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Vertrag zugunsten Dritter


Vertrag zugunsten Dritter

Der Vertrag zugunsten Dritter zählt zu den vertraglichen Sonderformen des Schuldrechts und bezeichnet einen Vertrag, bei dem nicht nur die Vertragsparteien selbst berechtigt oder verpflichtet werden, sondern bei dem eine dritte Person begünstigt wird. Die zentrale Regelung hierzu findet sich im deutschen Recht in § 328 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Der Vertrag zugunsten Dritter ermöglicht es, Ansprüche auf vertragliche Leistungen unmittelbar einer nicht am Vertrag beteiligten Person – dem sogenannten Dritten – einzuräumen.


Grundkonzept und rechtlicher Rahmen

Definition und Rechtsgrundlagen

Beim Vertrag zugunsten Dritter handelt es sich um einen zweiseitigen Vertrag, bei dem der Versprechende (Schuldner) dem Versprechensempfänger (Gläubiger) eine Leistung verspricht, die an einen Dritten zu erbringen ist. Die rechtliche Grundlage bildet § 328 BGB:

„Ein Vertrag kann zum Inhalt haben, dass eine Leistung an einen Dritten erfolgen soll. Dem Dritten steht das Recht zu, die Leistung zu fordern, sofern dies mit dem Versprechensempfänger vereinbart worden ist…“

Der Vertrag zugunsten Dritter unterscheidet sich vom sogenannten Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter, bei dem der Dritte lediglich in den Schutzbereich des Vertrages einbezogen wird, aber keine eigenen Leistungsrechte erhält.

Beteiligte Personen

  • Versprechender/Schuldner: Die Partei, die zur Leistung verpflichtet wird.
  • Versprechensempfänger/Gläubiger: Die Partei, die den Vertrag abschließt und die Leistung des Schuldners zugunsten des Dritten vereinbart.
  • Dritter: Diejenige Person, zu deren Gunsten der Vertrag eine Leistungspflicht begründet.

Rechtsnatur und Arten des Vertrags zugunsten Dritter

Echtes und unechtes Schuldrecht zugunsten Dritter

Die Ausgestaltung des Forderungsrechts des Dritten unterscheidet sich nach den konkreten Abmachungen der Vertragsparteien:

  • Echter Vertrag zugunsten Dritter (§ 328 Abs. 1 Satz 1 BGB): Der Dritte erhält eigene, durchsetzbare Ansprüche gegen den Versprechenden. Er kann die vereinbarte Leistung direkt fordern.
  • Unechter Vertrag zugunsten Dritter: Der Dritte erhält kein eigenes Forderungsrecht. Die Leistung ist zwar an ihn zu erbringen, der Versprechensempfänger bleibt jedoch alleiniger Inhaber des Anspruchs.

Diese Unterscheidung ist wesentlich für die rechtlichen Konsequenzen im Verhältnis zwischen den Parteien.

Direkter und indirekter Vertrag zugunsten Dritter

  • Direkter Vertrag zugunsten Dritter: Der Dritte hat ein unmittelbares Forderungsrecht, in der Regel durch ausdrückliche Vereinbarung zwischen Versprechenden und Versprechensempfänger.
  • Indirekter Vertrag zugunsten Dritter: Hier fehlt es am unmittelbaren Forderungsrecht des Dritten; der Versprechensempfänger hat den Anspruch und hat eine eigene Verpflichtung gegenüber dem Dritten.

Rechte und Pflichten der Vertragsbeteiligten

Rechte des Dritten

Der Dritte hat – beim echten Vertrag zugunsten Dritter – gemäß § 328 BGB das eigene Recht, die Leistung zu fordern. Das Forderungsrecht des Dritten entsteht mit Abschluss des Hauptvertrages, es kann jedoch im Vertrag an bestimmte Bedingungen wie beispielsweise den Eintritt eines Ereignisses geknüpft werden.

Stellung des Versprechensempfängers

Der Versprechensempfänger bleibt trotz der Leistungserbringung an den Dritten zentrales Element des Schuldverhältnisses. Ihm stehen regelmäßig eigene Ansprüche (z. B. Rücktrittsrechte) zu. Wichtig: Der Versprechensempfänger kann das Recht des Dritten nach den Regelungen des Vertrages bis zum Zeitpunkt der Annahme widerrufen oder modifizieren, sofern vertraglich nichts Gegenteiliges vereinbart wurde.

