Legal Lexikon

Volkszählung


Begriff und rechtliche Einordnung der Volkszählung

Die Volkszählung, auch als Zensus bezeichnet, ist ein umfassendes Verfahren zur Erhebung demografischer, sozialer und wirtschaftlicher Daten einer Bevölkerung innerhalb eines definierten Gebietes – meist eines Staates. Die rechtliche Ausgestaltung einer Volkszählung ist komplex und wird sowohl durch nationale Gesetze als auch durch internationale Richtlinien und Vereinbarungen geregelt. Im Kontext der Europäischen Union und Deutschlands bestehen hier präzise gesetzliche Vorgaben, die insbesondere den Schutz personenbezogener Daten sowie die staatlichen Interessen an einer solchen Bestandsaufnahme betreffen.

Begriffliche Abgrenzung

Unter einer Volkszählung wird die vollständige und systematische Erhebung bestimmter Angaben über sämtliche Einwohner eines Landes zu einem bestimmten Stichtag verstanden. Abzugrenzen ist die Volkszählung von Stichprobenbefragungen oder Registerauswertungen, bei denen nicht die Gesamtheit der Bevölkerung erfasst wird.


Rechtliche Grundlagen

Nationale Gesetze in Deutschland

Die Durchführung von Volkszählungen in Deutschland wird durch verschiedene Rechtsquellen bestimmt:

Zensusgesetz

Das maßgebliche nationale Regelwerk ist das verbindliche Zensusgesetz. Das Zensusgesetz 2022 (ZensG 2022) bildet die Grundlage für die aktuelle, regelmäßige Durchführung von Volkszählungen. Es definiert die Erhebungsmerkmale, den Ablauf, die Pflichten der Befragten und die datenschutzrechtlichen Regelungen. Das Gesetz regelt insbesondere:

  • Pflicht zur Auskunft: Für die betroffenen Personen besteht eine gesetzliche Pflicht zur Auskunftserteilung.
  • Erhebungsmerkmale: Es werden nur im Gesetz festgelegte Merkmale erhoben, insbesondere Wohnsitz, Geschlecht, Alter und weitere soziodemografische Daten.
  • Vertraulichkeit: Die personenbezogenen Daten dürfen ausschließlich für statistische Zwecke verwendet werden.

Statistisches Bundesamt und Landesbehörden

Das Bundesstatistikgesetz und die jeweiligen Landesstatistikgesetze koordinieren das Verhältnis zwischen dem Statistischen Bundesamt und den statistischen Ämtern der Länder. Die organisatorische Durchführung wird von diesen Behörden geleitet und überwacht.

Verfassungsrechtlicher Rahmen

Eine zentrale Rolle spielt das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, wie es das Bundesverfassungsgericht im sogenannten „Volkszählungsurteil“ von 1983 maßgeblich entwickelte. Demnach muss jede Erhebung personenbezogener Daten an einer legitimen und gesetzlich vorgeschriebenen Zielsetzung ausgerichtet, verhältnismäßig und durch hinreichende Schutzmechanismen flankiert sein.

Europäisches Recht

EU-Verordnungen

Im Kontext europaweiter Volkszählungen ist die Verordnung (EG) Nr. 763/2008 von Bedeutung. Sie verpflichtet die Mitgliedstaaten der Europäischen Union zur Durchführung koordinierter Volkszählungen und setzt verbindliche Standards für Erhebungen über Volks- und Wohnungszahlen.

Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO)

Die Verarbeitung personenbezogener Daten erfolgt im Einklang mit der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) sowie ergänzenden deutschen Datenschutzregeln. Die Datenerhebung ist nach Artikel 6 Absatz 1 DSGVO nur zulässig, wenn eine gesetzliche Grundlage besteht. Zusätzlich sind technische und organisatorische Maßnahmen zur Gewährleistung der Datensicherheit zu treffen.


Verfahren und Ablauf der Volkszählung

Vorbereitung

Im Vorfeld der Volkszählung werden die methodischen, organisatorischen und technischen Rahmenbedingungen festgelegt. Dies erfolgt in enger Abstimmung zwischen Bund, Ländern und den Kommunen.

Durchführung

Die Volkszählung erfolgt zum Stichtag nach dem vorgeschriebenen Verfahren:

  1. Erhebungsarten: Neben der klassischen Vollerhebung werden auch registergestützte Verfahren und Stichproben eingesetzt.
  2. Datenübermittlung: Daten werden unter streng geregelten Bedingungen erfasst, gespeichert und an die zuständigen Behörden weitergeleitet.
  3. Auskunftspflicht: Die Bevölkerung ist gesetzlich verpflichtet, wahrheitsgemäße Angaben zu machen; Verstöße können mit Bußgeldern geahndet werden.

