Begriff und Grundlagen des Wehrdienstverhältnisses
Das Wehrdienstverhältnis bezeichnet im deutschen Recht das öffentlich-rechtliche Dienstverhältnis, in dem sich Personen zur Erfüllung der Wehrpflicht oder einer freiwilligen militärischen Dienstleistung zu den Streitkräften verpflichten. Es bildet die rechtliche Grundlage für die Ausübung des Wehrdienstes, insbesondere für Soldaten auf Zeit, freiwillig Wehrdienstleistende sowie Grundwehrdienstleistende. Das Wehrdienstverhältnis ist umfassend im Soldatengesetz (SG), dem Wehrpflichtgesetz (WPflG) sowie weiteren einschlägigen Vorschriften geregelt und steht in einem engen Zusammenhang mit dem Staatsrecht, dem Beamtenrecht sowie dem Arbeits- und Disziplinarrecht.
Rechtsquellen des Wehrdienstverhältnisses
Soldatengesetz (SG)
Das Soldatengesetz regelt die Rechtsstellung der Soldaten und bildet damit das maßgebliche Gesetz für das Wehrdienstverhältnis. Es bestimmt die Rechte und Pflichten der Soldaten, die verschiedenen Formen des Wehrdienstes sowie deren Status und schützt besondere Rechte.
Wehrpflichtgesetz (WPflG)
Das Wehrpflichtgesetz regelt die Verpflichtung von deutschen Staatsangehörigen zur Ableistung des Grundwehrdienstes sowie zu weiteren Formen der Dienstleistung bei den Streitkräften. Das WPflG konkretisiert dabei die staatsbürgerliche Pflicht zur Landesverteidigung, wie sie im Grundgesetz festgehalten ist.
Weitere einschlägige Regelungen
Ergänzend sind das Wehrrechtsänderungsgesetz, die Wehrdisziplinarordnung (WDO) und verschiedene Verwaltungsvorschriften relevant, die Organisationen, Befehlsverhältnisse und Disziplinarverfahren regeln.
Arten und Formen des Wehrdienstverhältnisses
Grundwehrdienstverhältnis
Historisch war der Grundwehrdienst für männliche deutsche Staatsangehörige zwischen dem 18. und 25. Lebensjahr verpflichtend (§ 1 WPflG). Mit der Aussetzung der Wehrpflicht im Jahr 2011 wird der Grundwehrdienst nur noch im Spannungs- oder Verteidigungsfall einberufen.
Freiwilliger Wehrdienst
Der freiwillige Wehrdienst bietet die Möglichkeit, sich auch ohne bestehende Wehrpflicht für einen bestimmten Zeitraum militärisch zu verpflichten (§ 54 SG).
Wehrdienstverhältnis besonderer Art
Soldaten auf Zeit (SaZ) und Berufssoldaten unterliegen einem besonderen statusrechtlichen Wehrdienstverhältnis, welches eine langfristige Dienstverpflichtung und umfassende dienstrechtliche Bindungen beinhaltet (§§ 39 ff., 42 ff. SG).
Reservistendienst
Das Reservistendienstverhältnis bezeichnet das Dienstverhältnis von Personen, die nach aktiver Tätigkeit weiterhin für militärische Aufgaben herangezogen werden können. Seine Ausgestaltung und die damit verbundenen Rechte und Pflichten sind im Soldatengesetz und im Reservistengesetz geregelt.
Statusrechtliche Merkmale des Wehrdienstverhältnisses
Öffentlich-rechtliches Dienstverhältnis
Das Wehrdienstverhältnis ist ein Sonderstatusverhältnis eigener Ausprägung, welches dem öffentlichen Recht zugeordnet ist. Es begründet beiderseitige Rechte und Pflichten nicht auf privatvertraglicher, sondern auf gesetzlicher Grundlage.
Begründung und Beendigung
Die Begründung des Wehrdienstverhältnisses erfolgt durch eine Ernennung (Berufung) in das Dienstverhältnis (§ 3 SG). Die Beendigung kann durch Ablauf der Dienstzeit, Entlassung, Verlust der Staatsangehörigkeit oder Aberkennung des Dienstgrades erfolgen.
Statusgruppen der Soldaten
Es wird unterschieden zwischen Wehrpflichtigen, freiwillig Dienstleistenden, Soldaten auf Zeit und Berufssoldaten. Jeder Status bringt unterschiedliche rechtliche Konsequenzen hinsichtlich Dienstzeit, Versorgung und Aufstiegsmöglichkeiten mit sich.
Rechte und Pflichten im Wehrdienstverhältnis
Dienstpflicht und Gehorsamspflicht
Soldaten unterliegen der besonderen Pflicht zur treuen Diensterfüllung und der Gehorsamspflicht gegenüber Vorgesetztenbefehlen (§ 10 SG). Ausnahmen bilden Befehle, die gegen die Menschenwürde oder Strafgesetze verstoßen (§ 11 SG).
