Begriff und rechtliche Einordnung des Werksarztes
Ein Werksarzt ist gemäß deutschem Arbeitsrecht ein betriebsärztlich qualifizierter Mediziner, der in Unternehmen mit der Aufgabenwahrnehmung des Arbeits- und Gesundheitsschutzes gemäß den arbeitsrechtlichen und arbeitsschutzrechtlichen Vorschriften betraut ist. Die rechtliche Tätigkeit des Werksarztes ist insbesondere im Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG), im Siebten Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII), in der Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge (ArbMedVV) und im Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) geregelt. Die Bestellung des Werksarztes, sein Aufgabenspektrum und seine Rechte und Pflichten unterliegen dabei detaillierten gesetzlichen Vorgaben.
Definition und Abgrenzung
Der Begriff „Werksarzt“ wird häufig synonym mit „Betriebsarzt“ verwendet. Rechtlich maßgeblich ist § 3 Arbeitssicherheitsgesetz (ASiG), wonach der Arbeitgeber Betriebsärzte zu bestellen hat. Sie sind grundsätzlich angestellte oder freiberuflich tätige Mediziner mit arbeitsmedizinischer Qualifikation, die im Auftrag des Unternehmens tätig werden.
Rechtliche Grundlagen
Arbeitssicherheitsgesetz (ASiG)
Das Arbeitssicherheitsgesetz (ASiG) bildet die zentrale Grundlage für die Bestellung und Tätigkeit des Werksarztes. Nach § 3 ASiG ist jeder Arbeitgeber verpflichtet, Betriebsärzte zu bestellen, wenn dies nach Art und Gefährdung der Arbeitsplätze erforderlich ist.
Bestellung und Qualifikation
- Bestellung: Die Anzahl der zu bestellenden Werksärzte bemisst sich nach der Art des Betriebes, der Mitarbeiterzahl und dem Gefährdungspotential. Die Bestellung muss schriftlich erfolgen.
- Qualifikation: Der Werksarzt muss eine arbeitsmedizinische Fachkunde nachweisen. Die genaue Qualifikation ist in den Weiterbildungsordnungen der Landesärztekammern geregelt.
Aufgabenbereich
- Untersuchung der Arbeitsplätze und Beurteilung von Gesundheitsgefahren
- Beratung des Arbeitgebers in allen Fragen des Gesundheitsschutzes
- Durchführung und Organisation arbeitsmedizinischer Vorsorge
- Mitwirkung bei der Erfassung und Auswertung arbeitsbedingter Erkrankungen
- Zusammenarbeit mit der Fachkraft für Arbeitssicherheit gemäß § 6 ASiG
Weisungsunabhängigkeit und Schweigepflicht
Werksärzte unterliegen der Weisungsfreiheit nach § 2 Abs. 3 ASiG und sind damit in ihrer medizinischen Beurteilung unabhängig. Zudem gilt die ärztliche Schweigepflicht (§ 203 StGB), wodurch Vertraulichkeit gegenüber dem Arbeitgeber und Dritten besteht.
Weitere einschlägige Rechtsvorschriften
Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG)
Das Arbeitsschutzgesetz regelt allgemeine Pflichten des Arbeitgebers und sieht gemäß § 5 und § 6 ArbSchG eine systematische Gefährdungsbeurteilung vor, an welcher der Werksarzt mitzuwirken hat. Er berät sowohl bei der arbeitsmedizinischen Prävention als auch bei Maßnahmen des Gesundheitsschutzes.
Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge (ArbMedVV)
Die ArbMedVV konkretisiert die Aufgaben des Werksarztes hinsichtlich der arbeitsmedizinischen Vorsorgeuntersuchungen für Beschäftigte. Hierzu zählen Pflicht-, Angebots- und Wunschuntersuchungen, wie etwa G 25 (Fahr-, Steuer- und Überwachungstätigkeiten) oder G 37 (Bildschirmarbeit).
Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) und Unfallverhütungsvorschriften
Das SGB VII verpflichtet Unternehmen zur Einrichtung eines betrieblichen Gesundheitsschutzes. Berufsgenossenschaften erlassen Unfallverhütungsvorschriften (DGUV Vorschriften), welche Anforderungen an den Einsatz und die Mindestpräsenzzeiten von Werksärzten enthalten.
Rolle des Werksarztes im Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG)
Nach § 80 Abs. 1 Nr. 9 und § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG ist der Betriebsrat in Fragen des Gesundheitsschutzes zu beteiligen. Der Werksarzt fungiert hier als wichtige Schnittstelle zwischen Arbeitgeber, Betriebsrat und Beschäftigten. Im Rahmen des § 9 ASiG ist der Werksarzt verpflichtet, den Betriebsrat umfassend zu informieren.
