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Verwahrung von Wertpapieren


Grundbegriffe der Verwahrung von Wertpapieren

Die Verwahrung von Wertpapieren bezeichnet die sicheren und ordnungsgemäßen Aufbewahrung von Wertpapieren zur Vermeidung von Verlust, Entwendung oder Beschädigung. Sie stellt ein zentrales Element im modernen Wertpapier- und Depotgeschäft dar und ist sowohl national als auch international umfassend rechtlich geregelt. Für diese Dienstleistung werden Wertpapiere, unabhängig von deren Emissionsform (Effekten, Schuldverschreibungen, Aktien, Investmentzertifikate und andere), einer Verwahrstelle, in der Regel einer Bank, Depotbank oder einem Zentralverwahrer, anvertraut.


Rechtliche Grundlagen

Nationale Vorschriften

Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) und Spezialgesetze

Die Verwahrung von Wertpapieren kann nach den §§ 688 ff. BGB Vertragstyp der Verwahrung sein. Daneben bestehen Sonderregelungen, insbesondere im Depotgesetz (DepotG), das speziell das Depotgeschäft und damit die Verwahrung sowie Verwaltung von Wertpapieren normiert.

Zentrale Vorschriften des Depotgesetzes (§§ 1 ff. DepotG) regeln:

  • Arten der Verwahrung (eigene Verwahrung, Sammelverwahrung, Girosammelverwahrung)
  • Rechte und Pflichten des Verwahrers und des Depotkunden
  • Schutz des Eigentums des Depotinhabers

Darüber hinaus finden sich Regelungen im Handelsgesetzbuch (HGB) bezüglich der Buchführung und der Aufbewahrungspflichten von Wertpapieren für Kaufleute (§§ 238 ff. HGB).

Kreditwesengesetz (KWG)

Das Kreditwesengesetz (§ 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 KWG) klassifiziert das Depotgeschäft als erlaubnispflichtiges Bankgeschäft, das von Kreditinstituten oder Finanzdienstleistungsinstituten erbracht werden darf.

Internationale Regelungen

Das internationale Wertpapiergeschäft unterliegt einer Vielzahl von Standards und Rechtsakten. Für grenzüberschreitende Verwahrung ist insbesondere das Recht des Emissionslandes sowie internationale Übereinkommen (u. a. die „Geneva Securities Convention“ und harmonisierte EU-Vorgaben wie die Central Securities Depositary Regulation (CSDR)) relevant.


Arten der Verwahrung von Wertpapieren

Eigenverwahrung

Bei der Eigenverwahrung befindet sich das Wertpapier physisch bei der Verwahrstelle im Tresor. Diese Form ist aufgrund der zunehmenden Digitalisierung und Entmaterialisierung von Wertpapieren heute selten, kommt aber bei bestimmten Urkunden noch vor.

Sammelverwahrung

Die Sammelverwahrung ist die gepoolte Verwahrung gleichartiger Wertpapiere an einem gemeinsamen Lagerort. Die jeweiligen Eigentümer haben einen Miteigentumsanteil nach Bruchteilen an dem Bestand der verwahrten Wertpapiere (§ 6 DepotG). Diese Art ist bei börsengehandelten Effekten üblich.

Girosammelverwahrung

Die Girosammelverwahrung ist die fortentwickelte Form der Sammelverwahrung: Die Verwahrung erfolgt mittels Buchung in einem Wertpapierdepot. Die physischen Urkunden lagern zentral, zumeist beim Zentralverwahrer (z. B. Clearstream Banking AG in Deutschland). Eigentumsübertragungen und Verfügungen geschehen ausschließlich über elektronische Buchungen.


