Wechselbürge (Avalist) – Begriff, Funktion und rechtliche Einordnung
Der Wechselbürge, häufig auch Avalist genannt, ist eine Person oder ein Kreditinstitut, das für die Zahlung einer Wechselverbindlichkeit einsteht. Durch eine spezielle Erklärung auf dem Wechsel (Aval) übernimmt der Wechselbürge die Haftung für einen anderen wechselmäßig Verpflichteten, etwa den Annehmer (Bezogenen), den Aussteller oder einen Indossanten. Das Aval dient der Stärkung der Sicherheit des Wertpapiers, indem es das Zahlungsrisiko auf eine weitere, meist leistungsfähige Person verlagert.
Definition und Stellung im Wechselverkehr
Ein Wechselbürge verpflichtet sich wechselmäßig, also nach den strengen Form- und Haftungsregeln des Wechselrechts, für die Zahlung der Wechselsumme einzustehen. Seine Haftung ist dem Umfang nach an die Verpflichtung der Person gekoppelt, für die er bürgt (des sogenannten Verbürgten). Zugleich besitzt das Aval eine eigenständige, vom zugrunde liegenden Geschäft losgelöste Sicherungsfunktion: Die Haftung wirkt gegenüber dem jeweiligen Wechselinhaber, unabhängig von Einwänden aus dem ursprünglichen Vertragsverhältnis.
Beteiligte und Rechtsbeziehungen
Zum Kreis der Beteiligten gehören der Inhaber des Wechsels (Gläubiger), der jeweils wechselmäßig Verpflichtete (z. B. Annehmer, Aussteller, Indossant) und der Wechselbürge. Der Wechselbürge steht stets „für jemanden“ ein; sein Haftungsumfang richtet sich danach, wessen Verpflichtung er absichert. Gegenüber dem Inhaber haftet der Wechselbürge selbstständig und regelmäßig gesamtschuldnerisch neben anderen Verpflichteten.
Entstehung und Form des Avals (Wechselbürgschaft)
Form und Ort der Erklärung
Das Aval wird grundsätzlich auf dem Wechsel selbst oder auf einem mit dem Wechsel verbundenen Anhang (Allonge) erklärt. Erforderlich ist die Unterschrift des Wechselbürgen. Übliche Zusätze sind Formulierungen wie „per Aval“ oder „als Bürge“. Die Erklärung muss erkennen lassen, dass eine Haftung als Wechselbürge übernommen wird; eine rein privat formulierte Zahlungsgarantie genügt nicht ohne Weiteres den wechseltypischen Anforderungen.
Bestimmung des Verbürgten
Das Aval soll benennen, für wessen Verpflichtung eingestanden wird (z. B. „per Aval für den Annehmer“). Fehlt diese Angabe, wird im Regelfall angenommen, dass die Bürgschaft für den Annehmer (Bezogenen, der akzeptiert hat) abgegeben ist. Ein Aval kann grundsätzlich für jede wechselmäßige Verpflichtung übernommen werden, also auch für Aussteller oder Indossanten.
Zeitpunkt der Avalerklärung
Die Avalerklärung kann bei Ausstellung, nachträglich vor Fälligkeit oder – je nach Ausgestaltung – auch vor Annahme erfolgen. Entscheidend ist, dass die Erklärung rechtzeitig und formwirksam in den Wechselumlauf gelangt, damit sie gegenüber Wechselinhabern Wirkung entfaltet.
Umfang und Inhalt der Haftung
Gleichstellung mit dem Verbürgten
Der Wechselbürge haftet in gleicher Weise wie die Person, für die er einsteht. Verbürgt er den Annehmer, trifft ihn eine Primärhaftung auf Zahlung bei Fälligkeit. Verbürgt er den Aussteller oder einen Indossanten, folgt seine Haftung den jeweiligen Rückgriffsvoraussetzungen (z. B. rechtzeitiger Protest und Wahrung wechselmäßiger Fristen).
Selbstständigkeit und Abstraktheit
Die Wechselbürgschaft ist vom zugrunde liegenden wirtschaftlichen Geschäft losgelöst. Einwendungen aus dem Verhältnis zwischen Aussteller und Annehmer, Liefer- und Leistungsmängel oder interne Abreden berühren die Haftung des Wechselbürgen gegenüber einem gutgläubigen Wechselinhaber grundsätzlich nicht. Die Wirksamkeit des Avals setzt jedoch die Einhaltung der wechseltypischen Form- und Urkundenvoraussetzungen voraus.