Nachbereitung

Nach Abschluss der Erhebung werden die Daten anonymisiert und statistisch ausgewertet. Die Ergebnisse sind Grundlage für zahlreiche Planungen und gesetzliche Maßnahmen, etwa im Bereich der Kommunalfinanzierung oder der Wahlkreiseinteilung.


Datenschutzrechtliche Aspekte

Recht auf informationelle Selbstbestimmung

Das Bundesverfassungsgericht hat im Zusammenhang mit der Volkszählung 1983 klargestellt, dass jede staatliche Datenerhebung die Privatsphäre und das Recht auf informationelle Selbstbestimmung zu achten hat. Die Erhebung, Speicherung und Auswertung personenbezogener Daten ist daher verfassungsrechtlich nur zulässig, wenn sie auf einer gesetzlichen Grundlage beruht und einem legitimen öffentlichen Interesse dient.

Maßnahmen zur Datensicherheit

Zur Wahrung des Datenschutzes sind strikte Maßnahmen vorgesehen:

  • Anonymisierung und Pseudonymisierung: Die erhobenen Daten werden so verarbeitet, dass eine nachträgliche Identifikation einzelner Personen ausgeschlossen ist.
  • Beschränkung der Zweckbindung: Die Nutzung der Daten ist ausschließlich für die im Gesetz genannten statistischen Zwecke zulässig.
  • Technische und organisatorische Schutzmaßnahmen: Behörden sind verpflichtet, den Schutz der Daten vor unbefugtem Zugriff oder Datenverlust sicherzustellen.

Kontrollmechanismen

Unabhängige Datenschutzaufsichtsbehörden überwachen die Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben. Betroffene Personen haben Rechte auf Auskunft, Berichtigung und gegebenenfalls Löschung ihrer Daten.


Rechtsprechung und Volkszählung

Volkszählungsurteil des Bundesverfassungsgerichts (1983)

Das „Volkszählungsurteil“ hat die Bedeutung des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung erstmals grundlegend definiert. Es verpflichtet Gesetzgeber und Behörden zu einem strikten Datenschutz und zu Transparenz im Umgang mit personenbezogenen Daten.

Weitere gerichtliche Entscheidungen

Nachfolgende Rechtsprechung hat die Anforderungen an den Datenschutz und die Durchführung von Volkszählungen weiter konkretisiert, etwa bezüglich der Auskunftspflicht oder der Zulässigkeit von Datenverknüpfungen aus verschiedenen Registern.


Bedeutung und aktuelle Entwicklung

Nutzung der Volkszählungsdaten

Die durch Volkszählungen gewonnenen Daten sind maßgeblich für staatliche Entscheidungsprozesse in Bereichen wie Stadtplanung, Sozialpolitik, Infrastruktur, Bildung und Gesundheitswesen. Sie bilden die Basis für Zuweisungen aus dem kommunalen Finanzausgleich und die Festlegung von Wahlkreisen.

Zukunftsperspektiven

Mit Blick auf den steigenden Schutzbedarf personenbezogener Daten und die technischen Fortschritte in der Datenverarbeitung wird die künftige Ausgestaltung von Volkszählungen zunehmend durch datenschutzrechtliche Anforderungen geprägt sein. Die Entwicklung hin zu registergestützten Zählungen trägt dazu bei, Belastungen für die Bevölkerung zu reduzieren und den Datenschutz zu stärken.


Zusammenfassung

Die Volkszählung ist ein rechtlich umfassend reguliertes Instrument der amtlichen Statistik, das regelmäßig gesetzlichen, datenschutzrechtlichen und organisatorischen Anforderungen unterliegt. Der Schutz der personenbezogenen Daten der Bevölkerung muss stets mit den legitimen Interessen des Staates an fundierter Datenerhebung abgewogen werden. Durch klare gesetzliche Grundlagen und wirksame Kontrollmechanismen ist gewährleistet, dass Volkszählungen verfassungskonform, zweckgebunden und datensicher durchgeführt werden. Das Spannungsfeld zwischen öffentlichem Interesse und individuellen Grundrechten bleibt hierbei ein zentraler Faktor der rechtlichen Bewertung von Volkszählungen.

Häufig gestellte Fragen

Welche rechtlichen Grundlagen regeln die Durchführung der Volkszählung?

