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Wegfall der Bereicherung


Begriffsbestimmung: Wegfall der Bereicherung

Der Wegfall der Bereicherung ist ein zentraler Begriff im deutschen Bereicherungsrecht, das im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) verankert ist. Dieser Begriff findet insbesondere im Zusammenhang mit Rückabwicklungs- und Herausgabeansprüchen Anwendung und beschreibt die Situation, in der ein Schuldner die erlangte Bereicherung – also das aus einer ungerechtfertigten Bereicherung gezogene Vermögen oder einen Vermögensvorteil – nicht mehr besitzt, weil diese nicht mehr vorhanden ist oder nicht mehr seinem Vermögen zugeordnet werden kann.

Rechtlicher Rahmen

Gesetzliche Grundlagen

Die maßgeblichen gesetzlichen Regelungen zum Wegfall der Bereicherung finden sich in den Vorschriften der §§ 812 ff. BGB. Im Mittelpunkt steht hier insbesondere § 818 BGB, der die Rechtsfolgen der Herausgabepflicht und deren Begrenzung bei Wegfall der Bereicherung regelt. Dort heißt es sinngemäß, dass der Verpflichtete im Umfang der Bereicherung haftet, die bei ihm vorhanden ist, andererseits aber dann nicht mehr, wenn und soweit die Bereicherung weggefallen ist.

Bedeutung im Bereicherungsrecht

Der Wegfall der Bereicherung begrenzt die Rückgabepflicht des Empfängers eines ungerechtfertigten Vermögensvorteils. Er verhindert, dass dieser für Vorteile haftet, die ihm aus objektiver Sicht entzogen wurden und nicht mehr in seinem Vermögen vorhanden sind.

Voraussetzungen für den Wegfall der Bereicherung

Subjektiver und objektiver Bereicherungsbegriff

Die Rechtsprechung unterscheidet zwischen dem objektiven und subjektiven Wegfall der Bereicherung. Der objektive Wegfall der Bereicherung bezieht sich auf das, was dem Empfänger tatsächlich zugeflossen und in seinem Vermögen noch vorzufinden ist. Der subjektive Wegfall bezieht sich darauf, ob der Empfänger den Vermögensvorteil mit rechtlicher Wirkung für sich behalten durfte, ob er also entreichert ist und ob eine Haftung noch wirtschaftlich Sinn ergibt.

Entreicherungstatbestand im Sinne von § 818 Abs. 3 BGB

Nach § 818 Abs. 3 BGB ist der Empfänger der Leistung insoweit von der Rückgabepflicht befreit, wie er nicht mehr bereichert ist. Entscheidend ist hier der Begriff der „Entreicherung“, also das objektive Fehlen des Vorteils im Vermögen des Empfängers. Dabei spielt sowohl der Wert als auch die Form des erhaltenen Gegenstands eine Rolle. Der Wegfall der Bereicherung setzt voraus, dass der Empfänger die erlangte Leistung oder ihren Wert ohne Vorteil (ohne ersetzenden Gegenwert) aufwenden musste; beispielsweise durch Verbrauch, Untergang, Verlust oder eine nicht freiwillige Weitergabe.

Beispiele für den Wegfall der Bereicherung

  • Verbrauch: Wurde eine Leistung für den alltäglichen Lebensbedarf genutzt (z.B. Essen, Heizung), gilt dies grundsätzlich als Entreicherung.
  • Untergang: Bei Zerstörung oder Verlust einer Sache ist die Bereicherung weggefallen, sofern kein Ersatz erlangt wurde.
  • Aufwendung zum Nutzen Dritter: Die Bereicherung entfällt auch bei Aufwand der Leistung zugunsten Dritter, wenn daraus kein eigener Vermögensvorteil entsteht.

