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Whitewash


Begriff und rechtlicher Kontext von Whitewash

Der Begriff Whitewash bezeichnet im rechtlichen Kontext verschiedene Verfahren und Maßnahmen, die dazu dienen, bestimmte rechtliche Hindernisse oder Verbote – insbesondere im Gesellschaftsrecht und im Kapitalmarktrecht – unter Einhaltung formaler Voraussetzungen aufzuheben oder zu umgehen. Häufig wird der Begriff im Zusammenhang mit der Umgehung von Kapitalerhaltungs- oder Gläubigerschutzvorschriften verwendet, indem bestimmte Genehmigungs- oder Zustimmungsverfahren durchlaufen werden. Ursprünglich im angloamerikanischen Recht geprägt, hat Whitewash auch im deutschsprachigen Rechtskreis an Bedeutung gewonnen, insbesondere durch grenzüberschreitende Transaktionen und gesellschaftsrechtliche Umstrukturierungen.

Whitewash im Gesellschaftsrecht

Ursprung und Entwicklung

Im englischen Recht wurde das Whitewash-Verfahren eingeführt, um die strikten Beschränkungen im Zusammenhang mit Financial Assistance (finanzieller Unterstützung der Gesellschaft bei Erwerb eigener Anteile und Anteilsübertragungen) unter bestimmten Bedingungen aufzulockern. Während entsprechende Regelungen z. B. im Companies Act 1985 (UK) existieren, wurden sie später im Companies Act 2006 modifiziert.

Anwendungsbereiche

Financial Assistance

Das Whitewash-Verfahren dient insbesondere dazu, die Teilnahme einer Gesellschaft an Finanzierungsmaßnahmen zu ermöglichen, wenn z. B. ein Dritter Anteile an dieser Gesellschaft erwerben und zur Finanzierung dieses Erwerbs Sicherheiten oder Darlehen von der Zielgesellschaft selbst erhalten soll. Dies ist grundsätzlich durch Kapitalerhaltungsvorschriften untersagt (siehe §§ 71a ff. AktG und § 43 Abs. 3 GmbHG in Deutschland), kann jedoch ausnahmsweise durch bestimmte verfahrensrechtliche Vorgaben gestattet werden.

Gesellschafterbeschlüsse

Im Whitewash-Verfahren wird regelmäßig ein besonderer Gesellschafterbeschluss verlangt, der in einer Haupt- oder Gesellschafterversammlung gefasst und mit einer qualifizierten Mehrheit angenommen werden muss. Vielfach ist zudem eine Erklärung der Geschäftsleiter (Directors‘ Statement) über die Fähigkeit der Gesellschaft zur Fortführung des Geschäfts erforderlich. Diese Maßnahmen dienen dem Schutz der Gläubiger sowie der Transparenz gegenüber Gesellschaftern und Dritten.

Gläubigerschutzmaßnahmen

Im Rahmen eines Whitewashs muss die Gesellschaft häufig zusätzlich publikatorische Pflichten erfüllen, z. B. durch Bekanntmachungen, die Gläubigern die Möglichkeit geben, Widerspruch einzulegen oder Sicherheiten einzufordern.

Rechtsfolgen bei Beachtung und Verstoß

Durch die Einhaltung der Whitewash-Prozedur kann die ursprünglich verbotene Maßnahme – beispielsweise die Gewährung eines Kredits oder einer Sicherheit durch die Gesellschaft an einen Erwerber ihrer Anteile – rechtlich zulässig werden. Ein Verstoß gegen die maßgeblichen Whitewash-Vorgaben kann die Nichtigkeit der betreffenden Maßnahme, Schadensersatzansprüche oder strafrechtliche Konsequenzen zur Folge haben.

