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Verwandtenunterhalt

Verwandtenunterhalt: Bedeutung und Systematik

Verwandtenunterhalt bezeichnet die gesetzliche Pflicht, Verwandten in gerader Linie finanziell beizustehen, wenn diese ihren Lebensbedarf nicht aus eigenen Mitteln decken können. Erfasst sind vor allem die Beziehungen zwischen Eltern und Kindern sowie zwischen Großeltern und Enkelkindern. Verwandte in der Seitenlinie (zum Beispiel Geschwister, Onkel oder Tanten) fallen nicht darunter. Der Anspruch ist zweiseitig angelegt: Kinder können von ihren Eltern Unterhalt verlangen; umgekehrt können auch Eltern von ihren volljährigen Kindern Unterhalt beanspruchen, wenn die Voraussetzungen vorliegen.

Arten des Unterhalts

Unterhalt kann in Form von Geldleistungen (Barunterhalt), Naturalleistungen (zum Beispiel Wohnraum, Verpflegung) oder durch Pflege und Betreuung erbracht werden. Bei minderjährigen Kindern ist häufig eine Kombination aus Betreuungs- und Barunterhalt maßgeblich. Beim Unterhalt gegenüber volljährigen Kindern und gegenüber Eltern steht in der Praxis der Geldunterhalt im Vordergrund.

Voraussetzungen des Anspruchs

Bedürftigkeit des Unterhaltsberechtigten

Bedürftig ist, wer seinen angemessenen Lebensbedarf nicht aus eigenem Einkommen und verwertbarem Vermögen bestreiten kann. Eigenes Einkommen (zum Beispiel Lohn, Rente, Wohngeld, Pflegeleistungen) ist vorrangig einzusetzen. Vermögen ist in zumutbarem Umfang zu verwerten; Schonvermögen bleibt unberührt. Beim Unterhalt für Eltern sind Leistungen der Pflegeversicherung, der Rentenversicherung und eventuelle Hilfen der öffentlichen Hand bedarfsdeckend zu berücksichtigen. Bei Kindern richtet sich der Bedarf insbesondere nach Alter, Ausbildung und Lebensstellung.

Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen

Leistungsfähig ist, wer den Unterhalt zahlen kann, ohne seinen eigenen angemessenen Lebensbedarf zu gefährden. Maßgeblich ist das bereinigte Einkommen, das um berufsbedingte Aufwendungen, notwendige Schulden, angemessene Vorsorgeaufwendungen und weitere anerkannte Abzüge reduziert wird. Ein Eigenbedarf (Selbstbehalt) sorgt dafür, dass der eigene Lebensunterhalt gesichert bleibt. Auch bestehende Pflichten gegenüber anderen Unterhaltsberechtigten mindern die Leistungsfähigkeit. In bestimmten Konstellationen kann ein fiktives Einkommen berücksichtigt werden, wenn eine zumutbare Erwerbstätigkeit möglich wäre.

Rangfolge bei mehreren Berechtigten

Wenn mehrere Personen gleichzeitig Unterhalt verlangen, gilt eine gesetzlich vorgegebene Rangfolge. Minderjährige und privilegierte volljährige Kinder sind besonders geschützt und stehen an erster Stelle. Ansprüche von Ehegatten oder eingetragenen Lebenspartnern sind ebenfalls vorrangig oder gleichrangig bedeutsam. Ansprüche von Eltern gegen ihre Kinder treten demgegenüber in der Regel nachrangig hinzu. Treffen gleichrangige Ansprüche auf begrenzte Mittel, werden diese nach Quoten verteilt (Mangelfall).

Umfang und Berechnung

Bedarfsermittlung

Der konkrete Unterhaltsbedarf variiert je nach Personengruppe und Lebenssituation. Beim Kindesunterhalt dient in der Praxis eine bundesweit beachtete Leitlinie als Orientierung für den monatlichen Bedarf in Abhängigkeit vom Einkommen der Eltern und dem Alter des Kindes. Zusätzlich können Mehr- und Sonderbedarfe hinzukommen, etwa für Klassenfahrten, Nachhilfe oder medizinisch notwendige Leistungen. Beim Elternunterhalt richtet sich der Bedarf nach dem angemessenen Lebensstandard sowie nach Heim- und Pflegekosten, abzüglich der eigenen Einkünfte und Leistungen. Bei volljährigen Kindern in Ausbildung bildet der Bedarf typischerweise den ausbildungs- und lebensbedarfsbezogenen Aufwand ab; bei Studierenden kommen Unterkunfts- und Ausbildungskosten hinzu.