Rechte und Pflichten bei der Wertpapierverwahrung

Rechte des Depotinhabers

  • Anspruch auf Herausgabe der verwahrten Wertpapiere (§ 2 DepotG)
  • Teilnahme an Kapitalmaßnahmen und Stimmrechte (bei Aktien)
  • Anspruch auf Schadensersatz bei Pflichtverletzung durch den Verwahrer

Pflichten der Verwahrstelle

  • Sorgfaltspflicht bei Verwahrung und Verwaltung (§ 3 DepotG)
  • Information und Benachrichtigung des Kunden bei Maßnahmen der Emittentin
  • Trennung der eigenen Bestände von Kundenbeständen (Schutz vor Zugriff Dritter, etwa im Insolvenzfall)
  • Ausstellung eines Depotauszuges

Haftung

Die Verwahrstelle haftet grundsätzlich für Pflichtverletzungen, insbesondere bei Verlust, Verwechslung oder Beschädigung der Wertpapiere im Rahmen der Verwahrung (§ 19 DepotG). Die Haftung kann nur in Ausnahmefällen eingeschränkt werden, etwa bei höherer Gewalt.


Eigentumsverhältnisse und Publizität

Eigentumsübergang

Der Eigentumsübergang an Wertpapieren unterscheidet sich nach der Art der Verwahrung und der Ausgestaltung als Inhaber-, Order- oder Namenspapier. Bei der Girosammelverwahrung erfolgt die Übertragung durch Einigung und Buchung (§ 24 DepotG); die rechtliche Konvention hierzu ist grundlegend für den modernen Wertpapiertransfer.

Trennungsgrundsatz

Die Vermögenswerte der Kunden sind vom Vermögen des Verwahrers strikt getrennt zu halten. Dies gewährleistet den Schutz bei Insolvenz des Verwahrers und dient dem Gläubigerschutz nach § 16 DepotG.


Verwahrung von Wertpapieren im Insolvenzfall des Verwahrers

Im Fall der Insolvenz des Verwahrers sind die Depotwerte als Sondervermögen geschützt und werden nicht Teil der Insolvenzmasse (§ 47 InsO). Der Eigentümer hat ein Aussonderungsrecht, das die Herausgabe der Wertpapiere an ihn ermöglicht.


Verwahrung bei Investmentvermögen und Sonderformen

Investmentgesetzgebung

Die Verwahrung von Wertpapieren im Rahmen von Investmentvermögen erfolgt nach den Vorschriften des Kapitalanlagegesetzbuches (KAGB) sowie der Verordnung (EU) 2017/1131 (MMF-Verordnung) für bestimmte Fonds. Die Verwahrung obliegt einer Verwahrstelle (Depotbank), deren Aufgaben und Haftung gesondert geregelt sind (§§ 68 ff. KAGB).

Register- und Kryptowertpapiere

Mit der Einführung des eWpG (Gesetz über elektronische Wertpapiere) ist die Verwahrung und Verwaltung elektronischer Wertpapiere und Kryptowertpapiere nach spezifischen Vorschriften zu organisieren, wobei die Anforderungen an Verwahrstellen für elektronische Register festgelegt sind.


Steuerrechtliche Aspekte der Wertpapierverwahrung

Die Verwahrung und das depotmäßige Halten von Wertpapieren haben steuerrechtliche Relevanz, u. a. bezüglich der Abführung der Kapitalertragsteuer durch die Verwahrstelle (§§ 43 ff. EStG) sowie der Dokumentationspflichten nach der Abgabenordnung (AO).


Zusammenfassung

Die Verwahrung von Wertpapieren ist ein komplexes Rechtsinstitut, das sowohl aufsichts-, zivil-, handels- als auch steuerrechtliche Regelungen überlagert. Sie dient der sicheren Aufbewahrung und dem Schutz des Eigentums sowie der schnellen Abwicklung des Wertpapierhandels. Gesetzliche Regelungen, insbesondere das Depotgesetz, das Kreditwesengesetz sowie einschlägige EU-Verordnungen, stellen umfangreiche Anforderungen an Verwahrstellen und gewährleisten die Rechtssicherheit für Depotinhaber und Emittenten. Angesichts der fortschreitenden Digitalisierung und neuen Wertpapierformen bleiben sowohl die Rechtsentwicklung als auch die technische Ausgestaltung dynamisch und unterliegen fortlaufendem Wandel.

