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Vorhaben- und Erschließungsplan


Begriff und rechtliche Einordnung des Vorhaben- und Erschließungsplans

Der Vorhaben- und Erschließungsplan (VEP) ist ein wesentlicher Bestandteil des deutschen Städtebaurechts und spielt eine zentrale Rolle im Zusammenhang mit städtebaulichen Verträgen und der planungsrechtlichen Zulässigkeit von Vorhaben im Sinne des § 12 des Baugesetzbuchs (BauGB). Bei einem VEP handelt es sich um einen Plan, der ein konkretes Vorhaben sowie die zur Erschließung des Baugebiets erforderlichen Maßnahmen detailliert abbildet. Der VEP bildet gemeinsam mit einem Aufstellungsbeschluss und einem Durchführungsvertrag die Grundlage für einen sogenannten vorhabenbezogenen Bebauungsplan.

Gesetzliche Grundlagen

Baugesetzbuch (BauGB)

Der Vorhaben- und Erschließungsplan ist gesetzlich in § 12 BauGB verankert. Hier wird der Ablauf und die Einbindung des VEP in das Städtebaurecht geregelt. Nach § 12 Abs. 1 BauGB kann der Bebauungsplan als vorhabenbezogener Bebauungsplan aufgestellt werden, wenn ein VEP sowie ein Durchführungsvertrag mit dem Vorhabenträger vorliegt. Das Vorhaben, die bauliche Nutzung und die Erschließung müssen im VEP abschließend dargestellt werden.

Weitere Regelungen

Ergänzend finden sich Ausführungen zum VEP auch in einschlägigen Verwaltungsvorschriften und Planungshilfen der Länder sowie in kommunalen Planungssatzungen, die konkretisieren, wie die Umsetzung vor Ort gestaltet werden kann.

Aufbau und Inhalte des Vorhaben- und Erschließungsplans

Inhaltliche Anforderungen

Der Vorhaben- und Erschließungsplan muss die Merkmale des geplanten Vorhabens präzise darlegen. Dazu zählen insbesondere:

  • Art und Maß der baulichen Nutzung (z. B. Wohnbau, Gewerbe, Mischnutzung)
  • Ausgestaltung, Lage und Größe der einzelnen Baukörper
  • geplante gemeinschaftliche Flächen, z. B. Grünflächen oder Spielflächen
  • Verkehrsanbindung und geplante Erschließungen (z. B. Straßen, Wege, Ver- und Entsorgungsleitungen)
  • technische und soziale Infrastruktur (z. B. Kindergärten, Versorgungsanlagen)
  • etwaige Maßnahmen zum Umweltschutz und zur Nachhaltigkeit des Projekts

Neben textlichen Erläuterungen ist regelmäßig die Vorlage maßstabsgetreuer Pläne gesetzlich gefordert, um die Verbindlichkeit und Nachvollziehbarkeit des Vorhabens sicherzustellen.

Abgrenzung zu anderen Planungsinstrumenten

Der VEP unterscheidet sich von anderen Bauleitplänen, insbesondere vom klassischen Bebauungsplan, dadurch, dass er auf ein konkretes, umsetzungsreifes Projekt zugeschnitten ist. Er ist daher stärker objektspezifisch, während herkömmliche Bebauungspläne flächenbezogen und abstrakt formuliert sind.

Rechtliche Wirkungen und Verfahren

Bindungswirkung

Mit dem Durchführungsvertrag wird der VEP Bestandteil des vorhabenbezogenen Bebauungsplans und entfaltet damit die rechtsverbindliche Wirkung eines förmlichen Bauleitplans. Der Vorhabenträger ist verpflichtet, das benannte Vorhaben entsprechend dem genehmigten Plan durchzuführen und die vorgesehenen Erschließungsmaßnahmen zu realisieren.