Einkommens- und Vermögenseinsatz

Zur Ermittlung des unterhaltsrelevanten Einkommens werden regelmäßige Einkünfte über einen geeigneten Zeitraum gemittelt. Einmalzahlungen (zum Beispiel Boni oder Abfindungen) können anteilig berücksichtigt werden. Bei Selbstständigen erfolgt die Betrachtung typischerweise auf Basis mehrerer Jahresabschlüsse. Vermögen ist nur insoweit heranzuziehen, wie eine Verwertung zumutbar ist; ein angemessener Vermögensstamm für die Altersvorsorge bleibt regelmäßig unangetastet. Das Zusammenleben mit einem neuen Partner begründet keine eigenständige Unterhaltspflicht dieses Partners; es kann jedoch Auswirkungen auf die Ausgabenstruktur und damit auf die Leistungsfähigkeit haben.

Rückgriff öffentlicher Kostenträger

Übernehmen öffentliche Stellen Kosten, kann der Unterhaltsanspruch des Bedürftigen auf den Träger übergehen. Beim Unterhalt von Eltern gegenüber Kindern gilt eine gesetzliche Einkommensgrenze: Liegt das jährliche Bruttoeinkommen des Kindes unter 100.000 Euro, erfolgt eine Inanspruchnahme durch Sozialleistungsträger in der Regel nicht. Bei rein privaten Ansprüchen zwischen Eltern und Kindern ist hingegen die individuelle Leistungsfähigkeit maßgeblich, ohne dass diese Einkommensgrenze automatisch gilt.

Grenzen, Einwendungen und Anpassungen

Unbilligkeit und Verwirkung

Ein Unterhaltsanspruch kann ganz oder teilweise ausgeschlossen sein, wenn seine Durchsetzung grob unbillig wäre. In Betracht kommen schwerwiegende Verfehlungen oder nachhaltige Verletzungen familiärer Pflichten in der Vergangenheit. Solche Ausnahmen sind restriktiv zu beurteilen und vom Einzelfall abhängig.

Zeitliche Grenzen

Unterhalt ist grundlegend auf die Zukunft gerichtet und wird laufend fällig. Rückständiger Unterhalt lässt sich nur unter bestimmten Voraussetzungen geltend machen, insbesondere wenn der Anspruch zuvor wirksam geltend gemacht wurde. Unterhaltsansprüche unterliegen Verjährungsfristen.

Abänderung und Beendigung

Ändern sich Einkommen, Bedarf oder sonstige maßgebliche Umstände wesentlich, kann die Höhe des Unterhalts angepasst werden. Unterhaltspflichten enden, wenn die tatbestandlichen Voraussetzungen wegfallen, etwa bei eigener angemessener Selbstversorgung, bei Abschluss einer erstmaligen berufsqualifizierenden Ausbildung oder mit dem Tod einer beteiligten Person.

Durchsetzung und Titulierung

Auskunfts- und Belegpflichten

Zur Klärung von Bedürftigkeit und Leistungsfähigkeit bestehen wechselseitige Auskunftsansprüche über Einkommen, Vermögen und Belastungen. Üblich ist eine Belegvorlage über einen repräsentativen Zeitraum. Die Auskunftspflichten sind regelmäßig zu aktualisieren, wenn sich die Verhältnisse ändern.

Vereinbarung und Titel

Unterhalt kann durch private Vereinbarung geregelt und in einer vollstreckbaren Urkunde festgehalten werden. Ebenso kommen gerichtliche Entscheidungen oder Vergleiche in Betracht. Unterhaltstitel wirken fort und können bei maßgeblichen Änderungen abgeändert werden.

Vollstreckung

Wird titulierte Unterhaltspflicht nicht erfüllt, stehen Zwangsvollstreckungsmaßnahmen zur Verfügung. Dazu zählen unter anderem Lohn- und Kontopfändung sowie weitere Vollstreckungsmittel nach den allgemeinen Regeln.

