Definition und Begriffsklärung der Wasserwehr
Die Wasserwehr ist ein umfassender Begriff aus dem öffentlichen und privaten Recht, der Maßnahmen des Schutzes und der Gefahrenabwehr im Zusammenhang mit Gewässern bezeichnet. Rechtlich beschreibt die Wasserwehr alle Aktivitäten, organisatorischen Strukturen, Pflichten und Befugnisse, die dem Schutz vor schädlichen Auswirkungen von Wasser, insbesondere Hochwasser und Überschwemmungen, dienen. Der Begriff findet sich sowohl im Wasserrecht als auch im Katastrophen- und Gefahrenabwehrrecht sowie im privaten Nachbarrecht.
Rechtsgrundlagen der Wasserwehr
Wasserrechtliche Bestimmungen
Die zentrale Normierung der Wasserwehr erfolgt im Wasserhaushaltsgesetz (WHG) des Bundes sowie in den Landeswassergesetzen. Das WHG schreibt in § 5 WHG vor, dass jeder, der Anlagen an Gewässern betreibt, Vorsorge gegen nachteilige Veränderungen des Wasserhaushalts zu treffen hat. Auch die §§ 35 ff. WHG über wasserwirtschaftliche Planungen betreffen Aspekte der Wasserwehr.
Darüber hinaus regeln die Landeswassergesetze spezifische Pflichten zur Wasserwehr, wie etwa die Unterhaltung und den Erhalt von Hochwasserschutzanlagen, Meldepflichten und das Verhalten bei unmittelbarer Gefahr.
Kommunale und staatliche Zuständigkeiten
Die Zuständigkeit für die Wasserwehr liegt in der Regel bei den Gemeinden als untere Wasserbehörde. Die Überwachung und Koordination kann durch höhere Verwaltungsbehörden erfolgen. Für Gewässer erster Ordnung (meist Flüsse von besonderer Bedeutung) sind oftmals Länder oder spezielle Zweckverbände zuständig.
Wesentliche Aufgaben der Wasserwehr auf kommunaler Ebene umfassen insbesondere:
- Bau und Unterhaltung technischer Hochwasserschutzmaßnahmen (Deiche, Schutzwände, Pumpwerke)
- Organisation und Aufrechterhaltung von Einsatzkräften (Feuerwehr, technische Hilfsdienste)
- Information der Bevölkerung und Organisation von Evakuierungsmaßnahmen
- Kooperation mit benachbarten Gemeinden und Katastrophenschutzbehörden
Pflichten privater Beteiligter
Privatrechtlich verpflichtet das Nachbarrecht nach §§ 909 ff. BGB Eigentümer dazu, Einrichtungen auf eigenem Grund so zu unterhalten, dass Hochwasser und Überschwemmungen nicht nachteilig auf Nachbargrundstücke einwirken. Darüber hinaus können Wasser- und Bodenverbände per Gesetz oder Satzung zu Maßnahmen der Wasserwehr verpflichtet werden, insbesondere zur Unterhaltung und Betreuung von Deichen und Gräben.
Kommt jemand seinen Verpflichtungen hinsichtlich der Wasserwehr nicht nach und entsteht hierdurch ein Schaden, bestehen im Rahmen der Amtshaftung und privatrechtlichen Schadenersatzansprüchen weitreichende Ersatzpflichten.
Organisation und Durchführung der Wasserwehr
Technische und organisatorische Maßnahmen
Technischer Hochwasserschutz
Maßnahmen des technischen Hochwasserschutzes wie mobile Hochwasserschutzwände, Schöpfwerke, Dämme und Retentionsräume sind wesentlicher Bestandteil der Wasserwehr. Hierfür existieren baurechtliche und wasserrechtliche Vorgaben. Die Errichtung und Unterhaltung obliegt teils der öffentlichen Hand, teils speziellen Verbänden oder privaten Eigentümern.
Überwachung und Alarmierung
Die Überwachung von Wasserständen und Frühwarnsysteme sind rechtlich vorgeschrieben, um im Bedarfsfall eine Wasserwehr effektiv einleiten zu können. Kommunen und Länder sind verpflichtet, Überschwemmungsgebiete auszuweisen und für Informationssysteme zu sorgen.
Alarm- und Einsatzpläne
Die Erstellung von Alarm- und Einsatzplänen ist zentraler Bestandteil der Wasserwehr. Gesetzlich geregelt wird deren Erstellung meist auf kommunaler Ebene sowie durch Landesvorschriften. Im Falle einer drohenden Überschwemmung greifen Notfallpläne, deren rechtliche Grundlagen u.a. im Katastrophenschutzrecht der Länder geregelt sind.
