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Vollstreckung von Steueransprüchen


Vollstreckung von Steueransprüchen

Die Vollstreckung von Steueransprüchen ist ein zentrales Element des deutschen Steuerrechts und bezeichnet das hoheitliche Verfahren, durch das ein öffentlich-rechtlicher Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis zwangsweise durchgesetzt wird. Dies betrifft insbesondere Steuern, steuerliche Nebenleistungen sowie festgesetzte Zinsen und Säumniszuschläge, die vom Steuerpflichtigen nicht freiwillig entrichtet wurden. Die rechtlichen Grundlagen ergeben sich vor allem aus der Abgabenordnung (AO) und dem Verwaltungs-Vollstreckungsgesetz (VwVG).

Rechtsgrundlagen der Vollstreckung von Steueransprüchen

Abgabenordnung (AO)

Die Abgabenordnung bildet das grundlegende Recht der Steuererhebung und definiert im Dritten Teil (§§ 249-346 AO) die zwingenden Regeln für die Vollstreckung von Steueransprüchen. Wesentliche Vorschriften hierzu finden sich in den §§ 249 ff. AO, welche sowohl die Voraussetzungen als auch das Verfahren regeln.

Verwaltungs-Vollstreckungsgesetz (VwVG)

Daneben enthält das Verwaltungs-Vollstreckungsgesetz Vorschriften zur Durchsetzung öffentlich-rechtlicher Forderungen im Wege der Verwaltungsvollstreckung, die ergänzend Anwendung finden, sofern die AO keine abschließenden Regelungen trifft.

Ergänzende Rechtsvorschriften

Ergänzend zu den vorgenannten Gesetzen gelten u. a. die Zivilprozessordnung (ZPO) und diverse Verwaltungsvollstreckungsgesetze der Länder, insbesondere bei der Vollstreckung durch Landesfinanzbehörden oder Gemeinden.

Voraussetzungen der Vollstreckung

Ein Steueranspruch kann erst vollstreckt werden, wenn

  • Ein vollstreckbarer Titel vorliegt (z. B. Steuerbescheid, Haftungsbescheid oder Zinsbescheid),
  • Fälligkeit der Forderung eingetreten ist (§ 220 AO),
  • Zahlungsausstand besteht, das heißt, der Schuldner hat nicht oder nicht vollständig gezahlt,
  • Mahnung erfolgte, sofern keine Ausnahmetatbestände vorliegen (§ 254 AO).

Bestimmte Fälle (wie etwa Vollstreckung aus Steuerbescheiden mit Sicherheitsleistung oder vorläufig vollstreckbaren Verwaltungsakten) bedürfen keiner Mahnung.

Zuständigkeit bei der Vollstreckung von Steueransprüchen

Die Zuständigkeit liegt bei der jeweils für die Erhebung der Steuer verantwortlichen Vollstreckungsbehörde. In der Regel sind dies:

  • Die Finanzämter für Bundes- und Landessteuern,
  • Die Hauptzollämter für Bundessteuern und Verbrauchsteuern,
  • Die Gemeinden für gemeindliche Abgaben und Gebühren.

Diese Behörden handeln als Vollstreckungsbehörden im Sinne der AO und sind befugt, Zwangsmittel gegen säumige Steuerschuldner einzusetzen.

Verfahren der Vollstreckung

Vollstreckungsarten

Es existieren verschiedene Arten der Vollstreckung:

  • Mobiliarvollstreckung: Pfändung von beweglichen Sachen (z. B. Kfz, Bargeld, Wertgegenstände).
  • Immobilienvollstreckung: Zwangsvollstreckung in unbewegliches Vermögen, insbesondere Grundstücke und Immobilien.
  • Forderungspfändung: Pfändung von Forderungen des Schuldners gegen Dritte, vor allem Lohn- oder Kontopfändung.
  • Vermögensauskunft: Der Schuldner kann gemäß § 284 AO zur Abgabe einer Vermögensauskunft verpflichtet werden, um die Zugriffsmöglichkeiten auf sein Vermögen zu klären.

Ablauf des Vollstreckungsverfahrens

Die Vollstreckungsbehörde stellt einen Vollstreckungsauftrag an den zuständigen Vollziehungsbeamten oder beauftragt das Amtsgericht, wobei folgende Verfahrensschritte einzuhalten sind:

  1. Erstellung und Zustellung eines Mahnschreibens (sofern erforderlich)
  2. Ankündigung und Durchführung der Zwangsmaßnahme (z. B. Pfändung, Beschlagnahme)
  3. Verwertung gepfändeter Gegenstände durch öffentliche Versteigerung (§ 308 AO)
  4. Verrechnung des Erlöses auf die offene Steuerschuld

Dem Steuerschuldner stehen Rechtsbehelfe wie die Erinnerung oder der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz offen, um unrechtmäßige Vollstreckungsmaßnahmen abzuwehren.

