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Wertpapierprospektgesetz


Begriff und Bedeutung des Wertpapierprospektgesetzes

Das Wertpapierprospektgesetz (WpPG) ist ein zentrales deutsches Gesetz im Kapitalmarktrecht, das die Anforderungen und das Verfahren für die Veröffentlichung von Prospekten im Zusammenhang mit öffentlichen Angeboten von Wertpapieren und deren Zulassung zum Handel an einem organisierten Markt regelt. Das WpPG dient insbesondere dem Anlegerschutz, der Transparenz des Kapitalmarktes und der Harmonisierung mit entsprechenden europäischen Rechtsakten, namentlich der EU-Prospektverordnung (Verordnung (EU) 2017/1129).

Gesetzeszweck und Anwendungsbereich

Gesetzeszweck

Das Wertpapierprospektgesetz verfolgt das Ziel, die Öffentlichkeit umfassend über Wertpapierangebote zu informieren und dadurch informierte Investitionsentscheidungen zu ermöglichen. Durch verbindliche Prospektanforderungen sollen irreführende, unvollständige oder fehlerhafte Angaben verhindert werden. Dies stärkt das Vertrauen in den Kapitalmarkt und schützt Anleger vor Informationsdefiziten und betrügerischem Verhalten.

Anwendungsbereich

Das WpPG ist anwendbar auf alle öffentlichen Angebote von Wertpapieren sowie deren Zulassung zum Handel an organisierten Märkten im Inland. Hierunter fallen insbesondere Aktien, Schuldverschreibungen, Genussscheine und andere standardisierte Finanzinstrumente. Ausgenommen sind beispielsweise Privatplatzierungen, bei denen Wertpapiere nicht öffentlich angeboten werden, sowie bestimmte Sonderformen von Wertpapieren, wie etwa Anleihen von Staaten oder Zentralbanken.

Inhaltliche Anforderungen an den Wertpapierprospekt

Form und Inhalt des Prospekts

Gemäß den Vorgaben des WpPG und der europäischen Prospektverordnung muss ein Wertpapierprospekt alle wesentlichen Informationen enthalten, die für die Beurteilung des Emittenten und der Wertpapiere von Bedeutung sind. Hierzu zählen insbesondere:

  • Angaben zum Emittenten, etwa zu seiner Geschäftstätigkeit, Vermögens-, Finanz- und Ertragslage,
  • Beschreibung des angebotenen Wertpapiers und seiner Rechte,
  • Bedingungen und Modalitäten des Angebots sowie der Allokation,
  • Risiken, die mit den Wertpapieren und dem Emittenten verbunden sind,
  • Informationen zur Unternehmensführung.

Die Prospektangaben müssen klar, verständlich und widerspruchsfrei sein. Es besteht zudem die Pflicht, ein zusammenfassendes Dokument als Übersicht („Zusammenfassung“) für Privatanleger bereitzustellen.

Haftung und Verantwortlichkeit für den Inhalt

Für die Richtigkeit und Vollständigkeit der Prospektangaben haften grundsätzlich der Emittent, der Anbieter der Wertpapiere sowie etwaige Garantoren. Bei fehlerhaften oder unvollständigen Prospekten besteht ein umfangreicher zivilrechtlicher Schadensersatzanspruch für Anleger nach § 21 WpPG. Auch straf- und bußgeldrechtliche Sanktionen sind möglich.

Billigung und Veröffentlichung des Prospekts

Prospektpflicht und Billigungsverfahren

Vor öffentlicher Platzierung oder Zulassung der Wertpapiere zum Handel muss der Prospekt von der zuständigen Behörde, in Deutschland der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin), gebilligt werden. Die Billigung betrifft ausschließlich die formale Vollständigkeit, Kohärenz und Verständlichkeit des Prospekts; eine inhaltliche Prüfung der wirtschaftlichen Tragfähigkeit erfolgt nicht.

Veröffentlichung und Zugänglichkeit

Nach der Billigung ist der Prospekt zu veröffentlichen und muss für die Öffentlichkeit leicht zugänglich sein, etwa durch Hinterlegung auf der Internetseite des Emittenten sowie auf der Plattform der BaFin. Eine Prospektänderung („Nachtragspflicht“) ist erforderlich, wenn nach der Billigung neue, wesentliche Tatsachen bekannt werden.

