Legal Lexikon

Vollzugshilfe


Begriff und Grundlagen der Vollzugshilfe

Die Vollzugshilfe ist ein zentraler Begriff im deutschen Verwaltungsrecht und bezeichnet die Amtshandlung einer Behörde, die zur Unterstützung einer anderen Behörde bei der Durchsetzung hoheitlicher Maßnahmen auf Anforderung tätig wird. Sie ist damit eine Form der verwaltungsinternen Zusammenarbeit und spielt insbesondere im föderalen Behördengefüge Deutschlands eine wesentliche Rolle.

Das Rechtsinstitut der Vollzugshilfe ist nicht mit der allgemeinen Amtshilfe zu verwechseln, wenngleich sie mit dieser in vielerlei Hinsicht eng verwandt ist. Die Vollzugshilfe fokussiert sich jedoch spezifisch auf die Unterstützung beim Vollzug – also der tatsächlichen Durchführung – von Verwaltungsakten oder Maßnahmen, die eine Behörde alleine nicht oder nur eingeschränkt umsetzen könnte.

Rechtliche Grundlagen

Verfassungsrechtliche Verankerung

Die Vollzugshilfe findet ihre Grundlage im deutschen Grundgesetz, insbesondere in Art. 35 GG. Dort ist die Pflicht zur Hilfeleistung zwischen Behörden des Bundes und der Länder geregelt. Art. 35 Abs. 1 GG normiert die allgemeine Amtshilfe, während Art. 35 Abs. 2 GG ausdrücklich die Vollzugshilfe benennt und damit eine differenzierte Betrachtung ermöglicht.

Einfachgesetzliche Ausgestaltung

Einfachgesetzlich wird die Vollzugshilfe in verschiedenen Verwaltungsvorschriften geregelt. Maßgeblich sind beispielsweise die entsprechenden Vorschriften der Verwaltungsverfahrensgesetze (VwVfG) des Bundes und der Länder, etwa § 5 VwVfG. Darüber hinaus existieren bereichsspezifische Rechtsnormen, beispielsweise im Polizei- oder Ordnungsrecht.

Das Verhältnis von Amtshilfe und Vollzugshilfe wird häufig so verstanden, dass Amtshilfe die Übernahme einer hoheitlichen Amtshandlung durch eine andere Behörde zur Unterstützung bezeichnet, während die Vollzugshilfe speziell die Durchsetzung von Maßnahmen betrifft, bei denen Zwangsmittel angewendet werden können.

Voraussetzungen und Ablauf der Vollzugshilfe

Ersuchen um Vollzugshilfe

Ein Ersuchen auf Vollzugshilfe setzt voraus, dass eine ersuchende Behörde zu einer Maßnahme befugt ist, die sie aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht vollständig umsetzen kann. Die empfangende (ersuchte) Behörde muss grundsätzlich zur Hilfeleistung verpflichtet sein, es sei denn, es liegen Ausschlussgründe vor.

Das Ersuchen sollte Anforderungen an Form und Inhalt genügen. Insbesondere ist es in der Regel schriftlich oder in Textform zu stellen und muss die zur Wahrnehmung der Maßnahme erforderlichen Informationen enthalten.

Zuständigkeit und Zusammenarbeit

Für die Gewährung von Vollzugshilfe ist die sachliche und örtliche Zuständigkeit der ersuchten Behörde maßgeblich. Die nachgeordnete oder nach Landesrecht bestimmte Organisationsstruktur entscheidet, welche Behörde konkret zur Unterstützung beizuziehen ist.

Die Zusammenarbeit zwischen ersuchender und ersuchter Behörde erfordert eine enge Abstimmung, da die Durchsetzung der Maßnahme rechtsstaatlichen Anforderungen genügen muss. Dabei bleibt die Verantwortung für die Rechtmäßigkeit der ursprünglich angeordneten Maßnahme bei der ersuchenden Behörde, während die ersuchte Behörde für die ordnungsgemäße Durchführung der Vollzugshilfemaßnahme zuständig ist.

