Legal Lexikon

Wiki»Legal Lexikon»Bank- und Kapitalmarktrecht»Wertpapierprospektgesetz

Wertpapierprospektgesetz

Wertpapierprospektgesetz (WpPG): Bedeutung, Zweck und Einordnung

Das Wertpapierprospektgesetz (WpPG) regelt in Deutschland, unter welchen Voraussetzungen beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel auf einem regulierten Markt ein Prospekt zu erstellen, zu billigen und zu veröffentlichen ist. Es dient dem Anlegerschutz und der Markttransparenz, indem es umfangreiche Informationspflichten für Emittenten und Anbieter normiert. Das Gesetz ist stark europäisch geprägt und setzt die Vorgaben der europäischen Prospektverordnung in nationales Recht um, insbesondere hinsichtlich Zuständigkeiten, Verfahren, Ausnahmen und Sanktionen.

Kerngedanke und Schutzziel

Das WpPG soll sicherstellen, dass potenzielle Anleger vor einer Investitionsentscheidung ein umfassendes, wahrheitsgemäßes und verständliches Bild von den angebotenen Wertpapieren und dem Emittenten erhalten. Ein gebilligter Prospekt bündelt die wesentlichen Informationen zu Risiken, Finanzlage, Geschäftsmodell, Struktur der Emission und den Rechten aus dem Wertpapier. Die Pflicht zur Veröffentlichung schafft einen einheitlichen Informationsstand und reduziert asymmetrische Informationen am Kapitalmarkt.

Einordnung in das europäische Recht

Die inhaltlichen Kernanforderungen an Prospekte ergeben sich unionsweit aus der Prospektverordnung. Das WpPG flankiert diese Vorgaben national, indem es etwa die zuständige Aufsichtsbehörde bestimmt, Verfahrensfragen regelt, nationale Erleichterungen für kleine Angebote vorsieht und Aufsichts- sowie Sanktionsinstrumente ausformt. Damit ist das WpPG das Bindeglied zwischen europäischem Prospektrecht und dessen praktischer Anwendung in Deutschland.

Anwendungsbereich des WpPG

Welche Finanzinstrumente sind erfasst?

Erfasst werden in der Regel übertragbare Wertpapiere, insbesondere Aktien, Anleihen und vergleichbare Instrumente, die am Kapitalmarkt handelbar sind. Nicht umfasst sind typischerweise reine Bankeinlagen oder bestimmte, nicht übertragbare Anlageformen. Je nach Ausgestaltung können moderne Emissionsformen, etwa tokenisierte Wertpapiere, ebenfalls unter das WpPG fallen, wenn sie als übertragbare Wertpapiere einzuordnen sind.

Vorgänge, die eine Prospektpflicht auslösen

  • Öffentliches Angebot von Wertpapieren an Anleger in Deutschland
  • Zulassung von Wertpapieren zum Handel an einem regulierten Markt in Deutschland

Als öffentliches Angebot gilt eine Kommunikation an die breite Öffentlichkeit, die ausreichend Informationen enthält, um eine Anlageentscheidung zu ermöglichen. Das kann unterschiedlichste Formen der Ansprache umfassen, etwa digitale Angebote, Printmedien oder Veranstaltungen.

Ausnahmen von der Prospektpflicht

Das WpPG und die europäische Prospektverordnung kennen Ausnahmen, zum Beispiel:

  • Angebote ausschließlich an qualifizierte Anleger
  • Angebote an eine begrenzte Anzahl nicht qualifizierter Anleger je Mitgliedstaat
  • Wertpapiere mit hoher Stückelung
  • Bestimmte Umtauschangebote, Mitarbeiterprogramme oder Unternehmensumstrukturierungen
  • Kleine Angebote unterhalb unions- oder nationaler Schwellenwerte

Kleinemissionsregime und Wertpapier-Informationsblatt

Für kleine öffentliche Angebote sieht Deutschland ein vereinfachtes Informationsformat vor: das Wertpapier-Informationsblatt. Es bietet eine kurze, standardisierte Darstellung der wesentlichen Informationen und kommt bei Emissionen innerhalb bestimmter Volumengrenzen in Betracht. Dieses nationale Regime ergänzt die unionsrechtlichen Ausnahmen und richtet sich insbesondere an kleinere Emittenten.

