Definition und rechtliche Grundlagen der Wertguthabenverwendung
Die Wertguthabenverwendung stellt ein zentrales Element des deutschen Sozialversicherungs-, Arbeits- und Steuerrechts dar und beschreibt die Nutzung von Wertguthaben durch Arbeitnehmer im Rahmen flexibler Arbeitszeitmodelle, wie zum Beispiel durch ein Langzeitkonto. Im Fokus steht die sinnvolle und rechtssichere Verwendung angesparter Arbeitsentgelte, die vorübergehend nicht ausgezahlt, sondern auf einem Wertguthabenkonto angesammelt und für spätere Freistellungszeiträume verwendet werden. Gesetzliche Regelungen finden sich insbesondere im Vierten Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV), aber auch im Einkommensteuergesetz (EStG) sowie angrenzenden arbeits- und insolvenzrechtlichen Vorschriften.
Begriffserklärung
„Wertguthabenverwendung“ bezeichnet die Verwertung der auf einem Wertguthaben angesammelten Wertguthabenbeträge. Dieses Wertguthaben besteht aus aufgeschobenen Arbeitsentgelten, die für bestimmte Zeiträume – insbesondere für Freistellungsphasen wie Altersteilzeit, Pflegezeiten oder Sabbaticals – zur Verfügung stehen. Die Wertguthabenverwendung ist dabei stets an rechtliche Rahmenbedingungen zum Zweck, zum Vorgehen und zur Absicherung des Guthabens gebunden.
Voraussetzungen der Wertguthabenverwendung im Sinne des SGB IV
Gesetzliche Voraussetzungen
Nach § 7b SGB IV besteht die Möglichkeit, Wertguthaben zur flexiblen Gestaltung von Lebensarbeitszeit zu nutzen. Die Bildung und Verwendung setzen einen wirksamen Wertguthabenvertrag voraus, der zwischen Arbeitgeber und Beschäftigtem abgeschlossen wird. Dabei ist zwingend festzulegen:
- wie das Wertguthaben angespart,
- wie es verwendet wird und
- wie es im Insolvenzfall geschützt wird.
Zweckgebundene Verwendung
Die Verwendung von Wertguthaben ist gesetzlich begrenzt. Insbesondere dürfen Wertguthaben nur zur Finanzierung von sozialversicherungsrechtlichen Freistellungen verwendet werden. Hierzu zählen:
- Altersteilzeit (§ 2 Abs. 2 AltTZG)
- Freistellung zur Pflege naher Angehöriger (§ 3 PflegeZG, § 2 FamPfZG)
- Elternzeit (§ 15 BEEG)
- Sonstige Freistellungszeiträume (z. B. Sabbatjahr)
Nicht zulässig ist die freie Verfügung außerhalb der genannten Zwecke.
Sozialrechtliche Folgen
Die Verwendung von Wertguthaben hat Auswirkungen auf das Sozialversicherungsverhältnis. Während der Freistellung aus dem Wertguthaben bleibt das Beschäftigungsverhältnis grundsätzlich bestehen. Die Beiträge zur Sozialversicherung werden aus dem Guthaben weitergezahlt. Das dient der Aufrechterhaltung des Versicherungsschutzes.
Verfahrensrechtliche Aspekte der Wertguthabenverwendung
Durchführung und Dokumentation
Arbeitgeber sind verpflichtet, die Bildung, Führung und Verwendung des Wertguthabens nachvollziehbar zu dokumentieren (§ 7d SGB IV). Hierzu gehört eine lückenlose Erfassung der Einbringung, der Verwendung und des verbleibenden Bestandes. Diese Nachweispflicht ist wesentlich, um eine ordnungsgemäße Wertguthabenverwendung sicherzustellen.
Anzeige- und Meldepflichten
Die Inanspruchnahme von Wertguthaben ist der zuständigen Einzugsstelle rechtzeitig mitzuteilen. Bei Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses, Insolvenz oder Tod des Arbeitgebers bestehen gesonderte Melde- und Abwicklungsregeln.