Gesamtschuld und Rangfolge
Mehrere wechselmäßig Haftende stehen dem Inhaber regelmäßig als Gesamtschuldner gegenüber. Der Wechselinhaber kann auswählen, wen er in Anspruch nimmt. Eine feste Rangfolge besteht nicht; die Rechtsstellung des Wechselbürgen richtet sich danach, für wen er bürgt.
Einwendungen und Verteidigungsmöglichkeiten
Wechselrechtliche Einwendungen
Der Wechselbürge kann Einwendungen geltend machen, die aus dem Wechsel selbst folgen, etwa schwerwiegende Formmängel, fehlende gesetzliche Bestandteile oder wirksame Einwendungen, die dem Verbürgten aus dem Wechselverhältnis zustehen. Auch eine wesentliche Veränderung des Wechseltextes kann Einwendungen begründen, soweit sie den Wechselbürgen betrifft.
Persönliche Einwendungen
Gegenüber einem gutgläubigen Wechselinhaber sind persönliche Einwendungen aus dem zugrunde liegenden Geschäft in aller Regel ausgeschlossen. Ausnahmen bestehen für Einwendungen, die unmittelbar die Person des Wechselbürgen betreffen (z. B. seine eigene fehlende Vertretungsmacht oder die Unwirksamkeit seiner Unterschrift).
Fristversäumnisse und Protest
Die Haftung des Wechselbürgen für Aussteller oder Indossanten setzt häufig voraus, dass der Wechselinhaber bestimmte Fristen einhält und – bei Nichtzahlung – den geschäftsüblichen Protest veranlasst. Unterbleiben diese Schritte, können Rückgriffsrechte gegen bestimmte Personen und deren Wechselbürgen entfallen. Für den Wechselbürgen eines Annehmers gelten Besonderheiten, da dessen Verpflichtung primär auf Zahlung gerichtet ist.
Regress und Ausgleich im Innenverhältnis
Rückgriff gegen den Verbürgten
Zahlt der Wechselbürge, erwirbt er grundsätzlich einen Rückgriffsanspruch gegen den Verbürgten sowie – je nach Konstellation – gegen weitere vor- oder nachrangige Wechselverpflichtete. Er kann die gezahlte Wechselsumme und regelmäßig bestimmte Nebenkosten ersetzt verlangen, soweit diese wechselmäßig vorgesehen sind.
Rechtsnachfolge und Urkundenherausgabe
Mit der Zahlung gehen die aus dem Wechsel herrührenden Rechte regelmäßig auf den zahlenden Wechselbürgen über. Er kann die Herausgabe des Wechsels und relevanter Belege verlangen, um seinen Rückgriff gegenüber anderen Verpflichteten zu sichern.
Mehrere Wechselbürgen und Kumulierung von Sicherheiten
Gesamtschuld und interner Ausgleich
Bestehen mehrere Avale, haften die Wechselbürgen dem Inhaber regelmäßig gesamtschuldnerisch. Im Innenverhältnis richtet sich der Ausgleich nach dem Anteil und Zweck der jeweiligen Sicherheiten. Wurden Avale für unterschiedliche Verbürgte abgegeben, bestimmt sich der interne Ausgleich nach der Zuordnung der Haftungsrollen im Wechselumlauf.
Verhältnis zu anderen Sicherungsinstituten
Abgrenzung zur zivilrechtlichen Bürgschaft
Die Wechselbürgschaft ist eine besondere, streng formgebundene Haftungserklärung im Wechselverkehr. Anders als die allgemeine Bürgschaft folgt sie den Regeln des Wechselrechts, ist an die Urkunde gebunden und weist eine erhöhte Abstraktheit auf. Der Schutz des redlichen Wechselverkehrs steht im Vordergrund; Einwendungen aus Grundgeschäften treten vielfach zurück.
Abgrenzung zu Indossant, Aussteller und Annehmer
Der Aussteller setzt den Wechsel in Umlauf, der Annehmer verpflichtet sich durch Annahme unmittelbar zur Zahlung, der Indossant überträgt den Wechsel durch Indossament weiter und haftet für Zahlung, sofern die wechselmäßigen Voraussetzungen erfüllt sind. Der Wechselbürge sichert die Verpflichtung eines dieser Beteiligten zusätzlich ab und haftet „wie der Verbürgte“.
Bankaval
In der Praxis übernehmen häufig Kreditinstitute die Rolle des Wechselbürgen. Das sogenannte Bankaval erhöht die Akzeptanz des Wechsels im Zahlungs- und Kreditverkehr, da die Bonität einer Bank die Einlösungswahrscheinlichkeit typischerweise verbessert.