Zusammenarbeit mit Katastrophenschutz
Bei großflächigen Überschwemmungen greift das Katastrophenschutzrecht. Die Wasserwehr wird dann koordiniert durch Katastrophenschutzleitungen unter Einbindung mehrerer Behörden und Organisationen. Die rechtlichen Grundlagen ergeben sich aus den Katastrophenschutzgesetzen der Länder.
Haftungsfragen und Rechtsfolgen bei Wasserwehrmaßnahmen
Amtshaftung und Organhaftung
Unterlässt die zuständige öffentliche Stelle notwendige Maßnahmen der Wasserwehr oder verfügt sie rechtswidrige Maßnahmen, können Ansprüche aus Amtshaftung (§ 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG) entstehen. Die Behörde muss nachweisen, alle zumutbaren und rechtlich gebotenen Vorkehrungen getroffen zu haben.
Privatrechtliche Haftung
Tritt infolge unterlassener Wasserwehr ein Schaden ein, können Nachbarn oder Verbände privatrechtlich haftbar gemacht werden. Die Rechtsgrundlagen finden sich insbesondere im Nachbarrecht (§§ 909, 1004 BGB) und aus Deliktsrecht (§ 823 BGB), wenn notwendige Schutzvorkehrungen fehlten oder unzureichend waren.
Entschädigungsansprüche
Wer zum Zwecke der Wasserwehr in fremde Rechte eingreift (z.B. Grundstücksnutzung für den Dammbau), kann zu Entschädigungsleistungen verpflichtet sein (§ 49 WHG, § 12 BPolG, ggf. Landesgesetze). Die Entschädigungspflicht hängt von der Rechtsgrundlage und dem Umfang der Inanspruchnahme ab.
Besondere Formen und Ausprägungen der Wasserwehr
Wasser- und Bodenverbände
Eine besondere rechtliche Rolle für die Wasserwehr spielen Wasser- und Bodenverbände. Sie sind nach dem Wasserverbandsgesetz verpflichtet, in ihrem Wirkungsbereich die Wasserwehr sicherzustellen. Die Trägerstruktur und die interne Organisation unterliegen der Aufsicht der Länder.
Freiwillige und Pflichtfeuerwehr
Im Rahmen der kommunalen Gefahrenabwehr obliegen den örtlichen Feuerwehren oftmals auch Aufgaben der Wasserwehr. Die rechtliche Grundlage hierfür bilden die Feuerwehrgesetze der Länder sowie ergänzende Satzungen.
Sanktionen bei Verstößen gegen Wasserwehrpflichten
Verstöße gegen öffentlich-rechtliche Pflichten der Wasserwehr (z.B. unterlassene Mindestvorsorge, fehlende Unterhaltung von Schutzanlagen) können als Ordnungswidrigkeit (§ 103 WHG, Landesordnungswidrigkeitengesetze) geahndet werden. Weitergehende Sanktionen bis hin zu Schadensersatz und Unterlassungsansprüchen sind – je nach Rechtsgrundlage – möglich.
Literaturhinweise und Normquellen
Wichtige Rechtsquellen
- Wasserhaushaltsgesetz (WHG)
- Landeswassergesetze
- Bundeskatastrophenschutzgesetz, Landeskatastrophenschutzgesetze
- Wasserverbandsgesetz (WVG)
- Bürgerliches Gesetzbuch (BGB; §§ 909, 1004, 823)
- Landesnachbarrechtsgesetze
Weiterführende Literatur
- Hansmann, Wasserrecht, 17. Aufl.
- Boettcher, Katastrophenschutzrecht, aktuelle Ausgabe
- Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, Kommentar
Fazit:
Wasserwehr ist in Deutschland ein rechtlich vielschichtiger Begriff, der zahlreiche öffentlich-rechtliche und privatrechtliche Vorgaben, Zuständigkeiten, Pflichten und Haftungsfragen vereint. Von der technischen Gefahrenabwehr über die Organisation der zuständigen Stellen bis hin zu privaten Beteiligungen und Sanktionen wirft die Wasserwehr komplexe rechtliche Fragestellungen auf, die durch verschiedene Gesetze und Vorschriften auf Bundes- und Landesebene geregelt werden.
Häufig gestellte Fragen
Wer ist rechtlich für die Organisation und Durchführung der Wasserwehr zuständig?
