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Wertpapieremission

Was ist eine Wertpapieremission?

Eine Wertpapieremission ist die erstmalige Ausgabe von übertragbaren Finanzinstrumenten, etwa Aktien, Anleihen oder Zertifikaten, durch einen Emittenten. Sie dient der Finanzierung oder Refinanzierung von Unternehmen, Banken, Staaten oder anderen Institutionen. Mit der Emission werden Wertpapiere erstmals am sogenannten Primärmarkt angeboten; anschließend können sie am Sekundärmarkt (Börse oder außerbörslich) gehandelt werden. Der rechtliche Rahmen regelt, welche Informationen zu veröffentlichen sind, wie die Platzierung erfolgen darf und welche Pflichten vor, während und nach der Emission bestehen.

Rechtlicher Rahmen

Aufsicht und Zuständigkeiten

Die Ausgabe und das öffentliche Angebot von Wertpapiere stehen unter staatlicher Finanzaufsicht. In Deutschland ist hierfür insbesondere die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht zuständig; auf europäischer Ebene erfolgt eine Koordination durch Institutionen der Finanzmarktaufsicht. Börsen und zentralverwahrende Stellen überwachen zusätzlich segment- und handelsbezogene Anforderungen, etwa für die Zulassung zum Handel und die Abwicklung.

Prospekt- und Informationspflichten

Bei einem öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder der Zulassung zum Handel an einem geregelten Markt ist in der Regel ein gebilligter Prospekt zu veröffentlichen. Dieser enthält u. a. Angaben zum Emittenten, zur finanziellen Lage, zu Risikofaktoren, zu den Wertpapieren und zu den Angebotsbedingungen. Es bestehen Ausnahmen, beispielsweise bei Angeboten an bestimmte professionelle Anlegerkreise oder bei kleinvolumigen Angeboten, sofern alternative Informationsunterlagen verwendet werden. Prospekte werden vor Veröffentlichung durch die zuständige Behörde gebilligt; Änderungen während der Angebotsfrist sind in Form von Nachträgen bekanntzumachen. Werbung muss eindeutig, zutreffend und mit dem Inhalt des Prospekts konsistent sein.

Marktmissbrauch und Insiderinformation

Der rechtliche Rahmen schützt die Marktintegrität. Insiderhandel und Marktmanipulation sind untersagt. Emittenten, deren Wertpapiere zum Handel zugelassen sind, müssen kursrelevante Insiderinformationen grundsätzlich unverzüglich veröffentlichen, sofern keine Aufschubgründe greifen. Platzierungsbegleitende Kursstabilisierungen sind unter engen Voraussetzungen und transparenter Bekanntmachung zulässig.

Produktgovernance und Anlegerschutz

Zwischen Emittenten und vertreibenden Instituten gelten Vorgaben zur Produktsteuerung. Dazu gehören Zielmarktdefinitionen, Interessenkonfliktmanagement, Vergütungstransparenz sowie Geeignetheits- oder Angemessenheitsprüfungen im Vertrieb. Für bestimmte verpackte Anlageprodukte sind standardisierte Basisinformationsblätter bereitzustellen.

Geldwäsche- und Sanktionsrecht

Im Emissions- und Vertriebsprozess sind Sorgfaltspflichten zur Verhinderung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung einzuhalten. Hierzu gehören Identifizierungspflichten, die Feststellung wirtschaftlich Berechtigter sowie Sanktions- und Embargoprüfungen. Die Pflichten treffen je nach Ausgestaltung Emittenten, Konsortialbanken und andere beteiligte Institute.

Arten von Wertpapieremissionen

Aktienemissionen

Bei Aktien erschließt sich eine Gesellschaft Eigenkapital. Erstausgaben an die Öffentlichkeit werden häufig als Börsengang bezeichnet. Daneben gibt es Kapitalerhöhungen bereits börsennotierter Gesellschaften. Aktionärinnen und Aktionäre können gesetzlich vorgesehene Bezugsrechte haben, die gesondert handelbar sein können. Segment- und Zulassungsanforderungen der jeweiligen Börse sind zu beachten.

Anleiheemissionen

Anleihen sind Fremdkapitalinstrumente mit Rückzahlungs- und Zinsversprechen. Emittenten sind Unternehmen, Kreditinstitute, Staaten oder öffentliche Körperschaften. Gestaltungen reichen von klassischen Unternehmensanleihen über gedeckte Schuldverschreibungen bis zu nachhaltigkeitsbezogenen Anleihen. Vertragsbedingungen (Konditionenwerk) regeln u. a. Laufzeit, Verzinsung, Kündigungsrechte und etwaige Verpflichtungen des Emittenten.