Ausnahmen und Sonderregelungen

Ausnahmen von der Prospektpflicht

Das Wertpapierprospektgesetz sieht diverse Ausnahmen von der Prospektpflicht vor. Typische Ausnahmefälle betreffen u. a.:

  • Angebote, die sich ausschließlich an qualifizierte Anleger richten,
  • Angebote an weniger als 150 nicht qualifizierte Anleger pro EU-Mitgliedstaat,
  • Angebote mit einem Gesamtgegenwert von unter 1 Million Euro innerhalb von 12 Monaten,
  • Übertragbare Wertpapiere, die durch Gesellschaften mit staatsnaher Ausrichtung ausgegeben werden (z. B. Staaten, Zentralbanken).

Erleichterungen für kleinere Emissionen

Bei kleineren Emissionen oder Wertpapieren, die in besonders gestalteten Segmenten platziert werden (z. B. Wachstumssegmente), kann ein vereinfachter Prospekt oder Wertpapier-Informationsblatt zulässig sein.

Europarechtliche Einbindung und Rechtsentwicklung

Die Regelungen des Wertpapierprospektgesetzes sind maßgeblich durch die europäische Prospektverordnung geprägt. Diese Verordnung ist unmittelbar anzuwenden und regelt u. a. die Anforderungen an die Prospektinhalte sowie das Billigungsverfahren verbindlich für alle EU-Mitgliedstaaten. Das WpPG ergänzt und konkretisiert diese Vorgaben auf nationaler Ebene und regelt behördliche Zuständigkeiten sowie Sanktionen in Deutschland.

Im Zuge der europäischen Kapitalmarktunion und der fortlaufenden Angleichung der Kapitalmarktregeln auf EU-Ebene wurde das WpPG mehrfach novelliert, zuletzt im Zusammenhang mit dem Inkrafttreten der Prospektverordnung im Jahr 2019.

Sanktionen und Durchsetzung

Ordnungswidrigkeiten und Straftatbestände

Verstöße gegen die Prospektpflicht oder die inhaltlichen Anforderungen werden nach dem WpPG streng sanktioniert. Mögliche Ahndungen umfassen Bußgelder und in gravierenden Fällen auch strafrechtliche Konsequenzen. Die Sanktionen zielen darauf ab, die Integrität des Marktes zu sichern und Anleger zuverlässig zu schützen.

Durchsetzungsmechanismen

Die BaFin ist als Aufsichtsbehörde für die Überwachung der Einhaltung des Wertpapierprospektgesetzes zuständig. Sie kann unter anderem öffentliche Warnungen aussprechen, Widerrufs-, Untersagungs- oder Rücknahmeverfügungen erlassen und kontrolliert die ordnungsgemäße Veröffentlichung und Aktualisierung von Prospekten.

Bedeutung und Praxisrelevanz

Das Wertpapierprospektgesetz stellt einen unverzichtbaren Pfeiler des deutschen Kapitalmarktrechts dar. Es sichert Transparenz, Anlegervertrauen und einen funktionierenden, liquiden Kapitalmarkt. Investoren profitieren von hoher Rechtssicherheit, während Emittenten durch ein verbindliches Verfahren ihre Wertpapiere strukturieren und erfolgreich platzieren können.

Abschließend ist festzuhalten, dass das Wertpapierprospektgesetz als Bindeglied zwischen europäischem und nationalem Kapitalmarktrecht fungiert und insbesondere durch die gestiegenen aufsichtsrechtlichen Anforderungen in den letzten Jahren weiter an Bedeutung gewonnen hat. Das Gesetz wird kontinuierlich den Marktgegebenheiten und europäischen Vorgaben angepasst, um ein hohes Niveau an Informationssicherheit und Marktintegrität zu gewährleisten.

Häufig gestellte Fragen

Wann ist ein Wertpapierprospekt nach dem Wertpapierprospektgesetz (WpPG) verpflichtend zu erstellen?

