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Verwaltungsverordnung


Begriff und rechtliche Einordnung der Verwaltungsverordnung

Die Verwaltungsverordnung ist ein zentrales Instrument des öffentlichen Verwaltungsrechts in Deutschland und findet darüber hinaus auch in vergleichbaren Formen in anderen mitteleuropäischen Rechtsordnungen Anwendung. Sie bezeichnet eine abstrakt-generelle Anordnung einer übergeordneten Verwaltungsbehörde an nachgeordnete Behörden zur Regelung des Verwaltungshandelns innerhalb der Verwaltungshierarchie. Verwaltungsverordnungen stellen damit ein wesentliches Bindeglied zwischen Gesetzgebung und Verwaltungspraxis dar.

Rechtsnatur der Verwaltungsverordnung

Abgrenzung zur Rechtsverordnung und Verwaltungsvorschrift

Im Gegensatz zur Rechtsverordnung, die auf gesetzlicher Grundlage mit Außenwirkung erlassen wird und unmittelbar Rechte und Pflichten für Bürgerinnen und Bürger erzeugt, besitzt die Verwaltungsverordnung ausschließlich Innenwirkung. Sie richtet sich an Behörden oder Beamte und entfaltet keine unmittelbare rechtliche Wirkung gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern. Der Begriff wird teils mit „Verwaltungsvorschrift“ gleichgesetzt; in der Fachterminologie bezeichnet „Verwaltungsverordnung“ vorrangig abstrakt-generelle Regelungen mit Verbindlichkeit für die Verwaltung.

Normativer Charakter

Im hierarchischen Gefüge der Rechtsquellen ist die Verwaltungsverordnung als interne Richtlinie zu bezeichnen. Sie besitzt normähnlichen Charakter, ohne formell Gesetz oder Rechtsverordnung zu sein. Die rechtliche Bindungswirkung entfaltet sich im Rahmen der behördlichen Organisation und Weisungsbindung, vor allem nach dem Grundsatz der Hierarchie innerhalb der Exekutive.

Rechtsgrundlage und Erlass von Verwaltungsverordnungen

Kompetenz und Verfahren

Der Erlass einer Verwaltungsverordnung erfolgt in Ausübung der Organisationsgewalt einer Behörde (insbesondere Ministerien, Oberbehörden) gegenüber nachgeordneten Behörden. Die Kompetenz richtet sich nach spezialgesetzlichen Vorschriften oder der jeweiligen Geschäftsordnung der Verwaltung. Verwaltungsverordnungen werden in aller Regel schriftlich und häufig unter angemessener Beteiligung betroffener Stellen erlassen, sind aber an keine feste Form gebunden, soweit das einschlägige Organisationsrecht dies nicht vorschreibt.

Rechtsgrundlagen und Schranken

Verwaltungsverordnungen bedürfen keiner gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage, da sie als Innenrecht „organisationsinterne“ Maßnahmen darstellen. Sie sind jedoch an höherrangige Rechtsnormen – insbesondere Gesetz, Verfassung, Rechtsverordnung – gebunden und dürfen nicht gegen zwingendes Recht verstoßen. Verstöße führen zur Rechtswidrigkeit der Verwaltungsverordnung, was im Einzelfall zu deren Nichtanwendung führen kann.

Inhalt und Reichweite von Verwaltungsverordnungen

Regelungsgegenstand

Klassische Anwendungsbeispiele für Verwaltungsverordnungen sind:

  • Konkretisierung unbestimmter Rechtsbegriffe (z. B. zur einheitlichen Anwendung von Gesetzen)
  • Festlegung von Verfahrensstandards und Zuständigkeiten innerhalb einer Behörde
  • Ausgestaltung von Ermessensspielräumen durch „Ermessenslenkung“
  • Organisation interner Ablauf- und Entscheidungsprozesse

Bindungswirkung

Verwaltungsverordnungen binden nachgeordnete Behörden und deren Bedienstete grundsätzlich im Rahmen ihrer Dienstpflicht. In Ausnahmefällen kann von Verwaltungsverordnungen abgewichen werden, wenn dies durch Einzelmerkmale des Falles geboten ist oder eine fehlerhafte Verwaltungsverordnung vorliegt.

Gegenüber Bürgerinnen und Bürgern, Unternehmen oder sonstigen Außenstehenden besitzen Verwaltungsverordnungen keine unmittelbare Geltung. Sie können jedoch mittelbare Auswirkungen entfalten, wenn sie der praktischen Wahrung der Gleichbehandlung und der Verwaltungstransparenz dienen.

Kontrolle und Rechtsschutz im Zusammenhang mit Verwaltungsverordnungen

Verwaltungsgerichtliche Kontrolle

Verwaltungsverordnungen unterliegen grundsätzlich nicht der unmittelbaren verwaltungsgerichtlichen Kontrolle, da sie keine Außenwirkung entfalten. Eine inzidente gerichtliche Überprüfung findet jedoch statt, wenn ein Verwaltungsakt, der auf einer Verwaltungsverordnung beruht, durch Betroffene angefochten wird. In diesem Fall überprüft das Gericht auch die Rechtmäßigkeit der zugrundeliegenden Verwaltungsverordnung.

