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Verwaltungsrechtliche Rehabilitierung (DDR)


Begriff und Grundlagen der Verwaltungsrechtlichen Rehabilitierung (DDR)

Die verwaltungrechtliche Rehabilitierung (DDR) bezeichnet ein rechtliches Verfahren, das der Wiedergutmachung von Verwaltungsakten dient, die während der Zeit der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) und in der sowjetischen Besatzungszone bis 1990 zu Unrecht gegen Individuen oder Gesellschaften erlassen wurden. Ziel ist es, Personen, die infolge systemwidriger Handlungen im Rahmen von Verwaltungsentscheidungen oder -maßnahmen erhebliche persönliche Nachteile erlitten haben, rechtlich zu rehabilitieren und gegebenenfalls Ansprüche auf soziale Ausgleichsleistungen zuzuerkennen.

Rechtlicher Hintergrund und Entwicklung

Historische Entwicklung

Nach der deutschen Wiedervereinigung im Jahr 1990 wurde ein umfassender rechtlicher Rahmen geschaffen, um das Unrecht in der DDR zu bearbeiten und zu beheben. Neben strafrechtlichen und beruflichen Rehabilitierungsregelungen wurde mit dem Verwaltungsrechtlichen Rehabilitierungsgesetz (VwRehaG) erstmals ein Gesetzentwurf eingeführt, der die Aufhebung rechtswidriger Verwaltungsentscheidungen ermöglicht und Betroffenen zur Seite steht.

Gesetzliche Grundlagen: Das Verwaltungsrechtliche Rehabilitierungsgesetz (VwRehaG)

Das Verwaltungsrechtliche Rehabilitierungsgesetz (VwRehaG) regelt die Voraussetzungen und das Verfahren für die Aufhebung unrechtmäßiger Verwaltungsakte, die unter Missachtung der Menschenrechte oder aus politischen Gründen zwischen 1945 und 1990 erlassen wurden. Ziel ist die Beseitigung fortbestehender Rechtsnachteile, die in Folge der Verwaltungsentscheidungen eintraten.

Anwendungsbereich des VwRehaG

Das VwRehaG gilt für:

  • Verwaltungsakte und sonstige Maßnahmen, die durch Behörden der DDR oder der Sowjetischen Besatzungszone aus politischen Gründen erlassen wurden
  • Enteignungen, Eingriffe in Eigentum, Vermögenswerte oder berufliche und wirtschaftliche Existenzen
  • Maßnahmen ohne strafrechtlichen Charakter (insbesondere solche, die nicht Gegenstand strafrechtlicher oder beruflicher Rehabilitierung sein können)

Abgrenzung zu anderen Rehabilitierungsformen

Die verwaltungsrechtliche Rehabilitierung unterscheidet sich von:

  • Strafrechtlicher Rehabilitierung: Hier werden unrechtmäßige Strafurteile aufgehoben.
  • Beruflicher Rehabilitierung: Diese betrifft Diskriminierung oder Berufsverbote aus politischen Gründen.

Die verwaltungsrechtliche Rehabilitierung ergänzt diese Regelungen und bezieht sich insbesondere auf wirtschaftliche und soziale Maßnahmen.

Voraussetzungen der Verwaltungsrechtlichen Rehabilitierung

Grundsätzliche Voraussetzungen

Eine Rehabilitierung nach dem VwRehaG kommt in Betracht, wenn:

  • Verwaltungsentscheidungen oder -maßnahmen aus politischen Gründen getroffen wurden,
  • diese Maßnahmen zu erheblichen Nachteilen führten (z.B. Vermögensentzug, Einschränkung der Berufsausübung, Zwangsumzüge),
  • keine andere Rehabilitierung (strafrechtlich bzw. beruflich) eingreift, und
  • die Maßnahme nach heutigen rechtsstaatlichen Grundsätzen als offensichtlich schwerwiegend rechtsstaatswidrig anzusehen ist (z.B. Verletzung von Persönlichkeitsrechten, Eigentumsgarantie, Gleichheitssatz).

Typische Verwaltungsmaßnahmen in der DDR

Zu den typischen Maßnahmen, die eine verwaltungsrechtliche Rehabilitierung nach sich ziehen können, zählen:

  • Enteignung von Vermögenswerten ohne Entschädigung
  • Einziehung von Grund und Boden im Rahmen von Bodenreformen
  • Widerruf von Berufszulassungen ohne rechtlichen Grund
  • Zwangsumzüge (sogenannte Zwangsaussiedlungen)
  • Unrechtmäßige Kindesentziehungen oder Heimeinweisungen

Verfahren der Verwaltungsrechtlichen Rehabilitierung

Antragstellung

Das Verfahren setzt einen Antrag der betroffenen Person oder ihrer Rechtsnachfolger bei der zuständigen Rehabilitierungsbehörde voraus. Der Antrag muss die betroffenen Maßnahmen und deren Auswirkungen darlegen.

