Begriff und Bedeutung der Wertfortschreibung
Die Wertfortschreibung ist ein zentrales Verfahren im Bereich des deutschen Bewertungs- und Steuerrechts, das insbesondere im Zusammenhang mit der Feststellung des Einheitswerts und des Grundsteuerwerts für Grundstücke, Wohneigentum und Betriebsvermögen von Bedeutung ist. Sie dient dazu, Änderungen des für steuerliche Zwecke festgestellten Wertes eines Wirtschaftsgutes amtlich zu erfassen und zu dokumentieren. Das Ziel der Wertfortschreibung besteht darin, eine den tatsächlichen Verhältnissen entsprechende Gleichmäßigkeit und Aktualität der steuerlichen Bewertung sicherzustellen.
Rechtsgrundlagen der Wertfortschreibung
Bewertungsgesetz (BewG)
Die rechtliche Basis für die Durchführung einer Wertfortschreibung ist im Bewertungsgesetz (BewG) geregelt. Insbesondere §§ 21 ff. BewG enthalten umfangreiche Vorschriften zur Feststellung von Einheitswerten, Bedarfswerten und Grundsteuerwerten. Gemäß diesen Vorschriften ist eine Fortschreibung des Wertes dann geboten, wenn bestimmte Veränderungstatbestände eintreten.
Abgabenordnung (AO)
Ergänzend finden die Verfahrensregelungen der Abgabenordnung (AO) Anwendung, dort insbesondere bezüglich der Mitwirkungspflichten der Steuerpflichtigen und der Verfahrensabläufe bei Feststellungsbescheiden.
Anwendungsbereiche der Wertfortschreibung
Einheitswert und Grundsteuerwert
Die Wertfortschreibung spielt eine bedeutende Rolle bei der Feststellung des Einheitswerts (§ 21 BewG) sowie des Grundsteuerwerts (seit Einführung des Grundsteuer-Reformgesetzes), welcher nach neuen Bewertungsregelungen zum 1. Januar 2022 anzuwenden ist. Sie dient der Anpassung dieser steuerlichen Bemessungsgrundlagen an veränderte tatsächliche oder rechtliche Verhältnisse.
Betriebsgrundstücke und Betriebsvermögen
Ein weiteres relevantes Anwendungsfeld ist die Bewertung von Betriebsvermögen, insbesondere im Zusammenhang mit der Unternehmensnachfolge oder bei Veränderungen innerhalb des Betriebs (z.B. Zu- und Abgänge von Vermögensgegenständen).
Anlass und Arten der Wertfortschreibung
Anlässe für die Wertfortschreibung
Eine Wertfortschreibung wird durchgeführt, wenn sich die tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse ändern, die für die Feststellung eines Wertes maßgebend sind. Zu den häufigsten Anlässen zählen:
- Grundstücksteilungen oder -zusammenlegungen
- Änderungen der Grundstücksgröße
- Veränderungen der baulichen Nutzung
- Eigentumswechsel (z.B. Erbfolge, Verkauf)
- Erweiterungen oder Veränderungen am Gebäudebestand
Fortschreibungsarten
Im BewG werden verschiedene Arten der Fortschreibung unterschieden:
Wertfortschreibung (§ 22 BewG)
Die eigentliche Wertfortschreibung bezeichnet die Anhebung oder Herabsetzung des festgestellten Wertes aufgrund einer Wertänderung um mehr als 15.000 Euro (§ 22 Abs. 1 Nr. 1 BewG).
Artfortschreibung
Ändert sich die Art der wirtschaftlichen Einheit (z.B. Umwandlung von landwirtschaftlicher Nutzung in Wohnnutzung), ist eine Artfortschreibung vorzunehmen (§ 22 Abs. 2 BewG).
Zurechnungsfortschreibung
Bei einem Eigentümerwechsel kommt die Zurechnungsfortschreibung zur Anwendung (§ 22 Abs. 3 BewG).
Nachfeststellung
Liegt bislang keine Feststellung eines Wertes vor, ist eine Nachfeststellung erforderlich.
Verfahren der Wertfortschreibung
Feststellungsbescheid
Die Wertfortschreibung erfolgt durch das zuständige Finanzamt mittels Feststellungsbescheid. Dieser hat deklaratorischen Charakter und ist Grundlage für die Festsetzung von Grundsteuer sowie für weitere steuerliche Veranlagungen.
Mitwirkungspflichten
Der Steuerpflichtige ist verpflichtet, dem Finanzamt alle relevanten Änderungen unverzüglich anzuzeigen (§ 193 AO). Im Rahmen der allgemeinen Mitwirkungspflichten sind auf Verlangen Unterlagen einzureichen und Auskünfte zu erteilen, die zur Ermittlung des neuen Wertes notwendig sind.
Bedeutung der Stichtage
Für die Wertfortschreibung ist stets der Stichtag 1. Januar des Kalenderjahres maßgeblich, das auf die Änderung folgt (§ 22 BewG). Eine Fortschreibung erfolgt grundsätzlich nur auf diesen Stichtag.
