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Wertpapier-Informationsblatt


Begriff und Rechtsgrundlage des Wertpapier-Informationsblatts

Das Wertpapier-Informationsblatt (kurz: WIB) ist ein gesetzlich gefordertes Informationsdokument im deutschen und europäischen Kapitalmarktrecht, das Privatanlegern vor dem Erwerb bestimmter Wertpapiere wesentliche Informationen in einer kompakten und verständlichen Form zur Verfügung stellt. Die Einführung des Wertpapier-Informationsblatts dient dem Anlegerschutz, indem es Transparenz gewährleistet und die Vergleichbarkeit verschiedener Finanzinstrumente erleichtert. Wesentliche rechtliche Grundlagen finden sich im deutschen Wertpapierhandelsgesetz (WpHG) sowie in europäischen Vorschriften wie der Verordnung (EU) Nr. 1286/2014 über Basisinformationsblätter für verpackte Anlageprodukte für Kleinanleger und Versicherungsanlageprodukte (PRIIP-VO).


Inhalt und Aufbau des Wertpapier-Informationsblatts

Wesentliche Inhalte

Ein Wertpapier-Informationsblatt umfasst in der Regel folgende Angaben:

  • Emittent und Produktbeschreibung: Angaben über das ausgebende Unternehmen sowie die genaue Bezeichnung und Beschreibung des Wertpapiers.
  • Funktionsweise: Erläuterung der wesentlichen Merkmale und der Auszahlungsstruktur des Wertpapiers.
  • Risikoangaben: Darstellung der Hauptrisiken, die mit der Investition verbunden sind, einschließlich potenzieller Verluste.
  • Kosten und Gebühren: Auflistung sämtlicher mit dem Wertpapier verbundener Kosten, einschließlich einmaliger und laufender Kosten.
  • Basisdaten: Laufzeit, Währung, Zinszahlungen sowie etwaige Wandlungs-, Kündigungs- oder Umtauschrechte
  • Zielmarkt: Bestimmung, für welche Anlegergruppe das Wertpapier geeignet ist.
  • Verweis auf weitere Informationen: Hinweise auf ergänzende Unterlagen, wie beispielsweise den Verkaufsprospekt oder das Wertpapierprospekt.

Vorgeschriebene Struktur und Format

Das Wertpapier-Informationsblatt darf einen bestimmten Umfang, meist nicht mehr als drei DIN-A4-Seiten, nicht überschreiten. Die Sprache ist einfach und klar zu halten. Verbindliche Vorgaben zur Gliederung und zu den zu verwendenden Begriffen gewährleisten einen hohen Standard der Information und die Vergleichbarkeit unterschiedlicher Produkte.


Gesetzliche Pflichten und Anwendungsbereich

Verpflichtung zur Bereitstellung

Nach § 3a WpPG (Wertpapierprospektgesetz) und weiteren spezialgesetzlichen Normen sind Anbieter (Emittenten) und gegebenenfalls Anbieter von Vermögensanlagen verpflichtet, rechtzeitig vor Vertragsschluss ein Wertpapier-Informationsblatt zur Verfügung zu stellen, sofern keine Prospektpflicht nach den jeweiligen gesetzlichen Regelungen besteht oder von dieser befreit wurde.

Anwendungsbereich

Ein Wertpapier-Informationsblatt ist insbesondere bei der öffentlichen Angebotsaufnahme von Wertpapieren oder Vermögensanlagen mit einem Gesamtgegenwert von weniger als 8 Millionen Euro innerhalb von zwölf Monaten verpflichtend vorzulegen. Dies betrifft insbesondere kleinere Emissionen und solche, die unter gesetzlich definierten Schwellenwerten der Prospektpflicht liegen. In bestimmten Fällen besteht darüber hinaus eine Pflicht zur Veröffentlichung auf der Website des Emittenten.