Selbstbindung der Verwaltung

Obwohl Verwaltungsverordnungen keine Außenwirkung besitzen, kann eine Behörde in Ausnahmefällen im Sinne des Gleichheitssatzes an eine generell praktizierte Selbstbindung gebunden sein. Dies gilt insbesondere dann, wenn aus der allgemeinen Verwaltungspraxis berechtigte Vertrauenstatbestände erwachsen sind.

Abgrenzung zu anderen administrativen Regelungen

Richtlinie, Verwaltungsvorschrift und Erlass

Im Unterschied zur Verwaltungsverordnung sind Richtlinien und Verwaltungsvorschriften übergeordnete Oberbegriffe für verschiedene Arten interner Regelungen; Verwaltungsverordnungen stellen eine Form von Verwaltungsvorschrift dar. Erlasse sind Weisungen im Einzelfall, während Verwaltungsverordnungen sich durch ihre generelle Geltung auszeichnen.

Interessen und Ziele

Während Gesetze und Rechtsverordnungen die Rechtsordnung für Bürgerinnen und Bürger strukturieren, dienen Verwaltungsverordnungen der effektiven Steuerung und rechtsstaatlichen Vereinheitlichung des Verwaltungshandelns. Sie sind somit ein wesentliches Steuerungsinstrument der Exekutive.

Bedeutung und Praxis der Verwaltungsverordnung

Verwaltungsverordnungen tragen maßgeblich zu einer einheitlichen und rechtsstaatlichen Durchführung von Verwaltungsvorschriften bei. Sie sichern die Gleichbehandlung innerhalb der Verwaltung, fördern Effizienz und rechtskonforme Abläufe und bieten Orientierung bei der Auslegung und Anwendung von Gesetzen.

Literaturhinweise und Referenzen

  • Maurer, Hartmut: Allgemeines Verwaltungsrecht, München, aktuelle Auflage
  • Schmidt-Bleibtreu/Klein: Kommentar zum Grundgesetz, neueste Auflage
  • Stelkens, Michael/Bonk/Sachs: Verwaltungsverfahrensgesetz, Kommentar, maßgebliche Auflage

Verwaltungsverordnung ist folglich ein elementarer Begriff des Verwaltungsrechts, dessen rechtliche Bedeutung und Anwendungsbereiche für das Verständnis der Steuerungsmechanismen innerhalb der Verwaltung unverzichtbar sind.

Häufig gestellte Fragen

Wann ist eine Verwaltungsverordnung rechtlich bindend?

Eine Verwaltungsverordnung ist grundsätzlich ein normuntergeordnetes Regelwerk, das von Verwaltungsbehörden zur Regelung des eigenen Verwaltungshandelns erlassen wird. Ihre rechtliche Bindungswirkung entfaltet sie in erster Linie intern, das heißt für die nachgeordneten Behörden innerhalb der jeweiligen Verwaltungshierarchie. Für die Bürger ist sie hingegen grundsätzlich nicht verbindlich, da sie keine Außenwirkung hat. Rechtsverbindlichkeit für Dritte kann eine Verwaltungsverordnung nur dann erlangen, wenn sie aufgrund gesetzlicher Ermächtigungen den Charakter einer Rechtsverordnung annimmt; dies ist jedoch selten der Fall, da hierfür strenge formelle (zum Beispiel Verkündung, Zitiergebot etc.) und materielle Anforderungen bestehen. Im Innenverhältnis bewirkt sie jedoch, dass die Verwaltung zur einheitlichen Anwendung und Entscheidung verpflichtet ist, solange keine Ermessensreduzierung vorliegt oder die Sachlage eine abweichende Entscheidung notwendig macht.

Kann eine Verwaltungsverordnung gerichtlich überprüft werden?

Eine unmittelbare gerichtliche Überprüfung einer Verwaltungsverordnung ist grundsätzlich nicht vorgesehen, da sie keinen Verwaltungsakt im Sinne des § 35 VwVfG darstellt und nicht an Außenwirkung gegenüber dem Bürger entfaltet. Allerdings kann die rechtliche Überprüfung mittelbar erfolgen, insofern die Verwaltungsverordnung im Rahmen eines konkreten Verwaltungsakts oder einer Verfügung zur Anwendung kommt. In diesem Fall prüfen die Verwaltungsgerichte, ob die Verwaltung im Einklang mit Gesetz und Recht sowie mit pflichtgemäßem Ermessen gehandelt hat und ob die Verwaltungsverordnung als interne Weisung gesetzeskonform ist. Stellt das Gericht hierbei fest, dass die Verwaltungsverordnung gegen höherrangiges Recht verstößt, so ist sie nicht anzuwenden.