Umfang und Grenzen des Wegfalls der Bereicherung

Erhaltene Surrogate und stellvertretende Gegenstände

Der Empfänger bleibt insoweit bereichert, als er ein Surrogat, also einen Ersatzwert oder einen Gegenstand als Ersatz für die weggefallene Bereicherung erhalten hat. Hierbei ist zwischen tatsächlicher und wertmäßiger Surrogation zu unterscheiden. Auch Nutzungen und Vorteile, die aus der Bereicherung gezogen wurden, können zur Herausgabepflicht führen, so etwa gezogene Früchte oder Gebrauchsvorteile gemäß §§ 818 Abs. 1, 2 BGB.

Haftung nach Verschulden: § 818 Abs. 4, § 819 BGB

Die Haftung des bereicherungsrechtlich Verpflichteten verschärft sich, wenn ihm ein verschuldeter Wegfall der Bereicherung vorzuwerfen ist (haftungsverschärfende Tatbestände), etwa, wenn der Empfänger Kenntnis von der Nichtberechtigung der Leistung hatte. War der Wegfall der Bereicherung vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeigeführt, bleibt die Rückabwicklungspflicht trotz Wegfalls bestehen.

Rechtsfolgen und praktische Auswirkungen

Einschränkung der Rückgabepflicht

Der Wegfall der Bereicherung führt grundsätzlich zur Befreiung von Rückgabe- oder Wertersatzpflicht, sofern und soweit der Empfänger die Bereicherung nicht mehr besitzt und den Wegfall nicht zu vertreten hat. Damit dient diese Regelung dem Schutz des Empfängers vor einer unangemessenen Belastung.

Rückwirkende und zukünftige Betrachtung

Die Entreicherung ist auf den Zeitpunkt der Geltendmachung des Bereicherungsanspruchs zu beziehen. Änderungen zwischen dem Empfang des Vorteils und dem Zeitpunkt der Anspruchstellung sind also zu berücksichtigen.

Abgrenzung zu anderen Rechtsinstituten

Verhältnis zu deliktischer Haftung und Schadensersatz

Der Wegfall der Bereicherung ist von der deliktischen Haftung abzugrenzen, da letztere unabhängig von einer Entreicherung auch Verschulden und kausale Schadensverursachung voraussetzt. Während der Wegfall der Bereicherung zum Ausschluss der Haftung führen kann, bleibt bei Verschulden eine Rückabwicklung oft dennoch möglich.

Besonderheiten im Arbeits- und Sozialrecht

Spezielle Regelungen zum Wegfall der Bereicherung existieren im Arbeits- und Sozialrecht. Im Arbeitsrecht sind beispielsweise überzahlte Arbeitsentgelte nach Maßgabe der Entreicherungsregelungen zurückzuzahlen. Im Sozialrecht finden sich Sonderregelungen, die im Einzelfall den Wegfall der Bereicherung modifizieren können.

Literatur und weiterführende Hinweise

Die Kommentarliteratur zum Bürgerlichen Gesetzbuch sowie einschlägige Aufsätze und Urteile bieten eine vertiefte Auseinandersetzung mit dem Begriff des Wegfalls der Bereicherung. Die Auslegung variiert je nach Konstellation und Einzelfall, wobei vor allem die aktuelle Rechtsprechung maßgeblich für die Präzisierung der Voraussetzungen und Grenzen dieses Rechtsinstituts ist.


Zusammenfassung:
Der Wegfall der Bereicherung stellt im Bereicherungsrecht des BGB ein maßgebliches Korrektiv dar, das den Rückforderungsanspruch des Gläubigers auf das substantiell im Vermögen des Empfängers vorhandene Maß begrenzt. Durch diese Regelung wird eine unbillige Belastung des bereicherungspflichtigen Schuldners verhindert und ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Gläubigerschutz und Schuldnerschutz geschaffen.

Häufig gestellte Fragen

Kann der Wegfall der Bereicherung bei jeder Rückforderung berücksichtigt werden?