Strukturierte Wertpapiere und Zertifikate

Strukturierte Produkte verknüpfen Rückzahlungs- und Auszahlungsprofile mit Referenzwerten wie Indizes, Rohstoffen oder Währungen. Emissionen erfolgen häufig unter Basisprospekten; die endgültigen Bedingungen werden in separaten Endgültigen Bedingungen veröffentlicht. Aufgrund der Komplexität bestehen erhöhte Transparenz- und Vertriebsvorgaben.

Tokenisierte und elektronische Wertpapiere

Elektronische Wertpapiere können ohne physische Urkunde begeben werden. Die Eintragung erfolgt in zentrale Register oder dezentral mittels Distributed-Ledger-Technologien. Rechtlich werden sie traditionellen Wertpapieren weitgehend gleichgestellt; zentral sind Regelungen zu Registerführung, Verwahrung und Übertragbarkeit.

Ablauf einer Emission

Vorbereitung

Die Emission beginnt mit der internen Entscheidung des Emittenten sowie der Mandatierung beteiligter Institute. Es folgt die rechtliche und finanzielle Due Diligence, die Strukturierung der Transaktion, die Erstellung des Prospekts und weiterer Dokumente sowie die Planung der Investor:innenansprache.

Billigung, Notifizierung und Zulassung

Der Prospekt wird der zuständigen Behörde zur Billigung vorgelegt. Für grenzüberschreitende Angebote innerhalb des Europäischen Wirtschaftsraums kann eine Notifizierung im Gastland erfolgen. Die Zulassung zum Handel an einem Börsensegment erfordert gesonderte Anträge und Nachweise. Der Prospekt wird veröffentlicht; etwaige Nachträge sind während der Angebotsphase bekannt zu machen.

Platzierung und Preisbildung

Die Platzierung kann im Bookbuilding-Verfahren, zu Festpreis oder im Auktionsformat erfolgen. Zuteilungsentscheidungen haben transparenten, diskriminierungsfreien Grundsätzen zu folgen, wobei unterschiedliche Anlegergruppen adressiert werden können. Kommunikations- und Werbemaßnahmen müssen die regulatorischen Vorgaben einhalten.

Abwicklung und Lieferung

Die Abwicklung erfolgt regelmäßig über zentrale Verwahrstellen und Zahlstellen. Die Lieferung kann gegen Zahlung innerhalb marktüblicher Fristen erfolgen. Bei elektronischen Wertpapieren erfolgt die Einbuchung in das maßgebliche Register, bei verurkundeten Emissionen typischerweise über Globalurkunden.

Folgepflichten

Nach der Emission bestehen laufende Pflichten, etwa zur Finanzberichterstattung, Veröffentlichung kursrelevanter Informationen, Mitteilungen zu Beteiligungsschwellen, Corporate-Action-Prozessen sowie zur Einhaltung segmentbezogener Transparenzanforderungen. Bei bestimmten Produkten sind darüber hinaus laufende Aktualisierungen von Basisprospekten und Schlüsselunterlagen vorgesehen.

Haftung und Rechtsfolgen

Prospekthaftung

Für unrichtige oder unvollständige Angaben in Prospekten und vergleichbaren Informationsdokumenten kann eine zivilrechtliche Haftung bestehen. Haftungsadressaten sind je nach Rechtsordnung und Produkt Emittenten, Anbieter und weitere verantwortliche Personen. Investierende können unter bestimmten Voraussetzungen Ersatzansprüche geltend machen.

Aufsichtsrechtliche Maßnahmen

Bei Verstößen gegen Veröffentlichungs-, Werbe- oder Transparenzpflichten kommen aufsichtsrechtliche Maßnahmen in Betracht. Diese reichen von Untersagungen und Verwarnungen bis zu Geldbußen. Aufsichtsbehörden können Angebote untersagen, Prospektveröffentlichungen beanstanden oder Nachträge verlangen.

Zivil- und strafrechtliche Aspekte

Überaufsichtsrechtliche Folgen hinaus können zivilrechtliche und strafrechtliche Konsequenzen drohen, etwa bei Täuschung, Insiderhandel oder Marktmanipulation. Zudem können Schadensersatzansprüche aus falschen, irreführenden oder fehlenden Angaben resultieren.

Internationale und grenzüberschreitende Aspekte

Grenzüberschreitende Angebote erfordern die Beachtung mehrerer Rechtsordnungen. Für den europäischen Binnenmarkt existieren Passmechanismen, die eine Verwendung gebilligter Informationsunterlagen in anderen Mitgliedstaaten ermöglichen. Außerhalb Europas gelten landesspezifische Angebots- und Vertriebsbeschränkungen, Sprach- und Registrierungsanforderungen sowie Hinweise zur Adressierung bestimmter Anlegergruppen. Üblich sind vertriebsbezogene Legenden und Beschränkungen in den Angebotsunterlagen.

