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Verwandtenehe


Begriff und rechtliche Einordnung der Verwandtenehe

Die Verwandtenehe beschreibt die Ehe zwischen Personen, die in einem bestimmten Grad miteinander verwandt sind. Dieser Begriff ist maßgeblich im Familienrecht verankert und betrifft zahlreiche gesetzliche Regelungen, die das Zustandekommen, die Wirksamkeit sowie die Folgen einer solchen Ehe betreffen. In verschiedenen Staaten existieren unterschiedliche gesetzliche Verbote, Ausnahmen und Regelungen im Hinblick auf die Zulässigkeit und Wirkung der Verwandtenehe.


Gesetzliche Verbote der Verwandtenehe im deutschen Recht

Verwandtenehe im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB)

Das deutsche Familienrecht regelt die Verwandtenehe vor allem im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB). Gemäß § 1307 BGB dürfen Ehegatten nicht in gerader Linie miteinander verwandt sein. In gerader Linie verwandt sind beispielsweise Eltern und Kinder, Großeltern und Enkel. Darüber hinaus verbietet das Gesetz auch Eheschließungen zwischen voll- oder halbbürtigen Geschwistern. Das Verbot gilt unabhängig davon, ob das Verwandschaftsverhältnis auf Blutsverwandtschaft oder auf Annahme als Kind (Adoption) beruht.

Gesetzestext § 1307 BGB

„Eine Ehe darf nicht zwischen Personen geschlossen werden, die miteinander in gerader Linie verwandt sind oder als Geschwister miteinander verwandt oder verschwägert sind; dies gilt auch, wenn das Verwandtschaftsverhältnis durch Annahme als Kind erloschen ist.“

Ausnahmen und Sondersituationen

Eine Ehe zwischen Stiefgeschwistern, also Kindern, von nur durch Heirat verbundenen Elternteilen, ist nicht von § 1307 BGB erfasst. Ebenfalls ausgenommen sind Verwandte in der Seitenlinie ab dem dritten Grad sowie weiter entfernte Verwandte.


Rechtsfolgen einer Verwandtenehe

Nichtigkeit der Verwandtenehe

Nach deutschem Recht ist eine verbotene Verwandtenehe nichtig. Die Nichtigkeit tritt kraft Gesetzes ein, ohne dass es einer gerichtlichen Entscheidung bedarf. Dennoch kann zur Feststellung der Nichtigkeit eine gerichtliche Entscheidung beantragt werden. Rechtsgrundlage dafür findet sich in § 1314 Abs. 1 BGB.

Folgen der Nichtigkeit

Mit der Feststellung der Nichtigkeit gelten die Ehegatten rückwirkend als nicht miteinander verheiratet. Gleichwohl schützt das Gesetz den sogenannten „gutgläubigen Ehegatten“, für den besondere Schutzvorschriften, wie etwa Unterhaltsansprüche (vgl. § 1318 BGB), greifen können. Dies soll insbesondere dann greifen, wenn einer der beiden Eheleute zum Zeitpunkt der Eheschließung keine Kenntnis vom Verwandtschaftsverhältnis hatte.

Auswirkungen auf Kinder aus einer nichtigen Ehe

Kinder, die aus einer verbotenen Verwandtenehe hervorgegangen sind, werden dennoch rechtlich nicht schlechtergestellt. Sie gelten als eheliche Kinder, sofern die Ehe zum Zeitpunkt der Geburt Bestand hatte. Versorgungs- und Unterhaltsverpflichtungen bleiben ebenfalls unberührt.


Verwandtenehe im internationalen Recht

Vergleichende Betrachtung

Weltweit existieren unterschiedliche Ansätze zur Regelung der Verwandtenehe. Während in vielen europäischen Staaten, wie Frankreich und Spanien, strikte Verbote vergleichbar mit Deutschland gelten, gibt es in anderen Kulturen, insbesondere im Nahen Osten, Nordafrika und Teilen Asiens, eine größere Akzeptanz bzw. erlaubte Konstellationen bis zum Cousin- und Cousinen-Grad.

Internationales Privatrecht

Werden Ehen im Ausland geschlossen und kommt es zu einer Verwandtenehe, stellt sich bei einem Aufenthalt oder Wohnsitz in Deutschland die Frage der Anerkennung. Hierzu ist Art. 13 EGBGB (Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch) maßgeblich. Der Grundsatz lautet, dass eine im Ausland wirksam geschlossene Ehe grundsätzlich anerkannt wird, sofern keine gravierenden Verstöße gegen deutsche ordre public-Grundsätze („öffentliche Ordnung“) vorliegen. Eine im Ausland zwischen Geschwistern geschlossene Ehe wird in Deutschland aus diesem Grund regelmäßig nicht anerkannt.