Die rechtliche Zuständigkeit für die Organisation und Durchführung der Wasserwehr liegt in Deutschland grundsätzlich bei den Gemeinden und Landkreisen als Teil der örtlichen Gefahrenabwehr. Gemäß Wasserhaushaltsgesetz (WHG) und den Wassergesetzen der Länder sind die Gemeinden verpflichtet, im Rahmen ihrer Möglichkeiten Vorsorge gegen Hochwasser und ähnliche Gefahren zu treffen. Die Länder können durch Landesgesetze Näheres regeln, insbesondere zur Zusammenarbeit mit anderen Körperschaften (z.B. Zweckverbände) und zur Einbindung weiterer Organisationen. Die Feuerwehrgesetze der Länder bestimmen häufig, dass die örtlichen Feuerwehren zentrale Aufgaben bei der Wasserwehr wahrnehmen. Daneben können auch andere Hilfsorganisationen, wie das Technische Hilfswerk (THW), rechtlich durch Verwaltungsvereinbarungen einbezogen werden. Letztlich bleibt die Aufsicht und Steuerung dieser Maßnahmen in der Verantwortung der jeweils zuständigen Behörde, die auch Koordinierungen im Katastrophenfall steuern muss. Eigentümer und Anlieger von Gewässern können zudem nach Landesrecht zur Mitwirkung oder Duldung von Maßnahmen verpflichtet werden.
Welche rechtlichen Pflichten bestehen für Privatpersonen im Rahmen der Wasserwehr?
Privatpersonen treffen grundsätzlich keine originären Pflichten zur aktiven Teilnahme an der Wasserwehr, es sei denn, entsprechende Verpflichtungen ergeben sich aus übergeordneten Rechtsvorschriften (z.B. Feuerwehrdienstpflicht in bestimmten Bundesländern) oder einer behördlichen Anordnung im Katastrophenfall. Allerdings besteht eine sogenannte Anlieger- und Eigentümerpflicht nach den jeweiligen Wassergesetzen der Länder, eigenverantwortlich Maßnahmen zu ergreifen, um von ihrem Grundstück ausgehende Gefahren für das Gemeinwohl, insbesondere Überschwemmungen, zu verhindern. Im Rahmen des Gefahrenabwehrrechts können Privatpersonen notfalls durch die zuständige Ordnungsbehörde zu (Ersatz-)Maßnahmen, Duldungen oder Hilfestellungen verpflichtet werden (§ 15 Abs. 1 OBG NRW beispielhaft). Im Katastrophenfall regelt das Landeskatastrophenschutzgesetz weitergehende Pflichten (z.B. Heranziehung zu Hilfsleistungen, Duldung von Zugang zu Grundstücken). Die Nichtbefolgung solcher Anordnungen kann ordnungsbehördlich durchgesetzt und mit Bußgeldern versehen werden.
Dürfen private Helfer bei Wasserwehrmaßnahmen eingesetzt werden, und wer haftet im Schadensfall?
Private Helfer dürfen bei Wasserwehrmaßnahmen mitwirken, sofern sie nicht durch behördliche Anweisung oder spezielle Gesetze ausgeschlossen sind. Im Rahmen des freiwilligen Engagements sind Helfende grundsätzlich über die gesetzliche Unfallversicherung nach SGB VII (vor allem § 2 Abs. 1 Nr. 12 SGB VII für „sonstige Hilfe im Katastrophenfall“) versichert, sofern die Maßnahme von einer zuständigen Stelle angeordnet oder genehmigt wurde. Wird die Wasserwehrmaßnahme außerhalb einer behördlichen Organisation durchgeführt, haften die Helfenden in der Regel nach den Grundsätzen des Zivilrechts (§§ 823 ff. BGB). Entsteht dabei ein Schaden, so kommt es auf das Vorliegen von Verschulden und die Üblichkeit der Maßnahme an. Bei offiziellen Einsätzen (etwa im Auftrag der Gemeinde) liegt die Haftung meist bei der Kommune; im Falle von grober Fahrlässigkeit oder Vorsatz kann die Regressnahme gegenüber dem Helfer erfolgen. Im Rahmen der Amtshilfe oder als Ehrenamtlicher gelten weitergehende Haftungsprivilegien nach § 839 BGB und den Landesgesetzen.
Welche rechtlichen Grundlagen gelten für die Durchführung von Wasserwehrmaßnahmen (z.B. Sandsackverbau, Umleitung von Fließgewässern)?