Rechtliche Prüfung, Haftung und Sanktionen

Prüfung und Billigung durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht

Das Wertpapier-Informationsblatt ist – im Gegensatz zum vollständigen Wertpapierprospekt – grundsätzlich nicht von einer Behörde zu prüfen oder zu billigen. Im Falle von fehlerhaften, unklaren oder irreführenden Angaben kann jedoch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) einschreiten. Die BaFin ist zudem berechtigt, die Veröffentlichung zu untersagen und Korrekturanforderungen zu stellen oder gar Vertriebsbeschränkungen zu verfügen.

Haftung für fehlerhafte Angaben

Nach den einschlägigen gesetzlichen Vorschriften haftet der Emittent für die Richtigkeit, Vollständigkeit und Verständlichkeit der im Wertpapier-Informationsblatt enthaltenen Informationen. Anleger, die aufgrund fehlerhafter Informationen einen Schaden erleiden, können nach dem allgemeinen Zivilrecht (insbesondere §§ 280 ff. BGB sowie spezialgesetzlichen Haftungstatbeständen) Schadensersatzansprüche geltend machen.

Sanktionen und Ordnungswidrigkeiten

Verstöße gegen die Pflicht zur Erstellung und Veröffentlichung des Wertpapier-Informationsblatts werden als Ordnungswidrigkeiten gewertet und können mit empfindlichen Bußgeldern geahndet werden (§ 24 WpHG). Die BaFin kann bei schwerwiegenden oder wiederholten Verstößen umfassendere Maßnahmen ergreifen, einschließlich Veröffentlichungs- und Vertriebsverboten.


Unterschiede zu anderen Informationsdokumenten

Abgrenzung zu Wertpapierprospekt und PRIIP-KID

Das Wertpapier-Informationsblatt ist von anderen vorvertraglichen Informationsdokumenten, wie insbesondere dem Wertpapierprospekt nach der Prospektverordnung (EU) 2017/1129 sowie dem PRIIP-KID (Key Information Document) nach der PRIIP-VO, zu unterscheiden:

  • Der Wertpapierprospekt ist umfangreicher und unterliegt einer behördlichen Billigungspflicht.
  • Ein PRIIP-KID ist europaweit für verpackte Anlageprodukte (PRIIPs) verbindlich und enthält zusätzliche, spezifische Angaben, insbesondere zu Szenarien und Risiken.

Praktische Bedeutung

Die Veröffentlichungspflicht eines Wertpapier-Informationsblatts besteht vor allem bei Emissionen im sogenannten Prospektbefreiungstatbestand sowie bei der öffentlichen Platzierung von Vermögensanlagen nach dem Vermögensanlagengesetz (VermAnlG).


Bedeutung in der Praxis und für den Anlegerschutz

Beitrag zum Anlegerschutz

Das Wertpapier-Informationsblatt gewährleistet eine hohe Transparenz für Privatanleger und trägt maßgeblich dazu bei, Informationsasymmetrien zwischen Emittenten und Anlegern zu verringern. Durch die obligatorische, klare und leicht verständliche Darstellung der wichtigsten Eigenschaften und Risiken eines Wertpapiers wird eine fundierte Anlageentscheidung ermöglicht.

Nutzung und Verfügbarkeit

Das Wertpapier-Informationsblatt ist regelmäßig auf der Internetseite des Emittenten oder Anbieters zugänglich. Zudem sind Vertriebsstellen (insbesondere Banken und Finanzdienstleister), die das Wertpapier anbieten, zur Aushändigung an Interessenten verpflichtet.


Weblinks und weiterführende Hinweise


Zusammenfassung

Das Wertpapier-Informationsblatt ist ein grundlegendes Instrument des Anleger- und Verbraucherschutzes im deutschen und europäischen Kapitalmarktrecht. Es stellt sicher, dass Kleinanleger vor Erwerb eines Wertpapiers oder eines strukturierten Finanzprodukts über alle wesentlichen Produktmerkmale, Risiken und Kosten kompakt und verständlich informiert werden. Die rechtlichen Regelungen rund um das Wertpapier-Informationsblatt verpflichten Emittenten zur Bereitstellung präziser Informationen und schaffen so mehr Transparenz und Sicherheit für Investierende am Kapitalmarkt.