Rechte und Pflichten des Werksarztes
Unabhängigkeit und Neutralität
Die Aufgabenwahrnehmung erfolgt unabhängig und frei von betrieblichen Weisungen im medizinischen Bereich. Gleichwohl ist der Werksarzt betrieblich eingebunden und zur Zusammenarbeit mit dem Arbeitgeber sowie dem Betriebs- und Personalrat verpflichtet.
Verschwiegenheitspflicht und Datenschutz
Der Werksarzt ist gemäß § 203 StGB zur Verschwiegenheit verpflichtet. Informationen über den Gesundheitszustand Beschäftigter dürfen ohne deren ausdrückliche Einwilligung nicht an den Arbeitgeber weitergegeben werden. Datenschutzrechtliche Vorschriften, insbesondere die DSGVO und das Bundesdatenschutzgesetz (BDSG), sind zu berücksichtigen.
Dokumentationspflicht
Nach § 6 ArbMedVV sowie den Vorschriften der ärztlichen Berufsordnung besteht eine Dokumentationspflicht über durchgeführte Vorsorgeuntersuchungen und Beratungen.
Beschäftigungsformen, Vergütung und Haftung
Beschäftigungsformen
Werksärzte können intern als angestellte Ärztinnen und Ärzte oder extern als freie Dienstleister tätig sein. Die arbeitsrechtlichen Bestimmungen unterscheiden sich entsprechend, insbesondere in Bezug auf den Kündigungsschutz und das Direktionsrecht.
Vergütung
Die Vergütung des Werksarztes ist vertraglich zu regeln. Sie richtet sich nach dem Umfang der Aufgaben, der Betriebsgröße und dem individuellen Vertrag.
Haftungsfragen
Der Werksarzt haftet für ärztliche Fehleinschätzungen oder Vorsorgeversäumnisse analog den allgemeinen zivilrechtlichen Bestimmungen. Im Falle grober Fahrlässigkeit oder Vorsatz können auch Regressansprüche des Arbeitgebers ausgelöst werden.
Schlussbetrachtung
Die Funktion des Werksarztes ist umfassend und vielfältig rechtlich geregelt. Als zentrale Schnittstelle für den betrieblichen Arbeits- und Gesundheitsschutz agiert er im Spannungsfeld zwischen Arbeitgeberinteressen, Schutz der Belegschaft und gesetzlichen Vorgaben. Seine Tätigkeit ist durch weitreichende Unabhängigkeit, Verschwiegenheit und Kontrollmechanismen geprägt und trägt wesentlich zur Wahrung von Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz bei.
Häufig gestellte Fragen
Muss der Arbeitgeber einen Werksarzt bestellen?
Der Arbeitgeber ist gemäß § 2 Abs. 1 Arbeitssicherheitsgesetz (ASiG) verpflichtet, einen Betriebsarzt (umgangssprachlich Werksarzt) zu bestellen, sofern dies aufgrund der Betriebsgröße oder der Gefährdungsbeurteilung der Arbeitsplätze erforderlich ist. Die Pflicht besteht unabhängig von der Branche, jedoch variiert der Umfang der Bestellung nach Art und Umfang der Gefährdungen im Betrieb. Insbesondere in Unternehmen mit mehr als 10 Beschäftigten oder bei Vorliegen besonderer Gefährdungen (wie Umgang mit Gefahrstoffen) ist die Bestellung eines Werksarztes zwingend notwendig. Der Arbeitgeber muss sicherstellen, dass der Werksarzt die ihm nach dem ASiG und der DGUV Vorschrift 2 zugewiesenen Aufgaben erfüllen kann. Eine Unterlassung der Bestellung kann zu Sanktionen durch die Aufsichtsbehörden führen.
In welchem Umfang und Turnus muss der Werksarzt tätig werden?
Die Einsatzzeit des Werksarztes bemisst sich grundsätzlich an der Betriebsgröße, den spezifischen Gefährdungen und den betrieblichen Gegebenheiten. Die genaue Berechnung erfolgt nach der DGUV Vorschrift 2, die eine Grundbetreuung (abhängig von der Zahl der Beschäftigten) und anlassbezogene betriebsspezifische Betreuung (je nach Gefährdungsprofil) vorsieht. Bei besonderen Gefährdungen, wie etwa bei Tätigkeiten mit Gefahrstoffen, biologischen Arbeitsstoffen oder Lärmeinwirkung, ist eine intensivere Betreuung vorgeschrieben. Der Turnus von Vorsorgeuntersuchungen richtet sich zusätzlich nach der Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge (ArbMedVV) und kann beispielsweise jährlich, zweijährlich oder nach spezifischer Exposition variieren.