Die wichtigsten rechtlichen Grundlagen für Wasserwehrmaßnahmen ergeben sich aus dem Bundes-Wasserhaushaltsgesetz (WHG) und den Landeswassergesetzen. Auch das Polizei- und Ordnungsrecht der Länder (z.B. OBG, POG), Katastrophenschutzgesetze sowie spezielle Durchführungsverordnungen regeln Einzelmaßnahmen. Eingriffe wie der Bau von Sandsackwällen, das Umleiten von Gewässern oder die Nutzung privater Flächen bedürfen grundsätzlich keiner gesonderten Genehmigung, sofern sie im Rahmen der Gefahrenabwehr erfolgen (§§ 35 ff. BauGB, § 41 WHG). Außerhalb des Gefahren- oder Katastrophenfalls ist für wasserbauliche Maßnahmen hingegen regelmäßig eine wasserrechtliche Erlaubnis oder Bewilligung erforderlich. Zudem sind naturschutzrechtliche und ggf. eigentumsrechtliche Aspekte (Betretungsrechte, Entschädigungsansprüche) zu beachten. Notstandsregelungen erlauben auch den Eingriff in Rechte Dritter, wobei unverzüglich eine nachträgliche Prüfung und ggf. Entschädigung (§ 39 OBG NRW) erfolgen muss.
Welche rechtlichen Vorgaben gelten für den vorbeugenden Hochwasserschutz im Rahmen der Wasserwehr?
Der vorbeugende Hochwasserschutz ist durch das Wasserhaushaltsgesetz sowie die jeweiligen länderspezifischen Wassergesetze geregelt. Gemeinden sind verpflichtet, Risikovorsorge zu betreiben, etwa durch Hochwasserrisikomanagementpläne und die Bereitstellung technischer, baulicher und organisatorischer Einrichtungen (§ 72 WHG). Dabei müssen sie die Belange des Bauplanungsrechts (§ 5 BauGB – Flächennutzungsplan, § 30 BauGB – Bebauungsplan), des Immissionsschutz-, Natur- und Denkmalschutzrechts berücksichtigen. Öffentlich-rechtliche Verpflichtungen zur regelmäßigen Prüfung, Unterhaltung oder Sanierung von Hochwasserschutzeinrichtungen (Deiche, Rückhaltebecken) können sowohl die Gemeinden als Betreiber als auch private Unterhaltungsverbände treffen. Die Öffentlichkeit muss über Gefahren und Schutzmöglichkeiten informiert werden. Eigentümer und Betreiber von Anlagen in Überschwemmungsgebieten unterliegen zusätzlichen Beschränkungen und Verhaltenspflichten (§ 78 WHG).
Sind Entschädigungen für durch Wasserwehrmaßnahmen verursachte Schäden gesetzlich vorgesehen?
Ja, Entschädigungen sind gemäß den jeweiligen Katastrophenschutzgesetzen der Länder sowie den ordnungsbehördlichen Gesetzen vorgesehen, wenn durch rechtmäßige Wasserwehrmaßnahmen Schäden an Eigentum Dritter verursacht werden. Die Grundlagen hierfür sind regelmäßig in den Entschädigungsregelungen der Landesgesetze (z.B. § 39 OBG NRW, § 65 SächsKatSG) verankert. Eine Entschädigungspflicht besteht i.d.R. nur, wenn die Maßnahme rechtmäßig und zur Abwehr einer erheblichen Gefahr zwingend notwendig war und kein anderer Ausgleich möglich ist. Zu ersetzen sind in erster Linie unmittelbare Sachschäden; für Folgeschäden und Nutzungsausfälle bestehen meist Einschränkungen. Die Entschädigung ist bei der zuständigen Behörde zu beantragen, und der Rechtsweg zum Verwaltungsgericht steht offen.
Welche gesetzlichen Informations- und Meldepflichten bestehen im Wasserwehrkontext?
Behörden sind verpflichtet, die Öffentlichkeit über bestehende Hochwasserrisiken, geplante und laufende Wasserwehrmaßnahmen sowie über Verhaltensregeln zu unterrichten (§ 5 Abs. 2 BKatSchG, § 73 WHG, Landeswassergesetze und Katastrophenschutzgesetze). Betroffene Grundstückseigentümer, Unternehmen und kritische Infrastrukturen müssen besonderen Informationspflichten nachkommen, etwa Meldepflichten bei drohender Havarie, Betriebsstörungen oder Gefahrstoffen an die Wasserbehörden (§ 19 WHG, § 56 AwSV). Ebenfalls gelten Meldepflichten bei Feststellung besonderer Schadensstellen oder sich ankündigender Hochwasserlagen. Die Verletzung dieser Pflichten kann (ordnungs-)rechtliche Folgen haben, einschließlich Bußgeldern und Schadenersatzpflichten.