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Werkstätten für behinderte Menschen

Werkstätten für behinderte Menschen: Begriff und rechtliche Einordnung

Werkstätten für behinderte Menschen sind Einrichtungen der beruflichen Rehabilitation und Teilhabe. Ihr Auftrag ist es, Menschen mit Behinderungen, die den Anforderungen des allgemeinen Arbeitsmarkts aktuell nicht gewachsen sind, durch Bildung, Qualifizierung, Unterstützung und angepasste Arbeit eine Beschäftigung sowie die Entwicklung von Fähigkeiten zu ermöglichen. Ziel ist die individuelle Teilhabe am Arbeitsleben, einschließlich der Vorbereitung auf und Förderung von Übergängen in reguläre Beschäftigung.

Ziele und Aufgaben

Werkstätten verbinden pädagogische, arbeitsbezogene und soziale Leistungen. Zu ihren Aufgaben gehören die Feststellung von Eignung und Unterstützungsbedarf, berufliche Bildung, Bereitstellung angepasster Arbeitsplätze, arbeitsbegleitende Maßnahmen, Gesundheits- und Arbeitsschutz sowie die Unterstützung bei Praktika, Außenarbeitsplätzen und Übergängen auf den allgemeinen Arbeitsmarkt.

Rechtliche Rahmenbedingungen und Anerkennung

Anerkennung und Aufsicht

Werkstätten benötigen eine staatliche Anerkennung. Diese setzt konzeptionelle, personelle, sachliche und organisatorische Mindeststandards voraus, darunter Barrierefreiheit, Fachlichkeit des Personals, geeignete Räumlichkeiten, Arbeitssicherheit sowie Verfahren zur Qualitätssicherung. Die Aufsicht liegt bei den zuständigen Behörden der Länder, die Anerkennungsvoraussetzungen prüfen und die Einhaltung überwachen.

Trägerschaft und Gemeinnützigkeit

Träger können Wohlfahrtsverbände, Vereine, Stiftungen oder kommunale Gesellschaften sein. Viele Werkstätten sind gemeinnützig ausgerichtet. Erwirtschaftete Überschüsse sind zweckgebunden für die Förderung der Teilhabe der Beschäftigten einzusetzen.

Aufnahme, Aufbau und Leistungsbereiche

Aufnahmevoraussetzungen

Voraussetzung ist eine wesentliche Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit, die die Ausübung einer Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt aktuell verhindert oder wesentlich erschwert. Zusätzlich erforderlich sind ein Rehabilitationsbedarf und die sogenannte Werkstattfähigkeit, das heißt die Fähigkeit, mit begleitender Unterstützung an Maßnahmen der Werkstatt teilzunehmen.

Eingangsverfahren

Zu Beginn steht ein befristetes Eingangsverfahren. Es dient der Abklärung von Eignung, Interessen, Zielen und Unterstützungsbedarf sowie der Entscheidung, ob der Berufsbildungsbereich geeignet ist oder andere Leistungen in Betracht kommen.

Berufsbildungsbereich

Der Berufsbildungsbereich ist regelmäßig auf längere Zeit angelegt. Er vermittelt arbeitsrelevante Grundfertigkeiten, fachliche Qualifikationen und Schlüsselkompetenzen. Die Inhalte werden individuell geplant und durch Praxisphasen ergänzt.

Arbeitsbereich

Im Arbeitsbereich erhalten Beschäftigte einen der Leistungsfähigkeit angepassten Arbeitsplatz mit fachlicher Anleitung, Unterstützung im Arbeitsalltag und arbeitsbegleitenden Angeboten. Der Arbeitsbereich ist grundsätzlich unbefristet angelegt, wird aber regelmäßig überprüft, insbesondere mit Blick auf mögliche Übergänge.

Externe Formen: betriebsintegrierte Plätze und Außenarbeitsplätze

Werkstätten können betriebsintegrierte Arbeitsplätze in Unternehmen des allgemeinen Arbeitsmarkts anbieten. Diese sind rechtlich dem Arbeitsbereich der Werkstatt zugeordnet und dienen der Erprobung, Qualifizierung und möglichen Vermittlung.

Rechtsstellung der Beschäftigten

Vertragsverhältnis

Die Tätigkeit in der Werkstatt erfolgt auf Grundlage eines besonderen Rechtsverhältnisses mit der Werkstatt. Es handelt sich nicht um ein reguläres Arbeitsverhältnis wie in einem Unternehmen des allgemeinen Arbeitsmarkts. Rechte und Pflichten werden in Werkstattverträgen, Ordnungen und abgestimmten Regelungen festgelegt.