Besonderheiten der Vollstreckung im Steuerrecht

Vorrang des steuerlichen Vollstreckungsrechts

Die Bestimmungen der AO gehen im Bereich der Steuerforderung gegenüber allgemeinen Zivilvollstreckungsverfahren vor. Die AO normiert beispielsweise vorrangige Pfandrechte der Steuerbehörden.

Haftung Dritter

Nach §§ 69 ff. AO kann sich eine Vollstreckung auch gegen Dritte richten, etwa Geschäftsführer einer GmbH, Erben oder andere Haftungspflichtige, wenn diese nach dem Gesetz für die Steuerschuld einzustehen haben.

Schutzvorschriften für den Schuldner

Die AO enthält Regelungen zum Schutz des Schuldners, insbesondere Beschränkungen hinsichtlich der Pfändung von Gegenständen des persönlichen Gebrauchs und von Einkommen unterhalb der Pfändungsfreigrenzen.

Besondere Eilfälle

In besonders eilbedürftigen Fällen kann die Vollstreckung ohne vorausgehende Mahnung oder vorläufig unmittelbar nach Ankündigung durchgeführt werden, beispielsweise bei Gefährdung der Einziehung durch Vermögensverschiebung (§ 249 Abs. 2 AO).

Beendigung und Aufhebung der Vollstreckung

Die Vollstreckung endet durch

  • Begleichung der Steuerschuld (samt Kosten und Nebenleistungen),
  • Einstellung der Vollstreckung durch die Behörde (z. B. bei Nachweis des Erlöschens der Schuld),
  • Gerichtliche Entscheidung auf Antrag des Schuldners.

Ein Antrag auf Stundung, Erlass der Steuerschuld oder die Einleitung eines Insolvenzverfahrens können ebenfalls zu einem Ruhen oder zur Aufhebung der Vollstreckung führen (§ 258 AO).

Rechtsbehelfe gegen Vollstreckungsmaßnahmen

Der Schuldner kann sich durch die Erinnerung (§ 766 ZPO analog) oder Widerspruch gegen unrechtmäßige Maßnahmen zur Wehr setzen. Darüber hinaus ist das gerichtliche Eilverfahren in Form der einstweiligen Anordnung nach § 80 Abs. 5 VwGO möglich.

Bedeutung und Ziel der Vollstreckung von Steueransprüchen

Die Vollstreckung von Steueransprüchen sichert das Steueraufkommen und gewährleistet die Gleichmäßigkeit der Besteuerung. Sie dient der Durchsetzung öffentlich-rechtlicher Verpflichtungen auch gegen den Willen des Steuerschuldners und ist elementar für die Finanzierung der öffentlichen Aufgaben. Durch rechtliche Vorgaben wird ein geordneter und gerechter Zugriff auf das Vermögen der Steuerschuldner gewährleistet, wobei sowohl der Schutz der öffentlichen Hand als auch die Rechte des Einzelnen Berücksichtigung finden.


Siehe auch:

Literatur und Weblinks:

Hinweis: Dieser Artikel fasst die maßgeblichen Grundsätze zum Thema „Vollstreckung von Steueransprüchen“ im deutschen Recht zusammen und dient der fundierten Information.

Häufig gestellte Fragen

Welche Rechtsmittel stehen gegen Vollstreckungsmaßnahmen wegen Steueransprüchen zur Verfügung?

Gegen Vollstreckungsmaßnahmen im Zusammenhang mit Steueransprüchen stehen dem Betroffenen verschiedene Rechtsmittel offen. Grundsätzlich kann zunächst ein Einspruch gegen den zugrunde liegenden Steuerbescheid gemäß § 347 AO (Abgabenordnung) eingelegt werden, falls dieser noch nicht bestandskräftig ist. Wird direkt gegen Maßnahmen der Vollstreckung vorgegangen, etwa gegen die Pfändung eines Kontos, so kommt ein Antrag auf Aufhebung oder einstweilige Einstellung der Vollstreckung nach § 258 AO in Betracht. Daneben besteht die Möglichkeit des Antrages auf Aussetzung der Vollziehung gemäß § 361 AO, sofern ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angeforderten Steuerbetrags bestehen. Ist die Vollstreckung bereits durchgeführt worden, kann unter bestimmten Voraussetzungen ein Antrag auf Fortsetzungsaussetzung oder Rückgabe gepfändeter Gegenstände gestellt werden. Außerdem steht der Rechtsweg zu den Finanzgerichten offen, insbesondere mittels der Klage gegen die Sachentscheidung über den Steueranspruch oder die gegen die Vollstreckungsmaßnahmen gerichtete Anfechtungsklage. Bei besonders schweren rechtlichen oder tatsächlichen Zweifeln an der Rechtmäßigkeit der Maßnahme kann zudem ein Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz nach § 114 FGO (Finanzgerichtsordnung) gestellt werden. Im Rahmen dieser Rechtsmittel sollte parallel geprüft werden, ob Vollstreckungsschutz nach §§ 258 ff. AO (wie etwa Stundungsanträge oder Anträge auf Ratenzahlung gemäß § 222 AO) zur Anwendung kommen kann.

