Begriff und rechtliche Einordnung des Versicherungsbeirats
Der Begriff „Versicherungsbeirat“ bezeichnet in Deutschland ein internes Gremium, das bei Versicherungsunternehmen eingerichtet werden kann, um deren Unternehmensführung durch beratende Tätigkeiten zu unterstützen. Versicherungsbeiräte kommen insbesondere in bestimmten Versicherungszweigen und -formen vor, jedoch sieht das Gesetz ihre Einrichtung nicht verpflichtend für alle Versicherungsgesellschaften vor. Rechtlich relevante Grundlagen für Versicherungsbeiräte finden sich maßgeblich im Versicherungsvertragsgesetz (VVG), im Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG) sowie in den Satzungen und Geschäftsordnungen der jeweiligen Versicherungsunternehmen.
Entstehung und Funktion des Versicherungsbeirats
Historische Entwicklung
Die Einrichtung von Versicherungsbeiräten hat ihre Wurzeln in der gewachsenen Tradition genossenschaftlich organisierten oder auf Gegenseitigkeit beruhenden Versicherungsunternehmen. In diesen Unternehmen diente der Beirat von Beginn an als Kontroll- und Beratungsorgan, um die Interessen der Mitglieder gegenüber der Unternehmensleitung zu vertreten.
Aufgaben und Kompetenzen
Der Versicherungsbeirat übt in der Regel eine beratende Funktion aus. Zu seinen Aufgaben gehören typischerweise:
- Beratung und Überwachung der Unternehmensleitung, insbesondere hinsichtlich der Umsetzung satzungsgemäßer Ziele,
- Kontrolle und Evaluierung der Geschäftspolitik,
- Mitwirkung bei der Festlegung wichtiger Unternehmensgrundsätze oder Geschäftsstrategien,
- Beratung bei der Produktgestaltung und Vertragsbedingungen,
- Wahrnehmung von Informations- und Mitspracherechten bei zentralen Angelegenheiten.
Der Umfang dieser Aufgaben kann durch die jeweilige Satzung oder Geschäftsordnung des Versicherungsunternehmens näher bestimmt und ausgeweitet werden. Ein originäres Entscheidungs- oder Weisungsrecht steht Versicherungsbeiräten in der Regel nicht zu.
Rechtliche Grundlagen
Versicherungsvertragsgesetz (VVG)
Das VVG enthält keine expliziten Vorschriften zur Institution des Versicherungsbeirats. Allerdings können dem Beirat Rechte und Pflichten im Rahmen besonderer Versicherungsbedingungen eingeräumt werden, soweit diese nicht im Widerspruch zu gesetzlichen Vorgaben des VVG stehen.
Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG)
Das VAG regelt die Aufsicht über die Versicherungsunternehmen und trifft in einzelnen, besonderen Fällen Anordnungen für die Einrichtung von Beiräten. Insbesondere bei Versicherungsvereinen auf Gegenseitigkeit (VVaG) können Beiräte als satzungsmäßige Organe vorgesehen werden. Hierdurch sollen Mitgliederinteressen gegenüber der Geschäftsführung sichergestellt werden (§§ 21, 25 VAG). Eine gesetzliche Verpflichtung zur Einrichtung besteht jedoch nicht in jedem Fall.
Satzung und Geschäftsordnung
Die konkrete Ausgestaltung, Befugnisse, Zusammensetzung und Arbeitsweise von Versicherungsbeiräten ergibt sich maßgeblich aus der Satzung und gegebenenfalls ergänzenden Geschäftsordnungen des jeweiligen Versicherungsunternehmens. Diese legen fest, wie Mitglieder bestellt und abberufen werden, wie der Beirat seine Beschlüsse fasst und welche Rechte und Pflichten den einzelnen Mitgliedern zukommen.
Zusammensetzung und Bestellung
Mitgliederstruktur
Die Mitgliederzahl und deren Qualifikation sind nicht gesetzlich normiert, sondern richten sich nach den von der Gesellschaft selbst festgelegten Kriterien. Die Mitglieder des Versicherungsbeirats können aus verschiedenen Personengruppen stammen, etwa versicherte Personen, Vertreter bestimmter Berufsgruppen, Firmenkunden oder sonstige Stakeholder.
Wahl- und Abberufungsverfahren
Der Wahlmodus wird üblicherweise satzungsmäßig geregelt. Häufig erfolgt die Bestellung des Beirats durch die Mitgliederversammlung, den Aufsichtsrat oder die Hauptversammlung der Versicherungsgesellschaft. Analoges gilt für Abberufung, Amtsdauer und Nachbesetzung bei vorzeitigem Ausscheiden.
Unabhängigkeit und Verschwiegenheit
Mitglieder des Versicherungsbeirats unterliegen in aller Regel einer Schweigepflicht hinsichtlich betriebsinterner Vorgänge, die ihnen im Rahmen ihrer Tätigkeit bekannt werden. Zudem ist von Beiratsmitgliedern Unabhängigkeit im Sinne einer nicht vorrangig eigenen, sondern gesamtgesellschaftlichen Interessenwahrnehmung gefordert.
Unterschiede zu anderen Organen
Abgrenzung zum Aufsichtsrat
Der Aufsichtsrat ist ein für bestimmte Rechtsformen (insbesondere Aktiengesellschaften und große GmbHs) gesetzlich vorgeschriebenes Kontrollorgan mit eigenständigen Kontroll- und Überwachungsaufgaben. Im Gegensatz dazu ist die Einrichtung eines Versicherungsbeirats fakultativ und dessen Aufgabenbereich in der Regel auf Beratung und Mitwirkung statt formale Kontrolle beschränkt.
