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Wettbewerbsabrede


Begriff und Definition der Wettbewerbsabrede

Eine Wettbewerbsabrede ist jede vertragliche oder sonstige Vereinbarung zwischen Unternehmen oder Unternehmensgruppen mit dem Ziel oder der Folge, den Wettbewerb zu beschränken oder auszuschalten. Wettbewerbsabreden stehen im Zentrum des Kartellrechts und sind in Deutschland insbesondere nach den Vorschriften des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) sowie nach europäischem Kartellrecht (Art. 101 AEUV) von erheblicher rechtlicher Relevanz. Sie können mündlich, schriftlich oder durch konkludentes Verhalten getroffen werden und beziehen sich regelmäßig auf Aspekte wie Preise, Produktionsmengen, Absatzgebiete, Kundengruppen oder Marktverhalten.

Rechtsgrundlagen der Wettbewerbsabrede

Deutsches Kartellrecht (Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen – GWB)

Im deutschen Recht bildet § 1 GWB das zentrale Verbot wettbewerbsbeschränkender Vereinbarungen. Danach sind alle Vereinbarungen zwischen Unternehmen, Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen, die eine Wettbewerbsbeschränkung bezwecken oder bewirken, grundsätzlich verboten und nichtig. Zu den wichtigsten Wettbewerbsabreden zählen Preisabsprachen, Gebietsabsprachen, Submissionsabsprachen und Quotenabsprachen.

Ausnahmen von diesem Verbot regelt § 2 GWB, der bestimmte Kooperationen zulässt, wenn sie zur Verbesserung der Warenerzeugung oder -verteilung oder zur Förderung des technischen bzw. wirtschaftlichen Fortschritts beitragen, ohne den Wettbewerb auszuschalten.

Europäisches Kartellrecht (Art. 101 AEUV)

Auf europäischer Ebene regelt Art. 101 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) das Verbot wettbewerbsbeschränkender Absprachen zwischen Unternehmen, die den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigen können. Eine entsprechende Absprache ist nichtig und kann mit Kartellbußen geahndet werden. Auch hier existiert ein Katalog von Ausnahmeregelungen in Art. 101 Abs. 3 AEUV.

Internationales Kartellrecht

Neben nationalem und europäischem Recht existieren auch internationale Regelwerke und Kooperationen zur Bekämpfung grenzüberschreitender Kartellabsprachen. Hierzu gehören etwa die OECD-Empfehlungen und bilaterale Abkommen zur Durchsetzung des Kartellrechts.

Erscheinungsformen der Wettbewerbsabrede

Horizontale Wettbewerbsabrede

Von einer horizontalen Wettbewerbsabrede spricht man, wenn konkurrierende Unternehmen auf derselben Marktstufe Vereinbarungen treffen. Typische Formen sind Preisabsprachen, Marktaufteilungen oder abgesprochene Produktionsquoten. Solche Abreden richten sich regelmäßig direkt gegen den freien Marktmechanismus und gelten als besonders schädlich für den Wettbewerb.

Vertikale Wettbewerbsabrede

Vertikale Wettbewerbsabreden erfolgen zwischen Unternehmen unterschiedlicher Marktstufen, etwa zwischen Herstellern und Großhändlern oder Einzelhändlern. Hierzu zählen Preisbindungen, Exklusivitätsvereinbarungen oder Gebietsschutzvereinbarungen. Die wettbewerbsrechtliche Bewertung vertikaler Absprachen ist regelmäßig differenzierter als bei horizontalen Abreden.

Sonstige Erscheinungsformen

Wettbewerbsabreden können sich auch aus abgestimmtem Verhalten ergeben, das nicht ausdrücklich vertraglich fixiert ist. Dazu zählen informelle Absprachen auf Branchentreffen oder das Verhalten in so genannten „stillen Kartellen“.

Rechtsfolgen unzulässiger Wettbewerbsabreden

Nichtigkeit der Vereinbarung

Unzulässige Wettbewerbsabreden sind von Gesetzes wegen nichtig. Das bedeutet, dass sie keine rechtliche Wirkung entfalten können und für die Parteien keinerlei verbindlichen Charakter haben.

