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Vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis

Vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis: Begriff und Zweck

Die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis ist eine gerichtliche Sicherungsmaßnahme im Strafverfahren. Sie dient dazu, das Risiko weiterer erheblicher Verkehrsverstöße zu verringern, wenn nach einer Auffälligkeit im Straßenverkehr die endgültige Entziehung der Fahrerlaubnis mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist. Die Maßnahme greift frühzeitig ein und überbrückt die Zeit bis zur Entscheidung in der Hauptsache. Betroffen ist nicht nur das Führerscheindokument, sondern die Fahrberechtigung selbst.

Voraussetzungen

Anlass und typische Konstellationen

Eine vorläufige Entziehung kommt insbesondere in Betracht, wenn der Verdacht schwerwiegender Verkehrsverfehlungen besteht, die Eignungszweifel begründen. Typische Anlässe sind unter anderem:

  • Alkohol- oder Drogenauffälligkeiten im Straßenverkehr, insbesondere in Verbindung mit Ausfallerscheinungen oder einer Gefährdung
  • Rasen mit erheblicher Gefährdungslage
  • Unfallflucht mit erheblichen Folgen
  • Grobe Pflichtverletzungen, die auf mangelnde Fahreignung schließen lassen

Beurteilungsmaßstab

Vorausgesetzt wird ein hinreichend verdichteter Tatverdacht und eine Prognose, dass eine endgültige Entziehung wahrscheinlich ist. Die Entscheidung stützt sich auf konkrete Tatsachen wie Messwerte, Beobachtungen, Unfallfolgen oder toxikologische Befunde. Maßgeblich ist nicht die Sanktionierung der Vergangenheit, sondern die Gefahrenabwehr für die Zukunft.

Verhältnismäßigkeit

Die Maßnahme muss geeignet, erforderlich und angemessen sein. Es ist abzuwägen, ob eine weniger einschneidende Reaktion ausreicht und ob die Einschränkung der individuellen Mobilität in einem angemessenen Verhältnis zur Gefahrenlage steht.

Verfahren und Zuständigkeit

Einleitung

Ausgangspunkt ist regelmäßig ein Ermittlungsverfahren nach einer Verkehrsauffälligkeit. Häufig wird der Führerschein zunächst polizeilich sichergestellt oder beschlagnahmt, um den Besitz am Dokument vorläufig zu entziehen. Die Staatsanwaltschaft kann sodann beim zuständigen Gericht beantragen, die Fahrerlaubnis vorläufig zu entziehen.

Gerichtliche Entscheidung

Die Entscheidung erfolgt durch Beschluss. Der Beschluss wird begründet, den Betroffenen bekannt gegeben und ist mit Bekanntgabe wirksam. Ab diesem Zeitpunkt besteht keine Fahrberechtigung mehr.

Rechtsmittel

Gegen den Beschluss steht ein Rechtsmittel offen. Das nächsthöhere Gericht prüft die Entscheidung und kann sie bestätigen, abändern oder aufheben. Fristen und Formvorgaben sind zu beachten.

Dauer der Maßnahme

Die vorläufige Entziehung gilt grundsätzlich bis zur Entscheidung in der Hauptsache oder bis zu ihrer Aufhebung. Sie kann auch enden, wenn die Voraussetzungen nicht mehr vorliegen. In der Praxis erstreckt sich die Dauer häufig über mehrere Wochen bis Monate, abhängig von Umfang und Verlauf des Verfahrens.

Rechtsfolgen und Wirkungen

Führen von Fahrzeugen

Mit Wirksamkeit der vorläufigen Entziehung fehlt die Fahrberechtigung. Das Führen von Kraftfahrzeugen ist untersagt. Zuwiderhandlungen sind rechtlich gravierend und werden als eigenständiges Delikt verfolgt.

Umgang mit dem Führerschein

Der Führerschein wird verwahrt. Die Aushändigung erfolgt nicht, solange die Maßnahme besteht. Das Dokument ist von der Berechtigung zu unterscheiden: Entscheidend ist der Entzug der Fahrerlaubnis, nicht der Besitz des Dokuments.

Wirkung im Ausland

Die nationale Fahrerlaubnis ruht. Da die Gültigkeit der Fahrerlaubnis am Ausstellungsstaat anknüpft, ist das Führen von Kraftfahrzeugen im Ausland regelmäßig ebenfalls nicht zulässig.