Verfahrensablauf

Schrittweise Übersicht des Genehmigungsprozesses

  1. Initiierung und Antragstellung: Der anerkannte Vorhabenträger initiiert das Verfahren durch Vorlage eines vollständigen VEP bei der zuständigen Kommune.
  2. Vorprüfung und Verhandlung: Die Kommune prüft die städtebauliche Verträglichkeit und führt erforderlichenfalls Verhandlungen zum Inhalt des VEP und des Durchführungsvertrags.
  3. Verfahren und Öffentlichkeitsbeteiligung: Es folgt der Regelprozess zur Aufstellung eines Bebauungsplans, einschließlich öffentlicher Auslegung und Beteiligung der Öffentlichkeit sowie der Träger öffentlicher Belange.
  4. Beschlussfassung und Inkrafttreten: Nach abschließender Beschlussfassung durch die Gemeindevertretung erlangt der vorhabenbezogene Bebauungsplan seine Rechtskraft. Damit wird auch der VEP verbindlich.

Rolle des Durchführungsvertrags

Die rechtliche Bindung der im VEP getroffenen Festlegungen wird durch einen städtebaulichen Durchführungsvertrag hergestellt. In diesem werden alle Verpflichtungen, Regelungen zur Umsetzung, Fristen, Sicherungen und etwaige Sanktionen bei Nichterfüllung kodifiziert.

Anwendungsbereiche und praktische Relevanz

Der Vorhaben- und Erschließungsplan ist für unterschiedliche städtebauliche Entwicklungen von Bedeutung. Typische Anwendungsfelder finden sich im Wohnungsbau, Gewerbegebietserschließungen, bei Projekten des sozialen Wohnungsbaus oder bei großflächigen Einzelhandelsvorhaben.

Vorteile ergeben sich aus der Flexibilität und der Möglichkeit, auf die Spezifika eines einzelnen Projektes maßgeschneidert einzugehen. Kommunen können auf diese Weise Liegenschaften in Partnerschaft mit Investierenden entwickeln und erhalten weitreichende Steuerungsmöglichkeiten hinsichtlich Städtebau, Erschließung und nachhaltiger Entwicklung.

Rechtsschutz und Kontrollmechanismen

Überwachung und Durchsetzung

Die Gemeinden haben die Möglichkeit, die Einhaltung des Vorhaben- und Erschließungsplans anhand der vereinbarten Ziele und Fristen über die laufende Baukontrolle und städtebauliche Verträge zu überwachen. Kommt der Träger seinen Verpflichtungen nicht nach, können im Vertrag festgelegte Sicherheiten und Sanktionen zum Tragen kommen.

Rechtsschutz der Beteiligten

Beteiligte, insbesondere Nachbarinnen und Nachbarn, sowie sonstige betroffene Dritte, haben nach Maßgabe der einschlägigen Vorschriften im BauGB und der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) Zugang zu Rechtsschutz. Sie können Rechtsbehelfe gegen die Aufstellung und Durchführung eines auf einen VEP gestützten Bebauungsplans geltend machen.

Abschließende Bewertung

Der Vorhaben- und Erschließungsplan ist ein wichtiges Instrument für die städtebauliche Entwicklung im Bauplanungsrecht Deutschlands. Er bietet gemeindlichen Planungsträgern die Möglichkeit, komplexe Projekte gezielt und verbindlich zu steuern, wobei der hohe Grad an Individualität und rechtlicher Bindung ein effizientes und transparentes Planungsverfahren ermöglicht. Die Einbindung des VEP in das formelle Bauleitplanverfahren gewährleistet darüber hinaus Rechtssicherheit und Nachvollziehbarkeit der getroffenen Entscheidungen.

Häufig gestellte Fragen

Welche rechtlichen Vorgaben regeln die Aufstellung eines Vorhaben- und Erschließungsplans?

