Definition und Bedeutung des Wertpapierprospekts
Ein Wertpapierprospekt ist ein rechtlich vorgeschriebenes, umfassendes Informationsdokument, das bei der öffentlichen Angebotsaufnahme oder zugelassenen Börsennotierung von Wertpapieren erstellt und veröffentlicht werden muss. Ziel des Wertpapierprospekts ist es, potenziellen Anlegern alle wesentlichen Informationen über das betreffende Wertpapier sowie über das Emittentenunternehmen transparent, vollständig und wahrheitsgemäß zur Verfügung zu stellen, sodass eine fundierte Investitionsentscheidung getroffen werden kann.
Der Wertpapierprospekt zählt zu den wichtigsten Instrumenten des Anlegerschutzes und ist zentraler Bestandteil der europarechtlichen und nationalen Kapitalmarktregulierung.
Rechtliche Grundlagen des Wertpapierprospekts
Europäische Regelungen
Im europäischen Rahmen ist die Prospekterstellung insbesondere durch die Prospektverordnung (EU) 2017/1129 geregelt. Die Verordnung sieht eine einheitliche Prospektpflicht und Mindestanforderungen an die inhaltliche Ausgestaltung sowie Offenlegung von Informationen vor. Ziel ist die europaweite Harmonisierung des Anlegerschutzes und die Förderung eines integrierten Kapitalmarkts.
Die Delegierte Verordnung (EU) 2019/980 spezifiziert die inhaltlichen Mindestanforderungen sowie die formalen Vorgaben weiter.
Nationale Rechtsgrundlagen in Deutschland
In Deutschland ist die zentrale rechtliche Grundlage das Wertpapierprospektgesetz (WpPG), das die europarechtlichen Vorgaben umsetzt und weitere nationale Besonderheiten regelt. Ergänzend finden Vorschriften des Börsengesetzes (BörsG), des Kapitalanlagegesetzbuchs (KAGB) sowie der Wertpapierhandelsgesetzgebung (WpHG) Anwendung.
Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) übernimmt die Prüfung und Billigung der in Deutschland veröffentlichten Wertpapierprospekte.
Inhaltliche Anforderungen und Aufbau des Wertpapierprospekts
Wesentliche Inhalte
Gemäß Prospektverordnung und WpPG hat ein Wertpapierprospekt folgende wesentliche Angaben zu enthalten:
- Angaben zum Emittenten: Firma, Rechtsform, Sitz, Geschäftsleitung, Konzernstruktur und finanzielle Entwicklung.
- Beschreibung der Wertpapiere: Art der Wertpapiere, Rechte und Pflichten, Bedingungen der Emission, Risikofaktoren.
- Angaben zum Angebot: Platzierungsvolumen, Angebotszeitraum, Platzierungsmethode und Verwendung der Erträge.
- Beschreibung der Finanzlage und Geschäftstätigkeit: Historische und zukunftsbezogene Informationen, Geschäftsaussichten, Marktanalysen.
- Weitere gesetzlich vorgeschriebene Informationen: z.B. steuerliche Hinweise, Verwässerungseffekte, Stimmrechte.
Struktur des Prospekts
Die genaue Struktur richtet sich nach den jeweiligen Anforderungen für den speziellen Wertpapiertyp (z.B. Aktien, Anleihen, Zertifikate), regelmäßig besteht der Prospekt aus:
- Zusammenfassung (Summary): Kurzdarstellung der wichtigsten Inhalte.
- Registrierungsformular: Informationen über den Emittenten.
- Wertpapierbeschreibung: Spezifische Details zu den Wertpapieren.
- Angebotsbeschreibung: Modalitäten des Angebots und der Zulassung zum Handel.
Risikohinweise
Ein integraler Bestandteil sind detaillierte Hinweise zu allen bestehenden Risiken, wie Markt-, Bonitäts-, Zins-, Währungs- oder Liquiditätsrisiken sowie spezielle Risiken für das Anlageprodukt.
Prospektpflicht und Ausnahmen
Prospektpflicht
Die Prospektpflicht tritt in Kraft, wenn Wertpapiere im Rahmen eines öffentlichen Angebots oder zur Zulassung an einem organisierten Markt (z.B. regulierter Markt einer Börse) angeboten werden.
Ausnahmen von der Prospektpflicht
Das Gesetz sieht zahlreiche Ausnahmen vor, beispielsweise:
- Angebot an weniger als 150 Personen pro Mitgliedstaat (außer qualifizierte Anleger).
- Wertpapieremissionen mit einem Gesamtgegenwert unter festgelegten Schwellenwerten (z.B. 8 Millionen Euro in der EU binnen 12 Monaten).
