Begriff und Einordnung: Wahlvorbereitungsurlaub
Wahlvorbereitungsurlaub bezeichnet eine besondere Form der Freistellung von der Arbeit, die Personen als Wahlbewerberinnen und Wahlbewerber für öffentliche Wahlen nutzen können, um Tätigkeiten im Zusammenhang mit der Vorbereitung ihrer Kandidatur und der Wahlkampfführung wahrzunehmen. Er dient der chancengleichen Beteiligung am demokratischen Prozess, indem berufliche Pflichten vorübergehend hinter die Wahrnehmung politischer Rechte zurücktreten.
Der Begriff wird vor allem im öffentlichen Dienst verwendet, findet jedoch in Abhängigkeit von Arbeitgeber, Tarifbindung und landesrechtlichen Vorgaben auch in anderen Beschäftigungsbereichen Anwendung. Wahlvorbereitungsurlaub ist abzugrenzen von Freistellungen am Wahltag als Wahlhelfer, von Bildungsurlaub sowie von Freistellungen für betriebliche oder dienstliche Gremienwahlen (etwa Betriebs- oder Personalratswahlen), die eigenen Regelungen folgen.
Rechtsgrundlagen und Geltungsbereich
Öffentlicher Dienst
Im öffentlichen Dienst bestehen geregelte Möglichkeiten der Freistellung für die Wahlvorbereitung. Für Beamtinnen und Beamte sowie tariflich Beschäftigte des Bundes, der Länder und Kommunen sehen einschlägige dienst- und arbeitsrechtliche Bestimmungen vor, dass vor bestimmten Wahlen eine Freistellung gewährt werden kann. Ausgestaltung, Dauer und Vergütung richten sich nach dem jeweils anwendbaren Regelwerk des Dienstherrn beziehungsweise des öffentlichen Arbeitgebers.
Privatwirtschaft
In der Privatwirtschaft existiert kein einheitlicher, allgemeinverbindlicher Anspruch auf Wahlvorbereitungsurlaub. Ob und in welchem Umfang Freistellungen gewährt werden, hängt von individualvertraglichen Vereinbarungen, einschlägigen Tarifverträgen, betrieblichen Regelungen oder unternehmensinternen Richtlinien ab. Unabhängig davon gelten Schutzvorschriften, die Wahlbewerberinnen und Wahlbewerber vor Benachteiligungen im Arbeitsverhältnis bewahren sollen.
Ebenen der Wahlen
Wahlvorbereitungsurlaub kommt typischerweise bei Kandidaturen für Wahlen zum Europäischen Parlament, zum Bundestag und zu Landtagen in Betracht. In mehreren Rechtskreisen werden auch kommunale Wahlen erfasst; hier unterscheiden sich Umfang und Modalitäten jedoch spürbar. Maßgeblich ist jeweils, für welche Ebene kandidiert wird und welche Regelungen der Arbeitgeber- oder Dienstherrnbereich vorsieht.
Voraussetzungen für den Wahlvorbereitungsurlaub
Wahlbewerbereigenschaft und Nachweise
Voraussetzung ist regelmäßig die formelle Stellung als Wahlbewerberin oder Wahlbewerber. Erforderlich sind üblicherweise geeignete Nachweise, etwa über die Aufnahme in einen Wahlvorschlag oder die Annahme einer Kandidatur. Art und Umfang der Nachweispflichten ergeben sich aus den maßgeblichen dienst- oder arbeitsrechtlichen Bestimmungen.
Zeitlicher Rahmen
Der Wahlvorbereitungsurlaub ist auf die konkrete Phase der Wahlvorbereitung und des Wahlkampfs begrenzt. Der begünstigte Zeitraum liegt typischerweise in den Wochen bis wenigen Monaten vor dem Wahltag. Beginn und Ende des Freistellungszeitraums orientieren sich an der förmlichen Kandidatur und an organisatorischen Erfordernissen des Wahlgeschehens, können jedoch je nach Rechtslage variieren.
Umfang und Vergütung
Die Freistellung kann voll- oder teilzeitbezogen ausgestaltet sein. Im öffentlichen Dienst ist die Fortzahlung der Bezüge vor bestimmten Wahlen verbreitet; bei anderen Konstellationen kommen unbezahlte Freistellungen vor. In der Privatwirtschaft ist die Entgeltfrage abhängig von vertraglichen oder tariflichen Regelungen. Eine Kombination aus bezahlten und unbezahlten Abschnitten ist möglich, sofern die einschlägigen Regelungen dies vorsehen.