Ein Wertpapierprospekt ist gemäß den rechtlichen Vorgaben des Wertpapierprospektgesetzes (WpPG) grundsätzlich dann verpflichtend zu erstellen, wenn Wertpapiere erstmals öffentlich angeboten werden oder eine Zulassung dieser Wertpapiere zum Handel an einem organisierten Markt beantragt wird. Das WpPG setzt damit die europäische Prospektverordnung (EU) 2017/1129 in nationales Recht um und regelt im Detail, unter welchen Voraussetzungen eine Prospektpflicht besteht und welche Ausnahmen hiervon möglich sind. Entscheidend ist, dass das öffentliche Angebot an nicht individuell ausgewählte Anleger gerichtet ist und eine gewisse Mindestmenge an Publikum angesprochen werden soll. Bereits die Ankündigung oder Werbung von Wertpapieren kann dabei als öffentliches Angebot gewertet werden. Der Prospekt muss zudem sämtliche wesentlichen Informationen über das Wertpapier, den Emittenten und mögliche Risiken enthalten und vor Veröffentlichung von der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) gebilligt werden. Werden Wertpapiere ohne einen gebilligten Prospekt angeboten, drohen empfindliche Sanktionen, Bußgelder und ggf. zivilrechtliche Ansprüche der Erwerber gegen den Anbieter.

Gibt es Ausnahmen von der Prospektpflicht nach dem Wertpapierprospektgesetz?

Das Wertpapierprospektgesetz sieht verschiedene Ausnahmen von der Prospektpflicht vor, die insbesondere kleine Emissionen und private Platzierungen betreffen. Ausnahmen greifen beispielsweise, wenn sich das Angebot ausschließlich an qualifizierte Anleger richtet, oder wenn sich das Angebot an weniger als 150 nicht qualifizierte Anleger pro Mitgliedstaat der Europäischen Union innerhalb von zwölf Monaten richtet. Weitere Ausnahmen gelten bei Wertpapieren, die ausschließlich von bestimmten Institutionen wie Staaten, Zentralbanken oder internationalen Organisationen begeben werden, sowie bei Emissionsvolumen unterhalb bestimmter Schwellenwerte (aktuell bei 1 Mio. Euro innerhalb von zwölf Monaten in Deutschland). Ebenfalls befreit sind Angebote, bei denen einzelne Erwerber mindestens 100.000 Euro investieren oder der Nennwert pro Wertpapier mindestens 100.000 Euro beträgt. Wichtig ist, dass diese Ausnahmen eng auszulegen sind und detaillierte Voraussetzungen geprüft werden müssen; andernfalls kann die Prospektpflicht dennoch greifen.

Wie ist das Billigungsverfahren für Wertpapierprospekte durch die BaFin ausgestaltet?

Das Billigungsverfahren für Wertpapierprospekte nach dem WpPG sieht vor, dass der Emittent oder Anbieter den vollständigen Prospektentwurf einschließlich aller verpflichtenden und freiwilligen Anlagen bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) einreicht. Die BaFin prüft dabei ausschließlich die formale Vollständigkeit, Kohärenz und Verständlichkeit der im Prospekt enthaltenen Informationen, nicht aber die wirtschaftliche Plausibilität oder Werthaltigkeit des angebotenen Wertpapiers oder des Emittenten. Die gesetzliche Regelprüffrist beträgt grundsätzlich zehn Werktage; bei Erstemittenten kann diese auf zwanzig Werktage verlängert werden. Die BaFin kann innerhalb dieser Fristen Nachbesserungen und Ergänzungen verlangen. Wird der Prospekt gebilligt, erhält der Anbieter eine offizielle Billigungsbescheinigung, und der Prospekt darf veröffentlicht werden. Erst nach erfolgter Billigung und Veröffentlichung darf ein öffentliches Angebot erfolgen; etwaige Nachträge bei wesentlichen Änderungen müssen ebenfalls gebilligt werden.

Welche zivilrechtlichen Folgen können sich bei Verstößen gegen das Wertpapierprospektgesetz ergeben?

