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Wahlvermächtnis

Wahlvermächtnis: Bedeutung und Grundprinzip

Das Wahlvermächtnis ist eine Anordnung von Todes wegen, mit der eine begünstigte Person nicht einen feststehenden Gegenstand erhält, sondern einen Anspruch auf einen von mehreren Alternativen. Der Nachlass schuldet also eine Leistung, die erst durch eine Wahl konkretisiert wird. Dadurch bleibt bis zur Ausübung der Wahl offen, welcher konkrete Gegenstand oder welches konkrete Recht übertragen werden muss.

Definition

Beim Wahlvermächtnis benennt die verfügende Person mehrere mögliche Gegenstände, Rechte oder Leistungen („Alternativen“). Der Anspruch der begünstigten Person richtet sich auf genau eine dieser Alternativen. Wer die Auswahl trifft, kann die verfügende Person ausdrücklich festlegen; wird nichts bestimmt, erfolgt die Auswahl nach den allgemeinen Grundsätzen für Wahlrechte im Rahmen eines Vermächtnisses.

Abgrenzung zu anderen Vermächtnisarten

Das Wahlvermächtnis unterscheidet sich von:

  • Stückvermächtnis: Es ist ein ganz bestimmter, individualisierter Gegenstand zugewendet (z. B. ein bestimmtes Gemälde).
  • Gattungsvermächtnis: Es wird ein Gegenstand einer Gattung geschuldet (z. B. „ein Mittelklassewagen“), der erst aus der Gattung zu bestimmen ist.
  • Zweckvermächtnis: Es wird ein Zweck vorgegeben, dessen Erfüllung dem Beschwerten überlassen bleibt, ohne dass konkrete Alternativen vorab festgelegt sind.

Beteiligte und Rechtsstellung

Rollen im Überblick

  • Verfügende Person: Ordnet das Wahlvermächtnis an und kann die Auswahlbefugnis festlegen.
  • Begünstigte Person (Vermächtnisnehmer): Erhält einen Anspruch auf Übereignung der gewählten Alternative, wird dadurch aber nicht automatisch Erbe.
  • Belastete Person (Beschwerter): Ist zur Erfüllung des Vermächtnisses verpflichtet; das ist häufig der Erbe, es kann aber auch eine andere Person sein.
  • Dritte Person: Die Auswahl kann auch einer unabhängigen Person übertragen werden, wenn dies angeordnet wurde.

Rechtsfolgen

Die begünstigte Person erhält einen schuldrechtlichen Anspruch auf Übertragung des gewählten Gegenstands bzw. auf Erbringung der gewählten Leistung. Mit der Wahl wird der bis dahin offene Leistungsinhalt endgültig festgelegt. Die begünstigte Person erlangt durch das Vermächtnis keine Erbenstellung; sie bleibt außerhalb der Erbengemeinschaft.

Gestaltung und Auslegung

Formulierungsmöglichkeiten

Typische Formulierungen sind etwa „eines der folgenden Fahrzeuge“, „entweder A oder B“ oder „ein Gegenstand aus der Liste“. Entscheidend ist, dass erkennbar mehrere Alternativen gemeint sind und nur eine davon zugewendet werden soll.

Bestimmung des Wahlrechts

Die verfügende Person kann ausdrücklich festlegen, wer wählt: die begünstigte Person, die belastete Person oder ein Dritter. Ohne besondere Anordnung richtet sich das Wahlrecht nach den allgemeinen Regeln für Alternativverhältnisse im Vermächtnis. Das Wahlrecht kann eine Reihenfolge oder Bedingungen enthalten (z. B. Vorrang bestimmter Personen, Ersatzbefugnisse bei Verhinderung).

Umfang der Wahl

Die Auswahl bezieht sich auf die benannten Alternativen. Unterschiedliche Werte der Alternativen bleiben grundsätzlich ohne Ausgleich, sofern nicht ausdrücklich etwas anderes angeordnet ist. Wird eine Alternative gewählt, sind andere Alternativen erledigt; ein Anspruch auf „Mischungen“ aus Alternativen entsteht nicht, sofern dies nicht angeordnet wurde.