Whitewash im Kapitalmarktrecht

Marktmanipulation und Täuschung

Im Börsen- und Kapitalmarktrecht wird der Begriff Whitewash gelegentlich auf Verfahren bezogen, mit denen unerwünschte oder verbotene Markthandlungen, wie Marktmanipulation oder Täuschung, nachträglich durch Offenlegung, Nachmeldung oder die Einholung nachträglicher Zustimmungen von Aktionären oder Aufsichtsbehörden legitimiert werden. Rechtsinstrumente zur „Reinwaschung“ bestimmter Vorgänge unterliegen jedoch strengen Anforderungen, welche von den jeweiligen Börsen- und Kontrollbehörden überwacht werden.

Whitewash bei Übernahmetransaktionen und Konzernrecht

Übernahmerecht

Im Rahmen von öffentlichen Übernahmeangeboten kann ein Whitewash-Verfahren erforderlich sein, wenn ein Unternehmen eine übernahmerechtlich relevante Schwelle überschreitet und dabei die Zustimmung der übrigen Gesellschafter benötigt (z. B. „Whitewash Resolution“). Dies soll verhindern, dass Minderheitsgesellschafter unangemessen benachteiligt oder die Kontrolle über die Gesellschaft ohne ihre Zustimmung verändert wird.

Squeeze-Out und Delisting

Ähnliche Erwägungen gelten bei Squeeze-Out- oder Delisting-Verfahren, bei denen die Rechte von Minderheitsaktionären und Gläubigern gewahrt bleiben müssen. Ein Whitewash-Verfahren soll hier sicherstellen, dass diese Gruppen informiert und am Verfahren beteiligt sind bzw. angemessenen Schutz genießen.

Internationaler Vergleich

Whitewash in verschiedenen Rechtssystemen

  • United Kingdom: Umschreibende Verfahren im Rahmen der Financial Assistance gelten heute nur noch eingeschränkt, da die entsprechenden Verbote in vielen Fällen aufgehoben wurden.
  • Australien: Umfangreiche Whitewash-Regelungen im Corporations Act mit detaillierten Anforderungen an Gesellschafterbeschlüsse, Bilanzierungs- und Solvenznachweise.
  • Deutschland und europäische Länder: Nach deutschem Recht existiert eine einschränkende Linie; das Konzept des Whitewash ist rechtlich anerkannt, aber häufig wesentlich enger als im Common Law ausgestaltet.

Kritik und Rechtspolitische Einordnung

Nutzen und Risiken

Das Whitewash-Verfahren wird teils kritisch betrachtet, da es die strengen Schutzmechanismen des Gesellschafts- und Kapitalmarktrechts aufheben oder abschwächen kann. Missbrauchsmöglichkeiten bestehen insbesondere, wenn Gesellschaftermehrheiten Maßnahmen zulassen, die die Interessen von Minderheitsgesellschaftern oder Gläubigern beeinträchtigen. Andererseits ermöglicht Whitewash Flexibilität bei Restrukturierungen und Transaktionen, die unter Einhaltung formaler Anforderungen dennoch rechtssicher gestaltet werden können.

Rechtliche Grenzen und Kontrolle

Die Zulässigkeit sowie die Grenzen des Whitewashs werden durch gesetzliche Regelungen, Rechtsprechung und – im internationalen Kontext – durch europäische Richtlinien und Vorgaben der Börsenaufsicht präzisiert. Dennoch bleibt der Anwendungsbereich von Whitewash in vielen Rechtsordnungen ein sensibles Feld, das regelmäßig angepasst und überwacht wird.

Literatur und weiterführende Hinweise

Zum vertiefenden Verständnis des Whitewash im rechtlichen Kontext empfiehlt sich die Konsultation von Monographien und Fachzeitschriften aus dem Bereich Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht sowie einschlägige Entscheidungen der internationalen und nationalen Gerichte.