Unter welchen Voraussetzungen ist die Vollstreckung von Steuerforderungen zulässig?

Die Vollstreckung von Steuerforderungen ist im deutschen Steuerrecht grundsätzlich dann zulässig, wenn ein vollstreckbarer Leistungsbescheid, etwa ein Steuerbescheid oder eine Steueranmeldung, vorliegt, der unanfechtbar oder für sofort vollziehbar erklärt wurde (§§ 249, 251 AO). Außerdem muss der Zahlungsanspruch fällig sein und der Schuldner den Betrag nicht oder nicht vollständig geleistet haben. Die Finanzbehörde muss dem Schuldner in der Regel eine Zahlungsfrist gesetzt haben und die Frist muss abgelaufen sein. Vollstreckungsmaßnahmen dürfen nur ergriffen werden, wenn kein gesetzliches oder gerichtlich angeordnetes Vollstreckungsverbot besteht, beispielsweise im Fall der Aussetzung der Vollziehung oder eines Insolvenzverfahrens. Die Vollstreckungsbehörde ist verpflichtet, die Maßnahme verhältnismäßig zu wählen, also nur solche Maßnahmen zu ergreifen, die dem Zweck der Vollstreckung angemessen sind und den Schuldner nicht unzumutbar belasten. Zu den formellen Voraussetzungen gehört weiterhin, dass die Vollstreckungsankündigung regelmäßig dem Schuldner bekanntgegeben wurde, es sei denn, ein Fall der Eilbedürftigkeit oder Gefahr im Verzuge liegt vor.

Kann die Vollstreckung auch gegen Dritte gerichtet werden?

Ja, die Vollstreckung von Steueransprüchen kann nach den Vorschriften der §§ 321 bis 329 AO unter bestimmten Voraussetzungen auch gegen Dritte gerichtet werden. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn Dritte als Haftungsschuldner für die Steuerverbindlichkeit herangezogen wurden, etwa Geschäftsführer einer GmbH gemäß § 69 AO oder Erben gemäß § 45 AO. Auch im Rahmen der Pfändung kann in das Vermögen Dritter eingegriffen werden, insbesondere wenn ein Drittschuldner in Anspruch genommen wird, z. B. ein Arbeitgeber bei Lohnpfändungen, ein Kreditinstitut bei Kontopfändungen oder ein Mieter bei Mietforderungen. Voraussetzung ist stets, dass ein vollstreckbarer Titel gegen den eigentlichen Schuldner besteht und die Anspruchsgrundlagen bezüglich des Dritten (Haftungsbescheid, Pfändungs- und Überweisungsbeschluss) eingehalten sind. Zur Sicherstellung von Rechten Dritter ist den Betroffenen jeweils rechtliches Gehör zu gewähren und es sind insbesondere die Vorschriften des Pfändungsschutzes zu beachten.

Welche Pfändungsverbote und -beschränkungen gibt es bei der Vollstreckung?

Im Rahmen der Steuervollstreckung finden zahlreiche Schutzvorschriften Anwendung, die Pfändungsverbote und -beschränkungen festlegen. Grundsätzlich dürfen nach § 850c ZPO (Zivilprozessordnung), der gemäß § 309 AO auch für Steuerforderungen gilt, Teile des Arbeitseinkommens nur in begrenztem Umfang gepfändet werden. Bestimmte Einkommensbestandteile, wie beispielsweise Sozialleistungen (Kindergeld, Grundsicherung), Rentenzahlungen bis zu einem bestimmten Betrag oder unpfändbare Haushaltsgegenstände, sind nach §§ 811, 851 ZPO unpfändbar. Für Kontopfändungen greift der Schutz des Pfändungsschutzkontos („P-Konto“) gemäß § 850k ZPO, das es Schuldnern ermöglicht, einen monatlichen Freibetrag vor Vollstreckungszugriffen zu sichern. Zudem sind Gegenstände, die zur Berufsausübung, Ausbildung oder Haushaltsführung unerlässlich sind, von der Pfändung ausgeschlossen. Bei Landwirten und Selbstständigen gelten je nach Betrieb notwendige Werkzeuge, Maschinen oder Tiere ebenfalls als (teilweise) unpfändbar. Die exakte Reichweite der Pfändungsverbote richtet sich nach Einzelfall und muss im Zweifel durch das Vollstreckungsgericht oder das Finanzamt geprüft werden.