Dürfen Beschäftigte die Untersuchungen durch den Werksarzt verweigern?
Beschäftigte sind im Rahmen von Pflichtvorsorgen (nach ArbMedVV und ggf. anderen Vorschriften wie G 25, G 41) grundsätzlich verpflichtet, an den erforderlichen arbeitsmedizinischen Untersuchungen teilzunehmen, wenn dies aus Gründen des Arbeits- oder Gesundheitsschutzes notwendig ist. Eine Weigerung kann dazu führen, dass sie bestimmte Tätigkeiten nicht mehr ausüben dürfen, beispielsweise wenn eine gesundheitliche Eignung gesetzlich oder vertraglich vorgeschrieben ist. Hingegen sind Angebots- und Wunschvorsorgen grundsätzlich freiwillig und dürfen vom Beschäftigten abgelehnt werden, ohne dass daraus arbeitsrechtliche Nachteile entstehen dürfen.
Welche Rechte und Pflichten hat der Werksarzt im Unternehmen?
Der Werksarzt nimmt als fachkundige Person sowohl beratende als auch überwachende Funktionen im Betrieb wahr. Er ist unabhängig und nur an die Regeln der ärztlichen Kunst sowie an den Datenschutz gebunden. Nach § 3 ASiG stehen ihm insbesondere folgende Rechte und Pflichten zu: Durchführung und Organisation arbeitsmedizinischer Vorsorgeuntersuchungen, Beratung des Arbeitgebers und der Arbeitnehmer in allen Fragen des Gesundheitsschutzes, Kontrolle und Beurteilung der Arbeitsbedingungen aus arbeitsmedizinischer Sicht sowie Mitwirkung bei der Gefährdungsbeurteilung. Der Werksarzt hat ein Weisungsrecht in seinem Fachgebiet, ist jedoch nicht Teil der betrieblichen Hierarchie. Zudem unterliegt er einer Schweigepflicht nach § 203 StGB.
Wer trägt die Kosten für die Tätigkeit des Werksarztes?
Die gesamten Kosten der Tätigkeit des Werksarztes – einschließlich aller arbeitsmedizinischen Vorsorgeuntersuchungen, Beratungen oder Maßnahmen – trägt ausschließlich der Arbeitgeber. Dies ist in § 3 Abs. 3 Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) ausdrücklich geregelt. Auch dann, wenn Vorsorgeuntersuchungen außerhalb der regulären Arbeitszeit durchgeführt werden müssen, sind die hierdurch entstehenden Kosten (z. B. Fahrkosten, Verdienstausfall) vom Arbeitgeber zu erstatten. Es besteht ein striktes Kostenübernahmeverbot zugunsten des Beschäftigten.
Wie ist der Datenschutz bei der Tätigkeit des Werksarztes geregelt?
Der Werksarzt unterliegt strengsten datenschutzrechtlichen Vorgaben. Medizinische Befunde und Untersuchungsergebnisse dürfen gemäß § 9 ArbMedVV und § 203 StGB ausschließlich dem Beschäftigten ausgehändigt werden; dem Arbeitgeber wird nur mitgeteilt, ob und welche gesundheitlichen Bedenken gegen eine Tätigkeit bestehen („tauglich“, „bedingt tauglich“, „nicht tauglich“), keinesfalls jedoch Diagnosen oder detaillierte Untersuchungsergebnisse. Eine Weitergabe personenbezogener Gesundheitsdaten an den Arbeitgeber oder Dritte ist grundsätzlich untersagt und bedarf immer einer ausdrücklichen schriftlichen Einwilligung des Betroffenen, sofern keine gesetzliche Pflicht zur Datenweitergabe besteht. Bei Verstößen drohen straf- und datenschutzrechtliche Konsequenzen.
Kann der Arbeitgeber den Werksarzt entlassen oder abberufen?
Der Arbeitgeber hat das Recht, den Werksarzt abzuberufen oder den Vertrag zu beenden, sofern keine besondere Bindung (z. B. im Rahmen eines Gesamtbetriebsvertrags) oder enge Einbindung ins Unternehmen (etwa als Teil der Personalvertretung) vorliegt. Die Abberufung darf jedoch keine negativen Auswirkungen auf die Erfüllung der gesetzlichen Verpflichtungen des Arbeitgebers hinsichtlich Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz haben. Der Betriebsrat hat gem. § 9 ASiG ein Mitbestimmungsrecht bei der Bestellung und Abberufung des Werksarztes. Eine Abberufung darf zudem nicht willkürlich erfolgen, sondern sollte sachlich begründet und im Rahmen des Arbeitsrechts (Kündigungsschutz usw.) korrekt durchgeführt werden.