Verwandtenehe und medizinische Aspekte

Rechtliche Relevanz genetischer Risiken

Das Verbot der Verwandtenehe basiert nicht nur auf sozialen, sondern auch auf medizinischen Überlegungen. Das Risiko für genetisch bedingte Erkrankungen bei Nachkommen von nahen Verwandten ist wissenschaftlich belegt. Diese Aspekte werden regelmäßig bei Gesetzesvorhaben und -diskussionen berücksichtigt und sind in Gesetzesbegründungen sowie Rechtfertigungen von Verbotsregelungen festgehalten.


Strafrechtliche Aspekte der Verwandtenehe

In Deutschland stellt der Geschlechtsverkehr zwischen in gerader Linie Verwandten oder zwischen Geschwistern einen Straftatbestand dar (Inzest, § 173 StGB). Das Eingehen einer Verwandtenehe allein ist hingegen ausschließlich zivilrechtlich als Nichtigkeitsgrund normiert; strafbare Handlungen ergeben sich jedoch aus dem Vorliegen einer Inzestkonstellation.


Historische Entwicklung

Im Verlauf der Geschichte unterlagen die Regelungen zur Verwandtenehe erheblichen Wandlungen. Während sie im Mittelalter unter bestimmten Voraussetzungen durch päpstliche Dispense möglich war, führte die zunehmende Erkenntnis medizinischer Risiken und gesellschaftlicher Veränderungen zu einer Verschärfung der heutigen Verbote.


Zusammenfassung

Die Verwandtenehe ist eine im deutschen Recht umfassend geregelte Form der Eheschließung, die in bestimmten Verwandtschaftsgraden ausdrücklich verboten ist. Verstöße führen zur Nichtigkeit der Ehe und haben weitreichende zivilrechtliche sowie, unter Umständen, strafrechtliche Konsequenzen. Im internationalen Kontext existiert eine Vielzahl verschiedener Regelungen, die wiederum Auswirkungen auf die Anerkennung solcher Ehen im Inland haben können. Die bestehenden gesetzlichen Verbote dienen vor allem dem Schutz der Familie und der Gesellschaft und sind durchgehend von medizinischen, sozialen und rechtlichen Erwägungen geprägt.

Häufig gestellte Fragen

In welchen Fällen ist eine Verwandtenehe nach deutschem Recht verboten?

Nach deutschem Recht ist die Ehe zwischen Verwandten in gerader Linie sowie zwischen vollbürtigen und halbbürtigen Geschwistern grundsätzlich verboten. Dies ist in § 1307 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) geregelt. Eine Ehe darf danach nicht zwischen Personen geschlossen werden, die miteinander in gerader Linie verwandt sind, beispielsweise zwischen Eltern und Kindern oder Großeltern und Enkeln. Ebenso ist die Ehe zwischen Geschwistern, gleich ob sie denselben Vater und/oder dieselbe Mutter haben (vollbürtig oder halbbürtig), untersagt. Das Verbot umfasst sowohl leibliche als auch adoptierte Kinder, sofern die Annahme als Kind durch Adoption erfolgt ist (§ 1308 Abs. 1 BGB i.V.m. § 1756 BGB). Stiefgeschwister oder -eltern und -kinder sind jedoch nicht direkt betroffen, da kein Verwandtschaftsverhältnis im rechtlichen Sinne besteht. Die Verbote sind zwingend; Verstöße führen zur Nichtigkeit der Ehe nach § 1314 BGB.

Können im Ausland geschlossene Verwandtenehen in Deutschland anerkannt werden?

Ehen zwischen Verwandten, die rechtmäßig im Ausland geschlossen wurden, unterliegen in Deutschland der Anerkennung nur dann, wenn sie mit den deutschen ordre public (öffentliche Ordnung) vereinbar sind. Nach Art. 6 EGBGB (Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch) ist die Anerkennung zu versagen, wenn sie dem deutschen Recht und den wesentlichen Grundsätzen der deutschen Rechtsordnung widerspricht. Da das Verbot der Verwandtenehe in Deutschland zwingendes Recht und Ausdruck des ordre public ist, werden solche Ehen grundsätzlich nicht anerkannt, selbst wenn sie im Herkunftsland rechtmäßig eingegangen wurden. Besonders bei ehelichen Rechten und Pflichten sowie bei Aufenthalts- oder Familiennachzug kann dies weitreichende Folgen haben.