- Angebote nur an qualifizierte Anleger oder an institutionelle Investoren.
- Bestimmte Umtausch-, Übernahme- oder Verschmelzungsangebote.
Die genauen Schwellenwerte und Bedingungen können sich aufgrund europäischer Richtlinien und nationaler Gesetzgebung regelmäßig ändern.
Billigung und Veröffentlichung des Wertpapierprospekts
Billigungsverfahren
Vor der Veröffentlichung eines Wertpapierprospekts ist dessen Billigung durch die zuständige nationale Aufsichtsbehörde erforderlich. In Deutschland ist dies die BaFin. Die Behörde überprüft die formale Vollständigkeit, Kohärenz und Verständlichkeit der Prospektangaben, jedoch nicht die wirtschaftliche Plausibilität oder Werthaltigkeit des Angebots.
Zeitliche Vorgaben für die Billigung sehen eine Entscheidung der BaFin innerhalb von normalerweise zehn Werktagen nach Vorlage eines vollständigen Prospekts vor.
Veröffentlichungspflichten
Der Wertpapierprospekt ist spätestens vor Beginn des öffentlichen Angebots auf geeignete Weise zu veröffentlichen, etwa:
- im elektronischen Bundesanzeiger,
- auf der Website des Emittenten oder Anbieters,
- über die Börse, an der eine Zulassung beantragt wird.
Spätere Nachträge sind bei wesentlichen neuen Umständen, Fehlern oder Unvollständigkeiten während des Angebots oder der Zulassung zum Handel zu veröffentlichen.
Haftung und Sanktionen im Zusammenhang mit dem Wertpapierprospekt
Haftungsgrundlagen
Für die Richtigkeit, Vollständigkeit und Verständlichkeit der Angaben im Wertpapierprospekt besteht eine zivilrechtliche Haftung, insbesondere beim vorsätzlichen oder fahrlässigen Verschweigen oder falsch wiedergeben relevanter Informationen (§ 21 WpPG). Verantwortlich sind in der Regel die Emittenten, Anbieter sowie ggf. weitere Beteiligte (z.B. Verwaltungs- oder Leitungsorgane).
Anlegerrechte
Anlegern steht grundsätzlich ein Schadensersatzanspruch zu, wenn durch unvollständige oder irreführende Informationen ein finanzieller Schaden entsteht. Die rechtlichen Grundlagen hierfür finden sich unter anderem im WpPG sowie im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB).
Ordnungswidrigkeiten und strafrechtliche Sanktionen
Darüber hinaus sieht das Gesetz Bußgelder und in schweren Fällen auch strafrechtliche Sanktionen vor, etwa bei vorsätzlicher Täuschung oder Unterschlagung wesentlicher gesetzlicher Angaben (§ 24 WpPG).
Weiterführende Aspekte und internationale Bezüge
Sprachregelungen und grenzüberschreitende Angebote
Bei grenzüberschreitenden Wertpapierangeboten innerhalb des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) kann ein Wertpapierprospekt auch im Ausland gültig sein, sofern eine entsprechende Notifizierung bei der ausländischen Aufsichtsbehörde erfolgt.
Die Prospekte sind grundsätzlich in einer von den Aufsichtsbehörden akzeptierten Amtssprache einzureichen, wobei häufig Englisch akzeptiert wird.
Digitalisierung und elektronische Veröffentlichungsformen
Die Digitalisierung ermöglicht es, Publikations- und Abrufwege für Wertpapierprospekte zu vereinfachen und zu beschleunigen. Die europäischen und nationalen Vorgaben enthalten klare Vorgaben zur elektronischen Publikation und Archivierung von Wertpapierprospekten sowie für Nachträge und Aktualisierungen.
Zusammenfassung
Der Wertpapierprospekt ist ein zentrales Dokument zur Information und zum Schutz von Anlegern im Rahmen von öffentlichen Wertpapierangeboten und Börsennotierungen. Gesetzlich fundiert durch die Prospektverordnung der EU und das Wertpapierprospektgesetz, enthält er umfassende Angaben zu Emittenten, Wertpapieren und etwaigen Risiken. Die Prospektpflicht ist grundsätzlich bei öffentlichen Angeboten oder Börsenzulassungen relevant, kann aber in bestimmten Fällen entfallen. Sowohl die formelle Billigung durch die Aufsichtsbehörde als auch die Veröffentlichung sind zwingende Voraussetzungen, deren Verletzung zu umfangreichen zivil- und ggf. strafrechtlichen Haftungsfolgen führt. Damit stellt der Wertpapierprospekt ein zentrales Element zur Sicherung der Integrität und Transparenz am Kapitalmarkt dar.
