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Wechselbürge


Begriff und Funktion des Wechselbürgen

Der Begriff Wechselbürge bezeichnet im Wechselrecht jene Person, die durch Unterzeichnung eines Wechsels als Bürge für eine auf dem Wechsel enthaltene Verpflichtung haftet. Die Bürgschaft für einen Wechsel wird im deutschen Recht als „Aval“ oder „Wechselbürgschaft“ bezeichnet. Diese spezielle Form der Bürgschaft dient der Sicherung der Zahlung des Wechselschuldners, insbesondere des Ausstellers oder eines Indossanten, gegenüber dem Inhaber des Wechsels.

Rechtsgrundlagen des Wechselbürgen

Gesetzliche Regelungen

Die rechtliche Grundlage der Wechselbürgschaft findet sich im Wechselgesetz (WG), insbesondere in den §§ 30-32 WG. Hier werden die Voraussetzungen, das Zustandekommen und die rechtlichen Folgen einer Wechselbürgschaft geregelt. Die Bürgschaftserklärung ist formbedürftig und muss auf den Wechsel selbst oder auf einen Anhang, den sogenannten Allonge, gesetzt werden.

Form und Inhalt der Wechselbürgschaft

Die Erklärung muss ausdrücklich erfolgen, üblicherweise mit der Formulierung „als Bürge“, „per Aval“ oder ähnlichen Zusätzen. Entscheidend ist, dass eindeutig erkennbar ist, für wen der Bürge haftet (Identifizierung des Hauptschuldners), da nur für diesen die Bürgschaft wirksam ist. Fehlt eine Benennung, so gilt die Bürgschaft nach dem Gesetz als für den Aussteller übernommen (§ 32 Abs. 2 WG).

Das Fehlen der ausdrücklich als Bürgschaft gekennzeichneten Erklärung kann zur Unwirksamkeit der Bürgschaft führen. Die bloße Unterschrift auf der Wechselurkunde begründet im Zweifel keine Bürgschaft, sondern lediglich eine andere Verpflichtung, beispielsweise als Indossant.

Unmittelbare und selbstständige Wechselbürgschaft

Kennzeichnend für die Wechselbürgschaft ist ihre abstrakte Natur. Sie begründet eine selbstständige Verpflichtung des Bürgen gegenüber jedem Inhaber der Wechselurkunde, unabhängig von Grund und Bestand der gesicherten Hauptforderung. Diese Selbstständigkeit grenzt den Wechselbürgen von anderen Sicherungsgebern, wie etwa einfachen Bürgen nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB), ab, deren Einreden und Einwendungen begrenzt sind.

Rechtsstellung und Haftung des Wechselbürgen

Umfang der Haftung

Der Wechselbürge haftet bezüglich des gesicherten Betrags in vollem Umfang wie der Hauptschuldner, einschließlich etwaiger Zinsen, Kosten und Wechselproteste (§ 32 Abs. 1 WG). Die Haftung besteht nicht nur gegenüber dem Wechselinhaber, sondern auch gegenüber weiteren Regressberechtigten wie Indossanten oder anderen Beteiligten am Wechselverkehr.

Einreden und Einwendungen

Die Möglichkeiten des Wechselbürgen, sich gegen Inanspruchnahme zu verteidigen, sind eingeschränkt. Neben offenkundigen Formmängeln und der Unwirksamkeit seiner eigenen Bürgschaftserklärung kann er nur solche Einreden geltend machen, die sich unmittelbar aus dem Wechsel oder aus seiner eigenen Verpflichtung ergeben. Einwendungen des Hauptschuldners, auf die der Bürge nach dem allgemeinen Bürgerlichen Recht zurückgreifen könnte, stehen dem Wechselbürgen in der Regel nicht zu.

