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Vertragsarzt


Begriff und Bedeutung des Vertragsarztes

Als Vertragsarzt wird im deutschen Gesundheitswesen ein approbierter Arzt bezeichnet, der aufgrund eines Vertragszulassungsverhältnisses zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung gesetzlich Versicherter berechtigt und verpflichtet ist. Die Bezeichnung steht im engen Zusammenhang mit der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) und bildet das Pendant zum sogenannten Kassenarzt. Vertragsärzte sind demnach Leistungserbringer innerhalb der ambulanten Versorgung im System der Sozialgesetzgebung.

Rechtsgrundlagen des Vertragsarztwesens

SGB V als zentrales Gesetzeswerk

Die rechtliche Grundlage für das Vertragsarztwesen stellt das Fünfte Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) dar, insbesondere die §§ 95 ff. SGB V. Die Regelungen umfassen sowohl die Zulassung von Ärzten zur vertragsärztlichen Versorgung als auch deren Rechte und Pflichten gegenüber Kassenärztlichen Vereinigungen (KV) und Versicherten der GKV.

§ 95 SGB V: Zulassung der Ärzte

Gemäß § 95 SGB V ist die ärztliche Tätigkeit in der vertragsärztlichen ambulanten Versorgung an die Zulassung als Vertragsarzt gebunden. Nur wer diese Zulassung erlangt, darf Leistungen zulasten der GKV erbringen und abrechnen.

Bedeutung des Bundesmantelvertrags und sonstiger Regelwerke

Die Vertragsbeziehungen der Vertragsärzte werden maßgeblich durch den „Bundesmantelvertrag-Ärzte“ (BMV-Ä) sowie durch regionale Vertragswerke der KVen mit den Krankenkassen ausgestaltet. Der Bundesmantelvertrag enthält verbindliche Vorgaben über die vertragsärztliche Versorgung, Abrechnung, Pflichten und Rechte der Vertragsärzte sowie die Zusammenarbeit mit den KVen.

Zulassungsvoraussetzungen und Zulassungsverfahren

Approbation und Fachqualifikation

Eine grundlegende Voraussetzung für die Zulassung als Vertragsarzt ist die ärztliche Approbation nach deutschem Recht und gegebenenfalls eine abgeschlossene Weiterbildung in einem zugelassenen Fachgebiet.

Bedarfsplanung und Zulassungsausschüsse

Die Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung unterliegt einer Bedarfsplanung (§§ 101ff. SGB V). Ziel ist es, eine gleichmäßige und flächendeckende Versorgung sicherzustellen. Die Entscheidung über die Zulassung trifft der örtliche Zulassungsausschuss, der aus Vertretern der Kassenärztlichen Vereinigung und den Krankenkassen zusammengesetzt ist. In gesperrten Planungsbereichen, in denen eine Überversorgung angenommen wird, ist die Zulassung nur bei Nachbesetzung bestehender Sitze möglich.

Formen der Zulassung

Es existieren verschiedene Formen der Zulassung, darunter Einzelzulassung, Gemeinschaftspraxis (Berufsausübungsgemeinschaft), Teilzulassung sowie die Anstellung von Ärzten in Praxen und medizinischen Versorgungszentren (MVZ), §§ 95, 95a SGB V.

Rechtsstellung des Vertragsarztes

Rechte und Pflichten

Vertragsärzte sind verpflichtet, die ärztliche Versorgung der gesetzlich Versicherten nach dem „Sachleistungsprinzip“ zu gewährleisten und die vertragsärztlichen Leistungen nach Maßgabe der geltenden Vergütungsregelungen (einheitlicher Bewertungsmaßstab – EBM) zu erbringen. Sie sind weiter verpflichtet, in ausreichendem Umfang Sprechstunden vorzuhalten und sich an der Notfallversorgung zu beteiligen (§ 75 SGB V).

Vertragsärzte unterliegen zugleich der Aufsicht der Kassenärztlichen Vereinigung sowie der Verpflichtung zur regelmäßigen Fortbildung und Dokumentation. Zudem besteht eine Pflicht zur Wirtschaftlichkeit und Einhaltung von Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA).

Vertragsarztregister

Jede Kassenärztliche Vereinigung führt ein Vertragsarztregister, in welches die zugelassenen Ärzte mit den relevanten personellen und fachlichen Angaben eingetragen werden (§ 95 SGB V).