Die rechtlichen Grundlagen zur Aufstellung eines Vorhaben- und Erschließungsplans finden sich insbesondere im Baugesetzbuch (BauGB), genauer in den §§ 12 bis 13a BauGB. Danach ist der Vorhaben- und Erschließungsplan ein integraler Bestandteil des sogenannten vorhabenbezogenen Bebauungsplans, der sich von regulären Bebauungsplänen dadurch unterscheidet, dass er unmittelbar durch ein konkretes Bauvorhaben eines Vorhabenträgers veranlasst wird. Zentrale Voraussetzung ist, dass zwischen der Gemeinde und dem Vorhabenträger ein Durchführungsvertrag abgeschlossen wird, der die Einzelheiten des Vorhabens und der dazugehörigen Erschließung regelt (§ 12 Abs. 1 Satz 1 BauGB). Der Plan selbst ist als zeichnerische und textliche Darstellung zu erstellen und muss im Baugenehmigungsverfahren neben den gesetzlichen Vorgaben für Umwelt- und Nachbarschutz, auch die eingehaltenen Standards für Erschließung, Nutzung, Gestaltung sowie die zeitliche Durchführung eindeutig und nachvollziehbar festlegen. Zudem gilt das Beteiligungs- und Abwägungsverfahren gemäß §§ 3 und 4 BauGB, das eine Beteiligung der Öffentlichkeit und der Behörden sicherstellt. Ferner müssen Anforderungen des Umweltrechts, des Denkmalschutzes sowie ggf. des besonderen Städtebaurechts beachtet werden.

Welche Rechtsfolgen ergeben sich nach Genehmigung eines Vorhaben- und Erschließungsplans?

Mit der Genehmigung des vorhabenbezogenen Bebauungsplans einschließlich des Vorhaben- und Erschließungsplans durch den Gemeinderat erlangt dieser Satzungsrang und bindet damit sowohl die Verwaltung als auch die einzelnen Grundstückseigentümer innerhalb des Plangebiets (§ 10 BauGB i.V.m. § 12 Abs. 3a Satz 1 BauGB). Für das konkret festgesetzte Vorhaben entsteht ein Baurecht, sofern der Durchführungsvertrag ordnungsgemäß abgeschlossen und die im Plan niedergelegten Bedingungen eingehalten werden. Die Rechtsfolge daraus ist, dass Bauvorhaben, die sich im Rahmen dieses Planes bewegen, grundsätzlich genehmigungsfähig sind und der Bauherr einen Anspruch auf Erteilung einer Baugenehmigung hat, solange keine öffentlich-rechtlichen Vorschriften dem entgegenstehen. Wird der Durchführungsvertrag nicht oder nur unzureichend erfüllt, kann die Gemeinde den Bebauungsplan gemäß § 12 Abs. 6 BauGB aufheben und damit das Planungsrecht entziehen.

Welcher Rechtsschutz steht Betroffenen gegen einen Vorhaben- und Erschließungsplan zu?

Betroffene – insbesondere Nachbarn oder betroffene Öffentlichkeit – können sich gegen einen vorhabenbezogenen Bebauungsplan einschließlich Vorhaben- und Erschließungsplan mit dem Instrument der Normenkontrollklage nach § 47 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) wehren. Zuständig hierfür sind die Oberverwaltungsgerichte bzw. Verwaltungsgerichtshöfe. Sie können geltend machen, dass formelle Anforderungen (zum Beispiel Beteiligung oder Abwägung) nicht eingehalten wurden oder dass materielle Fehler vorliegen (Verstöße gegen baurechtliche, umweltrechtliche oder planungsrechtliche Vorschriften). Solange der Plan in Kraft ist, ist jeder Verwaltungsakt wie eine Baugenehmigung, der auf ihm basiert, grundsätzlich wirksam; bei erfolgreichem Normenkontrollverfahren kann der Plan jedoch für unwirksam erklärt werden.

Welche Rolle spielt der Durchführungsvertrag aus rechtlicher Sicht?

