete Unterhaltszahlungen bleiben hiervon unberührt. Unterhaltspflichten gegenüber gemeinsamen Kindern aus der Vorehe bestehen unabhängig von der Wiederverheiratung fort.
Hinterbliebenenversorgung
Witwen- oder Witwerrenten sowie ähnliche Hinterbliebenenleistungen können durch Wiederverheiratung entfallen. Teilweise ist anstelle der laufenden Leistung eine Abfindung vorgesehen. Die konkrete Ausgestaltung richtet sich nach dem jeweils einschlägigen Versorgungssystem.
Versorgungsausgleich
Der im Rahmen einer früheren Scheidung durchgeführte Versorgungsausgleich bleibt unberührt. Bei einer späteren Scheidung aus einer neuen Ehe wird über die in der neuen Ehezeit erworbenen Anrechte gesondert entschieden.
Güterrecht und Vermögen
Mit der neuen Ehe entsteht ein neuer güterrechtlicher Rahmen. Ohne besondere Vereinbarung gilt in Deutschland grundsätzlich die Zugewinngemeinschaft. Vermögen und Verbindlichkeiten aus der Zeit vor der neuen Ehe bleiben davon unberührt, soweit keine gemeinsame Verpflichtung begründet wird. Eine Wiederverheiratung begründet keine allgemeine Haftung für Schulden des neuen Ehegatten.
Steuerliche Auswirkungen
Die Wiederverheiratung eröffnet die Möglichkeit der gemeinsamen steuerlichen Veranlagung und beeinflusst die Einordnung in Steuerklassen. Welche Kombination in Betracht kommt, hängt von den individuellen Einkommensverhältnissen ab. Änderungen wirken sich regelmäßig erst ab dem auf die Eheschließung folgenden Zeitraum aus, für den die steuerliche Einordnung gilt.
Name und Abstammung
Ehenamen
Mit der Wiederverheiratung können die Ehegatten einen gemeinsamen Ehenamen bestimmen oder ihre bisherigen Namen fortführen. Namen von Kindern aus früheren Beziehungen werden durch die neue Eheschließung nicht automatisch geändert.
Abstammungsvermutungen und Geburt eines Kindes
Die rechtliche Vaterschaft richtet sich unter anderem nach der Ehe zum Zeitpunkt der Geburt. Wird ein Kind während der neuen Ehe geboren, gilt der neue Ehegatte als rechtlicher Vater. Wird ein Kind innerhalb einer bestimmten Frist nach Auflösung der Vorehe geboren, können Abstammungsvermutungen die rechtliche Zuordnung beeinflussen. Die Wiederverheiratung kann diese Zuordnung ändern, wenn sie vor der Geburt erfolgt.
Elternschaft, Sorge und Stiefeltern
Alltagssorge und Vertretung
Der neue Ehegatte erwirbt nicht automatisch die elterliche Sorge für Kinder aus früheren Beziehungen. Er kann jedoch in Angelegenheiten des täglichen Lebens mitwirken, wenn der sorgeberechtigte Elternteil zustimmt oder gesetzliche Mitwirkungsrechte bestehen. Entscheidungen von erheblicher Bedeutung bleiben dem oder den sorgeberechtigten Eltern vorbehalten.
Stiefkindadoption
Durch eine Stiefkindadoption kann ein rechtliches Eltern-Kind-Verhältnis zum Kind des Ehegatten begründet werden. Dies hat weitreichende Folgen, insbesondere im Unterhalts- und Erbrecht. Eine Adoption setzt besondere persönliche und rechtliche Voraussetzungen voraus und bedarf der gerichtlichen Entscheidung.
Erbrechtliche Folgen
Mit der Wiederverheiratung entsteht ein gesetzliches Erbrecht des neuen Ehegatten. Kinder aus früheren und aus der neuen Beziehung sind erbrechtlich grundsätzlich gleichgestellt. Frühere letztwillige Verfügungen oder gemeinschaftliche Testamente können ihre Wirkung verloren haben oder weiterhin fortgelten, abhängig von ihrem Inhalt und von späteren Änderungen. Die neue Ehe begründet zudem Pflichtteilsrechte des Ehegatten.