Grenzen und Ablehnung der Vollzugshilfe

Die Vollzugshilfe kann abgelehnt werden, wenn

  • die Maßnahme offensichtlich rechtswidrig ist,
  • die Hilfeleistung mit erheblichen eigenen Interessen der hilfebietenden Behörde kollidiert,
  • oder wenn außergewöhnliche Umstände eine Verweigerung rechtfertigen.

Solche Ablehnungsgründe sind schriftlich zu dokumentieren und der ersuchenden Behörde mitzuteilen.

Abgrenzung zu anderen Formen behördlicher Zusammenarbeit

Unterschied zur Amtshilfe

Amtshilfe und Vollzugshilfe werden im allgemeinen Sprachgebrauch oftmals synonym verwendet, unterscheiden sich jedoch rechtlich. Amtshilfe ist weiter gefasst und bezieht sich auf unterstützende Maßnahmen jeder Art, während die Vollzugshilfe speziell die Unterstützung bei Durchsetzungsmaßnahmen, insbesondere unter Einsatz von Zwang, betrifft.

Unterschied zur Rechtshilfe

Von der Vollzugshilfe abzugrenzen ist die sogenannte Rechtshilfe, welche hauptsächlich im gerichtlichen Bereich (insbesondere bei der Zusammenarbeit zwischen Gerichten und Strafverfolgungsbehörden) Anwendung findet.

Verwaltungsvollstreckung und Vollzugshilfe

Ein klassisches Anwendungsfeld der Vollzugshilfe ist die Verwaltungsvollstreckung. Sobald ein Verwaltungsakt unanfechtbar geworden ist, kann die zuständige Behörde zu dessen Durchsetzung die Mitwirkung anderer Behörden im Rahmen der Vollzugshilfe anfordern. Beispiele hierfür sind die Öffnung von Räumlichkeiten, Sicherstellung oder weitere Maßnahmen, die nicht von der Ursprungsbehörde selbst durchgeführt werden können.

Praktische Anwendungsbeispiele

  • Durchsetzung von Wohnungsräumungen: Die Ordnungsbehörde ersucht die Polizei um Unterstützungsmaßnahmen.
  • Umsetzung von Sicherstellungen oder Beschlagnahmen: Bei Maßnahmen, die ein behördliches Eingreifen erfordern, das über die getroffene Verfügung hinausgeht.
  • Gefahrenabwehr: Unterstützung kommunaler Ordnungsbehörden durch Landespolizeibehörden zum Beispiel bei Großveranstaltungen oder Evakuierungen.

Rechtsschutz und Haftung

Gegen Maßnahmen im Rahmen der Vollzugshilfe besteht wie bei anderen Verwaltungsmaßnahmen grundsätzlich die Möglichkeit des verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes. Die Haftung richtet sich in der Regel nach den allgemeinen Grundsätzen des Staatshaftungsrechts; dabei ist zu differenzieren, ob die haftungsrechtliche Verantwortung bei der Ursprungshörde oder der unterstützenden Behörde liegt.

Relevanz und Bedeutung im föderalen System

Im föderalen Aufbau der Bundesrepublik Deutschland ist die Vollzugshilfe unverzichtbar für die geordnete Rechtsdurchsetzung über Behördengrenzen hinweg. Sie ermöglicht die Umsetzung von Bundesrecht durch Landes- oder Kommunalbehörden und trägt damit maßgeblich zum funktionierenden Verwaltungsgefüge bei.