Fürsorgepflicht und Grundrechtseinschränkungen
Der Dienstherr verpflichtet sich zur besonderen Fürsorge, unterliegt jedoch auch berechtigten Grundrechtsbeschränkungen hinsichtlich Meinungsfreiheit, Versammlungsfreiheit oder Freizügigkeit (§ 6, 7 SG, Art. 17a GG).
Verschwiegenheit und Amtsverschwiegenheit
Soldaten haben eine Pflicht zur Verschwiegenheit bezüglich dienstlicher Angelegenheiten (§ 14 SG). Verstöße können disziplinarrechtliche und strafrechtliche Konsequenzen zeitigen.
Beschwerderecht
Im Wehrdienstverhältnis besteht ein ausgeprägtes Beschwerderecht gegenüber Vorgesetzten und dem Wehrbeauftragten des Bundestages (§ 17 SG).
Disziplinar- und Versorgungsrecht im Wehrdienstverhältnis
Disziplinarrechtliche Verantwortung
Das Wehrdienstverhältnis ist von einem eigenständigen Disziplinarrecht geprägt, geregelt in der Wehrdisziplinarordnung (WDO). Verstöße gegen Dienstpflichten können mit Disziplinarmaßnahmen sanktioniert werden.
Versorgung und Fürsorge
Soldaten genießen im Rahmen ihres Wehrdienstverhältnisses besondere Rechte auf Heilfürsorge, Beihilfen, soldatische Besoldung und etwaige Versorgungsleistungen nach Ausscheiden aus dem aktiven Dienst, anspruchsberechtigt nach dem Soldatenversorgungsgesetz.
Verhältnis zu anderen öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnissen
Das Wehrdienstverhältnis grenzt sich in wesentlichen Punkten von anderen öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnissen – insbesondere dem Beamtenverhältnis – ab. Während Beamte im Dienste der Verwaltung stehen, ist das Wehrdienstverhältnis auf die besonderen Belange des militärischen Dienstes zugeschnitten.
Rechtsstellung im Spannungs- und Verteidigungsfall
Im Spannungs- und Verteidigungsfall unterliegt das Wehrdienstverhältnis speziellen Erweiterungen. Die Dienstverhältnisse können verlängert, Grundwehrpflichtige einberufen und zusätzliche Dienstpflichten gefordert werden, um eine bestmögliche Einsatzbereitschaft der Streitkräfte sicherzustellen (§ 2 WPflG).
Beendigung und Nachwirkungen des Wehrdienstverhältnisses
Die Beendigung erfolgt regelmäßig durch Entlassung, Ablauf der Dienstzeit oder Aberkennung des Dienstgrades. Nach Beendigung bestehen weiterhin Ansprüche auf Versorgung sowie Ruhegehaltsansprüche, Disziplinarmaßnahmen können auch nach Ausscheiden vollzogen werden.
Literatur und Weblinks
Weiterführende Informationen finden sich insbesondere im Soldatengesetz, im Wehrpflichtgesetz sowie in den einschlägigen Verwaltungsvorschriften und Kommentaren zum Wehrrecht.
Fazit:
Das Wehrdienstverhältnis als zentrales Rechtsinstitut der deutschen Streitkräfte regelt umfassend die dienstrechtlichen Beziehungen zwischen Soldaten und Dienstherr. Es ist geprägt von besonderen Rechten, Pflichten und Einschränkungen, deren detaillierte Ausgestaltung durch zahlreiche rechtliche Vorschriften festgelegt wird. Die Komplexität des Wehrdienstverhältnisses spiegelt sich vor allem im Zusammenspiel zwischen Allgemeinem Dienstrecht, Disziplinarrecht, Beamtenrecht und Grundgesetz wider.
Häufig gestellte Fragen
Welche rechtlichen Grundlagen regeln das Wehrdienstverhältnis in Deutschland?
Das Wehrdienstverhältnis wird in Deutschland im Wesentlichen durch das Soldatengesetz (SG), das Wehrpflichtgesetz (WPflG), das Wehrrechtsänderungsgesetz sowie ergänzende Vorschriften wie die Wehrdisziplinarordnung (WDO) bestimmt. Das Soldatengesetz definiert u.a. die Rechte und Pflichten von Soldaten, die Arten von Wehrdienst, das Dienstverhältnis und die Möglichkeiten der Beendigung des Wehrdienstverhältnisses. Das Wehrpflichtgesetz regelt, wer wehrpflichtig ist, unter welchen Bedingungen die Wehrpflicht ruht oder endet, und welche besonderen Bestimmungen für Reservisten und Personen im Spannungs- oder Verteidigungsfall gelten. Weitere Vorschriften betreffen ergänzend Disziplinar-, Versorgungs- und Fürsorgerechte, sowie Regelungen zum Datenschutz und zur ärztlichen Versorgung während des Wehrdienstverhältnisses.
Welche Rechte und Pflichten ergeben sich für Soldatinnen und Soldaten im Wehrdienstverhältnis?