Der Wegfall der Bereicherung kann grundsätzlich immer dann berücksichtigt werden, wenn eine Rückforderung aufgrund einer ungerechtfertigten Bereicherung (§ 812 BGB) geltend gemacht wird. Allerdings ist entscheidend, dass die Bereicherung tatsächlich und endgültig weggefallen ist. Der Bereicherungsschuldner muss nachweisen, dass und in welchem Umfang der erlangte Vorteil nicht mehr in seinem Vermögen vorhanden ist, etwa weil das Erlangte verbraucht oder verloren wurde, ohne einen Ausgleich dafür zu erhalten. Dabei sind alle Umstände des Einzelfalls zu würdigen: Es kommt auf die Art des erworbenen Gegenstandes, die Art der Verwendung und die wirtschaftlichen Auswirkungen auf das Vermögen an. Auch eine teilweise entreicherte Position kann anerkannt werden; jedoch findet der Wegfall seine Grenze bei einer Reduzierung der Bereicherung durch grob fahrlässige oder sogar vorsätzliche Handlungen, da in solchen Fällen die Berufung auf den Wegfall der Bereicherung ausgeschlossen ist.

Wer trägt die Beweislast für den Wegfall der Bereicherung?

Nach ständiger Rechtsprechung trägt der Bereicherungsschuldner die Darlegungs- und Beweislast für den tatsächlichen Wegfall der Bereicherung. Der Rückfordernde muss lediglich das Bestehen einer Bereicherung nachweisen. Der Schuldner muss dann detailliert darlegen, wie und warum die Bereicherung nicht mehr vorhanden ist, und dies auch beweisen. Es reicht nicht aus, pauschale Behauptungen aufzustellen; vielmehr sind konkrete Angaben über Zeitpunkte, Umstände und ggf. Nachweise wie Belege oder Kontoauszüge erforderlich. Kann der Schuldner dies nur teilweise vermitteln, kann das Gericht im Rahmen seiner Überzeugungsbildung eine Schätzung des weggefallenen Anteils vornehmen.

In welchen Fällen bleibt der Einwand des Wegfalls der Bereicherung verwehrt?

Der Einwand des Wegfalls der Bereicherung bleibt insbesondere dann verwehrt, wenn der Schuldner den Wegfall durch Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit verursacht hat. Ebenso scheidet der Einwand aus, wenn der Schuldner wusste oder mit einer Rückforderung hätte rechnen müssen. Das Gesetz regelt dies ausdrücklich in § 819 BGB: Wusste der Empfänger zum Zeitpunkt des Erwerbs oder später, dass die Bereicherung ohne rechtlichen Grund erfolgte, haftet er verschärft und kann sich nicht auf den Wegfall der Bereicherung berufen. Darüber hinaus ist die Berufung auf Entreicherung typischerweise auch dann ausgeschlossen, wenn der Schuldner das Erlangte zur Tilgung eigener Verbindlichkeiten verwendet oder an Dritte verschenkt hat, sofern dies nach Kenntnis der Rechtsgrundlosigkeit geschah.

Welche Rolle spielt die Entreicherung im Verhältnis zu rückforderbaren Geldbeträgen?

Bei Geldbeträgen wird der Einwand des Wegfalls der Bereicherung von der Rechtsprechung sehr restriktiv behandelt. Nach der sogenannten „Surrogationsregel“ ist davon auszugehen, dass Geld grundsätzlich fungibel ist und durch andere Vermögenswerte ersetzt wird. Solange das Gesamtvermögen des Schuldners nicht unter das Niveau vor Erhalt der Bereicherung absinkt, wird angenommen, dass die Bereicherung weiterhin besteht. Nur wenn der Schuldner beispielsweise mittellos geworden ist und sämtliche Gegenleistungen verbraucht hat, etwa zur Deckung des notwendigen Lebensbedarfs, kann ein Wegfall der Bereicherung anerkannt werden. Bloßer Konsum führt grundsätzlich nicht zur Entreicherung, es sei denn, der Schuldner hatte keine Kenntnis des mangelnden Rechtsgrundes und gab das Geld in gutem Glauben aus.