In welchem Umfang ist die Verwaltung an eine Verwaltungsverordnung gebunden?

Die Verwaltungen sind innerhalb ihrer Hierarchie grundsätzlich an die von vorgesetzten Behörden erlassenen Verwaltungsverordnungen gebunden, soweit keine Eigenverantwortung oder – insbesondere bei gebundenen Entscheidungen – keine abweichende gesetzliche Regelung besteht. Dies dient der einheitlichen Verwaltungspraxis, um Gleichheit im Verwaltungshandeln zu gewährleisten. Handelt es sich jedoch um Ermessensentscheidungen, kann die Bindungswirkung der Verwaltungsverordnung eingeschränkt sein: Die Verwaltung muss stets prüfen, ob der individuelle Einzelfall Anlass für eine abweichende Entscheidung gibt (Selbstbindung der Verwaltung, Art. 3 GG). Im Extremfall kann eine starre Anwendung einer Verwaltungsverordnung zur rechtswidrigen Gleichbehandlung führen, wenn dadurch das gesetzlich eingeräumte Ermessen nicht oder falsch ausgeübt wird.

Welche Unterschiede bestehen zwischen einer Verwaltungsverordnung und einer Rechtsverordnung?

Während eine Verwaltungsverordnung (auch Innenrechtsetzung genannt) lediglich das interne Handeln der Verwaltung steuert und keine unmittelbare Außenwirkung gegenüber Bürgern entfaltet, besitzt die Rechtsverordnung die gleiche Verbindlichkeit wie ein Gesetz und gilt unmittelbar für und gegen jedermann. Rechtsverordnungen werden aufgrund ausdrücklicher gesetzlicher Ermächtigungen von Verwaltungsbehörden oder der Regierung erlassen, unterliegen dabei besonderen Verfahrensanforderungen (wie zum Beispiel Verkündungspflichten) und können von Gerichten im Rahmen der Normenkontrolle direkt überprüft werden. Verwaltungsverordnungen hingegen setzen lediglich das Verwaltungshandeln um, ohne ein konkretes außenwirksames Rechtsverhältnis zu begründen.

Wie erfolgt die Veröffentlichung einer Verwaltungsverordnung?

Anders als Gesetze oder Rechtsverordnungen, für deren Inkrafttreten eine Verkündung in einem amtlichen Publikationsorgan gesetzlich vorgeschrieben ist, besteht für Verwaltungsverordnungen grundsätzlich keine Veröffentlichungspflicht nach außen. Ihre Bekanntgabe erfolgt typischerweise verwaltungsintern, etwa über Rundschreiben, Amtsblätter oder dienstliche Anweisungen an unterstellte Behörden. Öffentlich bekannt gemacht werden sie nur ausnahmsweise, beispielsweise, wenn eine weitergehende Transparenz der Gesetzesauslegung oder eine einheitliche Anwendung in Sonderfällen erwünscht ist. Mangels Verkündung nach außen besitzen sie in aller Regel auch keine unmittelbare Rechtswirkung gegenüber Außenstehenden.

Können Verwaltungsverordnungen rückwirkend erlassen werden?

Verwaltungsverordnungen können grundsätzlich nicht mit Rückwirkung erlassen werden, da ihr Zweck primär darin besteht, das Verwaltungshandeln für die Zukunft zu steuern und einheitlich auszugestalten. Eine echte Rückwirkung wäre ohnehin nur schwer mit dem rechtsstaatlichen Grundsatz der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes (Art. 20 Abs. 3 GG) vereinbar. Jedoch ist eine sogenannte unechte Rückwirkung möglich, wenn die Wirkungen einer Verwaltungsverordnung sich auf noch nicht abgeschlossene Verwaltungsverfahren erstrecken und Betroffene dadurch nicht in bereits begründete Rechtspositionen eingreifen.

Welche rechtlichen Konsequenzen hat ein Verstoß gegen eine Verwaltungsverordnung für die Verwaltung?

Verstößt ein Verwaltungsmitarbeiter gegen die Vorgaben einer Verwaltungsverordnung, so stellt dies – abhängig von der Bedeutung der Vorschrift und den dienstrechtlichen Vorgaben – eine Pflichtverletzung dar, die dienstrechtlich geahndet werden kann (zum Beispiel durch Abmahnung, Disziplinarmaßnahme). Rechtlich entscheidend ist jedoch, dass ein solcher Verstoß nicht automatisch die Unwirksamkeit einer Verfügung gegenüber dem Bürger nach sich zieht. Die Wirksamkeit des Verwaltungsakts hängt davon ab, ob auch gegen höherrangiges Recht verstoßen wurde. Widerspricht allerdings die Anwendung oder Nichtanwendung der Verwaltungsverordnung dem Gleichheitssatz (Art. 3 GG) oder anderen rechtlichen Vorgaben, kann ein Rechtsschutzinteresse des Betroffenen bestehen.