Im Wehrdienstverhältnis haben Soldatinnen und Soldaten spezifische Rechte wie die Fürsorge des Dienstherrn, das Recht auf Besoldung, Unterkunft, Verpflegung, ärztliche Versorgung und soziale Betreuung. Sie haben zudem spezielle Mitwirkungsrechte, z.B. über Beteiligungsgremien wie den Vertrauenspersonenausschuss. Im Gegenzug bestehen umfassende Pflichten, insbesondere die Pflicht zur Kameradschaft, zur Loyalität, zur Gesetzestreue und zur Bereitschaft, im Rahmen der soldatischen Aufgaben die eigene Integrität und Gesundheit einzusetzen. Besonderheiten bestehen bei den Dienstverweisen, die zum Teil erheblich von denen im zivilen Arbeitsrecht abweichen, insbesondere unter dem Aspekt von Disziplinarverfahren und Gehorsamspflichten.
Wie wird das Wehrdienstverhältnis begründet und kann es rechtlich angefochten werden?
Das Wehrdienstverhältnis wird durch eine Berufung in ein Wehrdienstverhältnis begründet, meist durch einen schriftlichen Einberufungsbescheid. Rechtlich kann gegen den Einberufungsbescheid innerhalb gesetzlich bestimmter Fristen Widerspruch eingelegt werden, in bestimmten Fällen ist auch die Anrufung der Verwaltungsgerichte möglich. Gründe für eine Anfechtung können beispielsweise gesundheitliche Gründe, familiäre Härtefälle oder verfassungsrechtliche Bedenken sein. Die rechtlichen Prüfungen beziehen sich dabei regelmäßig auf die Rechtmäßigkeit der Berufung und auf die ordnungsgemäße Durchführung der verwaltungsrechtlichen Verfahren.
Wie erfolgt die Beendigung des Wehrdienstverhältnisses und welche rechtlichen Folgen hat sie?
Die Beendigung des Wehrdienstverhältnisses erfolgt regelmäßig durch Entlassung nach Ablauf der Dienstzeit, durch Dienstunfähigkeit, Tod, oder gegebenenfalls aus disziplinarischen Gründen. Bei vorzeitiger Entlassung, sei sie auf Antrag oder aus dienstlichen Gründen, bestehen gesonderte Regelungen hinsichtlich Versorgung, Ansprüchen auf Übergangsgebührnisse und der Rückkehr in ein vorangegangenes Arbeitsverhältnis. Die Beendigungsgründe und deren rechtliche Folgen finden sich insbesondere in den §§ 54 ff. SG. Rechte auf Widerspruch oder Klage bestehen auch in diesen Fällen, etwa wenn eine Entlassung als rechtswidrig angesehen wird.
Welche Sonderregelungen gelten für das Wehrdienstverhältnis im Spannungs- oder Verteidigungsfall?
Im Spannungs- oder Verteidigungsfall werden die Regelungen des Wehrdienstverhältnisses durch Art. 12a GG sowie durch besondere Vorschriften, etwa das Einsatz-Weiterverwendungsgesetz und die Wehrpflichtverordnung, ergänzt oder modifiziert. Gesetzliche Ausnahme- und Sonderregeln betreffen etwa die Dauer und Verlängerung des Wehrdienstes, die vorübergehende Einschränkung von Grundrechten und den Einsatz im Ausland. Insbesondere die Heranziehung von Reservisten und die Möglichkeit zur kurzfristigen Einberufung zur Landesverteidigung sind im Recht besonders geregelt.
Inwiefern unterliegt das Wehrdienstverhältnis dem Datenschutz und wie werden Personaldaten geschützt?
Das Wehrdienstverhältnis unterliegt den allgemeinen Datenschutzregelungen des Bundesdatenschutzgesetzes sowie bereichsspezifischen Vorschriften des Soldaten- und Wehrrechts. Personenbezogene Daten – etwa zur Gesundheit, Eignung oder zum Einsatzstatus – dürfen nur erhoben, verarbeitet und genutzt werden, wenn dies für das Wehrdienstverhältnis erforderlich ist und eine gesetzliche Grundlage vorliegt. Auch besondere Schutzvorschriften, etwa beim Zugang zu sensiblen Gesundheitsdaten, gelten uneingeschränkt. Bei Verstößen gegen datenschutzrechtliche Vorgaben haben Betroffene einen Anspruch auf Auskunft und ggf. auf Löschung ihrer Daten.
Welche Möglichkeiten einer Verlängerung oder Verkürzung des Wehrdienstverhältnisses bestehen aus rechtlicher Sicht?
Das Wehrdienstverhältnis kann ausnahmsweise verlängert werden, etwa im Spannungs- oder Verteidigungsfall, bei laufenden Ermittlungs- oder Disziplinarverfahren oder auf freiwilligen Antrag des Soldaten. Eine Verkürzung ist ebenfalls möglich, etwa wegen Unzumutbarkeit, bei gesundheitlichen Gründen oder aufgrund von Regelungen zum freiwilligen Wehrdienst. Die rechtlichen Voraussetzungen hierfür sind im Soldatengesetz und ergänzenden Verwaltungsvorschriften genau geregelt. In allen Fällen ist eine Einzelfallprüfung und ggf. ein rechtliches Verfahren zur Überprüfung der Entscheidung vorgesehen.