Zusammenfassung:
Whitewash bezeichnet im rechtlichen Kontext spezielle Verfahren, mit denen unter Erfüllung strenger Vorgaben und Beteiligung der relevanten Interessengruppen einzelne gesetzliche Verbote oder Einschränkungen insbesondere aus dem Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht ausnahmsweise aufgehoben werden können. Der Begriff findet in internationalen Rechtsordnungen breite Anwendung und ist im Hinblick auf den Gläubiger- und Minderheitenschutz sowie die Integrität der Märkte von zentraler Bedeutung.

Häufig gestellte Fragen

Welche rechtlichen Voraussetzungen müssen bei einer Whitewash-Maßnahme erfüllt sein?

Eine Whitewash-Maßnahme erfordert die Einhaltung zahlreicher gesellschaftsrechtlicher Vorgaben, die je nach nationalem Recht variieren können. Im deutschen Gesellschaftsrecht ist beispielsweise ein sogenannter „Whitewash“-Beschluss erforderlich, der regelmäßig eine qualifizierte Mehrheit der Gesellschafter voraussetzt. Vor Durchführung solcher Maßnahmen ist häufig die Erstellung eines Prüfungs- oder Bestätigungsvermerks über den Erhalt und das Fortbestehen des Stammkapitals bzw. Eigenkapitals nötig. Ferner müssen die Zahlungsfähigkeit und Überschuldung der Gesellschaft nach der Maßnahme weiterhin gegeben sein. In bestimmten Rechtsordnungen sind zudem Beteiligungs- oder Gläubigerschutzvorschriften zu beachten – etwa die Bestätigung durch einen Wirtschaftsprüfer, dass den Gläubigerinteressen ausreichend Rechnung getragen wird. Verstöße gegen diese formellen und materiellen Anforderungen machen die Whitewash-Maßnahmen anfechtbar oder nichtig und können persönliche Haftungstatbestände für die Organe begründen.

Welche rechtlichen Risiken bestehen für die Geschäftsführung bei einer unzulässigen Whitewash-Maßnahme?

Geschäftsführer und Vorstände tragen bei nicht rechtmäßig durchgeführten Whitewash-Maßnahmen ein erhebliches Haftungsrisiko. Liegen die Voraussetzungen für eine Kapitalrückzahlung, -herabsetzung oder für Finanzhilfen der Gesellschaft zugunsten von Gesellschaftern nicht vor und werden diese dennoch durchgeführt, drohen zivilrechtliche Ansprüche auf Schadensersatz seitens der Gesellschaft und – bei Insolvenz der Gesellschaft – auch Ansprüche des Insolvenzverwalters. Darüber hinaus kann unter bestimmten Umständen sogar eine deliktische Haftung oder eine strafrechtliche Verantwortlichkeit bestehen, insbesondere wenn durch die Maßnahme das Stammkapital beeinträchtigt wurde oder Gläubigerinteressen verletzt wurden. Die Sorgfaltspflichten aus §§ 43 GmbHG und § 93 AktG verpflichten die Geschäftsführung dazu, bei Whitewash-Vorgängen hohe rechtliche Standards einzuhalten und ggf. professionelle Beratung einzuholen.

Können Gläubiger gegen eine Whitewash-Maßnahme rechtlich vorgehen?

Gläubiger der Gesellschaft haben verschiedene zivilrechtliche Möglichkeiten, gegen eine Whitewash-Maßnahme vorzugehen, sofern sie dadurch in ihren Rechten beeinträchtigt werden. Insbesondere bei Maßnahmen, die zu einer Kapitalherabsetzung oder Vermögensabflüssen an Gesellschafter führen, können Gläubiger Anfechtungsklagen erheben oder Sicherheiten verlangen. Grundsätzlich sehen viele Rechtsordnungen sowohl ein zeitlich befristetes Widerspruchsrecht als auch bestimmte Schutzfristen vor, innerhalb derer Gläubiger ihre Ansprüche geltend machen oder Sicherheitsleistungen einfordern können. Wird die Maßnahme trotz berechtigten Widerspruchs durchgeführt, kann dies zur Nichtigkeit oder zumindest zur Unwirksamkeit gegenüber den Gläubigern führen. Im Insolvenzfall kommen zudem die Insolvenzanfechtung nach §§ 129 ff. InsO und Ersatzansprüche gegen Gesellschaftsorgane in Betracht.