Sozialleistungen und Versicherung
Die Wiederverheiratung kann Auswirkungen auf sozialrechtliche Leistungen haben, etwa in der gesetzlichen Krankenversicherung (Familienversicherung), bei Hinterbliebenenrenten oder bei einkommensabhängigen Leistungen. Für minderjährige Kinder ändert sich an bestehenden Ansprüchen regelmäßig nichts, soweit deren Voraussetzungen unabhängig vom Ehestatus der Eltern bestehen.
Besonderheiten bei binationalen Ehen
Bei einer Wiederverheiratung mit Auslandsbezug können Fragen des anwendbaren Rechts, der Anerkennung von Personenstandsfällen sowie des Aufenthaltsrechts auftreten. Der Personenstandsnachweis und die Anerkennung ausländischer Entscheidungen sind häufig zentral. Güterrechtliche Wirkungen können je nach Anknüpfung international unterschiedlich ausfallen; in Teilen Europas gelten hierfür eigenständige Verordnungen mit Kollisionsregeln.
Abgrenzungen und verwandte Begriffe
Die Wiederverheiratung ist abzugrenzen von der bloßen religiösen Trauung ohne standesamtliche Eheschließung, die keine zivilrechtlichen Wirkungen entfaltet. Die Umwandlung einer früheren eingetragenen Lebenspartnerschaft in eine Ehe ist keine Wiederverheiratung im engeren Sinne, wohl aber kann nach Auflösung einer Lebenspartnerschaft eine Ehe eingegangen werden, die dann als neue Eheschließung gilt.
Häufig gestellte Fragen
Wann ist eine Wiederverheiratung rechtlich zulässig?
Eine Wiederverheiratung ist zulässig, wenn die frühere Ehe wirksam beendet ist, die Eheschließungsfähigkeit vorliegt und keine Eheverbote bestehen. Bei ausländischen Scheidungen kann eine Anerkennung erforderlich sein.
Gibt es Warte- oder Sperrfristen vor einer Wiederverheiratung?
Allgemeine Wartefristen bestehen nicht. Historische Fristen wurden abgeschafft. Relevant bleibt, dass die Auflösung der Vorehe endgültig ist.
Welche Auswirkungen hat die Wiederverheiratung auf nachehelichen Unterhalt?
Der Anspruch der wiederverheirateten unterhaltsberechtigten Person gegenüber dem früheren Ehegatten entfällt im Regelfall. Unterhaltspflichten gegenüber gemeinsamen Kindern aus der Vorehe bleiben bestehen.
Was bedeutet die Wiederverheiratung für die Witwen- oder Witwerrente?
Hinterbliebenenrenten enden regelmäßig mit der Wiederverheiratung, teils gegen Abfindung. Die genaue Ausgestaltung richtet sich nach dem jeweiligen Versorgungssystem.
Wie wirkt sich die Wiederverheiratung auf das Erbrecht aus?
Der neue Ehegatte erhält ein gesetzliches Erbrecht und Pflichtteilsrechte. Kinder aus früheren Beziehungen bleiben erbberechtigt. Frühere Verfügungen von Todes wegen können angepasst werden müssen, je nach ihrem Inhalt.
Muss eine ausländische Scheidung anerkannt werden, bevor eine Wiederverheiratung möglich ist?
Ja, häufig ist eine förmliche Anerkennung erforderlich, damit die Vorehe als aufgelöst gilt. In bestimmten zwischenstaatlichen Konstellationen gelten vereinfachte Regelungen.
Hat die Wiederverheiratung Auswirkungen auf die rechtliche Vaterschaft bei Geburt eines Kindes?
Wird ein Kind während der neuen Ehe geboren, gilt der neue Ehegatte als rechtlicher Vater. Bei Geburten kurz nach Auflösung der Vorehe können besondere Abstammungsvermutungen eingreifen.
Ändern sich Steuerklasse und Krankenversicherung durch die Wiederverheiratung?
Die Eheschließung wirkt sich auf die Wahl der Steuerklassen und die Möglichkeit der gemeinsamen Veranlagung aus. In der gesetzlichen Krankenversicherung kann eine Familienversicherung in Betracht kommen, sofern die Voraussetzungen vorliegen.