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Videovernehmung

Videovernehmung: Begriff, Bedeutung und Einsatz im Verfahren

Eine Videovernehmung ist die Befragung von Personen im Rahmen eines Verfahrens mittels Bild- und Tonübertragung. Sie dient dazu, Aussagen unabhängig vom Ort der Beteiligten zu ermöglichen, Schutzinteressen zu wahren, Verfahrensabläufe zu beschleunigen und Beweismittel zu sichern. Je nach Verfahrensart und nationaler Rechtsordnung gelten besondere Voraussetzungen und Sicherungen, damit die Aussage auch aus der Ferne rechtlich verwertbar ist.

Abgrenzung und Zweck

Die Videovernehmung unterscheidet sich von einer rein telefonischen Befragung durch die gleichzeitige Bild- und Tonübertragung. Sie kann als Live-Vernehmung (ohne Aufzeichnung) oder als aufgezeichnete Befragung ausgestaltet sein. Zentrale Zwecke sind:

  • Wahrung der Aussagefähigkeit und Vermeidung mehrfacher Belastungen, insbesondere bei schutzbedürftigen Personen
  • Überbrückung räumlicher Distanzen und Reduzierung von Reiseaufwand
  • Sicherung von Beweisen in früheren Verfahrensstadien
  • Gewährleistung einer geordneten, prüfbaren Befragung mit Fragerechten aller Beteiligten

Anwendungsbereiche

Strafverfahren

Im Strafverfahren kann die Videovernehmung in Ermittlungs- und Hauptverhandlungsphasen eingesetzt werden. Typische Konstellationen sind Aussagen von Zeuginnen und Zeugen, von sachverständigen Personen sowie die Vernehmung von Beschuldigten. Bei schutzbedürftigen Personen kann eine räumliche Trennung oder eine zeitnahe Aufzeichnung der Aussage dazu dienen, weitere Belastungen zu vermeiden. Gleichzeitig sind Verteidigungsrechte, das Fragerecht und die Überprüfbarkeit der Aussage sicherzustellen.

Zivil- und Familiensachen

In Zivil- und Familiensachen ermöglicht die Videovernehmung die Befragung von Parteien, Zeuginnen und Zeugen sowie sachverständigen Personen ohne persönliche Anwesenheit im Gerichtssaal. Sie unterstützt die zügige Beweisaufnahme, wenn Reisen unzumutbar sind oder der Verfahrensfortgang beschleunigt werden soll. Die Öffentlichkeit der Verhandlung und die Mitwirkungsrechte der Beteiligten müssen dabei gewahrt bleiben.

Verwaltungs- und Disziplinarverfahren

Auch Verwaltungs- und Disziplinarverfahren können Videovernehmungen nutzen, um Beweise zu erheben oder Anhörungen durchzuführen. Maßgeblich sind die Verfahrensgrundsätze der jeweiligen Ordnung, insbesondere Fairness, Transparenz und Nachvollziehbarkeit der Beweisaufnahme.

Beteiligte und Rollen

Zeuginnen und Zeugen

Zeuginnen und Zeugen geben Auskunft über eigene Wahrnehmungen. Bei der Videovernehmung ist sicherzustellen, dass sie unbeeinflusst aussagen. Je nach Situation sind Schutzmaßnahmen möglich, etwa räumliche Trennung oder Anonymisierung bestimmter personenbezogener Daten innerhalb der Übertragung.

Beschuldigte und Angeklagte

Die Videovernehmung von Beschuldigten folgt dem Grundsatz, dass die Aussage freiwillig ist und Verteidigungsrechte gewahrt bleiben. Eine Zuschaltung aus der Haftanstalt oder aus einem anderen Raum kann erfolgen, sofern die verfahrensrechtlichen Garantien eingehalten werden.

Sachverständige und Dolmetschende

Sachverständige können ihre Gutachten per Videolink erläutern. Dolmetschende werden zugeschaltet, wenn Sprachmittlung erforderlich ist. Dabei sind Tonqualität, Synchronität und Verständlichkeit von besonderer Bedeutung.

