Begriff und rechtliche Einordnung der Verwarnung nach Jugendstrafrecht
Die Verwarnung nach Jugendstrafrecht ist eine eigenständige Reaktionsform auf Straftaten Jugendlicher und Heranwachsender im deutschen Strafrecht. Sie stellt eine der sogenannten Zuchtmittel gemäß § 13 Jugendgerichtsgesetz (JGG) dar und kommt als milde Sanktion in Betracht, die zwischen der bloßen Feststellung der Schuld und härteren Sanktionsformen wie der Jugendstrafe steht. Die Verwarnung zielt insbesondere auf erzieherische Wirkungen gegenüber jungen Straftätern ab und ist Teil der spezifischen rechtlichen Instrumente des Jugendstrafrechts, das sich grundlegend vom allgemeinen Erwachsenenstrafrecht unterscheidet.
Rechtsgrundlagen der Verwarnung im Jugendstrafrecht
Gesetzliche Regelung nach dem Jugendgerichtsgesetz (JGG)
Die rechtliche Grundlage der Verwarnung ergibt sich aus den §§ 13 ff., insbesondere § 14 JGG. Diese Vorschriften regeln die Funktion und Anwendung der Verwarnung als Zuchtmittel im Sinne des Jugendstrafrechts. Gemäß § 14 Abs. 1 JGG kann das Gericht dem Jugendlichen durch die Verwarnung das Unrecht seiner Tat eindringlich vor Augen führen, ohne dass es schon weitergehender Sanktionen bedarf.
Verhältnis zu anderen Rechtsfolgen
Die Verwarnung ist Teil der dreistufigen Reaktionsmöglichkeiten gegen Straftaten junger Menschen:
- Erziehungsmaßregeln (§§ 9-12 JGG)
- Zuchtmittel (§§ 13-16 JGG)
- Jugendstrafe (§§ 17-32 JGG)
Sie gilt als das mildeste der Zuchtmittel und ist von Fall zu Fall individuell in das Gesamtgefüge der individuellen schuldangemessenen und erzieherisch sinnvollen Reaktion einzubetten.
Voraussetzungen der Verhängung einer Verwarnung
Persönlicher Anwendungsbereich
Die Anwendung der Verwarnung richtet sich an Jugendliche (14 bis unter 18 Jahre) und bei Heranwachsenden (18 bis unter 21 Jahre), sofern das Gericht bei ihnen die Anwendung des Jugendstrafrechts für geboten hält (§ 105 JGG).
Materielle Voraussetzungen
Eine Verwarnung kommt in Betracht, wenn:
- Der Tatnachweis und die Schuld des Jugendlichen oder Heranwachsenden feststehen,
- Das Gericht die Tat als ausreichend gewichtig für ein Zuchtmittel, aber nicht für eine Jugendstrafe erachtet,
- Erziehungsmaßregeln als nicht ausreichend angesehen werden,
- Das Gericht annehmen kann, dass bereits der richterliche Tadel geeignet ist, den Jugendlichen von weiteren Straftaten abzuhalten.
Keine Notwendigkeit der weiteren Auflagen
Mit der Verwarnung kann das Gericht nach § 15 JGG Auflagen verbinden, um die erzieherische Wirkung zu verstärken (z.B. Schadenswiedergutmachung, Entschuldigung beim Verletzten). Die Verwarnung kann aber auch isoliert ausgesprochen werden, sofern dies zur Einwirkung auf den Jugendlichen genügt.
Verfahren und Ausgestaltung der Verwarnung
Ablauf im Strafverfahren
Die Verwarnung wird im Rahmen der Hauptverhandlung oder in bestimmten Fällen auch per Beschluss im schriftlichen Verfahren ausgesprochen. Das Gericht stellt zunächst die Schuld des Jugendlichen fest und spricht sodann die Verwarnung aus. Im Urteil ist die Verwarnung, ggf. mit Auflagen, zu begründen und zu erläutern.
Inhalt und Wirkung der Verwarnung
Kern der Verwarnung ist der richterliche Hinweis auf das tatbestandliche Unrecht und die damit in der Regel verbundene Ermahnung, künftig keine Straftaten zu begehen. Der Verwarnung wohnt daher eine deutlich appellierende und erzieherische Wirkung inne.
Verbindung mit Auflagen
Das Gesetz sieht ausdrücklich die Möglichkeit vor, die Verwarnung mit Auflagen zu kombinieren. Typische Auflagen nach § 15 JGG sind:
- Wiedergutmachung des angerichteten Schadens
- Entschuldigung beim Opfer
- Zahlung eines Geldbetrags zugunsten einer gemeinnützigen Einrichtung
- Ableistung von gemeinnütziger Arbeit
Die Nichterfüllung von Auflagen kann Konsequenzen haben, etwa den Widerruf der Verwarnung und Verhängung einer anderen Sanktion (§ 11 Abs. 3 JGG, § 15 Abs. 3 JGG).