Erlöschen der Haftung
Zahlung, Erlass und Rückgabe
Mit vollständiger Zahlung der Wechselsumme erlischt die Haftung des Wechselbürgen. Einvernehmliche Erlasse oder die endgültige Entwertung des Wechsels können die Haftung ebenfalls beenden, sofern sie wirksam erfolgen und die wechselmäßigen Rechte hierdurch nicht beeinträchtigt werden.
Fristversäumnisse und Verlust von Rechten
Versäumt der Wechselinhaber wesentliche Fristen oder unterlässt er den erforderlichen Protest, können Ansprüche gegen bestimmte Verpflichtete und deren Wechselbürgen entfallen. Dies betrifft insbesondere Rückgriffsrechte gegen Aussteller und Indossanten sowie deren Avalisten.
Verjährung
Ansprüche aus dem Wechselrecht unterliegen im Vergleich zum allgemeinen Zivilrecht regelmäßig kürzeren Fristen. Für einzelne Anspruchsgruppen gelten unterschiedliche Laufzeiten, die mit Fälligkeit, Protest oder Zahlung in Gang gesetzt werden können.
Grenzüberschreitende Aspekte
Wechsel werden im internationalen Handel häufig länderübergreifend eingesetzt. Für Formgültigkeit und Haftung eines Avals kann es maßgeblich sein, an welchem Ort die Erklärung abgegeben wurde und welchem Recht der konkrete Wechsel unterliegt. Die Anerkennung und Durchsetzung der Haftung richtet sich dann nach den einschlägigen Kollisions- und Verfahrensregeln des betroffenen Rechtsraums.
Praxisrelevanz und Risiken
Das Aval stärkt die Verkehrsfähigkeit und Sicherheit des Wechsels. Zugleich bedeutet es für den Wechselbürgen eine strenge, häufig selbstschuldnerische Haftung mit begrenzten Verteidigungsmöglichkeiten. Die Bindung an Form, Fristen und Urkunde prägt die gesamte Rechtsfigur und unterscheidet sie deutlich von weniger formalisierten Sicherheiten.
Häufig gestellte Fragen (FAQ) zum Wechselbürgen
Was ist ein Wechselbürge und was bedeutet Aval?
Ein Wechselbürge, auch Avalist, übernimmt durch eine Erklärung auf dem Wechsel die Haftung für die Zahlung der Wechselsumme. Das Aval ist die entsprechende Haftungserklärung, die die Verpflichtung eines anderen Wechselverpflichteten zusätzlich absichert.
Für wen kann ein Wechselbürge einstehen?
Ein Aval kann für jeden wechselmäßig Verpflichteten abgegeben werden, insbesondere für den Annehmer (Bezogenen), den Aussteller oder einen Indossanten. Der Haftungsumfang entspricht stets der Verpflichtung der Person, für die das Aval übernommen wurde.
Wie wird eine Wechselbürgschaft wirksam?
Die Avalerklärung erfolgt regelmäßig auf dem Wechsel oder einer Allonge und ist mit der Unterschrift des Wechselbürgen zu versehen. Sie muss erkennen lassen, dass eine Haftung „per Aval“ übernommen wird und idealerweise angeben, für wen gebürgt wird.
Welche Einwendungen kann ein Wechselbürge erheben?
Ein zulässiger Einwand können wechselbezogene Mängel sein, etwa gravierende Formfehler. Persönliche Einwendungen aus dem zugrunde liegenden Geschäft sind gegenüber einem gutgläubigen Wechselinhaber meist ausgeschlossen. Einwendungen, die die eigene Person des Wechselbürgen betreffen (z. B. fehlende Vertretungsmacht), bleiben möglich.
Worin liegt der Unterschied zur allgemeinen Bürgschaft?
Die Wechselbürgschaft ist streng formalisiert, an die Urkunde gebunden und in hohem Maße abstrakt. Sie dient der Verkehrssicherheit des Wechsels und unterscheidet sich dadurch deutlich von der allgemeinen Bürgschaft, die stärker an das Grundverhältnis anknüpft.
Kann ein Wechselbürge seine Verpflichtung widerrufen?
Nach wirksamer Abgabe der Avalerklärung besteht die Haftung gegenüber Wechselinhabern fort. Ein Widerruf gegenüber einem gutgläubigen Inhaber ist grundsätzlich nicht möglich, da das Aval auf die Verkehrsfähigkeit des Wechsels angelegt ist.
Welche Rechte hat der Wechselbürge nach Zahlung?
Mit Zahlung gehen die wechselmäßigen Rechte regelmäßig auf den Wechselbürgen über. Er kann Rückgriff beim Verbürgten und – je nach Konstellation – bei weiteren Verpflichteten nehmen und die Herausgabe der Urkunde verlangen, um seine Ansprüche zu sichern.