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Vorstellungskosten


Begriff und rechtliche Einordnung der Vorstellungskosten

Vorstellungskosten bezeichnen im deutschsprachigen Rechtsraum die Aufwendungen, die einer Person im Zusammenhang mit einer beruflichen Bewerbung oder im Rahmen eines Auswahlverfahrens für eine neue Tätigkeit entstehen. Zu diesen Kosten gehören unter anderem Reise-, Verpflegungs-, Übernachtungs- und gegebenenfalls Auslagen für erforderliche Unterlagen. Die rechtliche Relevanz von Vorstellungskosten erstreckt sich insbesondere auf arbeitsrechtliche, steuerrechtliche sowie sozialrechtliche Aspekte.


Erstattung von Vorstellungskosten im Arbeitsrecht

Gesetzliche Grundlagen

Das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) gibt keine explizite Regelung zu Vorstellungskosten, jedoch haben sich durch die Rechtsprechung und arbeitsrechtliche Praxis grundlegende Maßstäbe zur Kostentragung und Erstattung entwickelt. Maßgeblich ist hierbei das im BGB verankerte Prinzip des „Schuldnerverzugs“ und die daraus resultierenden Nebenpflichten aus einem Bewerbungsverfahren (§§ 311, 241 Abs. 2 BGB).

Grundsatz der Kostentragung

Das Risiko und die Kosten einer Bewerbung trägt grundsätzlich zunächst die bewerbende Person selbst. Jedoch ist der potenzielle Arbeitgeber verpflichtet, die Kosten für ein ausdrücklich von ihm veranlasstes Vorstellungsgespräch zu erstatten, es sei denn, es wurde im Vorfeld ausdrücklich ein Ausschluss der Kostenerstattung vereinbart (§ 670 BGB analog). Die Einladung zu einem Vorstellungsgespräch durch das Unternehmen gilt als Veranlassung nach dem Gesetzesverständnis.

Umfang der erstattungsfähigen Kosten

Erstattungsfähig sind sämtliche üblicherweise mit einem Vorstellungsgespräch verbundene Auslagen, beispielsweise:

  • Fahrtkosten (soweit sie den günstigsten öffentlichen Tarif oder die Kilometerpauschale für private Pkw-Fahrt nicht überschreiten)
  • Übernachtungskosten, sofern eine rechtzeitige An- und Abreise nicht möglich ist
  • Verpflegungskosten in angemessener Höhe

Nicht ersetzt werden Kosten für besondere Wünsche der bewerbenden Person (z. B. höherwertige Hotelunterkünfte ohne sachlichen Grund) oder Kosten für Bewerbungsunterlagen, soweit diese nicht speziell vom Unternehmen verlangt wurden.

Verzicht und vertragliche Regelungen

Eine Ausschlussklausel zur Erstattung der Vorstellungskosten ist zulässig, muss jedoch vor Durchführung des Gesprächs transparent und eindeutig kommuniziert werden. Erfolgt keine rechtzeitige Information, bleibt die Erstattungspflicht bestehen. Ein konkludenter Verzicht ist regelmäßig nicht anzunehmen.

Prozessuale Aspekte

Im Streitfall um die Erstattung von Vorstellungskosten kann die bewerbende Person ihre Ansprüche zivilrechtlich gerichtlich geltend machen. Die Gesellschaft trägt die Darlegungs- und Beweislast, wenn sie die Kosten nicht erstatten möchte und sich auf eine etwaige Ausschlussvereinbarung beruft.


Steuerrechtliche Behandlung der Vorstellungskosten

Abzugsfähigkeit als Werbungskosten

Aufwendungen für Vorstellungskosten gelten nach deutschem Steuerrecht als Werbungskosten gem. § 9 Einkommensteuergesetz (EStG), sofern sie im Zusammenhang mit der Begründung eines neuen Arbeitsverhältnisses stehen. Dazu zählen insbesondere Reisekosten, Übernachtungs- sowie Verpflegungskosten während des Bewerbungsverfahrens. Die Finanzverwaltung akzeptiert den Nachweis der Kosten durch geeignete Belege (z.B. Fahrkarten, Hotelrechnungen, Einladungen zum Vorstellungsgespräch).

Pauschal- und Einzelnachweis

Sofern der Arbeitgeber keine Erstattung vornimmt, können die Vorstellungskosten im Rahmen der Einkommensteuererklärung angesetzt werden. Möglich ist der Ansatz über die Entfernungspauschale oder durch Einzelnachweis der tatsächlich entstandenen Kosten. Auch pauschalierte Verpflegungsmehraufwendungen (§ 9 Abs. 4a EStG) sind berücksichtigungsfähig.