Widerruf und Modifikation

Vor der Annahme durch den Dritten ist der Vertrag zugunsten Dritter in der Regel frei widerruflich (§ 328 Abs. 2 BGB), sofern keine Unwiderruflichkeit oder andere Abreden getroffen wurden.


Abgrenzungen zu anderen Vertragstypen

Abgrenzung zum Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter

Beim Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter wird der Dritte lediglich in den Schutzbereich des Vertrages einbezogen. Er kann im Falle einer Pflichtverletzung eigene Schadensersatzansprüche geltend machen, hat aber keine eigene Forderung auf die Erfüllung der vertraglichen Primärleistung.

Abgrenzung von Forderungsabtretung (Zession)

Bei einer Zession wird ein bestehender Anspruch vom bisherigen Gläubiger an einen neuen Gläubiger übertragen. Der Vertrag zugunsten Dritter hingegen begründet einen neuen Anspruch des Dritten bereits mit Vertragsschluss.


Anwendungsbereiche in der Praxis

Typische Praxisbeispiele

  • Lebensversicherung: Die Versicherungsleistung wird zugunsten eines im Vertrag bestimmten Begünstigten (z. B. Angehörige) vereinbart.
  • Geschenkverträge: Ein Schenker beauftragt einen Dritten, zugunsten eines Beschenkten eine Leistung zu erbringen.
  • Bausparverträge: Die Zuteilung erfolgt direkt an Dritte, oft als Kinder oder andere Verwandte.

Bedeutung im Wirtschaftsleben

Insbesondere bei Verträgen in der Transport- oder Finanzbranche ist der Vertrag zugunsten Dritter weit verbreitet. Beispielsweise können Unternehmen Warenversicherungen für ihre Kunden abschließen, sodass die Kunden im Schadensfall direkt gegen den Versicherer einen Anspruch haben.


Besonderheiten und Streitfragen

Annahme des Dritten

Im deutschen Recht ist nicht erforderlich, dass der Dritte den Vertrag ausdrücklich annimmt; ein wie auch immer geartetes Verhalten, das als Annahme verstanden werden kann, reicht aus. Der Zeitpunkt der Annahme kann entscheidend sein, da bis dahin der Versprechensempfänger das Recht widerrufen oder abändern kann.

Schutz gegen Einwendungen

Dem Versprechenden stehen grundsätzlich alle Einwendungen aus dem Vertragsverhältnis mit dem Versprechensempfänger auch gegen den Dritten zu (§ 334 BGB). Der Dritte erwirbt nur solche Rechte, wie sie zwischen den Parteien vereinbart wurden.


Vertrag zugunsten Dritter im internationalen Kontext und im Steuerrecht

Auch außerhalb des deutschen Rechts ist der Vertrag zugunsten Dritter ein anerkanntes Instrument, beispielsweise im römischrechtlichen Rechtskreis (z. B. Österreich, Schweiz) mit wiederum jeweils eigenen Ausgestaltungen.

Im Steuerrecht kann der Vertrag zugunsten Dritter insbesondere ertragsteuerliche und schenkungsteuerliche Konsequenzen auslösen, wenn durch die Vertragsgestaltung ein Vermögensvorteil beim Dritten eintritt.


Literatur und Rechtsprechung

Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) und verschiedene Standardwerke des Schuldrechts befassen sich regelmäßig mit Einzelfragen zum Vertrag zugunsten Dritter. Neben der Auslegung der jeweiligen Vertragsklauseln stehen regelmäßig auch Fragen zur Möglichkeit eines Widerrufs oder zur Durchsetzbarkeit von Rechten des Dritten im Fokus.


Zusammenfassung

Der Vertrag zugunsten Dritter ist ein bedeutendes Schuldrechtsinstrument, das es ermöglicht, einem außenstehenden Dritten unmittelbare Ansprüche aus einem Vertrag zu verschaffen. Die sorgfältige Gestaltung und genaue Kenntnis der rechtlichen Rahmenbedingungen ist für die Vertragspraxis von zentralem Interesse, da die Interessen von Schuldner, Gläubiger und Drittem ausgewogen zu berücksichtigen sind. Die differenzierte Behandlung dieses Vertragstyps im Bürgerlichen Gesetzbuch sowie die vielfältigen Anwendungsbereiche unterstreichen seine praktische Relevanz und Vielseitigkeit.

