Legal Lexikon

Wertpapierprospekt

Wertpapierprospekt: Bedeutung, Zweck und rechtlicher Rahmen

Ein Wertpapierprospekt ist ein umfassendes Informationsdokument, das bei der öffentlichen Platzierung von Wertpapieren oder deren Zulassung zum Handel an einem geregelten Markt bereitgestellt wird. Er legt in strukturierter Form die wesentlichen Informationen über den Emittenten, die angebotenen oder zugelassenen Wertpapiere sowie die damit verbundenen Risiken offen. Ziel ist es, eine informierte Anlageentscheidung zu ermöglichen und Markttransparenz herzustellen.

Zielgruppe und Anwendungsfall

Der Prospekt richtet sich an die interessierte Öffentlichkeit, insbesondere an Privatpersonen und professionelle Marktteilnehmer. Er wird in der Regel benötigt, wenn Wertpapiere wie Aktien, Anleihen oder Zertifikate öffentlich angeboten oder zum Handel an einem regulierten Markt zugelassen werden.

Zweck und Funktionen des Wertpapierprospekts

Anlegerschutz und Transparenz

Der Prospekt dient dem Anlegerschutz, indem er eine verlässliche, einheitlich aufbereitete Informationsbasis schafft. Er soll Informationsasymmetrien reduzieren und die Vergleichbarkeit von Angeboten verbessern.

Rechtsklarheit im Emissionsprozess

Für Emittenten und Anbieter schafft der Prospekt einen rechtlichen Rahmen für die Ansprache des Marktes. Er verknüpft Angebot, Zulassungsprozess, Veröffentlichungspflichten und die Verantwortung der Beteiligten.

Wann ein Wertpapierprospekt erforderlich ist

Öffentliches Angebot

Ein Prospekt wird grundsätzlich benötigt, wenn Wertpapiere einem unbestimmten Personenkreis angeboten werden. Darunter fallen beispielsweise breit angelegte Platzierungen über Banken oder Plattformen.

Zulassung zum Handel

Auch die Zulassung von Wertpapieren zum Handel an einem geregelten Markt setzt regelmäßig einen Prospekt voraus. Dies gilt etwa für den Prime- oder General-Standard eines Börsensegments.

Mögliche Ausnahmen

Es bestehen eng umrissene Ausnahmen, etwa bei Angeboten an ausschließlich professionelle Anleger, bei sehr kleinen Emissionsvolumina, bei bestimmten Mitarbeiterbeteiligungsprogrammen oder bei Privatplatzierungen an einen begrenzten Anlegerkreis. Ob eine Ausnahme vorliegt, hängt von Art, Umfang und Adressatenkreis des Angebots ab.

Inhalte eines Wertpapierprospekts

Kernbestandteile

  • Angaben zum Emittenten: Geschäftsmodell, Struktur, Unternehmensleitung, Kontrolle, Beteiligungen, Corporate-Governance-Informationen
  • Finanzinformationen: geprüfte Jahresabschlüsse, Zwischenberichte, Finanzlage, Kapitalstruktur, Liquidität
  • Risikofaktoren: wesentliche, spezifische Risiken in klarer, nach Bedeutung geordneter Darstellung
  • Angaben zum Angebot: Art und Merkmale der Wertpapiere, Stückzahl, Stückelung, Laufzeit, Verzinsung oder Dividendenpolitik, Rang, Verwässerungseffekte, Verwendung des Emissionserlöses
  • Rechtliche und steuerliche Rahmeninformationen: anwendbares Recht, Verwahrstelle, Zulassungssegment, ggf. Garantien oder Covenants
  • Zusammenfassung: komprimierte Übersicht zentraler Informationen in standardisierter Struktur

Qualitätsanforderungen

Die Angaben müssen vollständig, kohärent und verständlich sein. Prognoseangaben und Zukunftsaussagen werden als solche kenntlich gemacht. Grafiken, Tabellen und definierte Begriffe dienen der Nachvollziehbarkeit.

Formen des Wertpapierprospekts

Vollständiger Prospekt

Ein vollständiger Prospekt umfasst alle Informationen in einem Dokument oder in modularer Gliederung (Registrierungsdokument, Wertpapierbeschreibung und Zusammenfassung).

Basisprospekt und endgültige Bedingungen

Für Programme mit wiederkehrenden Emissionen (z. B. Schuldverschreibungen) wird häufig ein Basisprospekt verwendet. Die produktspezifischen Merkmale einer einzelnen Tranche werden in endgültigen Bedingungen ergänzt, die den Basisprospekt vervollständigen.