Rechte und Pflichten während des Wahlvorbereitungsurlaubs
Beschäftigungs- und Entgeltstatus
Während einer bezahlten Freistellung bleibt das Beschäftigungsverhältnis mit allen Hauptpflichten ausgesetzt, ohne dass die Vergütungspflicht entfällt. Bei unbezahlter Freistellung ruht die Pflicht zur Arbeitsleistung ebenso; die Vergütung entfällt insoweit. Nebenleistungen richten sich nach den jeweils geltenden Bestimmungen und können unterschiedlich behandelt werden.
Neutralität und Trennung von Amt und Mandat
Insbesondere im öffentlichen Dienst gilt das Prinzip der strikten Trennung von beruflicher Tätigkeit und politischem Engagement. Amtliche Ressourcen, Diensträume, Kommunikationsmittel oder dienstliche Kontakte sind für wahlkampfrelevante Zwecke nicht vorgesehen. Diese Trennung dient der Wahrung staatlicher Neutralität und der Vermeidung von Interessenkonflikten.
Sozialversicherung und Absicherung
Bei bezahlter Freistellung werden Ansprüche üblicherweise fortgeführt, da das Entgelt weiterläuft. Bei unbezahlter Freistellung hängt die sozialversicherungsrechtliche Einordnung von allgemeinen Regeln zur Versicherungs- und Beitragspflicht während eines Ruhens des Entgeltanspruchs ab. Unterschiede können zwischen Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung bestehen.
Datenschutz und Nebentätigkeiten
Der Umgang mit personenbezogenen Daten bleibt an die üblichen datenschutzrechtlichen Anforderungen gebunden. Für Nebentätigkeiten gelten die einschlägigen dienst- und arbeitsrechtlichen Regeln, insbesondere hinsichtlich Anzeigepflichten, Genehmigungserfordernissen und Unvereinbarkeiten.
Verhältnis zu anderen arbeitszeitlichen Ansprüchen
Erholungsurlaub, Krankheit, Elternzeit
Wahlvorbereitungsurlaub ist grundsätzlich unabhängig vom Erholungsurlaub einzuordnen und folgt eigenen Regelungen. Zeiten der Arbeitsunfähigkeit, Mutterschutz oder Elternzeit werden durch die besonderen Bestimmungen der jeweiligen Schutzgesetze geprägt; das Zusammenspiel kann je nach Zeitpunkt und Status der Freistellung abweichen.
Arbeitszeitkonto und Überstunden
Die Behandlung von Zeitguthaben, Gleitzeit und Überstunden während einer Freistellung richtet sich nach den zugrunde liegenden Arbeitszeitmodellen. Eine Verrechnung mit Wahlvorbereitungsurlaub ist möglich, sofern die maßgeblichen Regelungen dies vorsehen.
Gremienarbeit und Schulungen
Freistellungen für betriebs- oder personalvertretungsrechtliche Aufgaben sowie Schulungen beruhen auf eigenen Rechtsgrundlagen. Wahlvorbereitungsurlaub ist hiervon zu unterscheiden, da er an die Rolle als externe Wahlbewerberin oder externer Wahlbewerber für öffentliche Wahlen anknüpft.
Kündigungsschutz und Benachteiligungsverbot
Schutzzeitraum für Wahlbewerber
Für Wahlbewerberinnen und Wahlbewerber bestehen besondere Schutzmechanismen gegen Kündigungen in einem festgelegten Zeitraum rund um die Wahl. Der genaue Beginn und die Dauer dieses Schutzes hängen von der jeweiligen Wahlart und den einschlägigen Regelungen ab.
Benachteiligungsverbot
Eine Benachteiligung wegen der beabsichtigten oder tatsächlichen Kandidatur ist unzulässig. Das gilt für Entscheidungen über Beschäftigung, Karriere, Entgelt oder Arbeitsbedingungen. Der Grundsatz der Gleichbehandlung bleibt auch während einer Freistellung maßgeblich.
Ende des Wahlvorbereitungsurlaubs und Rückkehr
Wiederaufnahme der Tätigkeit
Mit Ablauf des Freistellungszeitraums lebt die Arbeitspflicht wieder auf. Die Rückkehr in die zuvor ausgeübte Tätigkeit erfolgt nach den allgemeinen Regeln des Arbeits- oder Dienstverhältnisses und den maßgeblichen Organisationsentscheidungen des Arbeitgebers oder Dienstherrn.
Bei erfolgreicher Wahl
Kommt es zu einem Mandat, greifen für die Ausübung des Amts wiederum spezielle Freistellungs- und Inkompatibilitätsregeln. Diese unterscheiden sich insbesondere zwischen hauptberuflich ausgeübten Mandaten und ehrenamtlichen kommunalen Funktionen.