Vergütung und Leistungen

Beschäftigte im Arbeitsbereich erhalten ein Werkstattentgelt. Dieses setzt sich typischerweise aus einem festen Grundbestandteil, einem leistungsbezogenen Anteil aus dem wirtschaftlichen Ergebnis der Werkstatt sowie ergänzenden Leistungen zusammen. Ein allgemeiner gesetzlicher Mindestlohn gilt für den Arbeitsbereich der Werkstatt nicht. Während der beruflichen Bildung werden statt eines Entgelts häufig spezifische Unterhalts- oder Ausbildungsleistungen gewährt.

Arbeitszeit, Urlaub und Schutzrechte

Arbeitszeit, Pausen, Urlaub, Entgeltregelungen, Schutzrechte sowie Verhaltens- und Sicherheitsstandards sind in den Werkstattregelungen und abgestimmten Vereinbarungen festgelegt. Es gelten besondere Vorgaben zum Arbeits- und Gesundheitsschutz, zur Barrierefreiheit und zur individuellen Unterstützung. Es bestehen Regelungen zur Abwesenheit bei Krankheit sowie zum Schutz vor Benachteiligung und Gewalt.

Soziale Sicherung

Beschäftigte sind in der Regel in der gesetzlichen Kranken-, Pflege-, Renten- und Unfallversicherung abgesichert. Die Beiträge werden überwiegend durch zuständige Leistungsträger und die Werkstätten getragen. Durch die versicherungspflichtige Beschäftigung werden Rentenanwartschaften erworben. Maßnahmen zur Prävention, Rehabilitation und Teilhabe sind in das Leistungssystem eingebunden.

Mitwirkung und Interessenvertretung

Werkstattrat

In jeder Werkstatt wird ein Werkstattrat gewählt. Er vertritt die Interessen der Beschäftigten gegenüber der Werkstattleitung, hat Informations-, Beteiligungs- und Mitwirkungsrechte und wird bei wesentlichen organisatorischen, personellen und sozialen Angelegenheiten beteiligt.

Frauenbeauftragte

Zusätzlich wird eine Frauenbeauftragte gewählt, die sich insbesondere für die Belange von Frauen in der Werkstatt einsetzt. Sie wirkt bei Maßnahmen gegen Gewalt, Benachteiligung und zur Gleichstellung mit.

Beschwerde- und Schutzsysteme

Werkstätten müssen wirksame Verfahren für Hinweise, Beschwerden und Schutzmaßnahmen vorhalten, einschließlich Maßnahmen gegen Belästigung und Gewalt, sowie transparente Ansprechstellen und Dokumentationsprozesse.

Finanzierung und wirtschaftliche Betätigung

Finanzierung der Leistungen

Leistungen der beruflichen Bildung und Beschäftigung werden durch zuständige Rehabilitationsträger finanziert. Je nach individueller Lage kommen insbesondere Träger der Arbeitsförderung, der Eingliederungshilfe, der gesetzlichen Renten- oder Unfallversicherung in Betracht. Die Zuständigkeit richtet sich nach Art und Ursache der Behinderung sowie dem individuellen Rehabilitationsweg.

Wirtschaftliche Betätigung und Entgelte

Werkstätten erbringen Produkte und Dienstleistungen am Markt. Einnahmen daraus dienen der Finanzierung des Werkstattbetriebs und fließen in die Entgeltbildung ein. Die wirtschaftliche Tätigkeit ist dem Teilhabeauftrag untergeordnet und an besondere Vorgaben zu Zweckbindung, Transparenz und Qualitätssicherung gebunden.

Übergang auf den allgemeinen Arbeitsmarkt

Übergangsinstrumente

Zur Förderung von Übergängen werden Praktika, betriebsintegrierte Plätze, Qualifizierungsbausteine, zeitlich befristete Erprobungen und individuelle Unterstützungsleistungen eingesetzt. Darüber hinaus stehen in vielen Fällen ergänzende Förderinstrumente zur Verfügung, die eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt finanziell und organisatorisch unterstützen.