Ziele und Bedeutung der Verwarnung
Erzieherische Zielsetzung
Die Verwarnung verfolgt vor allem erzieherische Zwecke und steht im Kontext des auf Prävention und Resozialisierung ausgerichteten Jugendstrafrechts. Von der Verwarnung wird angenommen, dass sie insbesondere bei Ersttätern, geringfügigen Straftaten oder in Fällen einer günstigen Sozialprognose ausreichend ist, um den Jugendlichen oder Heranwachsenden zur Einsicht zu bewegen und von erneuten Straftaten abzuhalten.
Praktische Bedeutung
In der Praxis ist die Verwarnung insbesondere bei leichten bis durchschnittlichen Delikten relevant, wenn eine erzieherische Einwirkung erforderlich, aber eine weitreichendere Sanktion unverhältnismäßig erscheinen würde. Die Verwarnung ist daher auch Ausdruck des im JGG verankerten Vorrangs des Erziehungsgedankens vor reiner Sühne oder Abschreckung.
Rechtsfolgen einer Verwarnung
Folgen für das Strafregister
Wird eine Verwarnung mit oder ohne Auflagen verhängt, kann sie unter bestimmten Voraussetzungen im Bundeszentralregister eingetragen werden, erscheint aber in der Regel nicht im Führungszeugnis (§ 32 Abs. 2 Nr. 4 BZRG). So wird der jugendtypische Erziehungsgedanke mit dem Ziel einer wenig belastenden Sanktion gewahrt.
Keine Vorstrafe im eigentlichen Sinn
Die Verwarnung gilt rechtlich nicht als Verurteilung zu einer Strafe im engeren Sinne. Sie belastet deshalb die betroffene Person weniger schwer als Jugendstrafe oder Geldstrafe.
Verhältnis zu anderen Sanktionen und Abgrenzung
Abgrenzung zu Erziehungsmaßregeln
Gegenüber den Erziehungsmaßregeln, die rein präventiv und auf künftiges Verhalten gerichtet sind (z. B. Weisungen, Hilfe zur Erziehung), stellt die Verwarnung einen förmlich ausgesprochenen Tadel für begangenes Unrecht dar.
Abgrenzung zu anderen Zuchtmitteln
Die Verwarnung ist das mildeste unter den Zuchtmitteln. Zu den Zuchtmitteln zählen außerdem der Jugendarrest (§§ 16, 16a JGG) und die auferlegte Geldzahlung (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 JGG), wobei letztere jedoch nur bei Heranwachsenden vorgesehen ist.
Literatur und Weblinks
Weiterführende Literatur
- BeckOK JGG, § 14
- Eisenberg, Jugendgerichtsgesetz. Kommentar.
- Diem/Schoreit/Sonnen, Jugendgerichtsgesetz. Kommentar.
Siehe auch:
- [Zuchtmittel (Jugendstrafrecht)]
- [Jugendgerichtsgesetz]
- [Jugendgerichtsbarkeit in Deutschland]
Hinweis: Dieser Artikel bietet eine umfassende Übersicht zur Verwarnung nach Jugendstrafrecht. Bitte beachten Sie, dass die individuelle Anwendung im Einzelfall von den jeweiligen Umständen und der gerichtlichen Entscheidung abhängt.
Häufig gestellte Fragen
Wie lange bleibt eine Verwarnung nach Jugendstrafrecht bestehen?
Eine Verwarnung gemäß Jugendstrafrecht wird gemäß § 45, § 47 und § 59 Jugendgerichtsgesetz (JGG) als Erziehungsmaßregel ausgesprochen und stellt keine Vorstrafe im klassischen Sinne dar. Die Verwarnung wird im Erziehungsregister nach § 60 Abs. 1 Nr. 1 BZRG (Bundeszentralregistergesetz) erfasst, jedoch nicht im Führungszeugnis für private Zwecke (sog. „einfaches Führungszeugnis“) aufgeführt. Im Bundeszentralregister bleibt die Eintragung der Verwarnung zehn Jahre lang (gemäß § 46 Abs. 1 Nr. 2 BZRG), es sei denn, innerhalb dieses Zeitraums erfolgt eine weitere, ähnlich gelagerte Eintragung, was zu einer Verlängerung führen kann. Nach Ablauf der Frist wird die Eintragung nach § 46 BZRG automatisch getilgt und darf im Rechtsverkehr grundsätzlich nicht mehr zu Nachteilen führen.
Kann eine Verwarnung mit weiteren Auflagen kombiniert werden?