Auslegung bei Unklarheiten

Ist unklar, ob wirklich ein Wahlvermächtnis oder ein anderes Vermächtnis gemeint war, wird der erkennbare Wille der verfügenden Person ermittelt. Hinweise können aus der Wortwahl, der Systematik der Verfügung, dem Gesamtzusammenhang und dem Zweck der Anordnung folgen.

Ausübung des Wahlrechts

Zeitpunkt und Fristfragen

Das Wahlrecht entsteht mit dem Erbfall. Die Wahl soll innerhalb angemessener Zeit erfolgen. Verzögerungen können die Abwicklung des Nachlasses beeinträchtigen und Rechtsunsicherheit verlängern.

Form und Bindungswirkung

Die Wahl erfolgt durch eindeutige Erklärung gegenüber der jeweils anderen Seite (regelmäßig gegenüber der belasteten oder begünstigten Person). Eine besondere Form ist in der Regel nicht vorgegeben, Klarheit und Nachweisbarkeit sind jedoch von Bedeutung. Mit Mitteilung der Wahl wird der Leistungsinhalt verbindlich festgelegt; ein Wechsel zu einer anderen Alternative ist danach grundsätzlich ausgeschlossen.

Mitteilung und Wirksamwerden

Die Wahl wird mit Zugang der Erklärung wirksam. Erst ab diesem Zeitpunkt steht fest, welcher Gegenstand oder welche Leistung zu erbringen ist.

Rolle einer Testamentsvollstreckung

Ist eine Testamentsvollstreckung angeordnet, kann die ausführende Person mit der Abwicklung betraut sein. Ob sie selbst wählen darf, hängt von der Anordnung ab. Fehlt eine ausdrückliche Befugnis, verbleibt das Wahlrecht bei der dafür bestimmten Person.

Störungen und Sonderfälle

Unmöglichkeit und Untergang

Geht eine Alternative vor der Wahl unter oder ist sie nicht mehr beschaffbar, reduziert sich der Wahlrahmen. Sind mehrere Alternativen betroffen, kann das Vermächtnis ganz oder teilweise gegenstandslos werden. Ob ein Ausgleich in Betracht kommt, richtet sich nach den allgemeinen Leistungs- und Haftungsgrundsätzen.

Nichtausübung der Wahl

Bleibt eine Wahl dauerhaft aus, greifen die allgemeinen Mechanismen zur Leistungsbestimmung. Dazu zählen insbesondere Bestimmungen durch die hierfür vorgesehene Person, Ankündigung einer Auswahlentscheidung sowie im Ausnahmefall eine Bestimmung nach billigem Ermessen durch eine neutrale Stelle.

Mehrere Gegenstände und mehrere Begünstigte

Sind mehrere Personen begünstigt, sollte die Anordnung klären, ob jede Person eine eigene Wahl trifft oder eine gemeinsame Auswahl erfolgt. Fehlt eine Regelung, sind Abstimmung und Verteilung nach den allgemeinen Grundsätzen vorzunehmen. Konflikte werden nach den im Einzelfall geltenden Zuweisungs- und Bestimmungsregeln gelöst.

Belastungen und Rechte Dritter

Der gewählte Gegenstand wird im Zweifel in dem rechtlichen und tatsächlichen Zustand übertragen, in dem er sich beim Erbfall befand. Sollen Belastungen ausnahmsweise entfallen oder übernommen werden, muss dies angeordnet sein.

Steuerliche Einordnung

Erbschaftsteuerliche Grundsätze

Das Wahlvermächtnis führt zu einem Erwerb von Todes wegen. Maßgeblich ist der Wert der tatsächlich erlangten Alternative. Persönliche Freibeträge, Steuerklassen und Bewertungsregeln richten sich nach dem Verhältnis zur verfügenden Person und nach der Art des Vermögensgegenstands.

Bewertung bei Alternativen

Die Bewertung knüpft an den ausgewählten Gegenstand an. Weichen die Werte der Alternativen stark voneinander ab, spiegelt sich dies in der steuerlichen Bemessungsgrundlage der tatsächlich erlangten Alternative wider.