Abgrenzung zu Inklusionsbetrieben und anderen Leistungsanbietern

Inklusionsbetriebe sind Unternehmen des allgemeinen Arbeitsmarkts mit einem hohen Anteil von Menschen mit Behinderungen in regulären Arbeitsverhältnissen. Werkstätten sind demgegenüber Einrichtungen der Rehabilitation mit besonderem Rechtsrahmen. Neben Werkstätten können auch andere Leistungsanbieter vergleichbare Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben erbringen; diese unterliegen ebenfalls spezifischen Qualitäts- und Anerkennungsvorgaben.

Qualitätssicherung, Barrierefreiheit und Arbeitsschutz

Werkstätten sind verpflichtet, Barrieren abzubauen und geeignete Assistenz, Hilfsmittel und angepasste Arbeitsorganisation bereitzustellen. Es gelten verbindliche Standards zum Arbeitsschutz, zur Gefährdungsbeurteilung, zum Brandschutz, zur Hygiene, zur Qualifikation des Personals, zur Dokumentation und zur kontinuierlichen Qualitätsentwicklung. Datenschutz und Vertrauensschutz sind sicherzustellen.

Diskussionsstand und Entwicklung

Die Rolle der Werkstätten wird fortlaufend weiterentwickelt. Maßgeblich sind dabei die Ziele der inklusiven Gesellschaft und der gleichberechtigten Teilhabe. Reformdebatten betreffen insbesondere die Ausgestaltung der Entgeltstrukturen, die Stärkung von Übergängen, die Öffnung zum allgemeinen Arbeitsmarkt sowie die Weiterentwicklung von Alternativen und Ergänzungen im Leistungssystem.

Häufig gestellte Fragen

Was ist eine Werkstatt für behinderte Menschen im rechtlichen Sinn?

Es handelt sich um eine anerkannte Einrichtung der Teilhabe am Arbeitsleben mit besonderem Rechtsrahmen. Sie bietet berufliche Bildung, angepasste Arbeitsplätze und begleitende Unterstützung für Personen, die den allgemeinen Arbeitsmarkt aktuell nicht nutzen können.

Wer kann aufgenommen werden und wie wird die Eignung festgestellt?

Aufgenommen werden Personen mit wesentlichen Beeinträchtigungen und Rehabilitationsbedarf, die werkstattfähig sind. Die Eignung wird im Eingangsverfahren geprüft, in dem Fähigkeiten, Ziele und Unterstützungsbedarf festgestellt werden.

Welchen rechtlichen Status haben Personen im Arbeitsbereich einer Werkstatt?

Sie stehen in einem besonderen Rechtsverhältnis zur Werkstatt und nicht in einem regulären Arbeitsverhältnis. Rechte und Pflichten ergeben sich aus Werkstattverträgen, Ordnungen und abgestimmten Regelungen mit Beteiligung der Interessenvertretungen.

Wie ist die Vergütung geregelt und gilt der gesetzliche Mindestlohn?

Die Vergütung im Arbeitsbereich besteht aus einem Grundbestandteil, einem leistungsbezogenen Anteil und ergänzenden Leistungen. Ein allgemeiner gesetzlicher Mindestlohn gilt im Arbeitsbereich der Werkstatt nicht. Während der beruflichen Bildung werden regelmäßig andere Unterhalts- oder Ausbildungsleistungen gewährt.

Sind Beschäftigte sozialversichert und wer trägt die Beiträge?

Beschäftigte sind in der Regel kranken-, pflege-, renten- und unfallversichert. Die Finanzierung der Beiträge erfolgt überwiegend durch zuständige Leistungsträger und die Werkstatt, sodass Rentenanwartschaften und weiterer Versicherungsschutz aufgebaut werden.

Welche Mitwirkungsrechte bestehen in einer Werkstatt?

Beschäftigte werden durch Werkstattrat und Frauenbeauftragte vertreten. Diese Gremien haben Informations-, Beteiligungs- und Mitwirkungsrechte bei sozialen, personellen und organisatorischen Entscheidungen der Werkstatt.

Worin unterscheidet sich eine Werkstatt von einem Inklusionsbetrieb?

Inklusionsbetriebe sind Unternehmen des allgemeinen Arbeitsmarkts mit regulären Arbeitsverhältnissen. Werkstätten sind Einrichtungen der Rehabilitation mit besonderem Schutz- und Förderrahmen, in denen ein eigenes Rechtsverhältnis gilt und der Teilhabeauftrag im Vordergrund steht.