Ablauf und Technik

Vorbereitung und Identitätsfeststellung

Vor Beginn der Vernehmung erfolgt die Feststellung der Identität der vernommenen Person. Der Vernehmungsraum wird auf unbeeinflusste Rahmenbedingungen überprüft. Hinweise zu Ablauf, Rechten und Pflichten werden mitgeteilt, und die Verbindung wird auf Stabilität, Bild- und Tonqualität geprüft.

Durchführung der Befragung

Die Befragung wird geleitet, üblicherweise durch das Gericht oder die zuständige Stelle. Fragerechte der Beteiligten werden in festgelegter Reihenfolge ausgeübt. Es ist darauf zu achten, dass die vernommene Person die Fragenden sehen und hören kann und Zwischenfragen klar gekennzeichnet werden.

Aufzeichnung, Speicherung und Dokumentation

Videovernehmungen können live ohne Speicherung oder mit Aufzeichnung durchgeführt werden. Bei einer Aufzeichnung müssen Dokumentation, sichere Speicherung, Zugriffsbeschränkung und Löschungskonzepte festgelegt sein. Begleitend wird ein Protokoll geführt, das Zeitpunkt, Beteiligte, Ort, technische Rahmenbedingungen und wesentliche Inhalte umfasst.

Störungen und Unterbrechungen

Bei Verbindungsabbrüchen, Ton- oder Bildstörungen wird unterbrochen und die Störung dokumentiert. Erst nach Wiederherstellung einer ausreichenden Qualität wird fortgesetzt. Erforderlichenfalls werden Fragen wiederholt, um die Nachvollziehbarkeit zu sichern.

Verfahrensgrundsätze und Rechte

Öffentlichkeit und Transparenz

In öffentlichen Verhandlungen ist sicherzustellen, dass die Öffentlichkeit die Aussage verfolgen kann. Zugleich können Schutzinteressen einzelner Personen zu Beschränkungen führen, etwa durch Ausschluss der Öffentlichkeit für bestimmte Teile.

Fragerechte und Waffengleichheit

Das Recht auf Befragung und Gegenüberstellung wird durch Bild- und Tonverbindung gewahrt. Alle Verfahrensbeteiligten erhalten Gelegenheit, Fragen zu stellen. Eine faire Balance der Verfahrenspositionen ist sicherzustellen.

Schutz vulnerabler Personen

Bei Kindern, Jugendlichen und anderen schutzbedürftigen Personen dient die Videovernehmung der Vermeidung von Mehrfachbefragungen und der Reduzierung von Belastungen. Räumliche Trennung, Begleitpersonen und besonders schonende Befragungsformen können angeordnet werden.

Datenschutz und Vertraulichkeit

Personenbezogene Daten sind zu schützen. Erforderlich sind sichere Übertragung, Zugriffsbeschränkungen, Dokumentationspflichten, klare Zweckbindung und festgelegte Aufbewahrungs- und Löschfristen.

Beweiswert und Verwertung

Freie Beweiswürdigung

Die Aussage per Video unterliegt der freien Beweiswürdigung. Das Gericht bewertet Glaubhaftigkeit, Aussagequalität, Konsistenz und äußere Umstände wie Übertragungsqualität und mögliche Einflüsse im Vernehmungsraum.

Spätere Verwendung der Aufnahme

Aufzeichnungen können in späteren Verfahrensabschnitten vorgeführt werden, etwa wenn eine erneute persönliche Aussage nicht möglich oder nicht zumutbar ist. Die Verwendung richtet sich nach den jeweils geltenden Verfahrensregeln.

Grenzen und Risiken

Mögliche Grenzen ergeben sich aus eingeschränkter Wahrnehmung nonverbaler Signale, Einflussnahmerisiken im Hintergrund, technischen Störungen und eingeschränkter Spontaneität der Kommunikation. Dies wird durch Verfahrenssicherungen, Sichtkontrolle des Raums und klare Moderation adressiert.