Verhältnis zu Pflichtteil und Nachlassabwicklung

Auswirkungen auf Erbquote und Pflichtteil

Das Wahlvermächtnis mindert regelmäßig die zur Verteilung unter den Erben verbleibende Masse. Pflichtteilsrechte bleiben unberührt; sie können durch ein Wahlvermächtnis nicht ausgeschlossen werden.

Nachlassverwaltung und Inventarisierung

Für eine geordnete Abwicklung ist die Erfassung der in Betracht kommenden Alternativen bedeutsam. Die Wahl hat unmittelbare Auswirkungen auf die Nachlassbilanz und die Verteilung unter den Erben.

Internationale Bezüge

Anwendbares Recht bei Auslandsbezug

Bei grenzüberschreitenden Sachverhalten entscheidet das anwendbare Erbrecht darüber, wie ein Wahlvermächtnis wirkt und wie es auszuüben ist. Maßgeblich sind insbesondere die Anknüpfung an den letzten gewöhnlichen Aufenthaltsort sowie mögliche Rechtswahlmöglichkeiten. Die Anerkennung und Durchsetzung kann in verschiedenen Staaten unterschiedlich ausgestaltet sein.

Anschauliche Beispiele

Beispiel 1: Wahl zwischen Kunstwerken

Die verfügende Person ordnet an, dass die begünstigte Person eines von drei benannten Gemälden erhalten soll. Mit Mitteilung der Wahl an die belastete Person steht fest, welches Gemälde zu übereignen ist; die anderen Alternativen scheiden aus.

Beispiel 2: Geldsumme oder Wertpapierdepot

Die Anordnung lautet, die begünstigte Person solle entweder eine bestimmte Geldsumme oder das im Nachlass befindliche Depot erhalten. Die Wahl legt die Leistung endgültig fest. Unterschiedliche Werte der Alternativen gleichen sich ohne besondere Anordnung nicht aus.

Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Was ist ein Wahlvermächtnis?

Ein Wahlvermächtnis ist eine Zuwendung, bei der mehrere Alternativen bereitstehen und erst durch eine Wahl festgelegt wird, welche Alternative die begünstigte Person tatsächlich erhalten soll.

Wer darf die Wahl treffen?

Die verfügende Person kann die wahlberechtigte Person bestimmen. Ohne ausdrückliche Anordnung richtet sich die Auswahlbefugnis nach den allgemeinen Regeln für Alternativverhältnisse im Rahmen eines Vermächtnisses.

Wann und wie wird die Wahl wirksam?

Die Wahl entsteht mit dem Erbfall und wird mit Zugang einer eindeutigen Erklärung gegenüber der jeweils anderen Seite wirksam. Ab diesem Zeitpunkt steht der Leistungsinhalt fest.

Kann die Wahl nachträglich geändert werden?

Ist die Wahl einmal wirksam mitgeteilt, ist sie grundsätzlich bindend und kann nicht mehr einseitig geändert werden.

Was passiert, wenn eine Alternative nicht mehr verfügbar ist?

Fällt eine Alternative vor der Wahl weg oder ist sie nicht mehr beschaffbar, reduziert sich der Wahlrahmen. Sind alle Alternativen betroffen, kann das Vermächtnis gegenstandslos werden.

Worin liegt der Unterschied zum Gattungsvermächtnis?

Beim Wahlvermächtnis sind mehrere konkrete Alternativen benannt, aus denen eine ausgewählt wird. Beim Gattungsvermächtnis wird ein Gegenstand nur der Art nach bestimmt und erst später aus der Gattung heraus konkretisiert.

Wie wirkt sich ein Wahlvermächtnis steuerlich aus?

Steuerlich maßgeblich ist der Wert der tatsächlich erlangten Alternative. Freibeträge, Steuerklassen und Bewertungsmaßstäbe ergeben sich aus dem persönlichen Verhältnis zur verfügenden Person und der Art des Vermögens.