Häufig gestellte Fragen

Wann besteht eine rechtliche Pflicht zur Erstellung eines Wertpapier-Informationsblatts?

Ein Wertpapier-Informationsblatt (WIB) ist gemäß § 3a Wertpapierprospektgesetz (WpPG) regelmäßig dann zu erstellen, wenn öffentliche Angebote von Wertpapieren in Deutschland erfolgen und der Gesamtgegenwert der angebotenen Wertpapiere zwischen 100.000 Euro und 8 Millionen Euro innerhalb eines Zeitraums von zwölf Monaten liegt. Die rechtliche Pflicht zur Erstellung des Wertpapier-Informationsblatts besteht somit für Emittenten, wenn die Ausnahme von der Prospektpflicht gemäß § 3 Abs. 2 Nr. 6 WpPG greift. Das Ziel dieser Regelung ist es, Kleinanlegern auch dann ausreichende Informationen bereitzustellen, wenn kein vollständiger Wertpapierprospekt erstellt werden muss. Dieser Pflicht können aber weitere europarechtliche Vorgaben oder Ausnahmen entgegenstehen. Eine detaillierte rechtliche Analyse ist notwendig, um festzustellen, ob im konkreten Einzelfall die Pflicht besteht, da etwa Angebote an professionelle Kunden oder qualifizierte Anleger, geringe Stückzahlen oder bestimmte Wertpapierarten von der Verpflichtung befreit sein können.

Welche inhaltlichen Mindestanforderungen stellt das Gesetz an das Wertpapier-Informationsblatt?

Das Wertpapier-Informationsblatt unterliegt verbindlichen gesetzlichen Mindestanforderungen, die in § 3a Abs. 3 WpPG sowie in der Wertpapier-Informationsblattverordnung (WIBV) detailliert geregelt sind. Das Blatt muss unter anderem eine Beschreibung der wesentlichen Merkmale des Emittenten und der angebotenen Wertpapiere enthalten, Informationen über die mit der Anlage verbundenen Risiken, die Rechte der Anleger, die Bedingungen des Angebots sowie Angaben zu Kosten, Kommissionen und Ausgaben. Weitere Vorgaben betreffen die Darstellung der Mittelverwendung sowie mögliche Interessenkonflikte. Die Informationen müssen klar, verständlich und in kurzer Form abgefasst sein und dürfen in der Regel nicht länger als drei DIN-A4-Seiten sein. Das Ziel dieser Vorgaben ist es, die Vergleichbarkeit und Verständlichkeit für Kleinanleger zu gewährleisten.

Welche rechtlichen Konsequenzen drohen beim Verstoß gegen die Offenlegungspflichten des Wertpapier-Informationsblatts?

Ein Verstoß gegen die gesetzlichen Offenlegungspflichten im Zusammenhang mit dem Wertpapier-Informationsblatt kann für den Emittenten und relevante Verantwortliche sowohl zivilrechtliche als auch aufsichtsrechtliche Konsequenzen haben. Zivilrechtlich können Ansprüche auf Schadensersatz nach § 20 WpPG entstehen, falls ein fehlerhaftes oder fehlendes Wertpapier-Informationsblatt zu einem Informationsdefizit beim Anleger geführt hat und dadurch ein Schaden eingetreten ist. Aufsichtsrechtlich kann die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) Bußgelder verhängen, etwa bei unterlassener Veröffentlichung, unrichtigen, unvollständigen oder irreführenden Angaben. Zudem besteht die Möglichkeit, dass BaFin den Vertrieb der Wertpapiere untersagt oder weitere Maßnahmen zum Anlegerschutz anordnet.

Welche Formvorgaben sind bei der Veröffentlichung des Wertpapier-Informationsblatts zu beachten?