Häufig gestellte Fragen
Wann besteht gemäß europäischem und deutschem Recht eine Prospektpflicht für Wertpapiere?
Die Prospektpflicht für Wertpapiere ist sowohl im europäischen als auch im deutschen Recht geregelt und ergibt sich maßgeblich aus der EU-Prospektverordnung (Verordnung (EU) 2017/1129) sowie aus dem Wertpapierprospektgesetz (WpPG). Grundsätzlich besteht die Verpflichtung zur Veröffentlichung eines Prospekts immer dann, wenn Wertpapiere öffentlich angeboten werden oder eine Zulassung zum Handel an einem organisierten Markt innerhalb der EU beantragt wird. Das öffentliche Angebot wird dabei gesetzlich sehr weit gefasst und umfasst sämtliche Kommunikationsmaßnahmen, die Informationen über die Bedingungen des Angebots oder die angebotenen Wertpapiere enthalten, um potenzielle Anleger zu einer Investitionsentscheidung zu bewegen. Nicht relevant ist hierbei, ob potenzielle Anleger tatsächlich Anteile erwerben. Die Prospektpflicht bezieht sich auf eine Vielzahl von Wertpapieren im Sinne der MiFID II, darunter Aktien, Anleihen, Schuldverschreibungen, Zertifikate und andere übertragbare Wertpapiere. Zugleich existieren jedoch eine Reihe von Ausnahmen, etwa bei Angeboten mit einem Gesamtgegenwert von weniger als 1 Million Euro innerhalb von zwölf Monaten oder bei Angeboten, die ausschließlich an qualifizierte Anleger gerichtet werden. Die Einhaltung der Prospektpflicht ist eine Voraussetzung für die rechtliche Zulässigkeit von öffentlichen Angeboten und Handel an regulierten Märkten.
Wer ist für die Erstellung und Veröffentlichung des Wertpapierprospekts rechtlich verantwortlich?
Die rechtliche Verantwortung für die Erstellung und Veröffentlichung des Wertpapierprospekts trifft grundsätzlich den Emittenten des Wertpapiers, also das Unternehmen oder die juristische Person, die die Wertpapiere begibt. Daneben haften aber auch gegebenenfalls der Anbieter (falls dieser nicht identisch mit dem Emittenten ist) sowie diejenigen, die den Antrag auf Zulassung zum Handel stellen. Die konkrete Verantwortlichkeit ergibt sich aus Art. 11 der EU-Prospektverordnung sowie § 8 WpPG. Diese Parteien sind verpflichtet, einen vollständigen, zutreffenden und klar verständlichen Prospekt auszuarbeiten und sicherzustellen, dass dieser vor Veröffentlichung gebilligt wird. Die verantwortlichen Personen müssen namentlich im Prospekt genannt werden und erklären, dass sie nach bestem Wissen dafür sorgen, dass der Inhalt des Prospekts korrekt und vollständig ist. Bei Verstößen, insbesondere bei fehlerhaften, unvollständigen oder irreführenden Angaben, drohen zivilrechtliche Schadenersatzansprüche, verwaltungsrechtliche Maßnahmen und in schweren Fällen auch strafrechtliche Sanktionen.
Wie erfolgt die Prospektbilligung und welche Rolle spielt die BaFin?
Die Billigung des Wertpapierprospekts ist gemäß deutschen und europäischen Vorgaben zwingende Voraussetzung vor dessen Veröffentlichung. In Deutschland ist hierfür die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) zuständig. Nach Einreichung prüft die BaFin, ob der Prospekt die formalen Anforderungen des WpPG und der Prospektverordnung erfüllt und alle gesetzlich geforderten Mindestangaben enthält. Die inhaltliche Richtigkeit der Angaben wird von der BaFin jedoch grundsätzlich nicht geprüft; die Verantwortung hierfür verbleibt bei den verantwortlichen Personen. Die BaFin hat innerhalb von maximal zehn Werktagen nach Eingang des vollständigen Entwurfs eine Entscheidung zu treffen (bei erstmaligen Emittenten innerhalb von 20 Werktagen). Nach erfolgreicher Billigung wird der Prospekt im Unternehmensregister sowie auf der Internetseite des Emittenten veröffentlicht und ist damit öffentlich zugänglich. Erst nach Billigung und Veröffentlichung darf das öffentliche Angebot gestartet beziehungsweise die Zulassung beantragt werden.
In welchen Fällen besteht eine Prospektausnahme und welche rechtlichen Vorgaben sind dabei zu beachten?