Erstattete Kosten und steuerliche Rückwirkung

Erstattet ein Arbeitgeber (vollständig oder teilweise) die Vorstellungskosten, werden diese bereits geleisteten Erstattungen mit dem zu berücksichtigenden Werbungskostenbetrag verrechnet. Ein Ansatz als abzugsfähige Werbungskosten entfällt in Höhe der erstatteten Beträge.


Sozialrechtliche Aspekte

Erstattung im Rahmen der Arbeitsförderung

Die Arbeitsagenturen und Jobcenter können zur Förderung der Arbeitsaufnahme gemäß §§ 44 ff. Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) Vorstellungskosten ganz oder teilweise übernehmen. Voraussetzung ist in der Regel, dass die Vorstellungskosten erforderlich und angemessen sind und zuvor bei der zuständigen Behörde beantragt wurden. Die Entscheidung über die Kostenübernahme liegt im Ermessen der Behörde und ist abhängig von den konkreten Umständen des Einzelfalls.

Umfang und Grenzbeträge

Erstattungsfähig sind Kosten für Reisemittel (oft beschränkt auf die zweite Klasse der Bahn), notwendige Übernachtungs- sowie erforderliche Verpflegungsmehraufwendungen. Die Behörde legt in ihrer Ermessensentscheidung Höchstbeträge fest. Eine nachträgliche Erstattung ohne vorherige Antragstellung ist regelmäßig ausgeschlossen.


Ausschluss von Vorstellungskosten und gerichtliche Praxis

Fallgruppen, in denen keine Erstattung erfolgt

Die Erstattungspflicht entfällt bei

  • Initiativbewerbungen ohne ausdrückliche Einladung des Unternehmens
  • Vorherigem ausdrücklichen Ausschluss der Kostenerstattung im Einladungsschreiben
  • Bewerbungen auf Einladung zu einem Assessment-Center, bei dem auf die fehlende Kostenerstattung ausdrücklich hingewiesen wurde

Relevante Rechtsprechung

Diverse Gerichte, darunter das Bundesarbeitsgericht (BAG), haben klargestellt, dass der Anspruch auf Erstattung von Vorstellungskosten nur bei ausdrücklicher Veranlassung durch den Arbeitgeber entsteht. Die genaue Auslegung hängt von den Umständen des Einzelfalls und der Form der Einladung ab.


Internationale Aspekte und grenzüberschreitende Bewerbungen

Bei grenzüberschreitenden Bewerbungen, insbesondere im europäischen Raum, gelten ergänzend die Bestimmungen eventueller bilateraler Abkommen sowie der jeweiligen nationalen Gesetzgebung. Die Kostentragungspflicht kann hiervon abweichend geregelt oder durch internationale Einrichtungen übernommen werden.


Literatur- und Quellenverzeichnis

  • Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)
  • Einkommensteuergesetz (EStG)
  • Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III)
  • Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG), insbesondere BAG, Urteil vom 29.06.1960 (3 AZR 572/58)
  • LAG Köln, Urteil vom 07.12.2007 (7 Sa 858/07)
  • Schreiben der Finanzverwaltung zu Werbungskosten bei Vorstellungskosten

Hinweis: Dieser Beitrag bietet eine umfassende Übersicht über die rechtliche Behandlung von Vorstellungskosten. Für die Klärung individueller Fragestellungen sind die jeweiligen gesetzlichen Bestimmungen und aktuellen Rechtsprechungen im Einzelfall maßgeblich.

Häufig gestellte Fragen

Welche Kosten zählen rechtlich zu den Vorstellungskosten?

Zu den Vorstellungskosten zählen aus rechtlicher Sicht sämtliche Aufwendungen, die einem Bewerber im direkten Zusammenhang mit der Einladung zu einem Vorstellungsgespräch entstehen. Dies umfasst insbesondere Fahrkosten (z.B. Bahnticket, Taxikosten oder Kilometergeld bei Nutzung des PKW), notwendige Übernachtungs- und Verpflegungskosten sowie sonstige Reiseausgaben, die zur Wahrnehmung des Vorstellungsgesprächs erforderlich sind. Auch die Kosten für ein angemessenes äußeres Erscheinungsbild, wie zum Beispiel Reinigung oder kleinere Anschaffungen von Kleidung, können unter bestimmten Bedingungen als Vorstellungskosten gelten. Voraussetzung ist in jedem Fall, dass der Aufwand eindeutig und nachweisbar dem Zweck des Bewerbungsgesprächs dient und nicht pauschal im Rahmen sonstiger Ausgaben anfällt. Die Erstattungspflicht umfasst jedoch keine Ausgaben, die über das Notwendige hinausgehen oder einen Luxus darstellen, wie beispielsweise die Buchung eines Business-Class-Tickets oder eine Luxusherberge.

Wer ist rechtlich zur Übernahme der Vorstellungskosten verpflichtet?