Rückgriffsmöglichkeiten

Wird der Wechselbürger aus seiner Verpflichtung in Anspruch genommen, steht ihm ein Rückgriffsrecht gegen den gesicherten Hauptschuldner sowie nach Maßgabe des Wechselgesetzes gegen andere auf dem Wechsel verpflichtete Personen (z.B. Indossanten) zu. Dies ergibt sich aus dem übergeordneten Prinzip des Rückgriffskreislaufs im Wechselrecht, das einen Ausgleich der wirtschaftlichen Belastung gewährleisten soll.

Abgrenzung zu anderen Sicherheitsinstituten

Unterschied zur BGB-Bürgschaft

Die Wechselbürgschaft unterscheidet sich in wesentlichen Punkten von der Bürgschaft nach § 765 BGB. Während die BGB-Bürgschaft akzessorisch, also vom Bestand der gesicherten Hauptforderung abhängig ist, ist die Wechselbürgschaft abstrakt und unabhängig von etwaigen Einwendungen aus dem Grundverhältnis. Des Weiteren unterliegt die Wechselbürgschaft den besonderen Regelungen und Fristen des Wechselgesetzes, insbesondere hinsichtlich Präsentation, Protest und Verjährung.

Beziehung zur Bankbürgschaft (Avalkredit)

Im Kreditgeschäft wird die Wechselbürgschaft häufig von Kreditinstituten gestellt, um einem Kunden, z.B. als Aussteller eines Wechsels, die Aufnahme von weiterem Kapital zu ermöglichen. In diesem Zusammenhang spricht man auch von einem „Avalkredit“, wobei das Kreditinstitut als Wechselbürge fungiert und seinen Kunden absichert.

Bedeutung und praktische Anwendung

Die Bedeutung des Wechselbürgen im heutigen Wirtschaftsleben ist zurückgegangen, da der Wechsel insgesamt an Bedeutung verloren hat. Dennoch bleibt die Wechselbürgschaft ein wichtiges Sicherungsinstrument in speziellen Bereichen des internationalen Handels und bei der Abwicklung größerer Finanztransaktionen. Die Wechselbürgschaft bietet Gläubigern im Wechselrecht ein hohes Maß an Zahlungssicherheit, da sie eine selbstständige und formstrenge Verpflichtung zusätzlich zur Hauptschuld begründet.

Zusammenfassung

Der Wechselbürge ist eine zentrale Figur des Wechselrechts, die durch eine formalisierte und eigenständige Bürgschaftsschuld für die Verpflichtung eines Beteiligten am Wechsel haftet. Die umfassende Haftung, verbunden mit wenigen Einwendungen, sichert dem Gläubiger eine starke Rechtsposition. Im Vergleich zur klassischen BGB-Bürgschaft ist die Wechselbürgschaft durch ihre Abstraktheit, Formalisierung und reduzierte Defensive des Bürgen geprägt. Sie behält damit im Rahmen spezifischer Handelsgeschäfte, insbesondere im internationalen Kontext und im Avalkreditgeschäft, ihre Relevanz.

Häufig gestellte Fragen

Wie entsteht eine Haftung des Wechselbürgen rechtlich und welche Formvorschriften sind zu beachten?

Die Haftung des Wechselbürgen (Avalisten) entsteht nach den Vorschriften des Wechselgesetzes (WG) nicht durch einen eigenständigen Vertrag, sondern durch eine schriftliche Erklärung auf dem Wechsel oder einem Anhang daran (WG § 30 Abs. 1). Die Wechselbürgschaft muss ausdrücklich, mit eindeutiger Angabe des garantierten Betrages und unter Nennung des Begünstigten erfolgen. Eine schriftliche Übernahme ist zwingende Voraussetzung – eine mündliche oder schlüssige Bürgschaftserklärung ist im Wechselrecht unwirksam. Üblicherweise erfolgt die Bürgschaft durch die Worte „per Aval“, „als Bürge“ oder ähnliche Formulierungen sowie die Unterschrift des Bürgen auf der Wechselurkunde. Der Bürge kann seine Haftung wahlweise zugunsten des Ausstellers, eines anderen Verpflichteten oder eines auf dem Wechsel benannten Schuldners übernehmen. Fehlt die Angabe, für wen die Bürgschaft erfolgt, wird gesetzlich unterstellt, dass die Bürgschaft für den Aussteller geleistet wurde. Fehlerhafte oder unvollständige Angaben können zur Unwirksamkeit der Wechselbürgschaft führen. Auch die Unterschrift des Bürgen ist zwingend, andernfalls entfällt die Wechselbürgschaft. Die formale Bindung an die Wechselurkunde gewährleistet Rechtssicherheit und Nachvollziehbarkeit im Rechtsverkehr.