Häufig gestellte Fragen

Welche rechtlichen Grundlagen regeln die Verwahrung von Wertpapieren?

Die Verwahrung von Wertpapieren wird in Deutschland primär durch das Depotgesetz (DepotG) geregelt, das die Rechte und Pflichten sowohl der Depotbanken als auch der Depotkunden umfassend festlegt. Hinzu kommen Regelungen im Handelsgesetzbuch (HGB), dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) und speziellen europarechtlichen Vorgaben – allen voran die Zentralverwahrer-Verordnung (CSDR) sowie die Finanzmarktrichtlinie MiFID II. Diese normativen Vorgaben definieren insbesondere die rechtliche Natur des Verwahrungsverhältnisses, die Anforderungen an die ordnungsgemäße Verbuchung und Trennung der Bestände (Segregation), die Haftungsfragen im Schadenfall sowie die Form der Erfassung (Effektenbuch, Wertrechte). Besondere Bedeutung hat zudem die Verpflichtung zur ordnungsgemäßen Verwahrung (sichere Lagerung und Verwaltung), welche neben physischen Papieren vor allem die Girosammelverwahrung, das sogenannte Depotverfahren, betrifft.

Wer ist im rechtlichen Sinne der Eigentümer der verwahrten Wertpapiere?

Im rechtlichen Sinne bleibt der Depotkunde, also der Inhaber des Wertpapierdepots, stets Eigentümer der im Depot verbuchten Wertpapiere. Die Depotbank oder der jeweilige Zentralverwahrer tritt lediglich als Verwahrer beziehungsweise als Besitzmittler (Mittelsmann) im Sinne des § 870 BGB auf. Juristisch erfolgt dies als sogenanntes Sondervermögen: Die Wertpapiere sind strikt vom Vermögen des Verwahrers zu trennen. Im Insolvenzfall der Verwahrstelle können Gläubiger der Bank daher keinen Zugriff auf die im Depot befindlichen Wertpapiere nehmen. Die Eigentümerrechte des Depotkunden umfassen insbesondere Stimmrechte, Bezugsrechte und Ansprüche auf Dividenden oder Zinsen. Die Rechtsposition des Depotkunden wird als „Miteigentum am Sammelbestand“ oder – bei Einzelverwahrung – als Alleineigentum konkretisiert.

Welche Pflichten und Sorgfaltspflichten treffen die Verwahrstelle?

Die Verwahrstelle, meist eine Bank oder ein Zentralverwahrer, ist nach DepotG, HGB und BGB verpflichtet, die ihr anvertrauten Wertpapiere ordnungsgemäß, sicher und getrennt sowohl nach Arten als auch nach Eigentümer zu verwahren. Dazu zählen insbesondere Buchführungspflichten, Aussonderungspflichten, Informationspflichten gegenüber den Kunden (z.B. regelmäßige Depotauszüge, Mitteilungen über Hauptversammlungen, Kapitalmaßnahmen) und Sorgfaltspflichten im Umgang mit den Wertpapieren (u.a. Sicherstellung gegen Diebstahl, Verlust oder Beschädigung). Die Verwahrstelle haftet grundsätzlich für schuldhafte Pflichtverletzungen sowie für Fehler ihrer Erfüllungsgehilfen. Sorgfaltsmaßstab ist die Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns (§ 347 HGB). Bei ausländischer Verwahrung ist zusätzlich zu prüfen, ob die dortigen Verwahrpraktiken dem deutschen Rechtsrahmen genügen.

Was geschieht rechtlich im Falle der Insolvenz der Depotbank oder Verwahrstelle?

