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Videoverhandlung

Videoverhandlung: Begriff, Bedeutung und Einordnung

Eine Videoverhandlung ist eine gerichtliche Sitzung, bei der Beteiligte ganz oder teilweise mittels Bild- und Tonübertragung zugeschaltet werden. Sie kann rein virtuell stattfinden oder als hybride Form, in der ein Teil der Personen im Sitzungssaal anwesend ist und andere per Videokonferenz teilnehmen. Ziel ist die Durchführung einer mündlichen Verhandlung ohne gleichzeitige physische Anwesenheit aller Beteiligten, unter Wahrung der Verfahrensgrundsätze wie faires Verfahren, Öffentlichkeit und effektiver Rechtsschutz.

Rechtliche Grundprinzipien

Faires Verfahren und rechtliches Gehör

Auch in der Videoverhandlung gelten die allgemeinen Verfahrensgarantien. Dazu zählen das rechtliche Gehör, die Möglichkeit zur Stellungnahme in Echtzeit, die Waffengleichheit sowie die Unmittelbarkeit und Mündlichkeit der Verhandlung. Die Zuschaltung per Video darf den Zugang zum Gericht, die Mitwirkung am Verfahren und die Wahrnehmung von Rechten nicht beeinträchtigen.

Öffentlichkeit und Transparenz

Die Öffentlichkeit einer Verhandlung ist ein wesentlicher Grundsatz. Bei Videoformaten wird sie typischerweise sichergestellt, indem der öffentliche Teil im Gericht zugänglich gemacht wird oder durch andere organisatorische Maßnahmen, die eine Beobachtung durch die Allgemeinheit ermöglichen. Generelle Übertragungen an die breite Öffentlichkeit sind in der Regel eingeschränkt.

Gerichtliche Entscheidung und Ermessen

Ob eine Videoverhandlung stattfindet, entscheidet das Gericht. Es berücksichtigt unter anderem Eignung des Streitstoffs, den Aufwand, die Glaubwürdigkeitsbeurteilung von Zeugen, die technische Verfügbarkeit, Sicherheitsaspekte sowie schutzwürdige Belange der Beteiligten. Ein Antrag der Parteien kann Berücksichtigung finden, ersetzt aber nicht die gerichtliche Entscheidung.

Anwendungsbereiche

Zivil- und Handelssachen

In Zivilsachen wird die Videoverhandlung häufig genutzt, etwa für Terminierungseffizienz, überregionale Beteiligte oder gesundheitliche und organisatorische Gründe. Auch Beweisaufnahmen mit Zeugen und sachverständigen Personen können per Video erfolgen, wenn die unmittelbare Wahrnehmung ausreichend gewährleistet ist.

Verwaltungs-, Sozial- und Arbeitsgerichtsbarkeit

In öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten wird die Videozuschaltung verwendet, um Behördenvertreter, Beteiligte und Beistände ortsunabhängig einzubinden. Gleiches gilt für sozial- und arbeitsrechtliche Verfahren, in denen Zeugen, Parteien und Dritte per Video teilnehmen können, sofern der Charakter der Beweisaufnahme dies zulässt.

Strafsachen

In Strafverfahren ist die physische Anwesenheit der angeklagten Person ein besonders bedeutsamer Grundsatz. Videoelemente werden dort vor allem für die Vernehmung von Zeugen, sachverständigen Personen oder für einzelne Verfahrenshandlungen eingesetzt. Für zentrale Verfahrensabschnitte bleibt die Präsenz besonders gewichtet.

Verfahrensablauf und Organisation

Vorbereitung und Ladung

Das Gericht bestimmt Termin, Format und Plattform. Ladungen und Mitteilungen enthalten Angaben zur Einwahl, technischen Mindestanforderungen und zum Ablauf. Es wird festgelegt, wer wo teilnimmt und wie die Öffentlichkeit gewahrt wird.

Identitätsklärung und Anwesenheitskontrolle

Zu Beginn werden Identitäten und Rollen festgestellt. Technische Störungen, Abbrüche oder Wechsel der Verbindungsart werden protokolliert. Das Gericht sorgt dafür, dass nur berechtigte Personen im virtuellen Raum anwesend sind.

