Legal Lexikon

Wehrdienst


Begriff und rechtliche Bedeutung des Wehrdienstes

Der Begriff Wehrdienst bezeichnet im Rechtssystem die verpflichtende oder freiwillige Ableistung eines Dienstes in den Streitkräften eines Staates. In Deutschland ist der Wehrdienst im Grundgesetz, im Wehrpflichtgesetz sowie im Soldatengesetz geregelt und bildet eine wesentliche Grundlage für die personelle Sicherstellung der nationalen Verteidigung. Der Wehrdienst hat neben der militärischen Bedeutung zahlreiche rechtliche Implikationen und ist an verschiedene gesetzliche Voraussetzungen sowie an Rechte und Pflichten der Dienstleistenden geknüpft.

Rechtliche Grundlagen des Wehrdienstes

Verfassungsrechtliche Fundierung

Die rechtliche Basis für den Wehrdienst ergibt sich insbesondere aus dem Grundgesetz (GG). Artikel 12a GG schafft die verfassungsrechtliche Grundlage für die Wehrpflicht sowie deren Beschränkungen und Ausnahmen. Demnach darf niemand gegen seinen Willen zu einem Dienst an der Waffe verpflichtet werden, soweit gesetzliche Ausnahmen, beispielsweise im Verteidigungsfall, geschaffen werden.

Einfachgesetzliche Regelungen

Wehrpflichtgesetz (WPflG)

Das Wehrpflichtgesetz regelt umfassend die rechtlichen Rahmenbedingungen des Wehrdienstes. Es legt fest, wer wehrpflichtig ist, wann und wie der Wehrdienst beginnt, seine Dauer, die Rechte und Pflichten der Wehrdienstleistenden sowie Befreiungs-, Zurückstellungs- und Ausnahmeregelungen. Das WPflG enthält ferner Bestimmungen zur Durchführung der Musterung, zur Heranziehung und zur Verwaltung der Wehrpflicht.

Soldatengesetz (SG)

Das Soldatengesetz definiert den rechtlichen Status der Soldatinnen und Soldaten, ihre Dienstpflichten, Rechte und Pflichten sowie Disziplinarmaßnahmen. Hierdurch werden spezifische Pflichten für Wehrdienstleistende, darunter Befehl und Gehorsam, Kameradschaft, Verschwiegenheit und politische Zurückhaltung, normiert.

Wehrstrafgesetz (WStG)

Das Wehrstrafgesetz beschreibt besondere Straftatbestände, die ausschließlich für Angehörige der Streitkräfte und somit auch für Wehrdienstleistende gelten. Beispielsweise sind Fahnenflucht, Ungehorsam und eigenmächtige Abwesenheit gesondert sanktioniert. Das Wehrstrafrecht ergänzt das allgemeine Strafrecht.

Anschlussregelungen

Neben den Hauptgesetzen existieren ergänzende Bestimmungen, etwa im Wehrwissenschafts- und Wehrdisziplinargesetz sowie im Unterhaltssicherungsgesetz, das den finanziellen Ausgleich für Wehrdienstleistende und ihre Angehörigen regelt.

Erscheinungsformen des Wehrdienstes

Pflichtwehrdienst

Der Pflichtwehrdienst bezeichnet die für Staatsbürger festgelegte gesetzliche Verpflichtung zur Ableistung eines meist befristeten Wehrdienstes. In Deutschland wurde die allgemeine Wehrpflicht 2011 durch ein Aussetzungsgesetz außer Vollzug gesetzt. Sie bleibt jedoch grundsätzlich verfassungsrechtlich möglich und kann wieder aktiviert werden.

Freiwilliger Wehrdienst

Der freiwillige Wehrdienst ermöglicht es Bürgerinnen und Bürgern, sich ohne gesetzliche Pflicht für einen befristeten Zeitraum zum Dienst in den Streitkräften zu verpflichten. Die rechtliche Grundlage hierfür ist ebenfalls im WPflG sowie im Soldatengesetz verankert. Der Status ähnelt weitgehend dem eines Zeit- oder Berufssoldaten, unterscheidet sich jedoch besonders durch die befristete Dienstzeit und den Verzicht auf eine langjährige Verpflichtung.

Rechte und Pflichten während des Wehrdienstes

Grundpflichten und Rechte

Während des Wehrdienstes unterliegen die Wehrdienstleistenden bestimmten Pflichten, insbesondere der militärischen Disziplin und den Vorgaben der inneren Führung. Gleichzeitig genießen sie Rechte wie den Anspruch auf medizinische Versorgung, unentgeltliche Heilbehandlung, Unterkunft, Verpflegung sowie Versorgung im Krankheitsfall.