Bußgelder und Strafen

Verstöße gegen das Kartellverbot werden durch das Bundeskartellamt beziehungsweise die Europäische Kommission verfolgt. Es können erhebliche Bußgelder verhängt werden, die sich regelmäßig nach dem Umsatz der beteiligten Unternehmen richten. Auch die persönliche Haftung von Geschäftsleitern ist möglich.

Schadensersatzansprüche

Geschädigte Marktteilnehmer haben nach § 33a GWB und Art. 101 Abs. 3 AEUV Anspruch auf Ersatz des erlittenen Schadens. Kartellgeschädigte können vor den Zivilgerichten den Ersatz etwaiger Vermögensnachteile geltend machen.

Veröffentlichungen und Auflagen

Das Bundeskartellamt kann darüber hinaus die Veröffentlichung von Sanktionen anordnen und bestimmte Verhaltensauflagen oder Abhilfemaßnahmen verfügen, um die Auswirkungen einer Wettbewerbsabrede zu beenden und den Markt wiederherzustellen.

Ausnahme- und Freistellungstatbestände

Bagatellklausel und De-minimis-Regelung

Nicht jede Wettbewerbsabrede fällt unter das generelle Verbot. So gibt es für Absprachen von geringer Marktbedeutung sogenannte Bagatellklauseln, die sowohl im deutschen als auch im europäischen Kartellrecht anerkannt sind, sofern die beteiligten Unternehmen bestimmte Umsatz- bzw. Marktanteilsschwellen nicht überschreiten.

Gruppenfreistellungsverordnungen

Bestimmte Formen der Zusammenarbeit sind durch Gruppenfreistellungsverordnungen (GVO) der EU oder gleichwertige nationale Regelungen von vornherein freigestellt, etwa im Bereich des Vertriebs oder der Technologielizenzierung, sofern bestimmte Voraussetzungen eingehalten werden. Typische Beispiele sind die Vertikal-GVO oder die Kfz-GVO.

Legale Kooperationen

Kooperationen, die der Rationalisierung, Innovation oder Marktentwicklung dienen, können unter bestimmten Bedingungen zulässig sein. Sie sind jedoch stets einer einzelfallbezogenen Prüfung zu unterziehen, ob ein Ausnahmetatbestand nach § 2 GWB oder Art. 101 Abs. 3 AEUV einschlägig ist.

Praxis und Durchsetzung

Ermittlungs- und Sanktionsbehörden

Für die Überwachung und Durchsetzung des Kartellrechts sind in Deutschland das Bundeskartellamt sowie die Landesbehörden für Wettbewerb zuständig. Auf europäischer Ebene übernimmt diese Funktion die Europäische Kommission.

Verfahren und Rechtsmittel

Das Verfahren zur Aufklärung von Wettbewerbsabreden erfolgt häufig im Rahmen von Ermittlungen durch die Kartellbehörden (Dawn Raids). Die Betroffenen haben das Recht, sich zu äußern und Rechtsmittel einzulegen. Bußgeldentscheidungen können vor den Kartellsenaten der Oberlandesgerichte beziehungsweise dem Europäischen Gerichtshof überprüft werden.

Kronzeugenregelung

Bei Entdeckung von Kartellen spielen Kronzeugenregelungen eine wichtige Rolle: Wer als erstes an die Behörden herantritt und bei der Aufklärung hilft, kann eine vollständige oder teilweise Bußgeldbefreiung erlangen (§ 81h GWB). Diese Regelung fördert die Aufdeckung und Ahndung geheimer Wettbewerbsabsprachen.

Abgrenzung zu anderen Marktverhalten

Nicht jede Abstimmung zwischen Unternehmen stellt eine unzulässige Wettbewerbsabrede dar. Legitim sind etwa Joint Ventures, strategische Allianzen oder Kooperationen im Bereich der Forschung und Entwicklung, sofern sie den Wettbewerb nicht ausschließen oder erheblich beschränken. Die genaue rechtliche Würdigung erfolgt stets im Einzelfall.