Die EU-Prospektverordnung und das WpPG enthalten eine Reihe von Ausnahmeregelungen, bei deren Vorliegen kein Prospekt erforderlich ist. Zu den häufigsten Ausnahmen zählen: Angebote mit einem Gesamtgegenwert von weniger als 1 Million Euro über einen Zeitraum von zwölf Monaten; Angebote, die ausschließlich an qualifizierte Anleger gerichtet werden; Angebote an weniger als 150 natürliche oder juristische Personen je Mitgliedstaat, die keine qualifizierten Anleger sind; und Angebote, bei denen der Mindestzeichnungsbetrag je Anleger mindestens 100.000 Euro beträgt. Damit diese Ausnahmen greifen, müssen die jeweils genauen Voraussetzungen erfüllt und dokumentiert werden. Es besteht jedoch eine Anzeigepflicht über die Inanspruchnahme der Ausnahmen gegenüber der BaFin und ggf. weitere Dokumentationspflichten (z. B. über den Anlegerkreis). Falsche Anwendung der Ausnahmen führt zu einem Verstoß gegen die Prospektpflicht und kann erhebliche rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen, einschließlich der Unwirksamkeit des Angebots und Schadenersatzansprüchen von Anlegern.
Welche gesetzlichen Anforderungen bestehen hinsichtlich Form und Inhalt des Wertpapierprospekts?
Der Wertpapierprospekt muss nach gesetzlichen Vorgaben, insbesondere Art. 6 der EU-Prospektverordnung und § 5 WpPG, klar und verständlich verfasst sein und alle notwendigen Angaben enthalten, die ein Anleger benötigt, um sich ein fundiertes Urteil über die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Emittenten sowie die mit den Wertpapieren verbundenen Rechte und Risiken zu bilden. Inhaltlich sind umfangreiche Informationen über das Unternehmen, die angebotenen Wertpapiere, die Risiken, die Geschäftsführung, die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, laufende Rechtsstreitigkeiten, die Verwendung des Emissionserlöses und die Bedingungen des Angebots erforderlich. Der Prospekt muss dabei in einer verständlichen Sprache (in Deutschland in der Regel deutsch oder ggf. englisch bei bestimmten Angeboten) ausgefertigt werden. Besondere Anforderungen gelten für bestimmte Wertpapiergattungen oder spezielle Angebotsformen (z.B. strukturierte Finanzprodukte). Fehlende, falsche oder irreführende Angaben führen zu erheblichen rechtlichen Konsequenzen, darunter Haftungsansprüche und Rückabwicklungsverpflichtungen.
Welche rechtlichen Konsequenzen drohen bei Verstößen gegen die Prospektpflicht?
Verstöße gegen die Prospektpflicht, etwa durch das öffentliche Angebot oder die Zulassung von Wertpapieren zum Handel ohne vorherige Prospektbilligung oder durch fehlerhafte Prospekte, haben erhebliche rechtliche Folgen nach sich. Zu den zivilrechtlichen Konsequenzen zählt in erster Linie die Prospekthaftung: Anleger haben in Fällen von Fehl-, Unvollständigkeits- oder Irreführungsangaben im Prospekt anspruch auf Schadenersatz. Daneben kann die BaFin aufsichtsrechtliche Maßnahmen bis hin zu Angebotsuntersagungen oder Geldbußen verhängen und das OLG kann in gravierenden Fällen die Unwirksamkeit des Angebots feststellen. Schließlich kann ein Verstoß unter bestimmten Umständen auch strafrechtlich relevant sein, etwa bei vorsätzlicher Täuschung, sodass Freiheits- oder Geldstrafen drohen. Auch die zivilrechtliche Rückabwicklung des Angebots gehört zu den möglichen Sanktionen.
Welche Pflichten bestehen nach der Veröffentlichung eines Wertpapierprospekts?
Auch nach der Veröffentlichung eines Wertpapierprospekts bestehen fortlaufende rechtliche Pflichten für die Verantwortlichen. Zu diesen Nachtragspflichten gehört insbesondere die Pflicht, den Prospekt bei allen erheblichen neuen Umstände, Unrichtigkeiten oder wesentlichen Fehlern, die die Bewertung der Wertpapiere beeinflussen können, unverzüglich zu aktualisieren (Nachtragspflicht nach Art. 23 EU-Prospektverordnung, § 16 WpPG). Ein solcher Prospektnachtrag muss ebenso wie der ursprüngliche Prospekt von der BaFin vor Veröffentlichung gebilligt werden und den Anlegern zugänglich gemacht werden. Zudem haben Anleger, die das Angebot bereits angenommen haben, das Recht, innerhalb einer Frist von in der Regel zwei Werktagen von ihrer Zeichnung zurückzutreten. Verstöße gegen diese Pflichten können erneut zu aufsichtsrechtlichen oder zivilrechtlichen Konsequenzen führen.