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Vollstreckungsgegenklage

Begriff und Zweck der Vollstreckungsgegenklage

Die Vollstreckungsgegenklage ist ein gerichtliches Verfahren, mit dem sich eine Schuldnerseite gegen die Zwangsvollstreckung aus einem bestehenden Vollstreckungstitel wendet. Ziel ist nicht die Aufhebung des Titels, sondern die gerichtliche Feststellung, dass die Zwangsvollstreckung aus diesem Titel ganz oder teilweise unzulässig ist. Die Klage stützt sich auf Einwendungen gegen den Anspruch, die nach Entstehung des Titels entstanden sind oder erst danach rechtlich beachtlich wurden. Dadurch wird die inhaltliche Berechtigung der Vollstreckung überprüft, ohne den Titel selbst zu beseitigen.

Anwendungsbereich

Gegen welche Titel richtet sich die Klage?

Die Vollstreckungsgegenklage richtet sich gegen die Zwangsvollstreckung aus einem Vollstreckungstitel. Dazu zählen insbesondere gerichtliche Entscheidungen und gerichtliche Vergleiche. In der Praxis wird sie zudem bei anderen Titeln eingesetzt, sofern es um materielle Einwendungen gegen den zugrundeliegenden Anspruch geht. Keine Anwendung findet sie bei rein formellen Mängeln des Titels oder der Vollstreckungsklausel; hierfür bestehen gesonderte Rechtsbehelfe.

Welche Einwendungen sind möglich?

Zulässig sind Einwendungen, die die Anspruchsgrundlage betreffen und erst nach Abschluss des Titelverfahrens entstanden oder rechtlich beachtlich geworden sind. Typische Konstellationen sind:

  • Erfüllung ganz oder teilweise (z. B. Zahlung, Leistungserbringung)
  • Erlass, Stundung oder Vergleich nach Titelerlass
  • Aufrechnung, wenn die Aufrechnungslage erst später entstanden ist oder erst nachträglich verwertbar wurde
  • Eintritt auflösender oder aufschiebender Bedingungen
  • Rücktritt, Widerruf oder Anfechtung mit nachträglicher Relevanz
  • Minderung oder sonstige nachträgliche Veränderung des Leistungsumfangs
  • Einwendungen aus Treu und Glauben, einschließlich Verwirkung
  • Einreden wegen Zeitablaufs, soweit sie erst nach Titelerlass eingetreten sind

Nicht zulässig sind Einwendungen, die bereits im Erkenntnisverfahren hätten vorgebracht werden können und dort nicht geltend gemacht wurden. Unzulässig ist es auch, die inhaltliche Richtigkeit des Titels anzugreifen; dafür stehen Rechtsmittel gegen den Titel zur Verfügung.

Was ist ausgeschlossen?

Mit der Vollstreckungsgegenklage können keine rein verfahrensrechtlichen oder technischen Fehler der Zwangsvollstreckung gerügt werden, etwa die Art und Weise der Vollstreckungsmaßnahme oder Mängel bei der Erteilung der Vollstreckungsklausel. Ebenso wenig können Einwendungen erhoben werden, die im Vorverfahren bereits hätten geltend gemacht werden müssen. Die Klage ersetzt auch kein Rechtsmittel gegen den Titel und führt nicht zu dessen Aufhebung.

Voraussetzungen und Ablauf in Grundzügen

Beteiligte und Zuständigkeit

Klägerin ist die vollstreckte oder von Vollstreckung bedrohte Schuldnerseite, Beklagte ist die Gläubigerseite des Titels. Zuständig ist regelmäßig das Gericht, das den Titel in erster Instanz erlassen hat oder dem der Titel in sachlicher Hinsicht zugeordnet ist. Die Klage richtet sich auf die Feststellung der Unzulässigkeit der Zwangsvollstreckung aus dem konkreten Titel, vollständig oder in einem abgrenzbaren Teil.