Universelles Registrierungsdokument

Wiederkehrende Emittenten können ein jährlich aktualisiertes Registrierungsdokument nutzen, das bei Bedarf um wertpapierspezifische Informationen ergänzt wird.

Wachstumsprospekt

Für kleinere Unternehmen besteht eine vereinfachte Prospektform, die auf die Bedürfnisse wachstumsorientierter Emittenten zugeschnitten ist und einen fokussierten Informationsumfang bietet.

Billigung, Passfähigkeit und Aufsicht

Billigung durch die zuständige Behörde

Prospekte werden vor Veröffentlichung durch die zuständige nationale Aufsicht auf Vollständigkeit, Kohärenz und Verständlichkeit geprüft und gebilligt. Die Billigung bestätigt nicht die wirtschaftliche Tragfähigkeit des Angebots, sondern die Einhaltung der formalen Anforderungen.

EU-weite Verwendung

Ein in einem Mitgliedstaat gebilligter Prospekt kann unter bestimmten Voraussetzungen in anderen Mitgliedstaaten verwendet werden. Diese sogenannte Passfähigkeit erleichtert grenzüberschreitende Angebote und Zulassungen.

Veröffentlichung, Sprache und Gültigkeit

Veröffentlichung

Nach Billigung wird der Prospekt öffentlich zugänglich gemacht, typischerweise über die Internetseite des Emittenten, des Anbieters, der Börse oder ein zentrales Register der Aufsicht.

Sprache

Die Prospektsprache richtet sich nach dem Zielmarkt. Für internationale Angebote sind Übersetzungen der Zusammenfassung oder des gesamten Dokuments üblich.

Gültigkeitsdauer

Prospekte sind zeitlich befristet verwendbar. Für Basisprospekte gilt eine feste Gültigkeitsdauer, innerhalb derer Emissionen erfolgen können. Danach sind Aktualisierungen oder neue Prospekte erforderlich.

Nachträge und laufende Informationspflichten

Prospektnachträge

Treten nach Billigung wesentliche neue Umstände oder Fehler zutage, die für die Beurteilung der Wertpapiere relevant sind, ist ein Nachtrag zu veröffentlichen. Der Nachtrag wird ebenfalls von der Aufsicht geprüft.

Rücktrittsrechte

Bei Nachträgen kann für bereits zugesagte Erwerbe ein zeitlich befristetes Rücktrittsrecht entstehen. Die konkreten Fristen und Modalitäten sind im Prospekt bzw. Nachtrag beschrieben.

Werbung und Marktkommunikation

Anforderungen an Werbematerialien

Werbliche Aussagen zum Angebot müssen mit dem Prospekt übereinstimmen, sachlich korrekt sein und dürfen nicht irreführend wirken. Es ist klar zu kommunizieren, dass ein Prospekt verfügbar ist und wo er eingesehen werden kann.

Abgrenzung zur Produktinformation

Werbung ersetzt den Prospekt nicht. Die verbindliche, vollständige Informationsgrundlage bleibt der gebilligte Prospekt mitsamt eventuellen Nachträgen.

Haftung und Sanktionen

Verantwortliche Personen

Für den Prospektinhalt haften die benannten verantwortlichen Personen, in der Regel der Emittent, gegebenenfalls ein Anbieter oder Garanten. Die Haftung erstreckt sich auf unrichtige oder fehlende wesentliche Angaben.

Rechtsfolgen

Mögliche Folgen sind zivilrechtliche Ansprüche auf Schadensersatz, verwaltungsrechtliche Maßnahmen der Aufsicht und kapitalmarktrechtliche Sanktionen. Der Umfang der Haftung hängt von Verschulden, Kausalität und dem konkreten Informationsmangel ab.

Abgrenzungen zu anderen Informationsdokumenten

Informationsblätter und Basisinformationsblätter

Kurzdokumente wie Basisinformationsblätter dienen einem anderen Zweck und ersetzen den Prospekt nicht. Sie bieten eine komprimierte Darstellung, während der Prospekt eine umfassende Offenlegung sicherstellt.

Vermögensanlagen-Prospekte

Für bestimmte nicht verbriefte Anlageformen gelten eigene Prospektregeln. Diese unterscheiden sich in Anwendungsbereich, Inhalt und Prüfung vom Wertpapierprospekt.