Im deutschen Recht ist grundsätzlich der Arbeitgeber zur Übernahme der Vorstellungskosten verpflichtet, sobald dieser den Bewerber ausdrücklich zum Vorstellungsgespräch einlädt (§ 670 BGB). Diese Verpflichtung entfällt nur dann, wenn der Arbeitgeber durch einen klaren, unmissverständlichen Hinweis bereits in der Einladung die Übernahme der Kosten ausschließt („Kosten werden nicht übernommen“). Wird dieser Hinweis nicht rechtzeitig kommuniziert oder erst nach Entstehen der Aufwendungen, verbleibt die Erstattungspflicht beim Arbeitgeber. Eine generelle Ausschlussklausel in den Stellenausschreibungen ist unzulässig; entscheidend ist die konkrete Einladung zum Gespräch.

Wie erfolgt die Geltendmachung von Vorstellungskosten beim Arbeitgeber?

Um Vorstellungskosten rechtlich korrekt geltend zu machen, muss der Bewerber dem Arbeitgeber eine detaillierte, nachvollziehbare Abrechnung vorlegen. Hierzu sind sämtliche Belege, wie Fahrkarten, Quittungen oder Tankbelege, erforderlich. Die Höhe der erstattungsfähigen Beträge richtet sich nach den tatsächlich entstandenen, notwendigen und angemessenen Kosten sowie nach den einschlägigen steuer- und reisekostenrechtlichen Vorgaben (z.B. § 670 BGB in Verbindung mit den steuerlichen Reisekostensätzen). Die Geltendmachung sollte unverzüglich nach dem Gespräch erfolgen, im Regelfall binnen 14 Tagen nach dem Bewerbungsgespräch. Verstreicht eine unangemessen lange Frist, kann der Erstattungsanspruch verwirkt sein.

Gibt es eine Begrenzung der Höhe der erstattungsfähigen Vorstellungskosten?

Ja, die Erstattung erfolgt nur in dem Rahmen, wie sie für einen durchschnittlichen Bewerber „notwendig“ und „üblich“ sind. Das bedeutet, dass etwa für Fahrten mit öffentlichen Verkehrsmitteln grundsätzlich nur der Preis für die zweite Klasse im Zug oder ein vergleichbarer Tarif für andere Transportmittel übernommen wird. Hotelkosten werden nur bis zu einer im jeweiligen Ort üblichen Obergrenze erstattet. Werden höhere Ausgaben getätigt (z.B. Flugreise statt Bahnfahrt), besteht dafür regelmäßig kein Anspruch auf volle Kostenerstattung, sofern keine vorherige Absprache mit dem potenziellen Arbeitgeber getroffen wurde.

Müssen auch Kosten für gescheiterte Vorstellungsgespräche erstattet werden?

Ja, der rechtliche Erstattungsanspruch besteht unabhängig davon, ob der Bewerber nach dem Vorstellungsgespräch eingestellt wird oder nicht. Entscheidend ist alleine die Einladung des Arbeitgebers zum Gespräch. Scheitert das Gespräch oder wird dem Bewerber anschließend abgesagt, bleibt der Arbeitgeber zur Rückerstattung der entstandenen Vorstellungskosten verpflichtet, sofern keine vorherige wirksame Kostenübernahme-Ablehnung vorlag.

Wie erfolgt die steuerliche Behandlung der erhaltenen Erstattungen von Vorstellungskosten?

Im deutschen Steuerrecht sind erstattete Vorstellungskosten grundsätzlich steuerfrei, da sie lediglich einen Ausgleich tatsächlich entstandener Aufwendungen darstellen und keinen zusätzlichen „Vorteil“ für den Bewerber bedeuten. Sollte der Arbeitgeber die Kosten jedoch nicht oder nur teilweise erstatten, können die nicht erstatteten Positionen im Rahmen der Einkommensteuererklärung als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit geltend gemacht werden.

Sind auch Kosten für Online-Vorstellungsgespräche erstattungsfähig?

Mit der zunehmenden Nutzung digitaler Bewerbungsgespräche stellt sich die Frage nach der Erstattungsfähigkeit von Ausgaben, die im Zusammenhang mit Online-Vorstellungsgesprächen entstehen. Grundsätzlich sind Kosten etwa für nötige Technik (z.B. Webcam, Headset) oder für die kurzfristige Anschaffung eines stabileren Internetanschlusses nicht erstattungsfähig, da sie als allgemeiner Lebenshaltungsbedarf gelten. Allerdings können nachweisbare, unmittelbare Zusatzkosten (z.B. Gebühren für eine kostenpflichtige Software, die explizit gefordert wurde) im Einzelfall erstattet werden, sofern sie eindeutig im Zusammenhang mit der Einladung zum Vorstellungsgespräch stehen und der Arbeitgeber nicht ausdrücklich auf einen eigenen kostenfreien Kommunikationsweg hinweist.