Wie läuft ein Steuer-Vollstreckungsverfahren typischerweise ab?

Ein typischer Ablauf des Steuervollstreckungsverfahrens beginnt mit dem Erlass eines vollstreckbaren Steuerbescheids oder Nachforderungsbescheids durch das Finanzamt. Nach Ablauf der im Bescheid gesetzten Zahlungsfrist und ausbleibender Zahlung stellt das Finanzamt eine Mahnung oder Zahlungsaufforderung zu und kündigt die bevorstehende Vollstreckung an. Erfolgt weiterhin keine Zahlung, erlässt die Vollstreckungsstelle eine Vollstreckungsanordnung und beginnt mit Zwangsmaßnahmen, wie der Pfändung von Konten, Lohn oder beweglichem Vermögen. Bei Bedarf kann eine Sachpfändung mittels Gerichtsvollzieher oder die Eintragung einer Zwangssicherungshypothek auf Immobilien erfolgen. In jedem Stadium des Verfahrens hat der Schuldner die Möglichkeit, durch Zahlung, Stundung oder Ratenzahlung die Vollstreckung zu beenden oder zu unterbrechen. Bei Einwänden gegen die Maßnahme werden diese geprüft und gegebenenfalls per Rechtsmittelverfahren einem Gericht zugeführt. Abschließend werden die gepfändeten Werte verwertet und auf die Steuerschuld angerechnet; etwaige Überschüsse werden dem Schuldner ausgekehrt.

Was ist bei einer Insolvenz des Steuerschuldners zu beachten?

Tritt eine Insolvenz des Steuerschuldners ein, gelten für die Vollstreckung von Steueransprüchen besondere Regelungen gemäß Insolvenzordnung (InsO). Mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens (§ 89 InsO) tritt ein Vollstreckungsverbot für Einzelgläubiger, einschließlich der Finanzbehörden, ein. Bereits begonnene Zwangsvollstreckungsmaßnahmen werden eingestellt, laufende Verfahren unterbrochen. Die Steuerforderungen sind fortan beim Insolvenzverwalter als Insolvenzforderungen zur Tabelle anzumelden (§ 174 InsO). Ausnahmen bestehen für nach Insolvenzeröffnung entstandene sogenannte Masseforderungen, die weiterhin vorrangig vom Insolvenzverwalter zu bedienen sind. Die Finanzbehörden sind verpflichtet, ihre Forderungen ordnungsgemäß und fristgerecht beim Insolvenzverwalter anzumelden. Das Insolvenzgericht wacht über die Einhaltung der Rangfolge und die Gleichbehandlung aller Gläubiger. Steuerliche Nebenleistungen, wie Verspätungszuschläge oder Zinsen, werden ebenfalls nur als Insolvenzforderungen berücksichtigt, sofern sie vor der Insolvenzeröffnung entstanden sind.

Können Steuerstrafverfahren die Vollstreckung beeinflussen?

Steuerstrafverfahren und die Festsetzung steuerlicher Ansprüche sind grundsätzlich voneinander zu trennen, können sich aber dennoch gegenseitig beeinflussen. Die Einleitung eines Steuerstrafverfahrens, etwa wegen Steuerhinterziehung (§ 370 AO), hemmt nicht automatisch die Vollstreckung der Steueransprüche, sofern ein vollstreckbarer Steuerbescheid ergangen ist. Wird jedoch durch das Strafverfahren die Entscheidung über die Höhe oder Entstehung der Steuerschuld maßgeblich beeinflusst, kann eine Aussetzung der Vollstreckung im Einzelfall beantragt werden, beispielsweise bei ernsthaften Zweifeln an der Richtigkeit des Steuerbescheids in Folge ermittelter Tatsachen im Strafverfahren. Ferner können Geldstrafen oder Bußgelder selbst der Vollstreckung unterliegen; über deren Einziehung entscheidet die Strafvollstreckungsbehörde. In bestimmten Fällen – z. B. bei nachgewiesener Steuerhinterziehung – kann es zu Sicherungsmaßnahmen wie Vermögensarrest oder Beschlagnahme nach § 111e StPO zur Sicherung des staatlichen Rückgewinnungsanspruchs kommen. Steuerstrafrechtliche Sanktionen und Nebenfolgen können also erhebliche Auswirkungen auf die Durchführung und den Erfolg der steuerlichen Vollstreckung haben.