Welche Ansprüche kann der Inhaber des Wechsels gegenüber dem Wechselbürgen geltend machen?

Gegenüber dem Wechselbürgen kann der Wechselinhaber die gesamte auf dem Wechsel verbriefte Forderung geltend machen, sobald der Hauptschuldner (z.B. Aussteller, Akzeptant) nicht zahlt. Die Haftung des Wechselbürgen ist dabei akzessorisch zur Verpflichtung des Wechselverpflichteten, für den gebürgt wurde, aber zugleich selbständig, sodass der Bürge wie ein Wechselverpflichteter aus dem Wechsel in Anspruch genommen werden kann (WG § 32, § 47). Der Wechselbürger kann sich dabei grundsätzlich nicht auf persönliche Einwendungen des Hauptschuldners stützen, wohl aber auf solche Einwendungen, die sich unmittelbar aus dem Wechsel selbst ergeben (z. B. Unwirksamkeit des Wechsels wegen Formmangels oder fehlender Indossierung). Überdies steht dem Wechselbürgen kein Schutz vor vorzeitiger Inanspruchnahme (z.B. Einrede der Vorausklage wie im Bürgschaftsrecht des BGB) zu, sodass der Wechselinhaber ihn unmittelbar und ohne Einschränkung in Anspruch nehmen darf, sobald die Verpflichtung des Hauptschuldners fällig ist. Im Ergebnis haftet der Wechselbürge unter denselben Bedingungen und im selben Umfang wie der Hauptschuldner, für dessen Verbindlichkeit er gebürgt hat.

Wie kann sich ein Wechselbürge gegen eine Inanspruchnahme verteidigen?

Die Verteidigungsmöglichkeiten des Wechselbürgen sind im Wechselrecht stark eingeschränkt, da zugunsten des Wechselgläubigers die Sicherheit und Umlauffähigkeit des Wechsels im Vordergrund stehen. Der Wechselbürge kann lediglich formale und wechselbezogene Einreden geltend machen, wie etwa die Unwirksamkeit des Wechsels, fehlende Unterschrift des Wechselausstellers, Verjährung oder fehlende Übergabe des Wechsels an den Kläger. Persönliche Einwendungen des Hauptschuldners, wie z. B. Anfechtungsgründe, Aufrechnung oder Einrede der Vorausklage kennt das Wechselrecht im Zusammenhang mit dem Wechselbürgen nicht. Allerdings kann sich der Wechselbürge darauf berufen, dass sein Bürgschaftsvertrag formunwirksam ist oder dass seine Unterschrift gefälscht wurde. Weiterhin bestehen Rückgriffsansprüche gegen den Hauptschuldner, sofern der Bürge in Anspruch genommen wird.

Erlischt die Haftung des Wechselbürgen bei Wechselprolongation oder Stundung?