Der Durchführungsvertrag ist ein zentrales Element im Zusammenhang mit Vorhaben- und Erschließungsplänen und stellt ein öffentlich-rechtliches Vertragselement dar, das zwischen dem Vorhabenträger und der Gemeinde geschlossen wird (§ 12 Abs. 1 BauGB). Er regelt umfassend die Rechte und Pflichten beider Parteien, wie insbesondere die Durchführung und Finanzierung von Erschließungsmaßnahmen, die Sicherung und den Zeitrahmen der Realisierung sowie eventuelle Rücktrittsmöglichkeiten. Seine Wirksamkeit ist zwingende Voraussetzung für das Entstehen des Baurechts nach dem vorhabenbezogenen Bebauungsplan. Der Vertrag kann Sicherungsinstrumente wie Bankbürgschaften oder Vertragsstrafen enthalten und ist seinerseits justiziabel. Bei Nichterfüllung oder erheblichen Vertragsverletzungen kann die Gemeinde das Bauplanungsrecht entziehen oder Schadensersatzansprüche geltend machen.

Unter welchen Bedingungen kann ein Vorhaben- und Erschließungsplan geändert oder aufgehoben werden?

Änderungen oder die vollständige Aufhebung eines Vorhaben- und Erschließungsplans richten sich nach § 12 Abs. 6 BauGB in Verbindung mit den allgemeinen Vorschriften für Bebauungspläne (§ 1 ff. BauGB). Solche Maßnahmen sind möglich, wenn die im Durchführungsvertrag vereinbarten Verpflichtungen nicht erfüllt wurden oder wesentliche städtebauliche Gründe entgegenstehen. Eine Änderung oder Aufhebung bedarf eines erneuten Satzungsbeschlusses und der vollständigen Durchführung des Beteiligungs- und Abwägungsverfahrens. Bei bereits begonnener Durchführung des Vorhabens kann eine Aufhebung Schadensersatzansprüche oder Entschädigungsansprüche für investierte Aufwendungen auslösen, soweit die Gemeinde den Entzug des Rechts zu verantworten hat.

Welcher Zusammenhang besteht zwischen dem Vorhaben- und Erschließungsplan und anderen öffentlich-rechtlichen Genehmigungen?

Der Vorhaben- und Erschließungsplan legt auf der Ebene der Bauleitplanung Vorgaben für die konkrete Ausgestaltung eines Vorhabens fest. Er ersetzt jedoch nicht die Erfordernisse sonstiger öffentlich-rechtlicher Genehmigungen (z.B. Baugenehmigung, naturschutzrechtliche Genehmigungen, wasserrechtliche Erlaubnisse), sondern ist als eine planungsrechtliche Grundlage zu verstehen. Bei der Erteilung weiterer Genehmigungen prüfen die zuständigen Behörden, ob das Vorhaben nicht nur mit den baurechtlichen Festsetzungen, sondern auch mit allen weiteren öffentlich-rechtlichen Vorschriften in Einklang steht. Wird dem Vorhaben beispielsweise aufgrund von Verstößen gegen Umwelt- oder Denkmalschutzrecht keine weitere Genehmigung erteilt, berechtigt der Plan allein noch nicht zur Realisierung des Projekts.

Welche Bedeutung kommt der Bürgerbeteiligung bei Vorhaben- und Erschließungsplänen zu?

Der Gesetzgeber verlangt auch für vorhabenbezogene Bebauungspläne inklusive Vorhaben- und Erschließungsplan zwingend eine umfassende Beteiligung der Öffentlichkeit und der Träger öffentlicher Belange. Nach §§ 3 und 4 BauGB sind dabei sowohl die frühzeitige Beteiligung der Öffentlichkeit als auch die förmliche Auslegung der Planunterlagen und die Anhörung betroffener Behörden verpflichtend. Bürger sowie Interessenvertreter haben das Recht, Stellungnahmen abzugeben, welche die Gemeinde im Rahmen der Abwägung angemessen berücksichtigen muss, bevor endgültig über die Aufstellung des Plans entschieden wird. Fehler im Beteiligungsverfahren können zur formellen Rechtswidrigkeit des Plans führen und diesen im Falle eines erfolgreichen Normenkontrollverfahrens zu Fall bringen.