Zusammenfassung:
Die Vollzugshilfe ist ein wichtiger Bestandteil des deutschen Verwaltungsrechts zur Unterstützung verschiedenster Behörden bei der Durchsetzung hoheitlicher Maßnahmen. Sie ist insbesondere bei der Anwendung von Verwaltungsvollstreckung relevant, rechtlich im Grundgesetz verankert und in verschiedenen einfachgesetzlichen Normen näher ausgestaltet. Im Unterschied zu anderen Formen behördlicher Zusammenarbeit kennzeichnet die Vollzugshilfe die Unterstützung bei der tatsächlichen Durchsetzung von behördlichen Maßnahmen – oftmals unter Anwendung von Zwangsmitteln.


Verwandte Begriffe:
Amtshilfe, Verwaltungsvollstreckung, Rechtshilfe, Behördenzusammenarbeit

Einzelnachweise und Literatur:

  • Art. 35 Grundgesetz (GG)
  • § 5 VwVfG
  • Verwaltungsvollstreckungsgesetze des Bundes und der Länder
  • Schenke, Verwaltungsrecht, 10. Aufl.
  • Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 19. Aufl.

Häufig gestellte Fragen

In welchen Fällen kann Vollzugshilfe zwischen Bundesländern beantragt werden?

Vollzugshilfe kann in Deutschland grundsätzlich immer dann zwischen Bundesländern beantragt werden, wenn ein Verwaltungsakt, eine gerichtliche Entscheidung oder eine behördliche Anordnung von einem Land auf dem Gebiet eines anderen Landes vollstreckt werden muss. Voraussetzung ist, dass der betreffende Verwaltungsakt oder Titel vollstreckungsfähig und vollstreckbar ist und ein Vollzugsinteresse besteht. Typische Fälle sind beispielsweise die Beitreibung von Geldforderungen (wie Bußgeldern oder Gebührenbescheiden), Zwangsräumungen, Sicherstellungen von Sachen oder auch die Durchsetzung von Aufenthaltsbeendigung bei Ausländern. Die Erteilung der Vollzugshilfe erfolgt auf der Grundlage von bundes- oder landesrechtlichen Vorschriften, beispielsweise gemäß § 5 Verwaltungsvollstreckungsgesetz (VwVG) und den entsprechenden Verwaltungsvollstreckungsgesetzen der Länder.

Welche Behörde ist für die ersuchte Vollzugshilfe zuständig?

Für die Ausführung der Vollzugshilfe im ersuchten Bundesland ist in der Regel die örtlich zuständige Vollstreckungsbehörde zuständig. Dies kann zum Beispiel das Landratsamt, das Ordnungsamt oder eine spezielle Vollstreckungsstelle sein, je nach landesrechtlicher Ausgestaltung. Die ersuchende Behörde richtet ihr Ersuchen an die zuständige Behörde des anderen Landes, die dann im Umfang des Ersuchens die entsprechenden Maßnahmen nach den eigenen landesrechtlichen Vorschriften vornimmt. Dabei ist sie grundsätzlich an den Inhalt und die Rechtskraft des vollstreckbaren Titels gebunden und kann eigene Ermessensspielräume nutzen, sofern das Landesrecht dies vorsieht.

Nach welchen rechtlichen Vorschriften richtet sich das Verfahren der Vollzugshilfe?

Das Verfahren der Vollzugshilfe richtet sich primär nach den Verwaltungsvollstreckungsgesetzen des jeweiligen Landes, in dem die Vollzugshilfe durchgeführt wird. Maßgeblich ist dabei das Territorialitätsprinzip: Die ersuchte Behörde handelt nach ihren eigenen gesetzlichen Vorschriften, sowohl hinsichtlich der zulässigen Zwangsmittel als auch der formellen Anforderungen. Darüber hinaus spielen bundesrechtliche Vorschriften wie das Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG), das VwVG-Bund und gegebenenfalls Spezialgesetze eine Rolle. Zudem sind innerstaatlich Regelungen über die Rechtshilfe und Vollziehbarkeit (beispielsweise im Justizverwaltungsgesetz oder der Strafvollstreckungsordnung) zu beachten.