Beweislast

Die Schuldnerseite trägt grundsätzlich die Beweislast für die Tatsachen, aus denen sich die Unzulässigkeit der Zwangsvollstreckung ergeben soll (z. B. Erfüllung, Abschluss eines späteren Vergleichs, Eintritt einer Bedingung). Bestreitet die Gläubigerseite diese Umstände, hat das Gericht über die streitigen Tatsachen Beweis zu erheben. Umgekehrt trifft die Gläubigerseite die Beweislast für Tatsachen, die einer geltend gemachten Einwendung entgegenstehen.

Umfang der Entscheidung

Das Gericht kann die Zwangsvollstreckung aus dem Titel vollständig oder teilweise für unzulässig erklären. Eine teilweise Erfolgsquote ist möglich, wenn nur ein Teil der titulierten Forderung erledigt, erloschen oder abgeändert ist. Der Titel bleibt als solcher bestehen; er darf lediglich in dem für unzulässig erklärten Umfang nicht mehr vollstreckt werden.

Wirkung auf die Zwangsvollstreckung

Die Erhebung der Vollstreckungsgegenklage führt nicht automatisch zur Aussetzung laufender Zwangsvollstreckungsmaßnahmen. Ein vorläufiger Schutz vor Vollstreckung ist nur auf gesondertem Wege möglich. Ergeht ein rechtskräftiges Urteil zugunsten der Schuldnerseite, sind bereits ergriffene Vollstreckungsmaßnahmen im unzulässigen Umfang zurückzunehmen und zukünftige Maßnahmen insoweit zu unterlassen.

Verhältnis zu anderen Rechtsbehelfen

Abgrenzung zur Erinnerung gegen die Art und Weise der Zwangsvollstreckung

Die Erinnerung richtet sich gegen Fehler bei der Durchführung der Vollstreckung (z. B. unzulässige Pfändung, Verfahrensfehler der Vollstreckungsorgane). Die Vollstreckungsgegenklage betrifft demgegenüber den materiellen Anspruch, also ob die Gläubigerseite aufgrund nachträglicher Umstände überhaupt noch vollstrecken darf.

Abgrenzung zur Drittwiderspruchsklage

Die Drittwiderspruchsklage schützt Rechte Dritter an gepfändeten Gegenständen. Sie richtet sich gegen die Gläubigerseite und zielt darauf ab, die Vollstreckung in bestimmte Vermögensgegenstände zu untersagen. Die Vollstreckungsgegenklage wird hingegen von der Schuldnerseite erhoben und stellt die Vollstreckbarkeit des Anspruchs als solchen in Frage.

Abgrenzung zu Rechtsmitteln gegen den Titel

Rechtsmittel gegen den Titel (z. B. gegen Urteile oder Beschlüsse) bekämpfen die Richtigkeit und Rechtmäßigkeit der Entscheidung selbst. Die Vollstreckungsgegenklage setzt einen bestehenden, grundsätzlich wirksamen Titel voraus und knüpft an nachträgliche oder erst später beachtliche Einwendungen gegen den Anspruch an.

Besondere Konstellationen

Teilweise Erledigung oder Teilerfolg

Häufig ist die titulierte Forderung teilweise erfüllt oder nur in einzelnen Positionen entfallen. In solchen Fällen kommt eine teilweise Feststellung der Unzulässigkeit der Zwangsvollstreckung in Betracht. Der verbleibende Teil des Titels bleibt vollstreckbar.

Forderungen aus Dauerschuldverhältnissen

Bei fortlaufenden Leistungen (z. B. Miete, Unterhalt oder wiederkehrende Zahlungen) können nach Titelerlass Veränderungen eintreten, die den Umfang oder die Fälligkeit der Leistung beeinflussen. Solche Entwicklungen können mit der Vollstreckungsgegenklage berücksichtigt werden, soweit sie nachträglich eingetreten sind oder erst später rechtlich relevant wurden.