Zusammenfassung

Wettbewerbsabreden sind zentrale Regelungsgegenstände des Kartellrechts und zielen auf den Schutz des freien und funktionierenden Wettbewerbs am Markt ab. Das Verbot solcher Absprachen hat weitreichende Rechtsfolgen, reicht von Nichtigkeit der Vereinbarungen bis hin zu Bußgeldern und Schadensersatzansprüchen. Die Einschlägigkeit von Ausnahmetatbeständen und die genaue rechtliche Bewertung hängen von einer Vielzahl von Faktoren ab, insbesondere von der Art der Vereinbarung, der Stellung der beteiligten Unternehmen am Markt und den wirtschaftlichen Auswirkungen auf den Wettbewerb.

Weiterführende Literatur

  • Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB)
  • Art. 101 Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV)
  • Gruppenfreistellungsverordnung (GVO)
  • Veröffentlichungen des Bundeskartellamts und der Europäischen Kommission zum Kartellrecht
  • Literatur zur Praxis und Dogmatik des Kartellrechts

Hinweis: Dieser Artikel bietet einen umfassenden Überblick über den Begriff Wettbewerbsabrede und beleuchtet die maßgeblichen rechtlichen Grundlagen, Erscheinungsformen, Rechtsfolgen und Ausnahmetatbestände. Ziel ist eine möglichst umfassende Information zur Einordnung und rechtlichen Bewertung von Wettbewerbsabreden im deutschen und europäischen Kartellrecht.

Häufig gestellte Fragen

Welche Rechtsfolgen drohen bei einer unzulässigen Wettbewerbsabrede?

Kommt eine unzulässige Wettbewerbsabrede zustande, kann dies weitreichende zivilrechtliche und öffentlich-rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen. Zivilrechtlich sind solche Abreden gem. § 134 BGB i.V.m. Art. 101 AEUV oder § 1 GWB von Anfang an nichtig. Ansprüche auf Schadensersatz können für die durch die Abrede geschädigten Dritten entstehen, wobei insbesondere Kartellgeschädigte eine Klage auf Ersatz des ihnen entstandenen Schadens gemäß § 33a GWB erheben können. Öffentlich-rechtlich drohen darüber hinaus Bußgelder nach § 81 GWB, deren Höhe sich nach Art und Schwere des Verstoßes sowie der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Unternehmens richtet. Verstöße können zudem öffentlich bekannt gemacht werden, was den Ruf des Unternehmens nachhaltig schädigen kann. Schließlich können Auflagen und Anordnungen durch die Kartellbehörden (Bundeskartellamt, Europäische Kommission) erlassen werden, darunter Anordnungen zur Beendigung und Unterlassung der wettbewerbswidrigen Handlungen.

Wie erfolgt die Prüfung durch die Kartellbehörden im Falle eines Verdachts auf Wettbewerbsabrede?

Im Falle eines Verdachts auf eine Wettbewerbsabrede nehmen die Kartellbehörden zunächst Ermittlungen auf, die entweder durch eigene Beobachtung, durch Hinweise von Marktteilnehmern oder durch anonyme Hinweise ausgelöst werden können. Die Behörden sind gemäß § 57 GWB berechtigt, Auskunft zu verlangen, Unterlagen einzusehen und Prüfungen (Durchsuchungen) in den Geschäftsräumen der betroffenen Unternehmen vorzunehmen. Im Rahmen dieser Untersuchungen werden sämtliche relevanten Unterlagen und Kommunikationsmittel ausgewertet, Zeugen befragt und ggf. externe Gutachter hinzugezogen. Die Unternehmen sind zur Mitwirkung verpflichtet, wobei bei Verstößen empfindliche Zwangsgelder drohen. Nach Abschluss der Ermittlungen wird ein Bußgeldbescheid erlassen oder das Verfahren mangels hinreichender Beweise eingestellt.

Sind bestimmte Arten von Wettbewerbsabsprachen stets unzulässig?

