Legal Lexikon

Wiki»Legal Lexikon»Gesellschaftsrecht»Versicherungsbetrug

Versicherungsbetrug

Was ist Versicherungsbetrug?

Versicherungsbetrug bezeichnet das planmäßige Täuschen einer Versicherung, um eine Leistung zu erlangen, auf die kein Anspruch besteht, oder um vertragliche Beiträge zu umgehen. Erfasst sind sowohl falsche Angaben beim Abschluss oder während der Laufzeit eines Vertrags als auch manipulierte oder erfundene Schadenfälle. Im Kern geht es um eine Täuschung mit dem Ziel, sich einen vermögenswerten Vorteil auf Kosten des Versicherers zu verschaffen.

Typische Erscheinungsformen

Fingierte oder herbeigeführte Schäden

Schäden werden frei erfunden oder absichtlich verursacht, um eine Entschädigung zu erhalten. Beispiele sind das Vortäuschen eines Sturmschadens oder das absichtliche Beschädigen von Gegenständen.

Überhöhte oder erfundene Schadensangaben

Ein realer Schaden wird bewusst vergrößert dargestellt, etwa durch das Ansetzen überhöhter Wiederbeschaffungswerte, fiktiver Reparaturkosten oder die Einreichung fingierter Rechnungen.

Vortäuschen von Diebstahl oder Einbruch

Es wird behauptet, Gegenstände seien entwendet worden, obwohl dies nicht zutrifft, oder es werden Spuren nachgestellt, um einen Einbruch plausibel erscheinen zu lassen.

Manipulierte Verkehrsunfälle

Unfälle werden provoziert oder nachträglich umdeklariert, um Leistungen aus Kfz-Haftpflicht- oder Kaskoversicherungen zu beziehen. Hierzu zählen abgesprochene Kollisionen oder das Einbeziehen nicht existenter Schäden.

Unzutreffende Gesundheits- oder Berufsangaben

Bei Personenversicherungen werden Gesundheitszustand, Vorerkrankungen oder berufliche Risiken verschwiegen oder beschönigt, um günstigere Konditionen zu erhalten oder Leistungen auszulösen.

Doppelversicherung und Mehrfachabrechnung

Ein identischer Schaden wird zeitgleich bei mehreren Versicherern geltend gemacht oder mehrfach abgerechnet, obwohl nur ein Ausgleich zulässig ist.

Prämien- und Tarifmanipulation

Relevante Risikofaktoren werden bewusst falsch angegeben, etwa bei Kilometerlaufleistungen, Abstellorten, Nutzungsarten oder Fahrerkreisen in der Kfz-Versicherung.

Rechtliche Einordnung

Kernmerkmale

Täuschungshandlung

Erforderlich ist eine aktive Falschangabe oder das pflichtwidrige Verschweigen wesentlicher Umstände gegenüber dem Versicherer. Dies kann im Antrag, bei der Schadenmeldung oder während der Leistungsprüfung geschehen.

Irrtum und Vermögensverfügung

Die Täuschung muss beim Versicherer einen Irrtum hervorrufen und zu einer wirtschaftlich nachteiligen Entscheidung führen, etwa zur Auszahlung von Leistungen oder zum Abschluss eines Vertrags zu unzutreffenden Konditionen.

Vermögensschaden und Bereicherungsabsicht

Es muss ein wirtschaftlicher Nachteil beim Versicherer eintreten oder beabsichtigt sein. Ziel der Täuschung ist die Erlangung eines unberechtigten Vorteils, typischerweise einer Geldzahlung oder einer tariflichen Vergünstigung.

Vorsatz

Erforderlich ist bewusste und gewollte Täuschung. Irrtümer oder Versehen ohne Täuschungsabsicht erfüllen den Tatbestand nicht.

Versuch, Anstiftung und Beihilfe

Schon das planmäßige Ansetzen zur Tat ohne tatsächliche Auszahlung kann rechtlich erfasst sein. Ebenso sind das Veranlassen anderer Personen zur Tat oder die unterstützende Mitwirkung eigenständige Rechtsverstöße.

Beteiligte

Verantwortlich sein können Versicherungsnehmende, mitversicherte Personen, Anspruchstellende, Dienstleister wie Werkstätten oder Gutachter sowie Dritte, die an der Täuschung mitwirken. Arbeitsteiliges Vorgehen gilt als erschwerender Umstand.

Abgrenzungen

Obliegenheitsverletzung ohne Täuschungsabsicht

Das missachtete Einhalten vertraglicher Pflichten, etwa verspätete Schadenmeldung oder unvollständige Angaben, kann zu Leistungskürzungen führen, ist aber nicht automatisch strafbar. Entscheidend ist, ob eine bewusste Täuschung vorliegt.

Vertragswidriges Verhalten vs. Strafbarkeit

Nicht jede Meinungsverschiedenheit über Schadenhöhe oder Anspruchsgrundlage begründet einen Betrug. Erst die vorsätzliche Irreführung mit unzutreffenden Tatsachen erfüllt den strafrechtlichen Charakter.

Irrtum und Fahrlässigkeit

Fehlerhafte Angaben aus Unachtsamkeit sind von planvoller Irreführung zu unterscheiden. Ohne Vorsatz fehlt die strafrechtliche Relevanz, wenngleich vertragliche Folgen möglich bleiben.

Verfahren und Nachweis

Anzeige und Ermittlungen

Verdachtsfälle werden häufig durch den Versicherer gemeldet. Es folgen Ermittlungen, die aufklären sollen, ob eine vorsätzliche Täuschung stattgefunden hat.