Anrechnung der Dauer

Die Zeit der vorläufigen Entziehung wird üblicherweise auf eine später im Urteil angeordnete Sperrfrist oder auf ein Fahrverbot angerechnet. Die Anrechnung wird in der abschließenden Entscheidung festgelegt.

Abgrenzung zu anderen Maßnahmen

Vorläufige Entziehung vs. Sicherstellung/Beschlagnahme des Führerscheins

Die Sicherstellung betrifft das Dokument und dient der Eilsicherung. Sie entzieht nicht die Fahrerlaubnis als solche. Die vorläufige Entziehung dagegen betrifft die Berechtigung, Kraftfahrzeuge zu führen.

Vorläufige Entziehung vs. Fahrverbot

Das Fahrverbot ist eine befristete Nebenfolge, bei der die Fahrerlaubnis bestehen bleibt; nach Ablauf lebt die Fahrberechtigung ohne Neuerteilung wieder auf. Die vorläufige Entziehung hebt die Fahrberechtigung vorläufig auf und zielt auf eine endgültige Entziehung ab.

Folgen für Klassen, endgültige Entziehung und Wiedererteilung

Betroffene Fahrerlaubnisklassen

Die vorläufige Entziehung erfasst in der Regel alle erteilten Klassen, sofern nicht ausdrücklich eine Beschränkung angeordnet wird. Damit sind je nach Umfang auch Motorräder, Pkw und Nutzfahrzeuge betroffen.

Endgültige Entziehung und Sperrfrist

Führt das Strafverfahren zu einer endgültigen Entziehung, wird regelmäßig eine Sperrfrist für die Neuerteilung festgesetzt. Nach Ablauf der Sperrfrist kann eine Neuerteilung beantragt werden. Gegebenenfalls sind Nachweise zur Fahreignung erforderlich.

Besonderheiten bei Probezeit und Berufskraftfahrern

Bei Fahrerinnen und Fahrern in der Probezeit können zusätzlich verwaltungsrechtliche Maßnahmen folgen. Für Berufskraftfahrerinnen und -fahrer hat die Maßnahme regelmäßig erhebliche berufsbezogene Auswirkungen, etwa bei der Einsatzplanung oder Beschäftigung.

Rechte der betroffenen Person im Verfahren

Betroffene haben Anspruch auf rechtliches Gehör und auf eine nachvollziehbare Begründung der Entscheidung. Über eine bevollmächtigte Person ist Akteneinsicht möglich. Zudem besteht das Recht, Rechtsmittel gegen die Entscheidung einzulegen. Im Strafverfahren gelten die allgemeinen Verfahrensrechte, einschließlich des Schweigerechts.

Häufig gestellte Fragen

Was bedeutet vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis?

Es handelt sich um eine gerichtliche Sicherungsmaßnahme, die die Fahrberechtigung bereits vor einer abschließenden Entscheidung aufhebt, wenn eine endgültige Entziehung voraussichtlich ist.

Wer ordnet die vorläufige Entziehung an?

Die Anordnung erfolgt durch das zuständige Gericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft. Zuvor kann der Führerschein polizeilich sichergestellt oder beschlagnahmt werden.

Wie lange dauert die vorläufige Entziehung?

Sie gilt bis zur Entscheidung in der Hauptsache oder bis zur Aufhebung der Maßnahme. Der Zeitraum variiert je nach Verfahrensstand und -umfang.

Worin liegt der Unterschied zum Fahrverbot?

Beim Fahrverbot bleibt die Fahrerlaubnis bestehen und ruht nur befristet. Die vorläufige Entziehung betrifft die Fahrerlaubnis selbst und dient als Brücke zur voraussichtlichen endgültigen Entziehung.

Kann während der Maßnahme im Ausland gefahren werden?

In der Regel nicht. Da die nationale Fahrerlaubnis ruht, fehlt die Berechtigung, auch wenn das Fahren im Ausland stattfindet.

Wird die Dauer der vorläufigen Entziehung später angerechnet?

Üblicherweise ja. Die Zeit wird regelmäßig auf eine spätere Sperrfrist oder ein Fahrverbot angerechnet, was in der abschließenden Entscheidung festgelegt wird.

Welche rechtlichen Folgen hat ein Verstoß?

Das Führen von Kraftfahrzeugen trotz vorläufiger Entziehung stellt ein eigenständiges Delikt dar und wird strafrechtlich verfolgt.