Beendigung des Vertragsarztverhältnisses

Rückgabe, Entziehung und Erlöschen der Zulassung

Die Zulassung eines Vertragsarztes kann auf Antrag zurückgegeben werden. Daneben kann die Zulassung durch Entscheidung des Zulassungsausschusses ganz oder teilweise entzogen werden, insbesondere bei schwerwiegenden Verstößen gegen Pflichten oder dem Verlust der Approbation (§ 95 Abs. 6 SGB V). Die Zulassung erlischt außerdem bei Tod des Arztes oder bei Verzicht.

Nachbesetzung

Nach dem Ausscheiden eines Vertragsarztes ist die Nachbesetzung seines Kassensitzes nach den Grundsätzen des Nachbesetzungsverfahrens möglich (§ 103 SGB V).

Abrechnung und Wirtschaftlichkeitsprüfung

Vergütungsregelung und Honorarverteilung

Vertragsärzte rechnen ihre Leistungen nach dem Einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM) über die jeweilige Kassenärztliche Vereinigung ab. Die KV führt eine Honorarverteilung durch und zahlt das ärztliche Honorar an den Vertragsarzt aus.

Prüfung auf Wirtschaftlichkeit

Die Leistungen der Vertragsärzte unterliegen der Wirtschaftlichkeitsprüfung. Unwirtschaftliches Verhalten, z. B. unwirtschaftliches Verordnen von Arznei-, Heil- oder Hilfsmitteln, kann Konsequenzen bis zur Regressforderung oder Zulassungsentziehung nach sich ziehen (§§ 106 ff. SGB V).

Besondere Formen der vertragsärztlichen Tätigkeit

Anstellung und MVZ

Neben der selbständigen Tätigkeit ist es Vertragsärzten möglich, sich anstellen zu lassen, etwa in medizinischen Versorgungszentren (§ 95 Abs. 1a SGB V), oder selbst Mediziner anzustellen.

Ermächtigung

Krankenhausärzte oder Angehörige anderer medizinischer Berufe können durch den Zulassungsausschuss befristet zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung ermächtigt werden (§ 116 SGB V).

Sanktionen und Disziplinarmaßnahmen

Vertragsärzte unterliegen bei schuldhaften Pflichtverletzungen Disziplinarmaßnahmen durch die Kassenärztliche Vereinigung. Zu den Sanktionsmöglichkeiten zählen Rüge, Geldbuße, Honorarkürzung bis hin zum Zulassungsentzug.

Abgrenzung: Vertragsarzt und Privatärztliche Tätigkeit

Im Gegensatz zum Vertragsarzt erbringt ein Privatarzt ärztliche Leistungen ausschließlich außerhalb der GKV, d. h. für privatversicherte Patientinnen und Patienten oder Selbstzahler. Ärzte können beide Tätigkeiten nebeneinander ausüben, müssen jedoch jeweils die Abrechnungsvorschriften strikt beachten.

Bedeutung des Vertragsarztes im Gesundheitssystem

Vertragsärzte bilden das Rückgrat der ambulanten medizinischen Versorgung in Deutschland. Sie gewährleisten auf der Grundlage gesetzlicher Vorgaben die flächendeckende Versorgung der gesetzlich Versicherten und agieren an der Schnittstelle zwischen Medizin, Patienteninteresse und Sozialversicherungsrecht.


Relevante Gesetze und Regelungen:

  • SGB V (insbesondere §§ 95 ff.)
  • Bundesmantelvertrag-Ärzte (BMV-Ä)
  • Einheitlicher Bewertungsmaßstab (EBM)
  • Richtlinien des G-BA

Hinweis: Die rechtlichen Vorgaben unterliegen fortlaufenden Anpassungen durch Gesetzgebung und Rechtsprechung. Es empfiehlt sich stets die aktuelle Gesetzeslage zu prüfen.

Häufig gestellte Fragen

Welche rechtlichen Voraussetzungen müssen erfüllt sein, um als Vertragsarzt tätig zu werden?