Tritt die Insolvenz einer Depotbank oder eines Zentralverwahrers ein, ist nach deutschem Recht sichergestellt, dass die Verwahrkunden ihre Rechte an den Wertpapieren in Form eines Aussonderungsanspruchs gemäß § 47 InsO geltend machen können. Die Depotwerte fallen nicht in die Insolvenzmasse, sondern werden als Sondervermögen behandelt und müssen ungeschmälert an die rechtmäßigen Eigentümer herausgegeben werden. Kommt es durch Pflichtverletzungen der Verwahrstelle zu Vermögensschäden (wie etwa Verlust von Wertpapieren), können Schadensersatzansprüche wegen Verletzung der Verwahrungspflichten (§§ 675, 280 BGB) bestehen. Probleme können sich bei grenzüberschreitender Verwahrung ergeben, falls ausländische Rechtsordnungen keine vergleichbaren Schutzmechanismen kennen.

Welche Bedeutung hat das Girosammelverwahren aus rechtlicher Sicht?

Die Girosammelverwahrung stellt die in Deutschland, aber auch im EU-Ausland, gängige Verwahrform für verbriefte Wertpapiere dar. Hierbei werden gleichartige Wertpapiere verschiedener Kunden gesammelt und als Gesamtbestand verwahrt. Rechtlich begründet dies ein Miteigentum nach Bruchteilen (§ 430 BGB) am Gesamtbestand, wobei jeder Kunde einen quotenmäßigen Anspruch auf Herausgabe seiner Wertpapiere hat. Die depotführende Stelle muss jederzeit sicherstellen, dass die Summen der Einzelansprüche dem Gesamtbestand entsprechen; sogenannte „Bestandsunterdeckungen“ sind unzulässig. Im Rahmen der Girosammelverwahrung ergeben sich Besonderheiten etwa hinsichtlich des Stimmrechtsvollzugs und der Weiterleitung von Kapitalmaßnahmen, da die Identität der einzelnen Verwahrer im Effektenbuch erfasst wird.

Welche rechtlichen Risiken bestehen bei der Verwahrung im Ausland („cross-border custody“)?

Bei der Verwahrung von Wertpapieren im Ausland kommt oft ein mehrstufiges Kettenverhältnis zwischen unterschiedlichen Verwahrstellen („sub-custodians“) zustande. Dies bürgt das Risiko, dass ausländisches Aufsichts- und Insolvenzrecht Anwendung findet, welches gegebenenfalls keinen vollwertigen Eigentumsschutz, keine Trennung der Wertpapierbestände oder keine hinreichenden Aussonderungsrechte vorsieht. In solchen Fällen kann der deutsche Kunde im Insolvenzfall des ausländischen Verwahrers seine Rechte nicht nach deutschem Sondervermögensschutz geltend machen. Dies gilt insbesondere für Wertpapiere, deren Emittenten oder Verwahrer ihren Sitz außerhalb der EU oder in Drittstaaten haben. Die Depotbank muss Kunden daher gegebenenfalls über diese Rechtsrisiken explizit informieren und gegebenenfalls geeignete Sicherungsmaßnahmen treffen.

Welche Übertragungsmechanismen sieht das Recht für verwahrte Wertpapiere vor?

Die Übertragung von Wertpapieren aus einer Verwahrung heraus erfolgt rechtlich nach den Vorschriften des DepotG und richtet sich nach der Verwahrform. In der Girosammelverwahrung etwa wird beim Eigentumswechsel ein sogenannter „Depotübertrag“ vorgenommen: Dies geschieht durch Umbuchung im Depotregister, welche die materielle Rechtsposition des Erwerbers herstellt. Bei physischer Verwahrung von Urkunden gilt weiterhin die Übergabe des Wertpapiers als Erfordernis des Eigentumserwerbs (§ 929 BGB), ergänzt durch Indossament bei Orderpapieren. Bei Wertrechten (digitalen Wertpapieren) definiert das Gesetz über elektronische Wertpapiere (eWpG) spezielle Regelungen, wie der Übertrag durch Eintragung im Register erfolgt. In jedem Fall muss die Verwahrstelle prüfen, dass ein wirksames und rechtmäßiges Verfügungsgeschäft vorliegt und die Übertragung unter steuer- und meldepflichtigen Gesichtspunkten ordnungsgemäß dokumentiert werden.