Inhalt und Aufbau eines Wertpapierprospekts

Mindestinhalte und Gliederung

Prospekte sind inhaltlich standardisiert und an der Art des Wertpapiers ausgerichtet. Üblich sind Bausteine wie:

  • Unternehmensbezogene Informationen (Geschäftstätigkeit, Risiken, Organisation, Finanzberichte)
  • Wertpapierbezogene Informationen (Rechte, Rang, Verzinsung, Rückzahlung, Verwässerung)
  • Zusammenfassung mit den zentralen Punkten in komprimierter Form

Die Darstellung hat vollständig, wahrheitsgemäß, klar und kohärent zu erfolgen. Prognosen und Zukunftsaussagen müssen nachvollziehbar erläutert werden.

Sprache, Form und Verständlichkeit

Prospekte müssen in einer zulässigen Sprache veröffentlicht werden und für die angesprochenen Anlegergruppen verständlich sein. Technische Fachbegriffe sind zu erläutern, Risiken deutlich herauszustellen und komplexe Strukturen nachvollziehbar darzustellen.

Werbung und Marketing

Werbemaßnahmen im Zusammenhang mit einer Emission unterliegen inhaltlichen Anforderungen. Aussagen müssen mit dem Prospekt übereinstimmen, dürfen nicht irreführen und müssen auf die Verfügbarkeit des Prospekts hinweisen. Werbliche Darstellung ersetzt niemals die Prospektinformation.

Billigung, Veröffentlichung und Geltungsdauer

Zuständige Behörde und Verfahren

In Deutschland ist die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) für die Billigung von Wertpapierprospekten zuständig. Das Billigungsverfahren prüft die formale Vollständigkeit, Kohärenz und Verständlichkeit. Inhaltliche Bewertungen zur wirtschaftlichen Zweckmäßigkeit nimmt die Behörde nicht vor. Ein gebilligter Prospekt kann im Wege des europäischen Passes auch in anderen Staaten des Europäischen Wirtschaftsraums verwendet werden.

Veröffentlichung und Zugänglichkeit

Nach Billigung muss der Prospekt öffentlich zugänglich gemacht werden, typischerweise über die Website des Emittenten oder Anbieters sowie weitere zulässige Veröffentlichungswege. Aktualisierte Fassungen und Nachträge sind eindeutig zu kennzeichnen.

Gültigkeit und Aktualisierung

Prospekte sind zeitlich begrenzt gültig. Treten während der Gültigkeit wesentliche neue Umstände, Unrichtigkeiten oder Unvollständigkeiten auf, ist ein Nachtrag zu veröffentlichen. Anleger, die bereits eine Zeichnung erklärt haben, erhalten in diesem Fall regelmäßig ein zeitlich beschränktes Rücktrittsrecht.

Verantwortlichkeit, Haftung und Sanktionen

Verantwortliche Personen

Für den Inhalt des Prospekts sind regelmäßig der Emittent, der Anbieter und gegebenenfalls weitere Beteiligte verantwortlich. Diese Verantwortlichkeit wird im Prospekt benannt und beinhaltet die Erklärung, dass die Angaben nach bestem Wissen richtig sind.

Zivilrechtliche Haftung

Falsche, irreführende oder unvollständige Prospektangaben können Schadensersatzansprüche von Anlegern auslösen. Entscheidend ist, ob die gerügten Informationen für die Anlageentscheidung wesentlich waren und ein Fehler bei Erstellung oder Veröffentlichung vorlag.

Aufsichtsrechtliche Maßnahmen und Bußgelder

Verstöße gegen Prospektpflichten können aufsichtsrechtliche Maßnahmen und Bußgelder nach sich ziehen. Dazu zählen etwa die Untersagung eines Angebots, die Veröffentlichung von Hinweisen oder die Verhängung von Geldbußen bei Pflichtverstößen.

Grenzüberschreitende Aspekte

Europäischer Pass

Ein in einem Mitgliedstaat gebilligter Prospekt kann nach entsprechender Notifikation in anderen Mitgliedstaaten verwendet werden. So wird der grenzüberschreitende Kapitalmarktverkehr innerhalb des Europäischen Wirtschaftsraums erleichtert.

Drittstaaten

Für Emissionen aus Drittstaaten gelten besondere Anforderungen. Eine Anerkennung oder Verwendung ausländischer Prospekte richtet sich nach europäischen und nationalen Vorgaben und setzt in der Regel gleichwertige Informationsstandards voraus.