Ja, nach § 14 Abs. 2 JGG kann das Gericht eine Verwarnung mit zusätzlichen Auflagen verbinden. Typische Auflagen sind etwa die Schadenswiedergutmachung, Erbringung von Arbeitsleistungen (soziale Dienste) oder die Teilnahme an einem sozialen Trainingskurs. Der Zweck dieser Kombination ist es, dem Jugendlichen einerseits das Unrecht seiner Tat vor Augen zu führen (erzieherischer Effekt der Verwarnung) und ihn zugleich praxisbezogen zur Wiedergutmachung zu verpflichten. Die Auflagen müssen verhältnismäßig sein und dürfen sowohl Persönlichkeit als auch den Entwicklungsstand des Jugendlichen berücksichtigen.
Ist eine Verwarnung im Jugendstrafrecht im Führungszeugnis sichtbar?
Verwarnungen nach Jugendstrafrecht werden im Regelfall nicht in das einfache polizeiliche Führungszeugnis eingetragen und sind damit für Arbeitgeber, Ausbildungsstätten oder Vermieter in der Regel nicht sichtbar (§ 32 Abs. 2 Nr. 3 BZRG). Im erweiterten Führungszeugnis, das zum Beispiel für Tätigkeiten mit Kindern oder Jugendlichen verlangt werden kann, wird die Verwarnung unter denselben Maßgaben ebenfalls meist nicht aufgeführt. Nur bei besonders gelagerten Ausnahmefällen und weiteren relevanten Eintragungen kann eine Sichtbarkeit gegeben sein, was jedoch sehr selten der Fall ist.
Welche Folgen hat eine Verwarnung für das weitere Verfahren oder zukünftige Straftaten?
Im Jugendstrafrecht dient die Verwarnung als milde Sanktion und mahnt den Jugendlichen zur Änderung seines Verhaltens. Sollte binnen der Tilgungsfrist eine weitere Straftat erfolgen, kann die ordnungsrechtliche Vorbelastung (also die Verwarnung) im neuen Verfahren berücksichtigt werden. Dann kann das Gericht strengere Maßnahmen anordnen, weil es erkennt, dass die bloße Verwarnung nicht zur Verhaltensänderung geführt hat. Die Verwarnung beeinflusst also zukünftige Entscheidungsfindungen, solange sie im Register erfasst ist und die Tatart vergleichbar ist.
Können Rechtsmittel gegen eine Verwarnung eingelegt werden?
Gegen eine durch Urteil oder Beschluss ausgesprochene Verwarnung durch das Jugendgericht stehen dieselben Rechtsmittel wie bei anderen jugendstrafrechtlichen Maßnahmen zur Verfügung. Das bedeutet, dass sowohl Berufung als auch Revision eingelegt werden können. Auch im Beschwerdeverfahren ist ein entsprechender Rechtsschutz gegeben. Voraussetzung ist – wie bei allen Rechtsmitteln – die Einhaltung der gesetzlichen Fristen und die konkrete Darlegung der Beschwerdegründe nach der Strafprozessordnung (StPO) und dem JGG.
Wann kann eine Verwarnung als erledigt betrachtet werden?
Eine Verwarnung gilt als erledigt, wenn sie rechtskräftig ausgesprochen wurde, eventuelle damit verbundene Auflagen erfüllt und die Tilgungsfrist nach BZRG verstrichen ist. Sollte der Jugendliche innerhalb der gesetzten Frist alle Pflichten ordnungsgemäß erfüllen, hat er alle Anforderungen, die das Gericht an ihn stellte, erfüllt. Erst mit Eintragungstilgung im Bundeszentralregister nach Ablauf der Zehnjahresfrist – sofern keine neuen Eintragungen erfolgen – ist die Verwarnung im vollständigen rechtlichen Sinne „erledigt“.
Wie unterscheidet sich eine Verwarnung im Jugendstrafrecht von der im Erwachsenenstrafrecht?
Die Verwarnung ist im Jugendstrafrecht eine erzieherisch geprägte Sanktion gemäß §§ 13, 14 JGG. Im Erwachsenenstrafrecht existiert die Verwarnung mit Strafvorbehalt nach § 59 StGB, die grundsätzlich eine andere Zielsetzung hat: Sie soll dem Täter den Strafcharakter seines Handelns verdeutlichen, ohne sofort eine Strafe zu verhängen. Im Jugendstrafrecht hingegen stehen der erzieherische Einfluss und der Verzicht auf Strafcharakter im Vordergrund. Die Auswirkungen auf Eintragungen und das Führungszeugnis unterscheiden sich ebenfalls, da Verwarnungen nach Jugendstrafrecht i.d.R. weniger gravierende Folgen haben.