Häufig gestellte Fragen

Kann der Dritte das Forderungsrecht eigenständig geltend machen?

Der Dritte erhält bei einem Vertrag zugunsten Dritter (§ 328 BGB) ein eigenes Forderungsrecht gegen den Schuldner (Versprechenden). Dieses Recht kann der Dritte im Allgemeinen eigenständig ausüben, das heißt, er kann die Leistung unmittelbar vom Schuldner fordern, ohne dass er hierzu der Mitwirkung oder Zustimmung des Versprechensempfängers bedarf. Maßgeblich für den Umfang dieses Forderungsrechts ist die Art des eingeräumten Rechts, die im Vertrag ausdrücklich oder konkludent bestimmt werden kann. Bei einem echten Vertrag zugunsten Dritter steht dem Dritten regelmäßig ein selbstständiges Klagerecht zu, sodass er den Schuldner vor Gericht auf Erfüllung der versprochenen Leistung in Anspruch nehmen kann. Einschränkungen dieses Rechts können sich aus dem Inhalt des Vertrags und aus den Grundsätzen von Treu und Glauben (§ 242 BGB) ergeben. Außerdem kann das Forderungsrecht des Dritten durch den Vertrag zwischen Schuldner und Versprechensempfänger zeitlich, sachlich oder inhaltlich beschränkt werden.

Kann der Versprechensempfänger den Vertrag widerrufen oder ändern?

Ob und in welchem Umfang der Versprechensempfänger den Vertrag widerrufen oder abändern kann, hängt maßgeblich davon ab, welche Stellung dem Dritten nach dem Vertrag eingeräumt wurde. Nach § 333 BGB kann der Schuldner und der Versprechensempfänger den Vertrag grundsätzlich so lange ändern oder widerrufen, wie der Dritte sein Forderungsrecht nicht angenommen hat. Die Annahme erfolgt meist durch ausdrückliche Erklärung oder konkludentes Verhalten, zum Beispiel durch Geltendmachung der Leistung gegenüber dem Versprechenden. Nach erfolgter Annahme ist eine Aufhebung oder Änderung nur mit Zustimmung des Dritten möglich. Eine Ausnahme besteht dann, wenn ein lediglich unechter Vertrag zugunsten Dritter oder ein Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter vorliegt, denn hier ist die Rechtsposition des Dritten von vornherein schwächer ausgestaltet.

Welche Rechte und Pflichten treffen den Schuldner (Versprechenden)?

Der Schuldner verpflichtet sich durch den Vertrag, gegenüber dem Dritten eine bestimmte Leistung zu erbringen. Im Regelfall entsteht für den Schuldner nach außen zwei Verpflichtungsverhältnisse: eines gegenüber dem Versprechensempfänger und – sofern ein echter Vertrag zugunsten Dritter vorliegt – eines gegenüber dem Dritten. Der Schuldner kann dem Dritten sämtliche Einwendungen entgegenhalten, die sich aus dem Vertrag selbst oder aus dem Verhältnis zu dem Versprechensempfänger ergeben. Gibt es etwa einen Rücktritt oder eine Kündigung des Vertrages, kann sich der Schuldner auch gegenüber dem Dritten hierauf berufen. Die Leistungspflicht besteht im Umfang und nach den Bedingungen, die im Vertrag festgelegt sind. Der Schuldner schuldet dem Dritten keine weitere Nebenpflichten, es sei denn, diese sind ausdrücklich im Vertrag aufgeführt oder ergeben sich aus dem Gesetz.

Was passiert bei Tod des Dritten vor Eintritt des Leistungsfalls?