Ja, bestimmte sogenannte Kernverstöße gegen das Kartellrecht sind grundsätzlich verboten und nach § 1 GWB sowie Art. 101 Abs. 1 AEUV von vornherein nichtig. Dazu zählen insbesondere Preisabsprachen, Marktaufteilungsabreden, Mengenabsprachen sowie Gebietsabsprachen zwischen Wettbewerbern. Diese „Hardcore-Vereinbarungen“ sind grundsätzlich von jeder etwaigen Freistellung ausgeschlossen und werden von den Behörden mit besonderer Konsequenz verfolgt. Lediglich in Ausnahmefällen, etwa wenn die Abrede nachweislich zu erheblichen Effizienzvorteilen führt und diese Vorteile den Nachteil für den Wettbewerb überwiegen, kann eine Einzelfallprüfung erfolgen (Art. 101 Abs. 3 AEUV).

Gibt es Möglichkeiten für Unternehmen, sich bei Kartellrechtsverstößen durch eine Kronzeugenregelung zu entlasten?

Ja, es existiert eine Kronzeugenregelung (§ 81h GWB), wonach Unternehmen, die als erste ein Kartell offenlegen und umfassend mit den Behörden kooperieren, vollständige oder teilweise Bußgeldbefreiung erlangen können. Die Voraussetzungen hierfür sind, dass das Unternehmen als erstes aussagekräftige Informationen über das Kartell liefert, die eine Durchsuchung oder einen Bußgeldbescheid ermöglichen. Auch nachfolgende Unternehmen können noch mit einer Reduktion des Bußgelds rechnen, wenn sie substanziell zur weiteren Aufklärung beitragen. Voraussetzung ist stets eine vollständige und aktive Zusammenarbeit mit den Kartellbehörden, einschließlich der Offenlegung aller relevanten Informationen und Beweismittel.

Wie lange sind Ansprüche auf Schadensersatz wegen Wettbewerbsabreden geltend zu machen?

Der Schadensersatzanspruch wegen einer Wettbewerbsabrede unterliegt den allgemeinen zivilrechtlichen Verjährungsvorschriften, wobei § 33h GWB eine spezielle zehnjährige Verjährungsfrist vorsieht. Diese beginnt mit dem Tag, an dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den Umständen, die den Anspruch begründen, sowie von der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätte erlangen müssen. Unabhängig von der Kenntnis des Gläubigers verjähren entsprechende Ansprüche spätestens 10 Jahre nach Beendigung der Zuwiderhandlung.

Können auch vertikale Wettbewerbsabreden (z.B. zwischen Herstellern und Händlern) unzulässig sein?

Auch vertikale Wettbewerbsabreden, etwa zwischen Herstellern, Großhändlern und Einzelhändlern, können gegen das Kartellrecht verstoßen. Besonders kritisch sind sogenannte Preisbindung der zweiten Hand, Gebiets- oder Kundenbeschränkungen sowie Vorgaben, die den Wettbewerb unter den Abnehmern wesentlich beeinträchtigen. Jedoch finden auf vertikale Abreden regelmäßig die Vertikal-GVO (Gruppenfreistellungsverordnung, VO (EU) 2022/720) Anwendung, wenn bestimmte Marktschwellenwerte (z.B. 30% Marktanteil) nicht überschritten werden und keine Kernbeschränkungen (wie Preisbindung) vorliegen. In jedem Fall ist eine differenzierte Einzelfallprüfung erforderlich.

Welche Rolle spielen Compliance-Maßnahmen zur Verhinderung von Wettbewerbsabsprachen in Unternehmen?

Compliance-Maßnahmen sind für Unternehmen von entscheidender Bedeutung, um das Risiko von Kartellrechtsverstößen nachhaltig zu minimieren. Durch die Implementierung wirksamer Compliance-Systeme, die unter anderem interne Schulungen, klare interne Richtlinien, regelmäßige Audits und einen Meldeweg für Verdachtsmomente (Whistleblowing) umfassen, kann das Unternehmen seine Mitarbeitenden sensibilisieren und frühzeitig auf potenziell rechtswidrige Verhaltensweisen hinweisen. Im Falle eines Verstoßes kann ein nachweislich funktionierendes Compliance-System bei der Bußgeldbemessung als mildernder Umstand berücksichtigt werden und damit erhebliche Kostenersparnisse im Falle einer Sanktionierung nach sich ziehen.