Die Durchführung von Volkszählungen in Deutschland und der Europäischen Union basiert auf einer Vielzahl rechtlicher Vorschriften auf nationaler und europäischer Ebene. Zentral ist in Deutschland das Zensusgesetz (aktuell das Zensusgesetz 2022 – ZensG 2022), das sämtliche Details zur Durchführung, zu Umfang und Verfahren der Volkszählung verbindlich regelt. Es legt fest, welche Daten erhoben werden dürfen, bestimmt die Befugnisse der Statistischen Ämter von Bund und Ländern und regelt die Zusammenarbeit der verschiedenen Behörden. Ergänzend hierzu existieren weitere nationale Rechtsgrundlagen, etwa das Bundesstatistikgesetz (BStatG), das allgemeine Grundsätze zur Durchführung amtlicher Statistiken vorschreibt. Auf europäischer Ebene ist insbesondere die EU-Verordnung Nr. 763/2008 maßgeblich, welche die Durchführung und Inhalte von Volkszählungen innerhalb der EU-Mitgliedstaaten verbindlich vorschreibt, um eine europaweite Vergleichbarkeit zu gewährleisten. Wichtig ist zudem der Schutz der Betroffenenrechte, der durch das Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) und die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) sichergestellt wird. All diese Regelwerke stellen zusammen sicher, dass die Datenerhebung, Verarbeitung und Weitergabe rechtskonform abläuft und auf einer klaren rechtlichen Basis steht.

Inwieweit besteht für Bürgerinnen und Bürger eine Auskunftspflicht bei einer Volkszählung?

Die Auskunftspflicht ist im Zensusgesetz klar geregelt und verpflichtet grundsätzlich alle in Deutschland wohnhaften Personen zur Mitwirkung an der Volkszählung. Konkret bedeutet dies, dass Bürgerinnen und Bürger, die durch ein amtliches Anschreiben zur Teilnahme an der Volkszählung – sei es per Online-Befragung, Interview oder schriftlichem Fragebogen – aufgefordert werden, die dort verlangten Angaben vollständig und wahrheitsgemäß machen müssen. Diese Pflicht ergibt sich aus dem öffentlichen Interesse an statistischen Erhebungen, die für politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Planungen unerlässlich sind. Es existieren allerdings auch eng begrenzte Ausnahmen, etwa für Personen, die aus gesundheitlichen Gründen nicht auskunftsfähig sind. Das Gesetz sieht weiter vor, dass Erhebungsbeauftragte im Rahmen von Haushaltsbefragungen berechtigt sind, in den Wohnungen zu erscheinen, wobei bestimmte Schutzrechte – insbesondere im Hinblick auf die Unverletzlichkeit der Wohnung – gewahrt bleiben müssen.

Welche Sanktionen drohen bei einer Verweigerung der Auskunft oder falschen Angaben?

Kommt eine auskunftspflichtige Person ihrer Pflicht nicht, verspätet, nur unvollständig oder mit vorsätzlich oder fahrlässig falschen Angaben nach, kann dies als Ordnungswidrigkeit nach dem Zensusgesetz verfolgt werden. Das Gesetz sieht Bußgelder vor, die von den zuständigen Behörden verhängt werden können, um die Einhaltung der Auskunftspflicht durchzusetzen. Die Höhe solcher Bußgelder richtet sich nach dem jeweiligen Einzelfall und kann bis zu mehrere tausend Euro betragen. Bei vorsätzlicher und wiederholter Verweigerung oder bei bewusst unwahren Angaben kann die zuständige Behörde weitere Maßnahmen ergreifen. Daneben kann die Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten nach dem Bundesstatistikgesetz erfolgen, das ähnliche Sanktionsmöglichkeiten bietet. Strafrechtliche Konsequenzen kommen hingegen nur in Betracht, wenn strafbare Handlungen wie beispielsweise Urkundenfälschung im Zusammenhang mit dem Zensus erfolgen.

Wie ist der Datenschutz bei der Volkszählung geregelt?

Der Schutz personenbezogener Daten ist bei der Durchführung einer Volkszählung von höchster Bedeutung und unterliegt strengen gesetzlichen Vorgaben. Die Erhebung und Verarbeitung der Daten darf ausschließlich auf gesetzlicher Grundlage erfolgen und ist auf das absolut notwendige Maß zu beschränken (Grundsatz der Datensparsamkeit). Alle im Rahmen des Zensus erhobenen personenbezogenen Daten werden durch technische und organisatorische Maßnahmen gegen unbefugten Zugriff geschützt; dazu zählen Verschlüsselungen, Zugangsbeschränkungen und die Anonymisierung bzw. Pseudonymisierung der Daten. Die Ergebnisse der Volkszählung werden stets nur in aggregierter Form veröffentlicht, sodass Rückschlüsse auf einzelne Personen ausgeschlossen sind. Zudem besteht ein besonderes Statistikgeheimnis (§ 16 BStatG), das die Vertraulichkeit der erhobenen Daten sicherstellt und ihre Nutzung zu ausschließlich statistischen Zwecken vorschreibt. Die gesetzlichen Grundlagen dafür bilden sowohl das Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) als auch die europäische Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO).