Das Wertpapier-Informationsblatt muss gemäß § 3a Abs. 4 WpPG und den zugehörigen Verordnungen in einer leicht zugänglichen und nachvollziehbaren Form veröffentlicht werden. Dies umfasst insbesondere die Veröffentlichung auf der Webseite des Emittenten sowie gegebenenfalls auf der Webseite des Anbieters oder Vermittlers, sofern dieser das Angebot vertreibt. Die Veröffentlichung muss spätestens einen Werktag vor Beginn des öffentlichen Angebots erfolgen und für die Dauer des Angebots ständig verfügbar gehalten werden. Eine Übermittlung an die BaFin ist verpflichtend, und die Behörde hat das Recht, das Wertpapier-Informationsblatt zu prüfen und gegebenenfalls Beanstandungen geltend zu machen. Die BaFin veröffentlicht zudem eine Liste aller geprüften und beanstandeten Informationsblätter.

Gibt es besondere Anforderungen für die Sprache und Verständlichkeit des Wertpapier-Informationsblatts aus Sicht des Gesetzgebers?

Ja, nach § 3a Abs. 3 WpPG und gemäß den Vorgaben der BaFin ist das Wertpapier-Informationsblatt zwingend in deutscher Sprache zu verfassen, sofern das Angebot an Privatanleger in Deutschland erfolgt. Die Inhalte müssen klar, deutlich und für einen durchschnittlichen, nicht vorgebildeten Anleger verständlich sein. Fachbegriffe und komplexe Sachverhalte sind so einfach wie möglich darzustellen und gegebenenfalls zu erklären. Die Verständlichkeit wird von der BaFin im Rahmen des Billigungsverfahrens geprüft, wobei insbesondere Wert auf strukturierte Gliederung, einfache Sätze und die Verwendung von Beispielen gelegt wird. Unverständliche, zu technische oder potenziell irreführende Formulierungen führen regelmäßig zu Beanstandungen durch die Aufsichtsbehörde.

In welchen Fällen entfällt die Pflicht zur Erstellung und Veröffentlichung eines Wertpapier-Informationsblatts?

Das Gesetz sieht zahlreiche Ausnahmen von der Pflicht zur Erstellung eines Wertpapier-Informationsblatts vor. Zu den wichtigsten zählen Angebote, die sich ausschließlich an professionelle Investoren oder weniger als 150 Privatpersonen richten, Angebote mit einem Gesamtgegenwert unter 100.000 Euro, bestimmte Arten von Finanzinstrumenten wie strukturierte Produkte mit kurzen Laufzeiten sowie Angebote, bei denen bereits ein Wertpapierprospekt veröffentlicht wurde. Ebenso bestehen Ausnahmen nach europäischem Recht, etwa im Rahmen der EU-Prospektverordnung für Angebote innerhalb des europäischen Wirtschaftsraums (EWR). Der genaue Anwendungsbereich der Ausnahmeregelungen ist regelmäßig sorgfältig zu prüfen, da Verstöße zu erheblichen rechtlichen Risiken führen können.

Welche Pflichten bestehen hinsichtlich der Aktualität und Nachträge zum Wertpapier-Informationsblatt?

Nach den Vorschriften des WpPG und der WIBV ist das Wertpapier-Informationsblatt regelmäßig aktuell zu halten. Werden nach Veröffentlichung des Informationsblatts erhebliche neue Umstände oder Unrichtigkeiten bekannt, die die Anlageentscheidung eines durchschnittlichen Anlegers beeinflussen könnten, muss der Emittent unverzüglich ein Nachtragsblatt veröffentlichen und an die BaFin übermitteln. Diese Nachtragspflicht ist eng an die Prospektnachtragspflicht angelehnt und dient dem Schutz des Anlegers vor veralteten oder unvollständigen Informationen. Kommt der Emittent diesen Pflichten nicht nach, drohen ihm – wie bei der Hauptveröffentlichung – erhebliche zivil- und aufsichtsrechtliche Konsequenzen, insbesondere Schadensersatzansprüche der Anleger und aufsichtsrechtliche Maßnahmen durch die BaFin.