Insolvenzschutz
Zur Absicherung der Wertguthaben bei Insolvenz des Arbeitgebers fordert das SGB IV zwingend einen wirksamen Insolvenzschutz (§§ 7e, 7d SGB IV). Häufig erfolgt dieser über eine Treuhandlösung oder eine Bankbürgschaft. Ohne entsprechenden Schutz dürfen Wertguthaben grundsätzlich nicht verwendet werden.
Steuerliche Behandlung der Wertguthabenverwendung
Steuerrechtliche Grundlagen
Nach § 19 EStG stellt das im Rahmen von Wertguthaben erarbeitete und zurückgelegte Arbeitsentgelt einen lohnsteuerrechtlichen Vorteil des Arbeitnehmers dar. Die Besteuerung erfolgt grundsätzlich erst bei Auszahlung, das heißt, wenn das Wertguthaben im Rahmen der Freistellung zur Auszahlung kommt.
Lohnsteuerliche Aspekte
Im Zeitraum der Gutschrift auf dem Wertguthabenkonto entsteht noch kein steuerpflichtiger Zufluss. Erst im Zeitpunkt der Verwendung (also zur Auszahlung während der Freistellung) wird das Einkommen steuerlich relevant.
Sozialversicherungsrechtliche Behandlung
Analog zur steuerlichen Behandlung erfolgt die sozialversicherungsrechtliche Beitragspflicht ebenfalls erst bei Auszahlung des Wertguthabens. Beitragsbemessungsgrundlage ist das während der Freistellung ausgezahlte Entgelt aus dem Guthaben.
Besonderheiten bei der Übertragung, Beendigung und Verfall von Wertguthaben
Übertragung auf einen neuen Arbeitgeber
Ein Wertguthaben kann nach Maßgabe des § 7c SGB IV auf einen neuen Arbeitgeber übertragen werden, wenn das Arbeitsverhältnis wechselt. Die Übertragung muss rechtssicher dokumentiert und innerhalb bestimmter Fristen erfolgen.
Beendigung des Arbeitsverhältnisses
Bei Beendigung ohne Übertragung ist das Wertguthaben regelmäßig auszuzahlen. Auch hier gelten die steuer- und beitragsrechtlichen Bedingungen wie bei einer normalen Entgeltzahlung. Das Wertguthaben fällt dabei unmittelbar an die Sozialversicherung und versteuert.
Tod des Arbeitnehmers
Im Todesfall wird das Wertguthaben an die Erben ausgezahlt und erlischt damit als zweckgebundenes Guthaben.
Verfall und Verjährung
Unverbrauchte Wertguthaben können grundsätzlich nicht verfallen, da sie als erarbeiteter Anspruch des Arbeitnehmers bestehen bleiben. Verjährungsregeln zum Anspruch auf Auszahlung richten sich nach dem allgemeinen Arbeitsrecht.
Fazit und rechtliche Bewertung
Die Wertguthabenverwendung ist ein wichtiger Baustein der flexiblen Arbeitszeit- und Lebensarbeitszeitgestaltung. Sie eröffnet sowohl Arbeitgebern als auch Beschäftigten vielseitige Gestaltungsmöglichkeiten, erfordert jedoch die Einhaltung zahlreicher gesetzlicher Rahmenbedingungen. Insbesondere die Dokumentationspflichten, der Insolvenzschutz sowie die steuer- und beitragsrechtlichen Vorschriften führen zu einem komplexen Rechtsrahmen, dessen korrekte Beachtung für die Wirksamkeit und Rechtssicherheit der Wertguthabenverwendung unabdingbar ist.
Häufig gestellte Fragen
Welche rechtlichen Voraussetzungen müssen für die Verwendung eines Wertguthabens im Sinne des § 7b SGB IV erfüllt sein?