In welchem Verhältnis steht die Whitewash-Maßnahme zu Kapitalerhaltungsgrundsätzen?

Die Whitewash-Maßnahme steht im engen Zusammenhang mit den gesetzlichen Kapitalerhaltungsgrundsätzen, wie sie insbesondere in § 30 GmbHG oder § 57 AktG für Gesellschaften in Deutschland niedergelegt sind. Nach diesen Vorschriften dürfen Zahlungen an Gesellschafter grundsätzlich nur dann erfolgen, wenn dadurch das Stamm- bzw. Grundkapital der Gesellschaft nicht angetastet wird. Eine Whitewash-Maßnahme erlaubt hiervon in engen Grenzen Ausnahmen, etwa bei der Gewährung von finanziellen Beihilfen für den Erwerb eigener Anteile, sofern durch die Maßnahme das Kapital und die Interessen der Gläubiger nicht gefährdet werden. Der Gesetzgeber regelt insoweit teils detailliert die Anforderungen an Nachweise und Beschlüsse, um Missbrauch zu verhindern und den Kapitalbestand zu schützen.

Welchen Einfluss hat das Insolvenzrecht auf Whitewash-Maßnahmen?

Das Insolvenzrecht hat maßgeblichen Einfluss auf die Wirksamkeit und Zulässigkeit von Whitewash-Maßnahmen. Vor allem Rückzahlungen, Vermögensübertragungen oder finanzielle Beihilfen an Gesellschafter in der Krise der Gesellschaft oder innerhalb bestimmter Rückgewährfristen können als (insolvenz-)anfechtbare Rechtshandlungen i.S.d. §§ 129 ff. InsO qualifiziert werden. Dies bedeutet, dass im Falle einer späteren Insolvenz der Gesellschaft der Insolvenzverwalter solche Maßnahmen rückgängig machen und die erhaltenen Beträge von den Empfängern zurückfordern kann. Darüber hinaus betont das Insolvenzrecht die Notwendigkeit, dass durch keine Whitewash-Maßnahme eine Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit ausgelöst wird, andernfalls machen sich Geschäftsleiter persönlich haftbar nach § 64 GmbHG a.F. bzw. § 15b InsO n.F. Eine genaue insolvenzrechtliche Prüfung ist daher zwingende Voraussetzung jeder Whitewash-Maßnahme.

Gibt es internationale Unterschiede in der rechtlichen Behandlung von Whitewash-Maßnahmen?

Die rechtlichen Rahmenbedingungen für Whitewash-Maßnahmen unterscheiden sich erheblich zwischen den verschiedenen Jurisdiktionen. Während Deutschland, Österreich und andere kontinentaleuropäische Länder vergleichsweise strenge Kapitalerhaltungsvorschriften und formalistische Whitewash-Prozeduren vorsehen, gelten in Common-Law-Systemen – etwa im Vereinigten Königreich – teilweise weniger restriktive Vorschriften. Dort ist die sog. „Whitewash-Prozedur“ insbesondere im Zusammenhang mit Financial Assistance durch Unternehmen verbreitet, bei der die Directors und Shareholder bestimmte Solvenz- und Kapitaltests bestätigen müssen. In einigen Ländern existieren spezifische Gläubigerschutzmechanismen, während andere einen stärkeren Fokus auf die Eigenverantwortung der Gesellschafter und der Geschäftsleitung legen. Bei grenzüberschreitenden Sachverhalten müssen daher stets die jeweiligen nationalen Anforderungen beachtet werden, um Verstöße und die damit verbundenen Haftungsgefahren zu vermeiden.