Grundgesetzliche Rechte und deren Einschränkung

Einige Grundrechte können für Wehrdienstleistende gesetzlich eingeschränkt werden. Dies betrifft beispielsweise die Versammlungsfreiheit, die Meinungsäußerung in dienstlichen Belangen sowie das Fernmeldegeheimnis. Diese Einschränkungen erfolgen jedoch nur im Rahmen des Gesetzes und sind strikt auf dienstliche Zwecke beschränkt.

Besondere Pflichten

Zu den besonderen Pflichten gehört unter anderem der Gehorsam gegenüber Vorgesetzten, die Wahrung des Dienstgeheimnisses, die Verhaltenspflichten gegenüber Kameraden sowie spezifische Aufgaben während des Wehrdienstes, die im Soldatengesetz und in weiteren Vorschriften konkretisiert sind.

Wehrdienstrechtliche Sonderregelungen

Zurückstellung und Befreiung

Im Wehrdienstrecht bestehen verschiedene Gründe, aus denen die Ableistung des Wehrdienstes zurückgestellt oder ganz erlassen werden kann. Dazu zählen gesundheitliche Einschränkungen, familiäre und soziale Gründe sowie bestimmte berufliche Tätigkeiten, beispielsweise im medizinischen und sicherheitsrelevanten Bereich.

Ersatzdienst und Verweigerung

Wer aus Gewissensgründen den Dienst an der Waffe verweigert, hat nach Artikel 4 Absatz 3 GG das Recht auf Ableistung eines Ersatzdienstes (bis 2011 als Zivildienst in Deutschland geregelt). Die Durchführung und Anerkennung der Verweigerung ist rechtlich normiert und unterliegt einem Prüfverfahren.

Ende und Folgen des Wehrdienstes

Beendigung und Entlassung

Die Beendigung des Wehrdienstes tritt in der Regel nach Ablauf der gesetzlichen Verpflichtungsdauer ein. Eine vorzeitige Entlassung ist unter bestimmten Umständen, wie etwa schweren gesundheitlichen Gründen oder aus disziplinarischen Motiven, möglich und gesetzlich geregelt. Mit dem Ende des Wehrdienstes enden auch die wehrdienstrechtlichen Pflichten, während bestimmte Nachwirkungen, z. B. die Wehrüberwachungspflicht, fortbestehen können.

Rechtsfolgen und Nachwirkungen

Nach dem Wehrdienst entstehen unterschiedliche Ansprüche wie etwa Entlassungsgeld, Übergangshilfe und Ausbildungsförderung. Darüber hinaus kann die im Wehrdienst geleistete Zeit auf Rentenansprüche und Versorgungszeiten angerechnet werden.

Wehrdienst und internationale rechtliche Aspekte

Der Wehrdienst unterliegt auch internationalen Rechtsvorschriften. Dazu zählen das humanitäre Völkerrecht, insbesondere die Genfer Konventionen, und verschiedene EU-Richtlinien, etwa zum Schutz der Arbeitsplätze von Wehrdienstleistenden. Darüber hinaus regeln bilaterale Abkommen die Stellung von Wehrdienstleistenden in multinationalen Streitkräften oder bei Auslandseinsätzen.

Zusammenfassung

Der Wehrdienst ist ein umfassend geregelter Rechtsbegriff mit zentraler Bedeutung für die staatliche Sicherheitsvorsorge. Die rechtlichen Bestimmungen reichen von der verfassungsrechtlichen Fundierung und einfachgesetzlichen Normierung über Sonderregelungen bis hin zu umfassenden Rechten und Pflichten der Dienstleistenden. Besondere Aufmerksamkeit verdienen die Regelungen zur Wehrpflicht, zum freiwilligen Wehrdienst, zur Zurückstellung und Befreiung sowie Anforderungen und Beschränkungen, die sich aus dem besonderen Dienstverhältnis eines Soldaten bzw. einer Soldatin ergeben. Die gesetzlichen Grundlagen und deren Ausgestaltung sorgen für einen ausgewogenen Ausgleich zwischen staatlichem Interesse an der Landesverteidigung und den Grundrechten sowie Bedürfnissen der Dienstleistenden.

Häufig gestellte Fragen

Welche rechtlichen Voraussetzungen müssen für die Einberufung zum Wehrdienst erfüllt sein?

Die Einberufung zum Wehrdienst in Deutschland setzt zunächst voraus, dass der Wehrpflichtige das achtzehnte Lebensjahr vollendet hat (§ 3 Wehrpflichtgesetz, WPflG). Zudem muss die Person die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen und ihren ständigen Wohnsitz in Deutschland haben. Die Zuweisung erfolgt in einem gesetzlich festgelegten Verfahren, das mit der Erfassung und Musterung beginnt. Die Feststellung der Tauglichkeit richtet sich nach der Wehrmedizinischen Begutachtungsverordnung. Während Friedenszeiten ist die Wehrpflicht gemäß § 3a WPflG ausgesetzt; sie kann allerdings durch einen Bundestagsbeschluss bei Spannungen oder Verteidigungsfall reaktiviert werden. Besondere Ausschlussgründe sind in § 5 WPflG geregelt, darunter schwerwiegende gesundheitliche Einschränkungen und bestimmte kriminelle Vorbelastungen.