Wer darf auf die erhobenen Daten zugreifen und zu welchen Zwecken dürfen sie verwendet werden?

Zugriffsberechtigt auf die im Rahmen der Volkszählung erhobenen personenbezogenen Daten sind ausschließlich die mit der Durchführung der Erhebung betrauten amtlichen Statistikstellen von Bund und Ländern sowie ggf. deren beauftragte Dienstleister, und auch diese nur soweit dies für den Zweck der Zählung erforderlich ist. Die Verwendung der Daten ist strikt auf die Erstellung statistischer Auswertungen beschränkt; eine Weitergabe zu anderen behördlichen, insbesondere zu fiskalischen, polizeilichen oder nachrichtendienstlichen Zwecken, ist gesetzlich untersagt. Der Zugriff durch Dritte ist nur in seltenen Ausnahmesituationen und unter strengen rechtlichen Bedingungen zulässig, etwa bei wissenschaftlicher Forschung und dann nur in anonymisierter Form. Das Statistikgeheimnis (§ 16 BStatG) schützt die Betroffenen zusätzlich, indem es eine Offenbarung oder Mitteilung einzelner personenbezogener Zensusdaten ausdrücklich verbietet, außer es besteht eine explizite gesetzliche Grundlage.

Welche besonderen Rechte haben Betroffene im Rahmen der Volkszählung?

Betroffene haben eine Reihe von Rechten, die ihnen aus den datenschutzrechtlichen Bestimmungen und dem Statistikrecht erwachsen. Dazu zählen insbesondere das Auskunftsrecht gemäß Art. 15 DSGVO, mit dem sie erfahren können, welche personenbezogenen Daten über sie im Rahmen des Zensus erhoben und verarbeitet werden. Außerdem steht ihnen grundsätzlich das Recht auf Berichtigung (Art. 16 DSGVO) unrichtiger Daten zu. Darüber hinaus können sie sich bei vermuteten Datenschutzverstößen bei der zuständigen Datenschutzaufsichtsbehörde beschweren. Die spezifische Zweckbindung sowie die Begrenzung der Speicherfrist stellen sicher, dass personenbezogene Daten nach Abschluss der statistischen Auswertung gelöscht oder so anonymisiert werden, dass eine Identifizierung nicht mehr möglich ist.

Wie lange werden die erhobenen Daten gespeichert?

Die Speicherdauer der im Rahmen einer Volkszählung erhobenen personenbezogenen Daten ist gesetzlich klar geregelt und orientiert sich am Grundsatz der Speicherbegrenzung (vgl. Art. 5 Abs. 1 lit. e DSGVO). Die Daten dürfen nur so lange gespeichert werden, wie dies für die Durchführung und die Auswertung der Volkszählung erforderlich ist. Nach Abschluss der statistischen Verwertungen und Qualitätssicherungsverfahren werden sämtliche personenbezogene Daten entweder gelöscht oder so anonymisiert, dass ein Rückschluss auf einzelne Personen ausgeschlossen ist. Die genauen Löschfristen ergeben sich aus spezifischen Verordnungen und Verwaltungsanordnungen und sind im jeweiligen Zensusgesetz festgelegt. Zugang zu diesen Daten haben ab diesem Zeitpunkt ausschließlich autorisierte Stellen für einen eng umrissenen Zeitraum. Eine dauerhafte Speicherung oder Archivierung personenbezogener Zensusdaten ist ausgeschlossen.

Welche Rechtsmittel haben Bürger gegen behördliche Maßnahmen im Rahmen der Volkszählung?

Bürgerinnen und Bürger, die sich durch Maßnahmen im Rahmen der Volkszählung in ihren Rechten beeinträchtigt sehen, können sich mit einem sogenannten Widerspruch nach den Vorschriften des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG) gegen einen behördlichen Verwaltungsakt (z.B. ein Bußgeldbescheid wegen fehlender Mitwirkung) wehren. Wird diesem Widerspruch nicht abgeholfen, kann die betroffene Person Klage vor dem zuständigen Verwaltungsgericht erheben. Im Hinblick auf datenschutzrechtliche Fragestellungen besteht zudem das Recht, sich bei der zuständigen Datenschutzaufsichtsbehörde zu beschweren oder im Streitfall den Rechtsweg zu den Gerichten zu beschreiten. Das Rechtsstaatsprinzip garantiert, dass sämtliche behördlichen Maßnahmen im Zusammenhang mit der Volkszählung justiziabel sind und richterlich überprüft werden können.