Beweismittel und Prüfmethoden

Typische Mittel sind Dokumenten- und Rechnungsprüfungen, technische Auswertungen (z. B. Fahrzeugsysteme), Vergleichsrecherchen, Gutachten, Zeugenaussagen sowie Plausibilitätsanalysen zu Schadenhergang und Wertentwicklung.

Rollen der Beteiligten

Versicherer prüfen den Sachverhalt und entscheiden über Leistungen. Ermittlungsbehörden klären die strafrechtliche Seite. Zivil- und Strafverfahren können nebeneinander geführt werden.

Daten- und Hinweissysteme

Branchenweite Hinweis- und Informationssysteme unterstützen die Aufdeckung auffälliger Muster. Die Nutzung unterliegt datenschutzrechtlichen Vorgaben.

Rechtsfolgen

Strafrechtliche Konsequenzen

Mögliche Folgen sind Geldstrafe oder Freiheitsstrafe. Die Höhe orientiert sich unter anderem an Schadenssumme, Vorgehensweise, Wiederholung und Mitwirkung weiterer Personen. Bereits der Versuch kann zu Sanktionen führen.

Zivilrechtliche Folgen

Der Versicherer kann die Leistung verweigern, bereits Gezahltes zurückfordern, den Vertrag beenden, künftige Ansprüche ausschließen oder Ersatz für entstandene Aufwendungen verlangen. Auch Regress gegenüber Mitwirkenden ist möglich.

Vertragliche und wirtschaftliche Auswirkungen

Einträge in branchenweite Hinweissysteme, erschwerte Annahme neuer Verträge, höhere Beiträge oder Selbstbehalte sind typische mittelbare Folgen. Zudem können interne Sperrfristen oder besondere Prüfungen künftig angewandt werden.

Berufs- und Nebenfolgen

Je nach Tätigkeit können berufsrechtliche Maßnahmen, der Verlust von Zulassungen oder disziplinarische Schritte hinzutreten, insbesondere in Vertrauenspositionen.

Besonderheiten nach Versicherungssparten

Kfz-Versicherung

Schadenmanipulationen, provozierte Kollisionen, fingierte Vorschäden und unzutreffende Tarifangaben kommen häufig vor. Digitale Fahrzeugdaten und Gutachten spielen bei der Aufklärung eine wichtige Rolle.

Sachversicherungen

Bei Hausrat- und Wohngebäudeversicherungen sind überhöhte Inventarlisten, fingierte Einbruchspuren und manipulierte Brand- oder Wasserschäden typische Konstellationen.

Personenversicherungen

In Kranken-, Unfall-, Lebens- oder Berufsunfähigkeitsversicherungen stehen unzutreffende Angaben zu Gesundheit, Erwerbstätigkeit oder Leistungsfähigkeit im Vordergrund. Prüfungen erstrecken sich auf Antragsphase und Leistungsfall.

Verjährung und Fristen

Strafverfolgung

Die Möglichkeit, eine Tat strafrechtlich zu verfolgen, ist zeitlich begrenzt. Die Dauer richtet sich im Wesentlichen nach der Schwere des Verhaltens und beginnt regelmäßig mit der Tatbeendigung.

Zivilrechtliche Ansprüche

Rückforderungen, Leistungskürzungen und vertragliche Einwendungen unterliegen eigenen Fristen. Diese knüpfen typischerweise an Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis des Versicherers sowie an den Zeitpunkt des Versicherungsfalls an.

Häufig gestellte Fragen

Was gilt als Versicherungsbetrug?

Als Versicherungsbetrug gilt die vorsätzliche Täuschung eines Versicherers, um eine unberechtigte Leistung zu erhalten oder Beiträge zu umgehen. Erfasst sind falsche Angaben im Antrag, manipulierte oder erfundene Schadenfälle sowie überhöhte Forderungen.

Ist schon eine Falschangabe im Versicherungsantrag relevant?

Unzutreffende Angaben zu risikorelevanten Umständen können straf- und zivilrechtlich bedeutsam sein, wenn sie bewusst erfolgen, um günstigere Konditionen oder einen Vertragsschluss zu erreichen.

Ist der Versuch des Versicherungsbetrugs erfasst?

Bereits das Ansetzen zur Täuschung ohne tatsächliche Auszahlung kann rechtlich erfasst sein. Auch Anstiftung und Beihilfe sind als eigenständige Verhaltensweisen von Bedeutung.

Welche Strafen kommen in Betracht?

In Betracht kommen Geld- oder Freiheitsstrafen. Umfang und Höhe hängen von Faktoren wie Schadenssumme, Vorgehensweise, Wiederholung und Mitwirkung mehrerer Personen ab.

Welche zivilrechtlichen Folgen drohen zusätzlich?

Möglich sind Leistungsfreiheit des Versicherers, Rückforderung bereits gezahlter Beträge, Vertragsbeendigung, Regress gegen Beteiligte und erschwerte Bedingungen für zukünftige Versicherungsverhältnisse.

Wie wird Versicherungsbetrug nachgewiesen?

Durch Dokumentenprüfungen, technische und forensische Auswertungen, Zeugen, Sachverständigengutachten sowie Plausibilitätsprüfungen zum Schadenhergang und zu Wertangaben. Zivil- und Strafverfahren können unterschiedliche Anforderungen an den Nachweis stellen.

Welche Rolle spielt der Vorsatz?

Vorsatz ist zentral. Ohne bewusste Täuschungshandlung fehlt die strafrechtliche Relevanz. Irrtümer oder Versehen können gleichwohl vertragliche Konsequenzen haben.

Verjährt Versicherungsbetrug?

Ja. Sowohl die strafrechtliche Verfolgung als auch zivilrechtliche Ansprüche sind zeitlich begrenzt. Beginn und Dauer hängen von den jeweiligen gesetzlichen Vorgaben und den Umständen des Einzelfalls ab.