Gilt der Wegfall der Bereicherung auch für Sachleistungen oder Gebrauchsvorteile?

Der Wegfall der Bereicherung kann sich auch auf Sachleistungen und Gebrauchsvorteile beziehen. Wird beispielsweise eine Sache unentgeltlich erhalten und wurde diese bestimmungsgemäß verbraucht oder ist untergegangen, kann auch hier ein Wegfall der Bereicherung vorliegen. Für Gebrauchsvorteile ist zu prüfen, ob deren Nutzung einen bleibenden wirtschaftlichen Wert hinterlassen hat. Bei Dienstleistungen ist zu beachten, dass ein Wegfall der Bereicherung regelmäßig zu bejahen ist, da die empfangenen Leistungen (wie Arbeit, Zeitaufwand) nicht mehr rückgängig gemacht werden können und keinen fortdauernden Vermögensvorteil hinterlassen. Einschränkungen können sich jedoch auch hier aus dem Kenntnisstand des Schuldners und der Art der Verwendung ergeben.

Welche Bedeutung hat der Zeitpunkt des Wegfalls der Bereicherung im Rückabwicklungsverhältnis?

Im Rahmen des § 818 Abs. 3 BGB ist der maßgebliche Zeitpunkt für die Beurteilung des Wegfalls der Bereicherung regelmäßig der Zeitpunkt der Rechtshängigkeit der Rückforderungsklage oder, sofern das Rückforderungsverlangen vorher geltend gemacht wurde, der Zeitpunkt dieser Geltendmachung. Bis zu diesem Zeitpunkt eingetretener Wegfall ist zu berücksichtigen. Nach Rechtshängigkeit haftet der Schuldner jedoch für jeden weiteren Abfluss gewöhnlich verschärft, sodass eine Berufung auf den Wegfall der Bereicherung dann nicht mehr möglich ist, es sei denn, der Verlust wurde nicht schuldhaft herbeigeführt.

Wie sind Rücklagen und Luxusausgaben im Kontext der Entreicherung zu bewerten?

Kommt es nach dem Empfang einer Leistung zu Rücklagen oder werden Luxusausgaben getätigt, ist grundsätzlich zu beachten, dass eine Berufung auf den Wegfall der Bereicherung nicht möglich ist, sofern der Schuldner den vermögensmäßigen Vorteil durch eigene Entscheidungen veräußert oder verbraucht, insbesondere wenn diese Ausgaben nicht zur Deckung des notwendigen Lebensunterhalts dienen. Luxusausgaben werden in der Regel als eigenes wirtschaftliches Risiko gewertet; hat der Schuldner das Erlangte für derartige Zwecke eingesetzt, kann er sich auf keine Bereicherungsminderung berufen.

Gibt es Besonderheiten im Mietrecht oder bei Leistungen zwischen Ehegatten?

Im Mietrecht werden Rückforderungsansprüche und der Einwand des Wegfalls der Bereicherung häufig im Zusammenhang mit Gebrauchsvorteilen geltend gemacht, z.B. bei Rückgewähr gezahlter Miete nach Unwirksamkeit des Mietvertrags. Hier ist meist zu prüfen, ob der Gebrauchswert der Wohnung einem fortwährenden wirtschaftlichen Vorteil entspricht. Bei Leistungen unter Ehegatten besteht der Einwand des Wegfalls der Bereicherung ebenfalls, ist jedoch eingeschränkt; häufig wird die unentgeltliche Zuwendung als Teil des ehelichen Zusammenlebens bewertet, sodass eine Rückforderung sowie der Einwand ins Leere gehen können, sofern der Zweck der Leistung erreicht wurde. Im Einzelfall kommt es hier jedoch auf genaue Prüfung der Zwecke und Umstände an.