Welche rechtlichen Folgen hat der Versuch, eine unzulässige Verwandtenehe zu schließen?

Wird versucht, eine nach deutschem Recht verbotene Verwandtenehe zu schließen, so ist der Standesbeamte verpflichtet, die Eheschließung zu verweigern (§ 1310 BGB). Sollte die Ehe dennoch – etwa durch Täuschung oder falsche Angaben – geschlossen werden, ist sie gemäß § 1314 Abs. 2 Nr. 1 BGB nichtig. Die Nichtigkeit kann jederzeit von jedermann festgestellt werden, da die Eheschließung gegen ein gesetzliches Verbot verstößt. Zudem ergibt sich keine Ehegattenstellung mit den damit verbundenen Rechten und Pflichten. Es kann ferner zu strafrechtlichen Ermittlungen wegen der Abgabe falscher eidesstattlicher Versicherungen (§ 156 StGB) oder wegen Betrugs kommen.

Gibt es Ausnahmen vom Eheverbot unter Verwandten im deutschen Recht?

Das deutsche Recht kennt für das Eheverbot unter Verwandten keine generellen Ausnahmen. Das Eheverbot ist strikt und zwingend für Beziehungen in gerader Linie sowie unter Geschwistern (siehe § 1307 BGB). Auch wenn beide Ehewillige volljährig und einverstanden sind oder die Beziehung bereits längere Zeit besteht, bleibt das Verbot bestehen. Eine Ausnahme besteht seit einer Reform im Adoptionsrecht unter bestimmten Voraussetzungen für ursprünglich verwandt gewesene, aber später nicht mehr in gerader Linie oder als Geschwister geltende Adoptivkinder, wenn die Adoptionsverhältnisse aufgehoben wurden. Diese Sonderfälle sind jedoch selten; generell bleibt das Eheverbot bindend.

Welche Auswirkungen hat eine Verwandtenehe auf das Erbrecht und andere Familienrechte?

Eine nach deutschem Recht nichtige Verwandtenehe hat keine rechtlichen Folgen im Bereich des Erbrechts, des Unterhaltsrechts oder anderer familienrechtlicher Ansprüche. Mit der Feststellung der Nichtigkeit gelten die beteiligten Personen weiterhin nur als Verwandte, nicht als Ehegatten. Das heißt, es bestehen keine wechselseitigen Erbansprüche, kein Anspruch auf Ehegattenunterhalt und keine Ansprüche auf Zugewinnausgleich. Gleiches gilt für Fragen der Staatsangehörigkeit und des Aufenthaltsrechts – eine nicht anerkannte Ehe kann beispielsweise keine Grundlage für eine Einbürgerung oder einen Ehegattennachzug bilden.

Gibt es internationale Unterschiede im Umgang mit Verwandtenehen?

Der rechtliche Umgang mit Verwandtenehen variiert international stark. Während in Deutschland und den meisten europäischen Staaten die Ehe zwischen Verwandten in direkter Linie und unter Geschwistern strikt verboten ist, gibt es in anderen Ländern – insbesondere im Nahen Osten, in Teilen Afrikas und Asiens – zulässige Ehen zwischen bestimmten Verwandten (etwa Cousin und Cousine). Dies führt bei grenzüberschreitenden Sachverhalten oft zu Konflikten bezüglich der Anerkennung solcher Ehen in Deutschland. Die deutschen Behörden wenden dabei stets deutsches Recht und das Prinzip des ordre public an, um die Anerkennung solcher Ehen im Inland zu prüfen und meist abzulehnen.

Welche Strafen drohen bei Verstoß gegen das Verwandteneheverbot?

Das deutsche Recht sieht unmittelbar keine strafrechtliche Sanktion allein für den Versuch oder die Eingehung einer verbotenen Verwandtenehe vor. Die Sanktion besteht primär in der Nichtigkeit der Ehe. Strafbar macht sich jedoch, wer zur Durchsetzung einer verbotenen Verwandtenehe falsche Angaben im Personenstandsregister macht, zum Beispiel durch die Vorlage gefälschter Dokumente oder die Abgabe falscher eidesstattlicher Versicherungen (§ 156 StGB, § 267 StGB). Zudem können bei Zwangsheiraten oder Fällen mit minderjährigen Personen weitere Straftatbestände, wie etwa Nötigung (§ 240 StGB) oder Kindesmissbrauch (§ 174 StGB), erfüllt sein.