Besonderheiten bei öffentlicher Hand und Banken

Emissionen von Staaten und Gebietskörperschaften unterliegen teilweise abweichenden Anforderungen. Bei gedeckten Schuldverschreibungen und bankeigenen Emissionen greifen zusätzliche sektorale Regeln, etwa zu Deckungsmassen, Liquiditätsanforderungen und besonderen Offenlegungen.

Nachhaltigkeit und Emissionen

Bei nachhaltigen Instrumenten wie grünen, sozialen oder nachhaltigkeitsgebundenen Anleihen bestehen erweiterte Transparenzanforderungen. Marktstandards sehen Rahmenwerke, Mittelverwendungsberichte und externe Prüfungen vor. Rechtlich relevant sind Vorgaben zur Vermeidung irreführender Nachhaltigkeitsaussagen und zur korrekten Darstellung von Kriterien und Kennzahlen.

Abgrenzungen

Nicht jede Finanzierung ist eine Wertpapieremission. Abzugrenzen sind etwa reine Kreditverträge, Crowdlending ohne Verbriefung oder Beteiligungsformen ohne Übertragbarkeit. Unterschieden wird ferner zwischen öffentlichem Angebot und Privatplatzierung sowie zwischen Primär- und Sekundärmarkt.

Begriffsverwandte Termini

  • Emittent: Rechtsträger, der Wertpapiere ausgibt
  • Primärmarkt: Markt der Erstausgabe
  • Sekundärmarkt: Markt des nachgelagerten Handels
  • Underwriting/Konsortium: Zusammenschluss von Instituten zur Platzierung
  • Bookbuilding: Preisfindung über Nachfrageermittlung
  • Globalurkunde/Elektronisches Register: Form der Verbriefung bzw. Eintragung
  • Zentrale Verwahrstelle: Institution zur Verwahrung und Abwicklung
  • ISIN: Internationale Kennnummer zur Identifikation von Wertpapieren

Häufig gestellte Fragen (FAQ) zur Wertpapieremission

Worin besteht der Unterschied zwischen öffentlichem Angebot und Privatplatzierung?

Ein öffentliches Angebot richtet sich an die Allgemeinheit oder an einen unbegrenzten Personenkreis und ist in der Regel mit Prospekt- und Werbevorgaben verbunden. Eine Privatplatzierung adressiert einen begrenzten, vorab festgelegten Kreis, häufig professionelle Anleger, und kann von bestimmten Informations- und Billigungspflichten ausgenommen sein.

Wann ist ein Prospekt erforderlich und wann nicht?

Ein Prospekt ist in der Regel erforderlich, wenn Wertpapiere öffentlich angeboten oder zum Handel an einem geregelten Markt zugelassen werden. Ausnahmen können bestehen, etwa bei Angeboten ausschließlich an qualifizierte Anleger, bei bestimmten Mindeststückelungen oder bei kleinvolumigen Angeboten, sofern stattdessen andere Informationsunterlagen bereitgestellt werden.

Wer trägt die Verantwortung für den Inhalt des Prospekts?

Verantwortlich sind typischerweise der Emittent und weitere in den Unterlagen benannte Personen, etwa Anbieter oder Konsortialführer. Sie haften dafür, dass die Informationen vollständig, richtig und nicht irreführend sind, und dass wesentliche Risiken transparent dargestellt werden.

Welche Rolle hat die Aufsichtsbehörde im Emissionsprozess?

Die Behörde prüft (billigt) Prospekte hinsichtlich formaler Vollständigkeit und Kohärenz, überwacht die Einhaltung von Veröffentlichungs- und Werbevorgaben und kann Maßnahmen bei Verstößen ergreifen. Sie entscheidet nicht über die wirtschaftliche Zweckmäßigkeit der Anlage.

Dürfen während der Platzierung Werbemaßnahmen erfolgen?

Werbung ist zulässig, muss jedoch klar, fair und nicht irreführend sein und mit dem Prospektinhalt übereinstimmen. In bestimmten Phasen oder Segmenten bestehen zusätzliche Kommunikationsbeschränkungen, etwa bezüglich Stillhalte- oder Beobachtungszeiträumen.

Welche Pflichten bestehen nach erfolgreicher Emission?

Es bestehen laufende Transparenzpflichten, insbesondere Finanzberichterstattung, die zeitnahe Veröffentlichung kursrelevanter Informationen, Mitteilungen über bedeutende Beteiligungen und die ordnungsgemäße Durchführung von Kapitalmaßnahmen.

Können Wertpapiere rein elektronisch ausgegeben werden?

Ja. Elektronische Wertpapiere sind ohne physische Urkunde möglich. Die Rechte werden in einem elektronischen Register dokumentiert, das rechtlich die Stellung der Inhaberinnen und Inhaber abbildet. Für Registerführung, Übertragung und Verwahrung gelten besondere Vorgaben.