Tritt der Leistungsfall erst nach dem Tod des Dritten ein, hängt die weitere Berechtigung davon ab, was im Vertrag geregelt wurde. Ist der Vertrag auf eine persönliche Leistung an den Dritten zugeschnitten (z. B. Unterhalt, höchstpersönliche Verpflichtung), entfällt der Anspruch häufig mit dem Tod des Dritten. In anderen Fällen, insbesondere wenn vom Vertrag nicht ausdrücklich eine höchstpersönliche Natur der Leistung bestimmt ist, können die Rechte aus dem Vertrag auf die Erben übergehen, sodass diese an Stelle des verstorbenen Dritten als Gläubiger auftreten können. Das gilt vor allem bei vermögensrechtlichen Leistungen, beispielsweise Geldauszahlungen oder Versicherungsleistungen. Eine genaue Betrachtung des Vertragsinhalts und gegebenenfalls ergänzende Auslegung nach §§ 133, 157 BGB sind in solchen Fällen erforderlich.

Kann ein Vertrag zugunsten Dritter auch zur Absicherung von Ansprüchen aus Verträgen mit Schutzwirkung zugunsten Dritter eingesetzt werden?

Ein Vertrag zugunsten Dritter und ein Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter verfolgen unterschiedliche Zielrichtungen und Rechtswirkungen. Während beim Vertrag zugunsten Dritter der Dritte eine eigene Forderungsposition erlangt, erhält ein Dritter bei Verträgen mit Schutzwirkung lediglich einen Anspruch auf Schadensersatz bei der Verletzung von Vertragspflichten. Allerdings können Verträge in Einzelfällen sowohl Rechte aus einem Vertrag zugunsten Dritter als auch Schutzwirkungen zugunsten Dritter begründen, wenn dies ausdrücklich geregelt oder aus dem Zweck des Vertrages abzuleiten ist. In der Praxis bedeutet das, dass Vertragspartner gezielt auch Ansprüche aus Schutzverträgen zugunsten Dritter absichern oder ergänzen können, indem sie einen echten Vertrag zugunsten Dritter abschließen. Dadurch wird die Rechtposition des Dritten deutlich gestärkt, insbesondere im Hinblick auf direkten Leistungsanspruch und eigenständiges Klagerecht.

Welche Bedeutung hat die Annahme durch den Dritten beim Vertrag zugunsten Dritter?

Die Annahme durch den Dritten ist für die Unwiderruflichkeit seiner Rechtsstellung von zentraler Bedeutung. Gemäß § 333 BGB kann der Vertrag von den ursprünglichen Parteien (Versprechensempfänger und Schuldner) widerrufen oder abgeändert werden, solange der Dritte seine Rechte nicht angenommen hat. Sobald die Annahme erfolgt – und es kommt hierbei nicht auf eine förmliche Annahmeerklärung an, jede eindeutige Geltendmachung oder konkludente Inanspruchnahme genügt – wird das Recht des Dritten verbindlich. Ab diesem Zeitpunkt kann der Anspruch des Dritten grundsätzlich nur noch mit seiner Zustimmung aufgehoben oder inhaltlich verändert werden. Die Annahme bewirkt daher eine inhaltliche und rechtliche Festigung der Rechtsposition des Dritten und begrenzt die Dispositionsfreiheit der Vertragsparteien.

Welche Besonderheiten gelten bei Mehrpersonenverhältnissen?

Bei Mehrpersonenverhältnissen – etwa wenn mehrere Dritte als Begünstigte vorgesehen sind – ist zu differenzieren, ob es sich um eine Gesamtgläubigerschaft oder um eine Teilgläubigerschaft handelt. Dies richtet sich nach dem Willen der Vertragsparteien und kann im Zweifel im Verhältnis zu den §§ 428 BGB (Gesamtschuldnerschaft) und 420 BGB (Teilgläubigerschaft) ausgelegt werden. Dabei ist zu klären, ob alle Dritten die Leistung gemeinschaftlich (gesamthänderisch) fordern können, jeder Dritte einzelne Teile oder ob es ein beliebiges Forderungsrecht gibt. Ein weiteres Problemfeld ergibt sich, wenn ein Dritter seine Stellung verliert (z. B. durch Tod oder Verzicht): Hierbei ist im Vertrag zu prüfen, ob ein Ersatzbenefizient benannt wird oder die Rechte auf die übrigen Dritten oder deren Erben übergehen. Die genaue Ausgestaltung der Mehrpersonenverhältnisse sollte daher vertraglich klar geregelt werden, um Rechtsstreitigkeiten zu vermeiden.