Rechtsfolgen und Einspruchsverfahren
Wirkungen der Wertfortschreibung
Die festgestellten Werte sind für die Besteuerung bindend. Sie bilden die Basis für die Festsetzung von Grundsteuer sowie im Einzelfall für weitere Steuerarten (z.B. Erbschaft- und Schenkungsteuer).
Einspruch gegen die Wertfortschreibung
Gegen den Feststellungsbescheid über die Wertfortschreibung ist der Einspruch nach den allgemeinen Vorschriften der AO statthaft. Einwände müssen binnen eines Monats nach Bekanntgabe schriftlich oder elektronisch beim zuständigen Finanzamt eingereicht werden.
Praxisbedeutung und aktuelle Entwicklungen
Insbesondere im Zuge der Grundsteuerreform kommt der Wertfortschreibung eine verstärkte Bedeutung zu. Mit Inkrafttreten der neuen Bewertungsmaßstäbe seit 2022 müssen zahlreiche Grundstücke und Gebäude neu bewertet werden, was zu einer erhöhten Anzahl an Fortschreibungen führt.
Die Rechtsprechung betont fortlaufend die Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben, insbesondere mit Blick auf die Mitteilungs- und Anzeigepflichten sowie auf die Verhältnismäßigkeit und Richtigkeit der zugrundeliegenden Bewertungsgrundlagen.
Zusammenfassung
Die Wertfortschreibung ist ein zentrales Instrument der steuerlichen Bewertung im deutschen Steuerrecht. Sie gewährleistet, dass steuerlich relevante Werte von Grundstücken, Immobilien und Betriebsvermögen regelmäßig aktualisiert und gesetzeskonform festgestellt werden. Die einheitlichen rechtlichen Rahmenbedingungen im BewG und in der AO sorgen für Rechtssicherheit und ermöglichen eine gleichmäßige Besteuerung nach tatsächlichen Wertverhältnissen. Durch die Grundsteuerreform ist die Bedeutung der Wertfortschreibung weiter gestiegen und wird auch künftig ein wichtiger Bestandteil der steuerlichen Bewertungspraxis bleiben.
Häufig gestellte Fragen
Wann ist eine Wertfortschreibung nach § 22 BewG gesetzlich erforderlich?
Eine Wertfortschreibung nach § 22 des Bewertungsgesetzes (BewG) ist immer dann gesetzlich erforderlich, wenn sich bei einem Grundstück die für die Besteuerung maßgebenden Verhältnisse geändert haben. Dies kann etwa durch bauliche Veränderungen, Eigentümerwechsel oder auch durch erhebliche Wertänderungen aufgrund marktbedingter Entwicklungen eintreten. Das Finanzamt prüft insoweit regelmäßig, ob eine sog. Fortschreibungsmaßnahme durchzuführen ist, um die Einheitswerte oder Grundsteuerwerte realitätsnah und entsprechend aktueller Besteuerungsgrundlagen zu erfassen. Im rechtlichen Kontext sind hier insbesondere die Regelungen zu den Arten der Fortschreibungen (Nachfeststellung, Wertfortschreibung, Artfortschreibung und Zurechnungsfortschreibung) zu beachten, wobei die Wertfortschreibung konkret dann anzuwenden ist, wenn die Wertverhältnisse – und zwar unabhängig von einem Eigentümerwechsel – eine Änderung von mehr als 15.000 Euro bewirken. Das Gesetz sieht dabei eine Verpflichtung zur Anzeige dieser Veränderungen durch den Steuerpflichtigen gemäß § 19 Abs. 1 BewG vor, sodass eine Missachtung steuerstrafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen kann.
Welche Mitwirkungspflichten treffen Eigentümer im Rahmen der Wertfortschreibung rechtlich?
Eigentümer sind nach den steuerrechtlichen Vorschriften verpflichtet, alle für eine Wertfortschreibung relevanten Tatsachen dem zuständigen Finanzamt anzuzeigen. Dies ergibt sich insbesondere aus § 19 Abs. 1 BewG in Verbindung mit den allgemeinen Mitwirkungspflichten gemäß der Abgabenordnung (AO). Die Anzeigepflicht bezieht sich auf jede wesentliche Änderung der tatsächlichen Verhältnisse, beispielsweise Erweiterungen, Nutzungsänderungen oder Modernisierungen, die den Wert des Grundstücks signifikant beeinflussen könnten. Kommt der Eigentümer dieser Pflicht nicht oder nicht rechtzeitig nach, drohen steuerliche Nachteile sowie Sanktionen nach § 370 Abgabenordnung (Steuerhinterziehung) oder § 378 AO (leichtfertige Steuerverkürzung). Der Gesetzgeber sieht in der rechtzeitigen, vollständigen und wahrheitsgemäßen Mitteilung der Änderungen das zentrale Instrument für eine rechtmäßige und aktuelle Steuerbemessung.
Welche Fristen sind im Rahmen der Wertfortschreibung zu beachten und welche rechtlichen Folgen hat deren Versäumung?