Redeleitung und Verhandlungsordnung

Die Sitzungsleitung strukturiert Wortmeldungen, Fragen und Beweisanträge. Bild- und Tonqualität müssen eine verlässliche Wahrnehmung ermöglichen. Unterbrechungen, Rücksprachen und Pausen werden wie in Präsenz dokumentiert.

Beweisaufnahme per Video

Zeugen- und Sachverständigenvernehmung

Zeugen und sachverständige Personen können per Video vernommen werden. Dabei ist sicherzustellen, dass Einflussnahmen ausgeschlossen sind und die Aussage ungestört erfolgt. Das Gericht achtet auf Sicht- und Hörverhältnisse, um Aussageverhalten, Mimik und Reaktionen hinreichend wahrzunehmen.

Urkundenvorhalt und Bildschirmfreigabe

Dokumente können elektronisch eingeblendet oder vorgehalten werden. Die Authentizität und Vollständigkeit der Unterlagen bleibt Gegenstand der gerichtlichen Prüfung. Bei Augenscheinsobjekten wird erörtert, ob das Medium Video zur Beurteilung genügt oder ergänzende Schritte nötig sind.

Rechte der Beteiligten

Recht auf Teilnahme und Äußerung

Parteien und Verteidigung müssen ihre Stellungnahmen in gleicher Qualität und im gleichen zeitlichen Rahmen abgeben können wie in Präsenz. Sie dürfen Fragen stellen, Beweisanträge anbringen und auf gerichtliche Hinweise reagieren.

Vertrauliche Rücksprache

Vertrauliche Kommunikation zwischen Beteiligten und ihren Beiständen ist auch in der Videoverhandlung zu gewährleisten. Dies kann organisatorisch durch separate Kanäle oder eingeplante Unterbrechungen gelöst werden.

Datenschutz und IT-Sicherheit

Datenverarbeitung und Zweckbindung

Personenbezogene Daten, Bild- und Tondaten werden nur für den Verfahrenszweck verarbeitet. Der Umgang mit Zugangsdaten, Sitzungslinks und Teilnehmerlisten folgt dem Prinzip der Datenminimierung.

Vertraulichkeit und Integrität

Eine sichere Übertragung, Schutz vor unbefugtem Zugriff und verlässliche Identifizierung sind zentrale Anforderungen. Unbefugte Aufzeichnungen sind in der Regel untersagt. Die Speicherung der Verhandlung als Datei findet im Regelfall nicht statt; maßgeblich ist das Protokoll.

Öffentlichkeit und Zugang

Herstellung der Öffentlichkeit

Gerichte stellen die Öffentlichkeit her, etwa durch Öffnung eines Sitzungssaals mit Live-Zuschaltung oder andere geeignete organisatorische Lösungen. Eine unbegrenzte Online-Verbreitung ist überwiegend nicht vorgesehen.

Medien und Berichterstattung

Die üblichen Regeln für Berichterstattung gelten sinngemäß. Bild- und Tonaufnahmen während der Verhandlung sind in der Regel untersagt, soweit nicht ausdrücklich erlaubt.

Grenzen und Risiken

Glaubwürdigkeitsbeurteilung

Bei komplexen Beweisfragen, die stark auf persönliche Eindrücke angewiesen sind, kann die Präsenzform Vorteile haben. Das Gericht berücksichtigt dies bei der Entscheidung über das Format.

Technische Störungen

Ausfälle, Verzögerungen oder Qualitätsmängel können die Wahrnehmung beeinträchtigen. In solchen Fällen werden Unterbrechungen, Wiederholungen von Teilen der Verhandlung oder ein Wechsel des Formats in Betracht gezogen.

Beeinflussungsgefahren

Bei Zuschaltungen aus privaten Räumen besteht ein Risiko unbemerkter Einflussnahmen. Dem wird durch organisatorische Vorkehrungen begegnet, die eine unbeeinflusste Aussage unterstützen.