Die Haftung des Wechselbürgen bleibt grundsätzlich auch erhalten, wenn eine Wechselprolongation (Erneuerung des Wechsels) oder eine Stundung der Wechselverbindlichkeit zwischen Gläubiger und Hauptschuldner vereinbart wird, sofern der Bürge dem zustimmt oder die Prolongation auf seine Veranlassung erfolgt. Stimmt der Bürge jedoch einer solchen Änderung nicht explizit zu, riskiert der Gläubiger unter Umständen den Verlust seiner Ansprüche gegen den Bürgen, falls sich durch die Prolongation die Haftung des Bürgen sachlich oder zeitlich erweitert (ähnlich der Regelung bei klassischen Bürgen nach BGB § 767 Abs. 1 S. 3). Im Wechselrecht ist stets die strenge Schriftform auf der Urkunde selbst zu beachten. Lediglich bei ausdrücklicher Zustimmung zur Prolongation haftet der Wechselbürge auch für den erneuerten Wechsel.

Was passiert mit der Haftung des Wechselbürgen, wenn der Wechsel an einen Dritten indossiert wird?

Der Wechselbürge haftet auch gegenüber sämtlichen nachfolgenden legitimen Inhabern des Wechsels, d.h. seine Haftung bleibt bei jeder Indossierung der Urkunde vollumfänglich bestehen (zirkuliert mit dem Wechsel). Der Wechselbürge kann sich gegenüber gutgläubigen Erwerbern des Wechsels nicht auf Einwendungen berufen, die aus dem Verhältnis zu dem ursprünglichen Wechselinhaber stammen, weil das Wechselrecht das Abstraktionsprinzip und die Verkehrsfähigkeit sicherstellen will. Lediglich Einwendungen aus dem Wechsel selbst (Formfehler, Ungültigkeit der Urkunde) können weiterhin geltend gemacht werden. Die Haftung ist damit – wie bei allen anderen Wechselverpflichteten – zugunsten der Umlauffähigkeit des Wechsels objektiv ausgerichtet.

Welche Besonderheiten gelten für die Verjährung von Ansprüchen gegen den Wechselbürgen?

Die Verjährung von Ansprüchen gegen den Wechselbürgen richtet sich nach den speziellen Vorschriften des Wechselgesetzes (WG § 77-81), nicht nach den allgemeinen bürgerlich-rechtlichen Vorschriften. Die Frist gegenüber dem Wechselbürgen entspricht derjenigen für den jeweiligen Hauptverpflichteten: Bei Zahlungsklagen gegen den Akzeptanten oder Aussteller verjähren Ansprüche nach drei Jahren ab Fälligkeitstag des Wechsels. Bei Rückgriffsklagen gegen den Indossanten, Aussteller oder Wechselbürgen beträgt die Verjährungsfrist ein Jahr ab Protest- oder Fälligkeitstag. Nach Verjährung des Hauptanspruchs verjährt auch der Anspruch gegen den Bürgen. Die Geltendmachung und Unterbrechung der Verjährung erfolgt nach den besonderen Regeln des Wechselgesetzes – insbesondere durch Erhebung einer Klage, Anzeige oder Protest.

Hat der Wechselbürge Rückgriff gegen den Hauptschuldner und ggf. andere Mitschuldner?

Wird der Wechselbürge aus dem Wechsel in Anspruch genommen und leistet er Zahlung, geht der Anspruch des Gläubigers gegen den Schuldner gemäß § 32 WG auf den Bürgen über (Legalzession). Er kann somit Rückgriff beim Hauptschuldner, für den er gebürgt hat, nehmen und bei anderen aurückstehenden Wechselverpflichteten (z. B. Indossanten), sofern diese aufgrund der wechselrechtlichen Regresskette haftbar sind. Der Bürge tritt vollumfänglich in die Rechte des Wechselinhabers ein und kann nicht nur Ersatz des gezahlten Betrags, sondern auch Zinsen und ggf. weitere Kosten verlangen, die er im Zusammenhang mit der Inanspruchnahme zu tragen hatte. Die Rückgriffsansprüche sind eigenständige wechselseitige Ansprüche und unterliegen wiederum den spezifischen Fristen und Formerfordernissen des Wechselrechts.