Besonderheiten

Patchwork, Adoption, Stiefverhältnis

Adoptierte Kinder sind leiblichen Kindern gleichgestellt; bei einer Volladoption entstehen ausschließlich unterhaltsrechtliche Beziehungen zu den Adoptiveltern. Stiefkinder und Stiefeltern sind untereinander nicht im Rahmen des Verwandtenunterhalts verpflichtet. Schwiegerkinder haften nicht; das Einkommen eines Schwiegerkindes kann jedoch indirekt Bedeutung erlangen, etwa durch gemeinsame Haushaltsführung und daraus resultierende Kostenstrukturen.

Internationaler Bezug

Bei grenzüberschreitenden Sachverhalten bestimmen internationale Regeln, welches Recht anzuwenden ist und welche Gerichte zuständig sind. Innerhalb der Europäischen Union bestehen vereinfachte Anerkennungs- und Vollstreckungsmöglichkeiten. Währungsumrechnung und unterschiedliche Lebenshaltungskosten können berücksichtigt werden.

Steuerliche Aspekte

Unterhaltszahlungen können unter bestimmten Voraussetzungen steuerlich berücksichtigt werden. Die Einordnung hängt von der Konstellation, dem Verwandtschaftsverhältnis und der Ausgestaltung der Zahlungen ab.

Häufig gestellte Fragen

Wer ist zum Verwandtenunterhalt verpflichtet?

Unterhaltspflichtig sind Verwandte in gerader Linie, also Eltern gegenüber ihren Kindern und Kinder gegenüber ihren Eltern. Großeltern und Enkel können einander in nachrangigen Konstellationen verpflichtet sein. Verwandte in der Seitenlinie sind nicht erfasst.

Was bedeutet Bedürftigkeit beim Verwandtenunterhalt?

Bedürftigkeit liegt vor, wenn der berechtigte Verwandte seinen angemessenen Lebensbedarf nicht aus eigenem Einkommen und zumutbar verwertbarem Vermögen decken kann. Öffentliche Leistungen und Versicherungsleistungen sind bedarfsdeckend zu berücksichtigen.

Wie wird die Leistungsfähigkeit bestimmt?

Die Leistungsfähigkeit ergibt sich aus dem bereinigten Einkommen nach Abzug notwendiger Aufwendungen und eines angemessenen Eigenbedarfs. Weitere Unterhaltspflichten und die Rangfolge der Ansprüche werden einbezogen. In bestimmten Fällen kann ein fiktives Einkommen zugrunde gelegt werden.

Gibt es eine Einkommensgrenze beim Elternunterhalt?

Für den Rückgriff öffentlicher Träger gilt eine gesetzliche Grenze von 100.000 Euro jährlich bezogen auf das Bruttoeinkommen des Kindes; liegt dieses darunter, erfolgt eine Inanspruchnahme in der Regel nicht. Bei rein privaten Ansprüchen zwischen Eltern und Kindern gilt diese Grenze nicht automatisch; maßgeblich ist die individuelle Leistungsfähigkeit.

Müssen Vermögenswerte für Unterhalt eingesetzt werden?

Grundsätzlich ist Vermögen einzusetzen, soweit dies zumutbar ist. Ein angemessener Vermögensstamm, insbesondere für die Altersvorsorge, bleibt regelmäßig unberührt. Beim Berechtigten sind verwertbare Vermögenswerte vorrangig einzusetzen, bevor Unterhalt verlangt wird.

Kann Verwandtenunterhalt rückwirkend verlangt werden?

Unterhalt ist im Grundsatz für die Zukunft geschuldet. Rückwirkende Geltendmachung kommt nur in engen Grenzen in Betracht, insbesondere wenn der Anspruch zuvor wirksam geltend gemacht wurde. Zudem gelten Verjährungsfristen.

Wie lange besteht eine Unterhaltspflicht gegenüber volljährigen Kindern?

Die Pflicht besteht grundsätzlich bis zur Erlangung einer erstmaligen berufsqualifizierenden Ausbildung und endet, wenn sich das Kind selbst angemessen unterhalten kann. Zeitraum und Umfang hängen vom individuellen Bildungsweg und den Umständen des Einzelfalls ab.

Welche Rolle spielen Auskunftspflichten?

Auskunfts- und Belegpflichten dienen der Klärung von Bedürftigkeit und Leistungsfähigkeit. Beide Seiten müssen relevante Einkünfte, Vermögensverhältnisse und Belastungen offenlegen; bei Änderungen sind Aktualisierungen erforderlich.