Im Zusammenhang mit der Wertfortschreibung sind die Fristen aus § 19 Abs. 2 BewG sowie aus § 153 AO relevant. Änderungen, die eine Fortschreibung nötig machen, sind grundsätzlich innerhalb eines Monats nach Kenntnisnahme anzuzeigen. Das Finanzamt selbst wird in der Regel zum Beginn des Kalenderjahres, das auf die Änderung folgt, tätig, indem es einen neuen Feststellungsbescheid erlässt. Ein Versäumnis der Anzeigefrist kann nicht nur ordnungswidrig sein, sondern insbesondere bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit straf- und bußgeldrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen. Dies kann im schlimmsten Fall zu nachträglichen Steuerfestsetzungen einschließlich Säumniszuschlägen oder steuerstrafrechtlichen Ermittlungen führen.
Kann gegen eine Feststellung zur Wertfortschreibung Einspruch eingelegt werden, und wie ist das rechtlich geregelt?
Gegen einen Feststellungsbescheid zur Wertfortschreibung ist der rechtliche Weg des Einspruchs nach § 347 Abgabenordnung (AO) eröffnet. Der betroffene Steuerpflichtige kann innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Bescheids schriftlich, elektronisch oder zur Niederschrift beim Finanzamt Einspruch einlegen. In seiner Begründung muss er darlegen, in welchen Punkten die Feststellung fehlerhaft ist, etwa wenn bewertungsrelevante Faktoren nicht oder falsch berücksichtigt wurden. Die Behörde prüft daraufhin den Antrag und erlässt im Falle des Obsiegens einen Abhilfebescheid. Wird der Einspruch zurückgewiesen, steht der Rechtsweg zu den Finanzgerichten offen. Es gilt der Grundsatz der materiellen Rechtskraft: Ein bestandskräftiger Feststellungsbescheid kann nur unter speziellen Voraussetzungen (z.B. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand oder wegen neuer Tatsachen gemäß § 173 AO) nachträglich angefochten werden.
Inwieweit besteht eine rechtliche Bindungswirkung der Wertfortschreibung für andere Steuerarten?
Die in der Wertfortschreibung festgestellten Werte entfalten für verschiedene Steuerarten eine sog. Bindungswirkung, insbesondere für die Grundsteuer oder die Grunderwerbsteuer. Gemäß § 182 Abs. 1 AO ist das den Einheitswert oder Grundsteuerwert feststellende Finanzamt an die Bestandskraft der Feststellung gebunden. Für nachgelagerte Steuerbescheide, beispielsweise den Grundsteuerbescheid der Gemeinde, ist der festgestellte Wert zwingende Grundlage. Im Umkehrschluss bedeutet dies jedoch auch, dass Einwendungen gegen die Wertfestsetzung ausschließlich im Rahmen des Feststellungsverfahrens und nicht im nachfolgenden Besteuerungsverfahren geltend gemacht werden können.
Unterliegt die Wertfortschreibung den allgemeinen Verjährungsfristen des Steuerrechts?
Ja, auch für die Wertfortschreibung gelten die allgemeinen Festsetzungs- und Feststellungsverjährungsfristen der Abgabenordnung. Nach § 181 Abs. 1 AO richtet sich die Feststellungsfrist nach der für die zugrunde liegende Steuer geltenden Festsetzungsfrist. Das bedeutet, dass eine Wertfortschreibung grundsätzlich nur innerhalb der regulären vierjährigen Feststellungsfrist erfolgen kann, wobei diese unter bestimmten Voraussetzungen, etwa bei Steuerhinterziehung oder leichtfertiger Steuerverkürzung, auf zehn bzw. fünf Jahre verlängert werden kann. Nach Ablauf der Verjährungsfrist ist eine rückwirkende Wertfortschreibung nicht mehr möglich, es sei denn, ein besonderer Tatbestand zur Fristverlängerung greift.
Gibt es gesetzliche Ausnahmen von der Pflicht zur Wertfortschreibung und wie sind diese im Einzelfall rechtlich begründet?
Das Bewertungsgesetz sieht explizite Ausnahmen von der Fortschreibungspflicht vor. Insbesondere wird nach § 22 Abs. 2 BewG auf eine Wertfortschreibung verzichtet, wenn sich der Wert eines Grundstücks um weniger als 15.000 Euro ändert. Diese sogenannte Wesentlichkeitsgrenze dient der Verwaltungsvereinfachung und soll Bagatellfälle ausschließen. Ausnahmen bzw. Besonderheiten bestehen auch bei Gebietskörperschaften und öffentlichen Stellen, bei denen die Fortschreibungspflicht eingeschränkt oder modifiziert werden kann. Eine gesonderte Regelung gilt zudem im Zusammenhang mit der Neuordnung der Grundsteuer, bei der Übergangsvorschriften nach dem Grundsteuer-Reformgesetz zu beachten sind. Die Einhaltung und Anwendung dieser Ausnahmen unterliegt der Prüfung durch das Finanzamt und kann im Einzelfall mit Zustimmung oder auf Antrag überprüft werden.