Verhältnis zu anderen Regelwerken

Wertpapierhandelsrecht und Marktmissbrauch

Das WpPG steht neben weiteren kapitalmarktrechtlichen Regelungen. Pflichten zur Ad-hoc-Publizität, Insiderrecht und Marktmissbrauchsaufsicht gelten unabhängig von der Prospektpflicht und flankieren die Transparenzanforderungen.

Vermögensanlagenrecht

Nicht alle Anlageprodukte sind Wertpapiere. Für bestimmte alternative Anlageformen gelten gesonderte Informations- und Prospektpflichten nach eigenständigen Gesetzen. Die Abgrenzung hängt von der rechtlichen und wirtschaftlichen Ausgestaltung ab.

Krypto-Token und neue Emissionsformen

Werden Token als übertragbare Wertpapiere strukturiert, greifen die Prospektanforderungen des WpPG. Andernfalls können andere Regime einschlägig sein. Zudem existieren spezielle Vorschriften für elektronische Wertpapiere, die die Form, nicht aber die Prospektpflicht als solche betreffen.

Historische Entwicklung und aktuelle Tendenzen

Von der nationalen Regelung zur europäischen Prägung

Das WpPG entstand aus nationalen Prospektregelungen und wurde durch die europäische Harmonisierung grundlegend geprägt. Mit Geltung der Prospektverordnung wurden die inhaltlichen Anforderungen unionsweit vereinheitlicht, während Deutschland Verfahrens- und Sanktionsfragen national regelt.

Erleichterungen für kleine und mittlere Unternehmen

Zur Förderung des Kapitalmarktzugangs kleinerer Emittenten existieren vereinfachte Prospektformate und nationale Informationsblätter. Zeitweise wurden weitere erleichterte Formate eingeführt, um Kapitalmarktfinanzierungen in besonderen Marktphasen zu unterstützen.

Häufig gestellte Fragen zum Wertpapierprospektgesetz

Was ist das Ziel des Wertpapierprospektgesetzes?

Es soll Anlegern vor einer Investitionsentscheidung verlässliche, vollständige und verständliche Informationen bereitstellen und so Transparenz und Vertrauen am Kapitalmarkt fördern.

Wann ist ein Prospekt erforderlich?

Grundsätzlich bei einem öffentlichen Angebot von Wertpapieren in Deutschland oder bei der Zulassung von Wertpapieren zum Handel an einem regulierten Markt. Es gibt jedoch geregelte Ausnahmen und Erleichterungen.

Wer billigt den Prospekt in Deutschland?

Zuständig ist die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin). Sie prüft formale Vollständigkeit, Kohärenz und Verständlichkeit, nicht jedoch die wirtschaftliche Attraktivität der Emission.

Welche Folgen haben Fehler im Prospekt?

Unrichtige, irreführende oder unvollständige Angaben können zivilrechtliche Schadensersatzansprüche begründen und aufsichtsrechtliche Maßnahmen nach sich ziehen. Zudem kann eine Pflicht zur Veröffentlichung eines Nachtrags bestehen.

Wie lange gilt ein gebilligter Prospekt?

Die Geltungsdauer ist zeitlich begrenzt. Innerhalb dieser Zeit muss der Prospekt aktuell gehalten werden; wesentliche neue Umstände sind durch Nachtrag zu veröffentlichen, verbunden mit einem kurzzeitigen Rücktrittsrecht für bereits zeichnende Anleger.

Gibt es Ausnahmen von der Prospektpflicht?

Ja. Beispiele sind Angebote nur an qualifizierte Anleger, Angebote an eine geringe Zahl von Personen je Mitgliedstaat oder bestimmte hochstückelierte Wertpapiere. Für kleine Emissionen besteht zudem ein nationales Informationsblatt-Regime.

Kann ein in Deutschland gebilligter Prospekt im Ausland genutzt werden?

Ja, innerhalb des Europäischen Wirtschaftsraums kann ein Prospekt nach Notifikation in anderen Mitgliedstaaten verwendet werden (europäischer Pass).

Fallen Krypto-Token unter das WpPG?

Kommt es auf die rechtliche Einordnung an. Werden Token als übertragbare Wertpapiere strukturiert, greifen die Prospektvorgaben. Andernfalls können andere Informations- und Prospektregime einschlägig sein.