Um als Vertragsarzt in Deutschland tätig zu werden, müssen verschiedene rechtliche Voraussetzungen erfüllt sein. Zunächst ist die Approbation als Arzt zwingend erforderlich, die von der zuständigen Landesbehörde ausgestellt wird. Zusätzlich ist der Nachweis über die fachärztliche Weiterbildung notwendig, wenn eine Zulassung für eine besondere Facharztgruppe (z. B. Facharzt für Allgemeinmedizin) angestrebt wird. Weiterhin muss der Arzt die Zulassung bei einem Zulassungsausschuss der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) beantragen. Die Entscheidung erfolgt unter Berücksichtigung von Bedarfsplanungsrichtlinien, wobei rechtliche Vorgaben zur Sicherstellung einer ausreichenden und gleichmäßigen Versorgung zu beachten sind (§§ 95 ff. SGB V). Darüber hinaus dürfen keine Ausschlussgründe vorliegen, etwa disziplinarische Maßnahmen oder berufsrechtliche Verstöße, die einer vertragsärztlichen Tätigkeit entgegenstehen könnten. Der Vertragsarzt muss sich verpflichten, die vertragsärztlichen Pflichten gemäß SGB V sowie den Bundesmantelvertrag-Ärzte (BMV-Ä) einzuhalten.

Welche Rechte und Pflichten ergeben sich aus dem Vertragsarztverhältnis nach dem SGB V?

Mit der Zulassung als Vertragsarzt übernimmt der Arzt zahlreiche Rechte und Pflichten, die im Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V), dem Bundesmantelvertrag-Ärzte (BMV-Ä) sowie den Satzungen der Kassenärztlichen Vereinigungen geregelt sind. Zu den Rechten zählt insbesondere die Befugnis, gesetzlich versicherte Patienten zu behandeln und die erbrachten Leistungen mit den Krankenkassen abzurechnen (§ 95 Abs. 3 SGB V). Gleichzeitig ergeben sich Pflichten wie die Einhaltung der Sprechstundenpflicht, die Befolgung von Qualitätssicherungsmaßnahmen und die Dokumentationspflicht (§ 630f BGB i. V. m. den einschlägigen Richtlinien). Vertragsärzte müssen bei der Leistungserbringung die Wirtschaftlichkeit (§ 12 SGB V) und das Wirtschaftlichkeitsgebot beachten. Melde- und Anzeigepflichten gegenüber der KV, insbesondere bei Änderungen der Praxistätigkeit, Krankheit oder Urlaub, gehören ebenso zu den rechtlichen Pflichten. Verstöße können mit Honorarrückforderungen, Disziplinarmaßnahmen oder dem Entzug der Zulassung geahndet werden.

Wie werden Praxisübernahmen und -nachfolgen im Vertragsarztrecht geregelt?

Die Übernahme einer Vertragsarztpraxis ist rechtlich streng geregelt, insbesondere mit Blick auf die Nachbesetzung von Vertragsarztsitzen. Nach § 103 SGB V ist für die Praxisübernahme im gesperrten Planungsbereich ein Nachbesetzungsverfahren erforderlich. Der abgebende Vertragsarzt kann dem Zulassungsausschuss einen Nachfolger vorschlagen, wobei der Ausschuss nicht an diese Empfehlung gebunden ist; vielmehr werden Eignung und berufsrechtliche Integrität des Bewerbers geprüft. Das Auswahlverfahren richtet sich nach dem Kriterium der bestmöglichen Versorgung der Versicherten. Zudem müssen wirtschaftliche und organisatorische Gegebenheiten der Praxis übertragbar sein; dies wird durch einen Praxiskaufvertrag rechtlich umgesetzt. Jede Praxisnachfolge erfordert die Zustimmung des Zulassungsausschusses und kann bei Verdacht auf Umgehungstatbestände (z. B. Scheinkäufe) versagt werden.

Welche rechtlichen Vorgaben gelten bei der Kooperation zwischen Vertragsärzten?