Nichtleistungsansprüche

Die Vollstreckungsgegenklage ist nicht auf Geldforderungen beschränkt. Sie kann sich auch gegen die Vollstreckung aus Titeln richten, die auf Herausgabe, Unterlassung, Duldung oder sonstige Handlungen gerichtet sind, wenn nachträgliche Umstände die Vollstreckung unzulässig machen.

Kostengesichtspunkte und Risiken

Die Klage ist ein reguläres Zivilverfahren mit den üblichen Kostenfolgen. Die unterliegende Partei hat regelmäßig die Gerichtskosten und die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Gegenseite zu tragen. Bei teilweisem Erfolg erfolgt eine Kostenquote. Zusätzlich können im Rahmen vorläufiger Schutzmaßnahmen Sicherheiten oder weitere Kostenaspekte eine Rolle spielen.

Synonyme und Begriffsabgrenzungen

Für die Vollstreckungsgegenklage werden auch die Bezeichnungen „Vollstreckungsabwehrklage“ und „Oppositionsklage“ verwendet. Gemeint ist jeweils dieselbe Klageart zur Abwehr der Zwangsvollstreckung aufgrund nachträglicher oder erst später beachtlicher Einwendungen gegen den titulierten Anspruch.

Häufig gestellte Fragen

Worin liegt der Unterschied zwischen Vollstreckungsgegenklage und Erinnerung gegen die Zwangsvollstreckung?

Die Vollstreckungsgegenklage richtet sich gegen die inhaltliche Berechtigung der Vollstreckung, weil nachträgliche Einwendungen den Anspruch betreffen. Die Erinnerung beanstandet demgegenüber Fehler in der Durchführung der Vollstreckung, etwa unzulässige Maßnahmen oder Verfahrensmängel.

Hemmt die Vollstreckungsgegenklage automatisch die Zwangsvollstreckung?

Nein. Die Erhebung der Klage stoppt die Zwangsvollstreckung nicht automatisch. Ein vorläufiger Schutz ist nur über gesonderte gerichtliche Entscheidungen möglich. Erst ein stattgebendes Urteil bewirkt, dass die Vollstreckung im festgestellten Umfang unzulässig ist.

Gegen wen richtet sich die Vollstreckungsgegenklage?

Die Klage richtet sich gegen die Gläubigerseite des Vollstreckungstitels, also die Person oder Einrichtung, die aus dem Titel vollstreckt oder die Vollstreckung betreibt.

Welche Einwendungen können mit der Vollstreckungsgegenklage geltend gemacht werden?

Zulässig sind nachträgliche Einwendungen gegen den Anspruch, zum Beispiel Erfüllung, Erlass, Stundung, Abschluss eines späteren Vergleichs, Aufrechnung unter später entstandener Aufrechnungslage, Eintritt von Bedingungen, Rücktritt, Widerruf, Minderung, Verwirkung oder Einreden, die erst nach dem Titelerlass eingetreten sind.

Kann die Vollstreckungsgegenklage auch gegenüber gerichtlichen Vergleichen oder notariellen Titeln in Betracht kommen?

Ja. Entscheidend ist, dass die Zwangsvollstreckung aus einem Vollstreckungstitel betrieben wird und materielle Einwendungen nachträglich entstanden oder erst später beachtlich geworden sind. Formelle Mängel werden hingegen mit anderen Rechtsbehelfen angegriffen.

Was geschieht bei teilweisem Erfolg der Vollstreckungsgegenklage?

Bei teilweisem Erfolg erklärt das Gericht die Zwangsvollstreckung nur in dem entsprechenden Teilbereich für unzulässig. Der übrige Teil des Titels bleibt vollstreckbar. Die Kosten werden regelmäßig quotal verteilt.

Wer trägt die Beweislast im Verfahren?

Die Schuldnerseite muss die Tatsachen beweisen, die die Unzulässigkeit der Zwangsvollstreckung begründen, etwa eine erfolgte Erfüllung. Die Gläubigerseite trägt die Beweislast für Umstände, die solchen Einwendungen entgegenstehen.