Entscheidungsfindung

Die Behörde prüft, ob die Voraussetzungen der verwaltungsrechtlichen Rehabilitierung erfüllt sind. Im Rahmen einer Einzelfallprüfung werden insbesondere die Beweggründe und Umstände der damaligen Entscheidungen sowie deren Auswirkungen unter Berücksichtigung der politische Motivationslage bewertet.

Rechtsfolgen und Wirkungen

Aufhebung der Maßnahmen

Bei stattgebender Entscheidung wird die seinerzeitige Verwaltungsmaßnahme aufgehoben bzw. deren Rechtswirkungen für unwirksam erklärt.

Folgerechte und Ausgleichsleistungen

Die Rehabilitierung begründet unter bestimmten Bedingungen Ansprüche auf:

  • Soziale Ausgleichsleistungen gemäß § 7 ff. VwRehaG (z.B. Rentenersatz- oder Ausgleichsleistungen für Gesundheitsschäden, soziale Entschädigung)
  • Besondere Fürsorgemaßnahmen, etwa zur Wiedererlangung des entzogenen Eigentums, soweit keine vorrangigen Regelungen des Vermögensrechts bestehen
  • Wiedereinsetzung früherer Rechte sowie eine Berichtigung amtlicher Dokumente

Rechtsschutzmöglichkeiten

Die Entscheidung der Rehabilitierungsbehörde ist mit dem Widerspruch und der anschließenden Klage vor den Verwaltungsgerichten anfechtbar.

Besonderheiten und Abgrenzungen

Zeitliche Anwendbarkeit

Das VwRehaG ist beschränkt auf Verwaltungsakte und Maßnahmen, die im Zeitraum vom 8. Mai 1945 bis zum 2. Oktober 1990 (einschließlich DDR-Zeit) ergangen sind.

Vorrang und Subsidiarität

Vorrangig gelten spezifische Regelungen aus anderen Rehabilitierungsgesetzen (z. B. strafrechtliche oder berufsrechtliche Rehabilitierung) sowie vermögensrechtliche Vorschriften, sofern diese Anwendung finden.

Keine allgemeine Rückabwicklung

Die verwaltungsrechtliche Rehabilitierung bedeutet nicht zwangsläufig eine vollständige Rückabwicklung der damaligen Maßnahmen, sondern verfolgt die Herstellung rechtlicher Gerechtigkeit im Rahmen der heutigen Rechtsordnung. Materielle Restitution ist teilweise ausschlossen und richtet sich nach spezifischen Ausgleichsregelungen.

Rolle der Verwaltungsrechtlichen Rehabilitierung im Rahmen der Vergangenheitsbewältigung

Die verwaltungsrechtliche Rehabilitierung trägt zur Aufarbeitung des Systems von Verwaltungsunrecht in der DDR bei und stärkt das Vertrauen in einen rechtsstaatlichen Umgang mit historischen Fehlentwicklungen. Sie stellt sicher, dass Betroffene angemessene Entschädigung und soziale Anerkennung für erlittenes Unrecht erhalten. Die fortlaufende Anwendung, Ausgestaltung in der Rechtsprechung und Anpassung an neue historische Erkenntnisse sorgen für eine dynamische Entwicklung des Rechtsgebiets.

Literatur, Rechtsprechung und weiterführende Regelungen

  • Gesetz über die verwaltungsrechtliche Rehabilitierung von Opfern rechtsstaatswidriger Verwaltungsmaßnahmen im Beitrittsgebiet (VwRehaG), BGBl. I 1994, S. 2094 ff.
  • Bundesverfassungsgericht, Beschluss v. 8.4.1997, Az. 1 BvR 48/94
  • Bundesverwaltungsgericht, Urteil v. 20.5.2004, Az. 3 C 2.04
  • Kommentar: Ramsauer/Stüer, Verwaltungsrechtliche Rehabilitierungsgesetze, 2. Auflage

Hinweis: Der Begriff Verwaltungsrechtliche Rehabilitierung (DDR) ist eng mit der deutschen Rechtsgeschichte der Nachwendezeit verbunden und von zentraler Bedeutung für die Wiedergutmachung von Unrecht im staatlichen Verwaltungshandeln der DDR. Für weitergehende Informationen empfiehlt sich die Einsicht in die jeweiligen Gesetzestexte und einschlägige Kommentarliteratur.