Internationale Aspekte

Drittstaatsemittenten

Emittenten aus Nicht-EU-Staaten können Prospekte für Angebote oder Zulassungen im Europäischen Wirtschaftsraum verwenden, wenn die formalen Anforderungen erfüllt sind. Gegebenenfalls sind zusätzliche Dokumente oder Anpassungen erforderlich.

Kompatibilität mit außereuropäischen Regelwerken

Bei parallelen Angeboten in mehreren Rechtsräumen werden häufig separate Dokumente erstellt. Die Inhalte können sich überschneiden, folgen aber jeweils dem anwendbaren nationalen oder regionalen Rahmen.

Rollen und Begriffe im Prosess

Wesentliche Beteiligte

  • Emittent: das Unternehmen, dessen Wertpapiere angeboten oder zugelassen werden
  • Anbieter: die Stelle, die das Angebot unterbreitet
  • Garanten: Dritte, die für bestimmte Verpflichtungen einstehen
  • Zahl- und Abwicklungsstellen: Institutionen für technische Abwicklung
  • Zuständige Aufsichtsbehörde: nationale Behörde, die Prospekte billigt und überwacht

Marktsegmente

Zwischen geregelten Märkten und multilateralen Handelssystemen bestehen Unterschiede bei Zulassungsvoraussetzungen und Informationspflichten. Der Prospektbezug betrifft regelmäßig geregelte Märkte; alternative Segmente können eigene, teils erleichterte Regelwerke haben.

Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Wann ist ein Wertpapierprospekt erforderlich?

Ein Prospekt ist in der Regel erforderlich bei einem öffentlichen Angebot von Wertpapieren an einen unbestimmten Kreis von Personen oder bei der Zulassung zum Handel an einem geregelten Markt. Eng gefasste Ausnahmen können bestehen, beispielsweise bei Angeboten ausschließlich an professionelle Anleger oder bei sehr geringem Emissionsvolumen.

Wer ist für den Inhalt eines Wertpapierprospekts verantwortlich?

Verantwortlich sind die im Prospekt ausdrücklich benannten Personen. Dazu gehören typischerweise der Emittent sowie gegebenenfalls ein Anbieter oder Garanten. Sie stehen für die Richtigkeit, Vollständigkeit und Verständlichkeit der Angaben ein.

Wie lange ist ein Wertpapierprospekt gültig?

Prospekte sind nur für einen begrenzten Zeitraum verwendbar. Für Basisprospekte gilt eine feste Gültigkeitsdauer, innerhalb der Emissionen vorgenommen werden können. Nach Ablauf oder bei wesentlichen Änderungen sind Aktualisierungen oder neue Prospekte erforderlich.

Was passiert, wenn ein Prospekt fehlerhafte oder unvollständige Angaben enthält?

Fehlerhafte oder unvollständige wesentliche Angaben können zivilrechtliche Schadensersatzansprüche begründen und zu aufsichtsrechtlichen Maßnahmen führen. Maßgeblich sind die Bedeutung der Information, der Grad des Verschuldens und der ursächliche Zusammenhang mit einer Anlageentscheidung.

Was ist der Unterschied zwischen Basisprospekt und endgültigen Bedingungen?

Der Basisprospekt beschreibt die allgemeinen Rahmenbedingungen eines Emissionsprogramms. Die endgültigen Bedingungen ergänzen für eine einzelne Tranche die konkreten Parameter wie Laufzeit, Verzinsung und Ausgabepreis. Zusammen bilden sie die vollständige Informationsgrundlage.

Gilt ein gebilligter Prospekt auch in anderen EU-Ländern?

Ein in einem Mitgliedstaat gebilligter Prospekt kann unter bestimmten Voraussetzungen in anderen Mitgliedstaaten verwendet werden. Dies setzt eine formalisierte Notifizierung voraus und erleichtert grenzüberschreitende Angebote und Zulassungen.

Ersetzt ein kurzes Informationsblatt den Wertpapierprospekt?

Ein kurzes Informationsblatt dient der kompakten Darstellung, ersetzt den Prospekt jedoch nicht. Der Prospekt bleibt das maßgebliche Dokument mit vollständigen und detaillierten Angaben.

Welche Rolle spielt Werbung im Zusammenhang mit dem Prospekt?

Werbliche Aussagen müssen mit dem Prospekt übereinstimmen und dürfen keine widersprüchlichen oder irreführenden Informationen enthalten. Zudem ist klar anzugeben, dass ein Prospekt existiert und wo er einsehbar ist.