Welche rechtlichen Pflichten und Rechte bestehen während des Wehrdienstes?

Während des Wehrdienstes unterliegen Wehrpflichtige einer besonderen staatsbürgerlichen Treuepflicht sowie der Gehorsamspflicht gegenüber Vorgesetzten, wie im Soldatengesetz (§ 7 ff. SG) normiert. Gleichzeitig sind sie durch das Grundgesetz in ihren Grundrechten beschränkt; Einschränkungen betreffen insbesondere Versammlungsfreiheit und Meinungsäußerung (§§ 15-17 SG). Wehrdienstleistende genießen jedoch Sozialschutz (Arbeitsplatzgarantie gemäß Arbeitsplatzschutzgesetz, ArbPlSchG § 2), erhalten laufende Bezüge und sind in der gesetzlichen Unfallversicherung pflichtversichert (§§ 27ff. WPflG). Besondere Verpflichtungen ergibt sich aus dem Wehrstrafgesetz (WStG), das spezielle Straftatbestände für Wehrpflichtige vorsieht.

Welche rechtlichen Möglichkeiten zur Verweigerung des Wehrdienstes gibt es?

Die Verweigerung des Wehrdienstes ist im Grundgesetz Artikel 4 Abs. 3 ausdrücklich geregelt und ermöglicht jedem Wehrpflichtigen, aus Gewissensgründen den Dienst an der Waffe zu verweigern. Das Verfahren hierzu ist im Zivildienstgesetz (ZDG, jetzige Rechtsnachfolge durch BFDG) detailliert festgelegt. Der Antrag auf Kriegsdienstverweigerung muss schriftlich begründet werden und wird einer Einzelfallprüfung unterzogen. Ein Rechtsanspruch auf Ablehnung besteht, wenn glaubhaft gemacht wird, dass gravierende Gewissenskonflikte mit dem Waffendienst bestehen. Die Entscheidung trifft eine besondere Prüfungsbehörde, gegen deren Ablehnung der Rechtsweg zulässig ist (Verwaltungsgericht).

Welche rechtlichen Regelungen gelten zur Dauer und zum Umfang des Wehrdienstes?

Die gesetzliche Dauer des Grundwehrdienstes ist im Wehrpflichtgesetz geregelt und wurde bis zur Aussetzung der Wehrpflicht durch das Wehrrechtsänderungsgesetz 2011 zuletzt auf sechs Monate festgesetzt (§ 5 WPflG). Im Spannungs- oder Verteidigungsfall kann die Dauer durch Dekret der Bundesregierung verlängert werden. Während des Grundwehrdienstes ist der Wehrpflichtige verpflichtet, an allen dienstlichen Trainingseinheiten, Übungen und Einsätzen teilzunehmen; Sonderregelungen gelten für Reserveübungen (§§ 62 ff. Soldatengesetz).

Welche rechtlichen Konsequenzen hat das Fernbleiben vom Wehrdienst?

Wer dem Einberufungsbescheid ohne rechtmäßige Gründe nicht Folge leistet, begeht eine Ordnungswidrigkeit oder, im Falle der vorsätzlichen Verweigerung, eine Straftat nach dem Wehrstrafgesetz (§ 16 WStG – Fahnenflucht). Dies zieht disziplinarische Maßnahmen, Geldstrafen und im Wiederholungsfall sogar Freiheitsstrafen nach sich. Zusätzlich kann eine dauerhafte Eintragung ins Führungszeugnis erfolgen. Das Recht auf ein faires Verfahren ist durch das Grundgesetz sowie die Strafprozessordnung garantiert.

Gibt es Sonderregelungen für bestimmte Personengruppen beim Wehrdienst?

Sonderregelungen bestehen insbesondere für anerkannte Kriegsdienstverweigerer, Männer mit mehreren Kindern oder Alleinerziehende (§ 12 WPflG), für Frauen (grundsätzlich keine Wehrpflicht, außer im Verteidigungsfall, § 1 Abs. 3 WPflG), sowie für schwerbehinderte Menschen (Befreiung nach § 11 WPflG). Auch Studenten und Auszubildende können unter bestimmten Voraussetzungen eine Zurückstellung vom Wehrdienst beantragen (§ 12a Abs. 6 WPflG). Über die Anerkennung dieser Anträge entscheidet die zuständige Wehrersatzbehörde; hiergegen ist der Rechtsweg erneut eröffnet.