Häufig gestellte Fragen

Welche Voraussetzungen müssen für einen Antrag auf verwaltungsrechtliche Rehabilitierung gemäß dem Verwaltungsrechtlichen Rehabilitierungsgesetz (VwRehaG) erfüllt sein?

Für einen Antrag auf verwaltungsrechtliche Rehabilitierung nach dem VwRehaG müssen mehrere gesetzliche Voraussetzungen erfüllt sein. Zunächst muss eine Maßnahme einer deutschen Verwaltung unter der SED-Diktatur (7. Oktober 1949 bis 2. Oktober 1990) vorliegen, die für den Betroffenen eine rechtsstaatswidrige Benachteiligung oder Diskriminierung zur Folge hatte. Dies umfasst beispielsweise Zwangsaussiedlungen, Maßnahmen der politischen Verfolgung, unrechtmäßige Entziehungen der Berufsausübung oder die Verweigerung des Hochschulzugangs aus politischen Gründen. Die Maßnahme muss rechtsstaatswidrig sein und insbesondere gezielt auf die politische Überzeugung, den Glauben, die Herkunft oder die Zugehörigkeit zu bestimmten Gruppen abgezielt haben. Der Antrag kann sowohl von der betroffenen Person als auch von Erben oder Angehörigen gestellt werden, falls der Betroffene verstorben ist, wobei hierzu spezielle Nachweisanforderungen bestehen. Darüber hinaus dürfen keine Ausschlussgründe, etwa strafbare Handlungen des Antragstellers im Zusammenhang mit der Maßnahme, vorliegen. Der Antrag ist bei der zuständigen Rehabilitierungsbehörde, in der Regel dem Landrat oder Oberbürgermeister, einzureichen.

Welche Rechtsfolgen hat die Feststellung einer rechtsstaatswidrigen Verwaltungsmaßnahme nach dem VwRehaG?

Wird eine Maßnahme als rechtsstaatswidrig festgestellt und dem Antrag auf Rehabilitierung stattgegeben, ergeben sich verschiedene Rechtsfolgen. Die Maßnahme wird für die Vergangenheit als rechtswidrig erklärt, was Voraussetzung für weitergehende Ansprüche ist. Betroffene erhalten einen Anspruch auf Aufhebung fortbestehender Verwaltungsakte, zum Beispiel Rückgabe entzogener Genehmigungen, Berechtigungen oder Eintragungen. Zudem begründet die Feststellung Ansprüche auf soziale Ausgleichsleistungen nach dem Beruflichen Rehabilitierungsgesetz (BerRehaG), etwa in Form von Rentenleistungen, Entschädigungszahlungen oder – bei verjährten Schadensersatzansprüchen – Billigkeitsleistungen bei nachgewiesener gesundheitlicher Schädigung. Ferner kann sie als Grundlage für weiteren Schadensersatz oder Rückgabeanträge nach dem Vermögensgesetz (VermG) dienen. Ein Rehabilitierungsbescheid hat somit nicht nur deklaratorische, sondern häufig auch vermögensrechtliche und soziale Auswirkungen.

Gibt es Fristen, die für die Antragstellung auf verwaltungsrechtliche Rehabilitierung zu beachten sind?

Grundsätzlich besteht für die Antragstellung auf verwaltungsrechtliche Rehabilitierung keine allgemeine Ausschlussfrist. Das Verwaltungsrechtliche Rehabilitierungsgesetz sieht vor, dass Anträge jederzeit gestellt werden können. Eine Ausnahme besteht jedoch für eventuelle weitergehende Ansprüche, etwa auf Ausgleichsleistungen oder Entschädigungen, bei denen Ausschluss- oder Verjährungsfristen greifen können (beispielsweise nach dem Beruflichen Rehabilitierungsgesetz oder dem Vermögensgesetz). Es ist daher dringend anzuraten, Rehabilitierungsanträge zügig zu stellen, um keine nachgelagerten Ansprüche zu verlieren. Für Entrechtungsmaßnahmen, die nach DDR-Recht als Straftaten verfolgt wurden, besteht ebenfalls keine Frist für die Rehabilitierung selbst, jedoch können bestimmte daraus resultierende Ansprüche verjähren.