Damit ein Wertguthaben im Sinne des § 7b SGB IV rechtlich wirksam verwendet werden kann, müssen insbesondere mehrere rechtliche Voraussetzungen erfüllt sein. Zunächst bedarf es eines wirksamen Wertguthabenvereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer auf Grundlage eines kollektiven oder individuellen Rechtsinstruments (beispielsweise Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung oder Einzelvereinbarung). Diese Vereinbarung muss ausdrücklich vorsehen, dass Arbeitsentgelt oder Arbeitszeit in ein Wertguthaben eingebracht und zu einem späteren Zeitpunkt für eine Freistellung verwendet werden kann. Das Wertguthaben ist außerdem auf einem separaten Arbeitszeit- oder Wertkonto zu führen, sodass eine eindeutige Trennung vom laufenden Arbeitsentgelt erfolgen kann. Weiterhin muss die Zweckbindung des Guthabens klar erkennbar und dessen Verwendung für gesetzlich vorgesehene Zwecke wie vorübergehende Arbeitsfreistellungen gesichert sein. Arbeitgeber sind zudem verpflichtet, die Insolvenzsicherung nach § 7e SGB IV sicherzustellen, damit das Wertguthaben auch im Falle eines Insolvenzverfahrens erhalten bleibt.
Welche rechtlichen Vorgaben gibt es bezüglich der Verwendung des Wertguthabens zur Freistellung?
Die Verwendung eines Wertguthabens kann gemäß den Vorgaben des § 7c SGB IV ausschließlich für bestimmte Freistellungszeiten verwendet werden, die im Gesetz konkret genannt sind. Dazu zählen insbesondere Zeiten der Arbeitszeitreduzierung auf Null („Sabbatical“), Vorruhestand, Elternzeit oder Pflegezeit, aber auch andere Formen der Freistellung nach Absprache. Rechtlich ist zwingend, dass die Freistellung in der Wertguthabenvereinbarung geregelt ist und der Arbeitnehmer während der Freistellung eine Entgeltzahlung aus dem Guthaben erhält, die dem bisherigen sozialversicherungspflichtigen Entgelt zumindest entspricht. Ebenso sind die rechtlichen Melde- und Nachweispflichten gegenüber den Sozialversicherungsträgern und dem Finanzamt zu beachten.
Welche sozialversicherungsrechtlichen Konsequenzen ergeben sich aus der Inanspruchnahme des Wertguthabens?
Sobald das Wertguthaben verwendet wird, bleibt das Arbeitsverhältnis rechtlich bestehen, während der Arbeitnehmer freigestellt ist. In dieser Phase gilt er sozialversicherungsrechtlich als gegen Arbeitsentgelt beschäftigt, sofern laufend Entgelt aus dem Wertguthaben bezogen wird (§ 7 Abs. 1a SGB IV). Das bedeutet, der Arbeitgeber bleibt weiterhin verpflichtet, Beiträge zur Sozialversicherung auf den aus dem Wertguthaben gezahlten „fiktiven“ Arbeitslohn abzuführen. Die Beitragsberechnung richtet sich nach dem regelmäßigen Arbeitsentgelt, das der Verdiener ohne Freistellung erzielt hätte. Zudem muss der Arbeitgeber fortlaufend Meldungen zur Sozialversicherung machen und die beitragsrechtliche Behandlung im Lohnkonto ordnungsgemäß dokumentieren.
Welche rechtlichen Anforderungen bestehen im Hinblick auf die Insolvenzsicherung des Wertguthabens?
Dem gesetzlichen Schutzmechanismus des § 7e SGB IV folgend ist der Arbeitgeber verpflichtet, zugunsten des Arbeitnehmers eine angemessene Insolvenzsicherung für das gebildete Wertguthaben zu stellen. Dies kann durch das Abschließen einer Bankbürgschaft, eine Verpfändung eines Treuhandvermögens oder den Abschluss einer entsprechenden Versicherung geschehen. Die Auswahl des Sicherungsinstruments muss geeignet sein, im Insolvenzfall den Zugriff des Insolvenzverwalters auf das Wertguthaben zu verhindern und dem Arbeitnehmer die Freistellung samt entsprechender Entgeltfortzahlung zu gewährleisten. Die Insolvenzsicherung ist spätestens bei Gutschrift des Wertguthabens einzurichten und der Arbeitnehmer ist darüber schriftlich zu unterrichten. Verstöße gegen diese gesetzlichen Pflichten können arbeitsrechtliche Ansprüche des Arbeitnehmers sowie bußgeldrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen.