Vertragsärztliche Kooperationen unterliegen detaillierten gesetzlichen Regelungen. Möglich sind verschiedene Kooperationsformen wie Berufsausübungsgemeinschaften (BAG), Gemeinschaftspraxen, Praxisgemeinschaften oder Medizinische Versorgungszentren (MVZ), jeweils mit spezifischen rechtlichen Anforderungen. Solche Zusammenschlüsse bedürfen grundsätzlich einer Genehmigung durch die Kassenärztliche Vereinigung und sind im SGB V §§ 95, 95a sowie den zugehörigen Zulassungs- und Berufsordnungen geregelt. Neben berufsrechtlichen Vorgaben (z. B. §§ 17, 18 MBO-Ä) müssen kartellrechtliche und gesellschaftsrechtliche Aspekte beachtet werden. Besonders relevant ist die klare Trennung von wirtschaftlichen und medizinischen Verantwortlichkeiten und die Sicherstellung der eigenverantwortlichen Leistungserbringung durch jeden einzelnen Arzt. Vertragsärzte müssen außerdem gemeinsam für die ordnungsgemäße Dokumentation und Abrechnung sorgen.

Welche Möglichkeiten gibt es für Vertragsärzte, ihre Zulassung aufzugeben oder zu übertragen?

Die vertragärztliche Zulassung ist grundsätzlich personengebunden und kann nicht einfach übertragen werden. Vertraglich zulässig ist jedoch die formelle Aufgabe der Zulassung (§ 95 Abs. 6 SGB V) durch Erklärung gegenüber der Zulassungsgremien; in gesperrten Planungsbereichen ist dann ein Nachbesetzungsverfahren durchzuführen, um einen Nachfolger festzustellen (§ 103 SGB V). Ein beabsichtigter Wechsel oder die Aufnahme einer Tätigkeit in einer anderen Praxis (zum Beispiel als angestellter Arzt) muss beim Zulassungsausschuss beantragt und genehmigt werden. Die Zulassung kann entzogen werden, etwa bei schwerwiegenden Vertragsverletzungen, Verstößen gegen das Berufsrecht, oder bei Fehlen der gesundheitlichen Voraussetzungen zur Ausübung des Arztberufs. Im Fall von Tod oder Berufsunfähigkeit verfällt die Zulassung automatisch; für besondere Fälle gibt es Nachfolgeregelungen, insbesondere im Rahmen von Erben- oder Vertretungsregelungen.

Welche rechtlichen Aspekte sind bei der Abrechnung vertragsärztlicher Leistungen zu beachten?

Die Abrechnung vertragsärztlicher Leistungen ist streng rechtlich geregelt, insbesondere durch das SGB V, die Bundesmantelverträge und die Einheitlichen Bewertungsmaßstäbe (EBM). Vertragsärzte sind verpflichtet, sämtliche abgerechnete Leistungen ordnungsgemäß zu dokumentieren und nur tatsächlich erbrachte, notwendige, wirtschaftliche sowie formal zulässige Leistungen abzurechnen. Fehler oder Manipulationen in der Abrechnung können strafrechtliche Folgen haben (§ 263 StGB Betrug), führen regelmäßig zu Honorarrückforderungen und in schweren Fällen zum Entzug der Zulassung. Zusätzlich gelten strenge Fristregelungen für die Einreichung der Abrechnungen und Regelungen für Plausibilitätsprüfungen und Wirtschaftlichkeitsprüfungen durch die KVen und Krankenkassen. Vertragsärzte müssen sich zudem regelmäßig über Änderungen gesetzlicher oder vertraglicher Abrechnungsvorgaben informieren und ihre Praxisorganisation entsprechend anpassen.

Gibt es rechtliche Regelungen zur Vertretung eines Vertragsarztes bei Krankheit oder Urlaub?

Das Recht zur Vertretung eines Vertragsarztes ist gesetzlich im SGB V und in den Satzungen der Kassenärztlichen Vereinigungen geregelt. Eine Vertretung ist vorübergehend bei Urlaub, Krankheit oder Fortbildung möglich (§ 32 BMV-Ä), darf jedoch die zulässige Dauer von insgesamt drei Monaten pro Jahr nicht überschreiten. Die Kassenärztliche Vereinigung ist in jedem Fall rechtzeitig zu informieren, und die Vertretung muß durch einen qualifizierten Arzt erfolgen, der über dieselbe fachliche Qualifikation verfügt. In Ausnahmefällen und bei Nachweis des Bedarfs ist eine Verlängerung der Vertretung möglich. Bei unzulässiger oder nicht genehmigter Vertretung droht eine Sanktionierung bis hin zum Zulassungsentzug. Zudem ist der Arzt verpflichtet, sicherzustellen, dass die Kontinuität der Patientenversorgung gewährleistet bleibt und alle gesetzlichen Dokumentationspflichten eingehalten werden.