Internationale und grenzüberschreitende Vernehmungen

Zusammenarbeit zwischen Behörden

Bei grenzüberschreitenden Verfahren kann eine Videovernehmung unter Mitwirkung ausländischer Stellen erfolgen. Zuständigkeiten, Verbindungswege, Anwesenheitsrechte und Protokollierung werden vorab abgestimmt.

Anerkennung und Vorführung im Ausland

Die Anerkennung und Nutzung von Videoaussagen im Ausland richtet sich nach den Regeln des jeweiligen Staates und etwaigen Kooperationen. Wichtig sind Rechtssicherheit, Authentizität und Nachweis einer ordnungsgemäßen Durchführung.

Kosten, Organisation und Barrierefreiheit

Technische Mindeststandards

Erforderlich sind stabile Verbindungen, hochwertige Kameras und Mikrofone, sichere Verschlüsselung, angemessene Beleuchtung sowie softwareseitige Zugriffskontrollen. Eine Probelaufschaltung vor Beginn erhöht die Verlässlichkeit.

Zugänglichkeit und Barrierefreiheit

Barrierefreie Gestaltung umfasst klare Tonqualität, Untertitelungs- oder Gebärdensprachoptionen, gut sichtbare Bildausschnitte und eine verständliche Moderation. Ziel ist die gleichberechtigte Teilnahme aller Beteiligten.

Häufig gestellte Fragen zur Videovernehmung

Was bedeutet Videovernehmung im rechtlichen Sinne?

Sie bezeichnet die Befragung von Personen mit gleichzeitiger Bild- und Tonübertragung im Rahmen eines Verfahrens. Je nach Verfahren kann sie live ohne Aufzeichnung oder mit Aufzeichnung erfolgen, sofern die maßgeblichen Verfahrensgrundsätze eingehalten werden.

In welchen Verfahren ist eine Videovernehmung zulässig?

Sie kommt in Straf-, Zivil-, Familien-, Verwaltungs- und Disziplinarverfahren in Betracht. Die konkrete Zulässigkeit und Ausgestaltung richtet sich nach den Regeln der jeweiligen Verfahrensordnung und den Anordnungen der zuständigen Stelle.

Muss die vernommene Person einer Videovernehmung zustimmen?

Die Mitwirkungspflichten hängen von der Rolle im Verfahren ab. Zeuginnen und Zeugen können zur Aussage verpflichtet sein; ob diese per Video erfolgt, entscheidet die zuständige Stelle unter Beachtung von Verfahrensgrundsätzen und Schutzinteressen.

Wie wird die Identität bei einer Videovernehmung gesichert?

Zu Beginn werden Identität und Anwesenheit überprüft. Der Vernehmungsraum wird sichtbar gemacht, um Einflussnahmen auszuschließen. Die Verbindung, die beteiligten Personen und die Rahmenbedingungen werden dokumentiert.

Hat die Verteidigung dieselben Fragerechte wie bei einer persönlichen Vernehmung?

Fragerechte und das Recht auf Gegenüberstellung bestehen grundsätzlich auch bei Videovernehmungen. Die technische Durchführung stellt sicher, dass Fragen in geordneter Form gestellt und beantwortet werden können.

Welche Bedeutung hat eine Aufzeichnung für die spätere Beweiswürdigung?

Aufzeichnungen können später vorgeführt und in die Bewertung einbezogen werden. Maßgeblich ist, dass die Aufnahme ordnungsgemäß erstellt, unverändert gesichert und nachvollziehbar dokumentiert wurde.

Wie werden Datenschutz und Vertraulichkeit gewährleistet?

Erforderlich sind sichere Übertragung, beschränkte Zugriffe, klare Zweckbindung und geregelte Aufbewahrungs- und Löschfristen. Nur berechtigte Stellen erhalten Einsicht, und die Nutzung ist auf das Verfahren beschränkt.