Wie wirkt sich eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses auf das Wertguthaben und dessen Verwendung aus rechtlicher Sicht aus?
Bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses – unabhängig vom Grund – tritt eine sogenannte Wertguthabenauflösung ein (§ 7d Abs. 4 SGB IV). In diesem Fall muss der Arbeitgeber das verbliebene Wertguthaben mit den darauf entfallenden Sozialversicherungsbeiträgen abrechnen und an den Arbeitnehmer auszahlen. Der Auszahlungsbetrag gilt dabei als einmalig gezahltes Arbeitsentgelt und unterliegt daher der Steuerpflicht sowie der Beitragspflicht zur Sozialversicherung. Eine Übertragung auf einen neuen Arbeitgeber ist nur möglich, wenn der neue Arbeitgeber bereit ist, an Stelle des bisherigen die Wertguthabenvereinbarung fortzuführen und die gesetzlichen Vorgaben zur Insolvenzsicherung ebenfalls gewährleistet sind.
Welche rechtlichen Mitwirkungs- und Dokumentationspflichten treffen Arbeitgeber und Arbeitnehmer im Zusammenhang mit der Verwendung von Wertguthaben?
Arbeitgeber sind verpflichtet, sämtliche Vorgänge im Zusammenhang mit dem Wertguthaben und dessen Verwendung ordnungsgemäß zu dokumentieren und aufzubewahren. Dies umfasst u. a. die Wertguthabenvereinbarung, die Aufzeichnungen über Einbringung, Stand und Verwendung des Guthabens sowie Nachweise zur Insolvenzsicherung. Zudem müssen sie über die Verwendung von Wertguthaben dem jeweiligen Sozialversicherungsträger Mitteilung machen. Arbeitnehmer sind ihrerseits gehalten, Anträge auf Freistellung oder Wertguthabenverwendung rechtzeitig zu stellen und Nachweise beizubringen, wenn die Freistellung gesetzlich näher begründet werden muss (z. B. nach dem Pflegezeit- oder Elternzeitgesetz). Versäumnisse hierbei können sich nachteilig auf die rechtliche Wirksamkeit der Wertguthabennutzung auswirken und zu sozialversicherungsrechtlichen Problemen oder Nachforderungen führen.
Welche gesetzlichen Ausschlussfristen oder Verjährungsfristen gelten für Ansprüche aus der Wertguthabenverwendung?
Für Ansprüche aus Wertguthabenvereinbarungen gelten regelmäßig die allgemeinen arbeitsrechtlichen Ausschluss- und Verjährungsfristen, sofern nicht ausdrücklich durch Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung oder Einzelvereinbarung kürzere oder längere Fristen vereinbart wurden. Typisch sind tarifvertragliche Ausschlussfristen von drei Monaten für die schriftliche Geltendmachung. Ansprüche auf Auszahlung des Wertguthabens nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses oder bei Verstößen gegen die Insolvenzsicherung unterliegen zusätzlich den zivilrechtlichen Verjährungsfristen, nämlich drei Jahren gemäß § 195 BGB, die mit dem Schluss des Jahres beginnen, in dem der Anspruch entstanden ist. Besondere Ausschluss- oder Verfallsfristen gelten bei sozialversicherungsrechtlichen Ansprüchen wie Nachentrichtungspflichten der Beträge, die in der Regel vier Jahre betragen, bei Vorsatz bis zu 30 Jahren (§ 25 SGB IV).