Welche Unterlagen sind für einen Antrag auf verwaltungsrechtliche Rehabilitierung erforderlich?

Ein vollständiger Antrag auf verwaltungsrechtliche Rehabilitierung sollte alle relevanten Informationen und Nachweise zur Maßnahme enthalten. Dazu gehören: ein präzises Schildern des Sachverhalts, möglichst mit Angaben zu Zeit, Ort und beteiligten Behörden, eine Darstellung der konkreten Auswirkungen (beispielsweise Arbeitsplatzverlust, Umsiedlung, Studienverbot), sowie sämtliche verfügbaren Dokumente wie Bescheide, Urkunden, Zeugnisse, Schriftwechsel mit Behörden oder Zeitzeugenberichte. Bei Nachanträgen durch Erben oder Angehörige sind zusätzlich Erbnachweise, Sterbeurkunden und gegebenenfalls Vollmachten beizufügen. Es kann auch hilfreich sein, Forschungsergebnisse oder Aktenauszüge etwa aus dem Bundesarchiv beizulegen. Die Rehabilitierungsbehörde ist verpflichtet, im Zweifel die notwendigen Ermittlungen auch selbständig vorzunehmen, dennoch erhöht ein gut dokumentierter Antrag die Erfolgsaussichten und beschleunigt das Verfahren.

Kann gegen die Entscheidung der Rehabilitierungsbehörde Rechtsmittel eingelegt werden?

Ja, gegen Entscheidungen der Rehabilitierungsbehörden stehen Rechtsmittel zur Verfügung. Wird ein Antrag auf verwaltungsrechtliche Rehabilitierung abgelehnt oder nicht in vollem Umfang beschieden, kann der Betroffene innerhalb eines Monats nach Zustellung der Ablehnung Widerspruch einlegen. Bleibt dieser ohne Erfolg, besteht die Möglichkeit, innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Widerspruchsentscheidung Klage beim zuständigen Verwaltungsgericht zu erheben. Das Verfahren richtet sich nach der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Die Gerichte überprüfen dabei sowohl die tatsächlichen Feststellungen als auch die rechtliche Bewertung durch die Behörde. Unterstützende Beweismittel und die Einbindung von Rechtsanwälten sind ausdrücklich zulässig und häufig sinnvoll, um die Erfolgschancen zu erhöhen.

Gibt es besondere Verfahrensgrundsätze, die im Rehabilitierungsverfahren zu beachten sind?

Die Rehabilitierungsverfahren unterliegen den allgemeinen Grundsätzen des Verwaltungsverfahrensrechts, insbesondere dem Untersuchungsgrundsatz (§ 24 VwVfG), das heißt, die Behörde ist verpflichtet, den Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln. Formal gilt das Prinzip der Amtsermittlung, weswegen auch nachträgliche Nachweise oder Berichte von Zeitzeugen berücksichtigt werden können. Das Verfahren ist grundsätzlich kostenfrei, ausgenommen sind Kosten, die durch unrichtige Angaben oder verspätete Rücknahmen entstehen. Die Rehabilitierungsbehörde ist verpflichtet, Betroffene und gegebenenfalls deren Vertreter anzuhören und ihnen Einsicht in die Verfahrensakte zu gewähren. Die Wahrung des Datenschutzes und ein besonders schonender Umgang mit personenbezogenen Daten sind gesetzlich vorgeschrieben.

Welche Bedeutung hat eine verwaltungsrechtliche Rehabilitierung im Verhältnis zu strafrechtlicher Rehabilitierung?

Die verwaltungsrechtliche Rehabilitierung ist von der strafrechtlichen Rehabilitierung streng zu unterscheiden. Während die strafrechtliche Rehabilitierung nach dem Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetz (StrRehaG) politisch motivierte Strafurteile aufhebt, betrifft die verwaltungsrechtliche Rehabilitierung Verwaltungsmaßnahmen (zum Beispiel Eingriffe in Beruf, Eigentum, Wohnung). Beide Gesetze können unabhängig voneinander angewandt werden, etwa wenn eine Maßnahme sowohl ein gerichtliches Urteil als auch einen begleitenden Verwaltungsakt umfasste. Die Rechtsfolgen sind jedoch unterschiedlich: Strafrechtliche Rehabilitierung führt regelmäßig zur Rechtswidrigkeit der Verurteilung, verwaltungsrechtliche zur Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts. In der Praxis empfiehlt sich häufig, beide Antragswege parallel zu prüfen.