Besondere Konstellationen
Teilzeit, Minijob, befristete Verträge
Bei Teilzeit- und geringfügiger Beschäftigung kann der Freistellungsumfang entsprechend der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit angepasst sein. In befristeten Arbeitsverhältnissen gelten die Freistellungsregelungen bis zum Ende der Befristung; eine automatische Verlängerung des Vertrags durch Freistellung ist nicht vorgesehen.
Leitende Angestellte und politische Beamtinnen und Beamte
Für leitende Funktionen können besondere arbeits- oder dienstrechtliche Regelungen bestehen, etwa hinsichtlich Vertraulichkeit oder Repräsentationspflichten. Bei politischen Beamtinnen und Beamten gelten eigene Statusbesonderheiten, die gesonderte Freistellungs- und Beendigungsmechanismen vorsehen können.
Kommunale Ehrenämter
Für kommunale Mandate bestehen differenzierte Freistellungs- und Entschädigungsregelungen, die sich von Wahlvorbereitungsurlaub unterscheiden. Die Vorbereitung einer kommunalen Kandidatur kann je nach Rechtskreis erfasst sein oder eigenständig geregelt werden.
Abgrenzung: Freistellung als Wahlhelfer und Wahltag
Die Mitwirkung als Wahlhelfer am Wahltag oder während der Auszählung ist gesondert geregelt und fällt nicht unter den Wahlvorbereitungsurlaub. Für Tätigkeiten am Wahltag bestehen eigene Freistellungs- und Aufwendungsregelungen, die unabhängig von einer Kandidatur gelten.
Häufig gestellte Fragen
Wer hat Anspruch auf Wahlvorbereitungsurlaub?
Anspruchsberechtigt sind in erster Linie Personen, die formal als Wahlbewerberinnen oder Wahlbewerber für öffentliche Wahlen anerkannt sind. Im öffentlichen Dienst bestehen hierfür geregelte Freistellungsmöglichkeiten. In der Privatwirtschaft hängt ein Anspruch von vertraglichen, tariflichen oder betrieblichen Regelungen ab.
Ist Wahlvorbereitungsurlaub bezahlt?
Ob der Urlaub vergütet wird, hängt von der Rechtslage im jeweiligen Beschäftigungsbereich ab. Im öffentlichen Dienst ist eine Entgeltfortzahlung vor bestimmten Wahlen verbreitet. In anderen Fällen, insbesondere außerhalb des öffentlichen Dienstes, kann die Freistellung unbezahlter Natur sein oder sich aus betrieblichen Regelungen ergeben.
Wie lange dauert der Wahlvorbereitungsurlaub?
Die Dauer ist auf die Phase der konkreten Wahlvorbereitung und des Wahlkampfs begrenzt. Üblich sind Zeiträume von Wochen bis wenigen Monaten vor dem Wahltag. Der exakte Umfang ergibt sich aus den einschlägigen Bestimmungen des Dienstherrn oder Arbeitgebers.
Gilt Wahlvorbereitungsurlaub auch in der Privatwirtschaft?
Ein allgemeiner gesetzlicher Anspruch besteht in der Privatwirtschaft nicht. Freistellungen können sich jedoch aus Arbeitsverträgen, Tarifverträgen oder betrieblichen Vereinbarungen ergeben. Daneben gelten Schutzmechanismen gegen Benachteiligungen aufgrund der Kandidatur.
Besteht Kündigungsschutz für Wahlbewerberinnen und Wahlbewerber?
Für Wahlbewerberinnen und Wahlbewerber besteht ein besonderer Kündigungsschutz in einem gesetzlich definierten Zeitraum rund um die Wahl. Beginn, Dauer und Intensität des Schutzes hängen von der jeweiligen Wahlebene und den einschlägigen Regelungen ab.
Dürfen dienstliche Ressourcen für den Wahlkampf genutzt werden?
Die Nutzung dienstlicher Ressourcen für Wahlkampfzwecke ist ausgeschlossen. Es gilt die strikte Trennung zwischen dienstlicher Tätigkeit und politischem Engagement, insbesondere im öffentlichen Dienst.
Wie wirkt sich Wahlvorbereitungsurlaub auf die Sozialversicherung aus?
Bei bezahlter Freistellung laufen Beiträge und Ansprüche grundsätzlich weiter. Bei unbezahlter Freistellung richtet sich die sozialversicherungsrechtliche Behandlung nach den allgemeinen Regeln für Zeiten ohne Entgeltzahlung; Unterschiede zwischen den Versicherungszweigen sind möglich.