Internationale Dimension

Grenzüberschreitende Zuschaltung

Werden Personen aus dem Ausland zugeschaltet, sind Zuständigkeiten, Mitwirkungsrechte und etwaige Zustimmungserfordernisse anderer Staaten zu beachten. Der rechtliche Ort der Verhandlung bleibt beim zuständigen Gericht.

Sprachmittlung

Dolmetschungen können ebenfalls per Video erfolgen. Sicht- und Tonqualität müssen eine präzise Übertragung der Inhalte ermöglichen.

Kosten- und Aufwandsaspekte

Gebühren des Verfahrens ändern sich durch das Format in der Regel nicht. Videoformate können Reisezeiten und -kosten verringern. Technische Bereitstellung und Nutzung können Aufwand bei Gericht und Beteiligten verursachen. Erstattungsfragen richten sich nach den allgemeinen Kostengrundsätzen des jeweiligen Verfahrens.

Dokumentation und Protokoll

Das gerichtliche Protokoll bleibt das zentrale Dokument der Verhandlung. Es enthält Angaben zu Beginn und Ende, Teilnahmeform, wesentlichen Verfahrensschritten sowie besonderen Vorkommnissen, etwa technischen Unterbrechungen. Eine zusätzliche audiovisuelle Aufzeichnung findet in der Regel nicht statt.

Entwicklung und Ausblick

Videoverhandlungen haben insbesondere durch digitale Transformation und besondere Lagen an Bedeutung gewonnen. Künftige Entwicklungen betreffen vor allem verbesserte Technik, einheitliche Standards, barrierearmen Zugang und eine ausgewogene Verzahnung mit Präsenzterminen, um Effizienz und Verfahrensgarantien gleichermaßen zu sichern.

Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Was bedeutet Videoverhandlung und wie unterscheidet sie sich von der Präsenzverhandlung?

Eine Videoverhandlung ist eine mündliche Verhandlung mit Bild- und Tonübertragung. Im Unterschied zur Präsenzverhandlung befinden sich nicht alle Beteiligten im selben Raum. Inhalt, Struktur und Verfahrensgrundsätze bleiben jedoch gleich; nur das Medium der Teilnahme unterscheidet sich.

In welchen Verfahrensarten ist eine Videoverhandlung zulässig?

Sie wird vor allem in Zivil-, Verwaltungs-, Sozial- und Arbeitsverfahren eingesetzt. In Strafsachen ist der Einsatz enger, dort wird Video vor allem für einzelne Verfahrenshandlungen oder die Vernehmung von Zeugen und sachverständigen Personen genutzt.

Wer entscheidet über die Durchführung einer Videoverhandlung?

Die Entscheidung liegt beim zuständigen Gericht. Es prüft Eignung, technische Voraussetzungen, Schutzinteressen, Öffentlichkeit und die Auswirkungen auf Beweisaufnahme und Verfahrensrechte.

Wie wird die Öffentlichkeit der Verhandlung bei einer Videoverhandlung gewährleistet?

Die Öffentlichkeit wird durch gerichtliche Organisation hergestellt, etwa durch einen zugänglichen Sitzungssaal mit Live-Zuschaltung oder andere Lösungen, die eine Beobachtung ermöglichen. Eine frei zugängliche Internetübertragung ist grundsätzlich nicht vorgesehen.

Dürfen Videoverhandlungen aufgezeichnet werden?

Aufzeichnungen durch Beteiligte oder Dritte sind in der Regel untersagt. Maßgeblich ist das gerichtliche Protokoll, nicht eine audiovisuelle Speicherung.

Wie wird die Identität von Beteiligten in einer Videoverhandlung überprüft?

Die Feststellung erfolgt zu Beginn der Sitzung mittels geeigneter Identifizierungsschritte. Unbefugte Teilnahme wird durch Zugangskontrollen und Moderation des virtuellen Raums verhindert.

Welche Folgen haben technische Störungen während einer Videoverhandlung?

Störungen werden protokolliert. Inhalte können wiederholt, Unterbrechungen angeordnet oder der Termin fortgesetzt werden, sobald eine verlässliche Kommunikation wiederhergestellt ist. In Einzelfällen kann ein Wechsel des Formats erforderlich sein.