Verstöße gegen die Prospektpflicht oder fehlerhafte Wertpapierprospekte können gravierende zivilrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen. Gemäß §§ 21 ff. WpPG haften Emittenten, Anbieter oder Prospektverantwortliche für Schäden, die Anlegern durch falsche oder unvollständige Angaben im Prospekt entstehen. Dies kann insbesondere Schadensersatzansprüche der Anleger begründen. Die Haftung erfasst sowohl vorsätzliche als auch grob fahrlässige Verstöße. Die Anspruchsberechtigung umfasst alle Erwerber der betreffenden Wertpapiere während des relevanten Zeitraums. Darüber hinaus haben Investoren im Falle wesentlicher Prospektfehler in bestimmten Fällen das Recht, vom Erwerb des Wertpapiers zurückzutreten (Rückabwicklung). Die Verjährungsfrist für derartige Ansprüche beträgt regelmäßig zwei Jahre ab Kenntnis des Prospektfehlers, längstens jedoch zehn Jahre ab dem öffentlichen Angebot oder der Zulassung zum Handel.

Welche behördlichen Sanktionen drohen bei Nichtbeachtung des Wertpapierprospektgesetzes?

Die Nichteinhaltung der Prospektpflicht oder anderer Anforderungen des Wertpapierprospektgesetzes wird von der BaFin als Ordnungswidrigkeit verfolgt und kann zu erheblichen Bußgeldern führen. Die Bußgeldhöhe kann – abhängig von Schwere und Dauer des Verstoßes – gemäß § 24 WpPG bis zu fünf Millionen Euro oder bis zu drei Prozent des Jahresumsatzes des betroffenen Unternehmens betragen. In besonders schweren Fällen kann die BaFin zudem ein Vertriebsverbot für die betroffenen Wertpapiere verhängen oder bereits geflossene Mittel einfrieren. Daneben ist die BaFin verpflichtet, Verstöße regelmäßig zu veröffentlichen (Naming and Shaming), was zusätzliche Reputationsschäden für das Unternehmen bedeuten kann. Für natürliche Personen, die als verantwortliche Organmitglieder handeln, kann unter Umständen eine persönliche Haftung in Betracht kommen.

Wie lange ist ein Wertpapierprospekt nach Billigung gültig und welche Anforderungen gelten an Nachträge?

Ein gebilligter Wertpapierprospekt gilt gemäß Art. 12 der Prospektverordnung für maximal zwölf Monate ab dem Datum der Billigungsentscheidung, sofern er für ein öffentliches Angebot oder eine Zulassung zum Handel verwendet wird. Während dieses Zeitraums ist jedoch sicherzustellen, dass der Prospekt stets aktuell und vollständig ist. Sollten während der Gültigkeitsdauer des Prospekts neue, wesentliche Umstände, wesentliche Fehler oder Ungenauigkeiten auftreten, die die Bewertung der Wertpapiere beeinflussen könnten, ist unverzüglich ein Nachtrag zu erstellen, bei der BaFin zur Billigung einzureichen und zu veröffentlichen. Anleger haben in diesem Fall unter bestimmten Voraussetzungen ein Rücktrittsrecht, sofern der Erwerb innerhalb von zwei Arbeitstagen nach Veröffentlichung des Nachtrags stattgefunden hat. Die Pflicht zur Nachtragserstellung gilt solange Angebote oder Zulassungsanträge auf Grundlage des Prospekts erfolgen.

Welche Rolle spielt das Wertpapierprospektgesetz im europäischen Rechtsrahmen?

Das Wertpapierprospektgesetz dient in Deutschland der Umsetzung und Ausfüllung der europäischen Prospektverordnung (EU) 2017/1129 und regelt insbesondere die organisatorischen und sanktionsrechtlichen Fragen auf nationaler Ebene. Es ergänzt die unmittelbar geltende Prospektverordnung, die umfassende Vorgaben zum Inhalt, zur Gliederung und zu den Informationspflichten von Wertpapierprospekten enthält. Über das WpPG werden zudem die Behördlichen Zuständigkeiten, insbesondere der BaFin, festgelegt und das Billigungs- sowie Sanktionsverfahren geregelt. Für grenzüberschreitende Angebote sieht das WpPG ein sog. Notifizierungsverfahren vor, bei dem ein von einer anderen beteiligten europäischen Aufsichtsbehörde gebilligter Prospekt auch in Deutschland verwendet werden kann. Das WpPG steht somit in enger Wechselwirkung mit den europäischen Vorgaben und sorgt für die Harmonisierung des Wertpapierhandels und Anlegerschutzes im europäischen Binnenmarkt.