Welche Voraussetzungen müssen für die Gewährung der Vollzugshilfe erfüllt sein?

Für die Gewährung der Vollzugshilfe muss ein vollstreckbarer Titel vorliegen, in der Regel ein bestandskräftiger oder sofort vollziehbarer Verwaltungsakt oder eine gerichtliche Entscheidung. Die Entscheidung muss im Original oder in beglaubigter Abschrift vorgelegt werden. Weiterhin darf die Vollstreckung im ersuchenden Bundesland nicht möglich oder nicht zweckmäßig sein, sodass ein Vollzugsinteresse besteht. Darüber hinaus dürfen keine Versagungsgründe eingreifen, wie zum Beispiel die Unzulässigkeit der Maßnahme nach örtlichem Recht oder besondere Schutzbestimmungen. Die ersuchende Behörde muss alle erforderlichen Unterlagen und Informationen bereitstellen, damit die ersuchte Behörde sachgerecht und rechtssicher vollziehen kann.

Gibt es Einschränkungen oder Ablehnungsgründe für die Übernahme der Vollzugshilfe?

Ja, die ersuchte Behörde kann die Vollzugshilfe verweigern, wenn die beantragte Maßnahme mit zwingenden Vorschriften ihres eigenen Landesrechts unvereinbar wäre, zum Beispiel bei Verstößen gegen die öffentliche Ordnung, den ordre public oder besondere Grundrechte der betroffenen Person. Auch praktische Unmöglichkeit, mangelnde Zuständigkeit oder Unvollständigkeit der Unterlagen können Ablehnungsgründe darstellen. Ebenso ist die Ablehnung möglich, wenn nach Auffassung der ersuchten Behörde der Verwaltungsakt offensichtlich nicht rechtmäßig oder formell nicht vollstreckbar ist. In der Praxis erfolgt jedoch in aller Regel eine enge Prüfung und Zusammenarbeit, bevor die Vollzugshilfe abgelehnt wird.

Wer trägt die Kosten für die Durchführung der Vollzugshilfe?

Grundsätzlich trägt die ersuchende Behörde die Kosten, die der ersuchten Behörde im Rahmen der Durchführung der Vollzugshilfe entstehen. Dies ergibt sich aus den Vorschriften der Verwaltungsvollstreckungsgesetze und dem Grundsatz, dass die Last der Amtshilfe beim Ersuchen verbleibt. Nach Abschluss der Maßnahme kann die ersuchte Behörde ihre Kosten abrechnen, die dann von der ersuchenden Behörde erstattet werden. Zudem kann die ersuchende Behörde versuchen, die Kosten im Rahmen der Zwangsvollstreckung an den Vollstreckungsschuldner weiterzugeben, sofern die gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen. Eine Kostenbefreiung oder ein Erlass kommt nur ausnahmsweise, etwa im Rahmen der Gefahrenabwehr, in Betracht.

Welche Rechtsschutzmöglichkeiten bestehen für Betroffene während der Vollzugshilfe?

Betroffene haben während der Durchführung der Vollzugshilfe grundsätzlich die gleichen Rechtsschutzmöglichkeiten wie im eigenen Bundesland. Sie können gegen Vollstreckungsmaßnahmen Widerspruch einlegen, Anträge auf gerichtlichen Rechtsschutz stellen (z. B. einstweiliger Rechtsschutz, Vollstreckungserinnerung) oder sich auf vorläufigen Rechtsschutz berufen. Maßgebend für Form und Frist sind hierbei die Regelungen des Landes, das die Vollzugshilfe leistet. Wird eine Maßnahme der Vollzugshilfe unmittelbar vollzogen, so ist das zuständige Verwaltungsgericht am Amtssitz der ersuchten Behörde für den Rechtsstreit zuständig. Die Überprüfung erstreckt sich in der Regel auf die Durchführung der Vollstreckung, nicht auf die Rechtmäßigkeit des ursprünglich erlassenen Titels.