Unterschied zum Vorstand
Der Vorstand nimmt die Geschäftsführung und Vertretung des Unternehmens wahr. Der Versicherungsbeirat besitzt keine eigenständigen Leitungs- oder Vertretungskompetenzen.
Bedeutung und Relevanz in der Versicherungspraxis
Versicherungsbeiräte tragen zur Stärkung der Mitglieder- und Kundenpartizipation in Versicherungsunternehmen bei. Ihre Einrichtung stellt eine Möglichkeit dar, das Vertrauen und die Bindung der Versicherten an die Gesellschaft zu fördern und die Unternehmensleitung um externe Perspektiven zu ergänzen. Insbesondere für kleinere oder genossenschaftlich organisierte Versicherungsunternehmen kann der Beirat eine wichtige Funktion als beratendes Forum übernehmen.
Haftung und Verantwortung
Mitglieder des Versicherungsbeirats haften grundsätzlich nur für schuldhaft verursachte, grob fahrlässige oder vorsätzliche Pflichtverletzungen, sofern die Satzung oder anwendbares Recht nichts anderes bestimmt. Genauere Haftungsregelungen können gesondert in der Satzung oder Geschäftsordnung bestimmt werden.
Mitwirkungs- und Informationsrechte
In vielen Fällen stehen Versicherungsbeiräten Informations- und Anhörungsrechte zu, die es ihnen ermöglichen, die Geschäftsleitung hinsichtlich Grundsatzfragen der Unternehmensentwicklung zu beraten. Die konkrete Ausgestaltung richtet sich nach der zugrunde liegenden Satzung des Unternehmens.
Übersicht: Zusammenfassende Beurteilung
Der Versicherungsbeirat ist ein wichtiges satzungsmäßiges Organ in bestimmten Versicherungsunternehmen und trägt zur transparenten, partizipativen und verantwortungsvollen Unternehmensführung bei. Gesetzlich streng normiert ist der Versicherungsbeirat vor allem in Versicherungsvereinen auf Gegenseitigkeit; ansonsten ist die Einrichtung fakultativ. Seine Aufgaben sind im Wesentlichen beratender Natur und tragen zur besseren Vernetzung und zum Interessenausgleich innerhalb des Unternehmens bei. Die genaue Ausgestaltung, die Auswahl der Mitglieder sowie die Arbeitsweise ergeben sich aus den Regelungen der jeweiligen Unternehmenssatzung und einschlägigen aufsichtsrechtlichen Anforderungen.
Siehe auch:
- 2016/“>Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG)
- Versicherungsunternehmen
- Häufig gestellte Fragen
Wer ist für die Bestellung der Mitglieder des Versicherungsbeirats zuständig?
Für die Bestellung der Mitglieder des Versicherungsbeirats ist in Deutschland grundsätzlich das Versicherungsunternehmen selbst verantwortlich. Diese Bestellung erfolgt jedoch unter Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben gemäß Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG) sowie eventuell einschlägiger sektorbezogener Spezialvorschriften. Die Unternehmenssatzung oder ein vergleichbarer Organisationsvertrag kann nähere Formalien zur Berufung, Abberufung und Amtsdauer der Beiratsmitglieder regeln. In bestimmten Fällen muss die Bestellung von der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) genehmigt werden. Dabei ist zu gewährleisten, dass die Mitglieder des Beirats unabhängig und nachweislich sachkundig sind, weshalb sie auch einer Zuverlässigkeits- und Sachkundeüberprüfung unterliegen können. Die Mitglieder werden in der Regel für eine festgelegte Dauer bestellt, wobei eine wiederholte Berufung zulässig ist. Bei Pflichtbeiräten, wie im Bereich der privaten Krankenversicherung, wird die Zusammensetzung zudem gesetzlich genauer geregelt, etwa unter Beteiligung von Versicherten- und Arbeitgebervertretern.
Welche rechtlichen Pflichten und Befugnisse hat der Versicherungsbeirat?
Der Versicherungsbeirat hat im Wesentlichen beratende Funktionen, die jedoch in der jeweiligen Satzung und gesetzlichen Vorschriften unterschiedlich ausgestaltet sein können. Gesetzliche Grundlage für seine Arbeit bietet das VAG, das etwa für bestimmte Versicherungszweige (wie die private Krankenversicherung gemäß § 153 VAG) einen Beirat zwingend vorsieht. Zu den Pflichten gehören insbesondere die Überwachung und Beratung des Unternehmens bei der Wahrung der Interessen der Versicherten, bei der Kalkulation der Prämien, bei Überschussbeteiligungen sowie bei der Änderung von Allgemeinen Versicherungsbedingungen. Der Versicherungsbeirat hat das Recht, Einblick in relevante Geschäftsunterlagen zu nehmen, Auskünfte von der Geschäftsleitung zu verlangen und Anträge an den Vorstand zu richten. Teilweise ist seine Zustimmung zu bestimmten Maßnahmen (z. B. Tarifänderungen) gesetzlich vorgeschrieben. In der Praxis erstreckt sich die rechtliche Kontrolle des Beirats auch auf die ordnungsgemäße Mittelverwendung sowie, je nach Satzungsregelung, auf die Prüfung und Kommentierung von Geschäftsberichten. Seine Tätigkeit ist dabei beschränkt auf den rechtlichen und aufsichtsrechtlichen Rahmen – eine operative Geschäftsführung ist ihm nicht gestattet.
Welche gesetzlichen Grundlagen regeln die Arbeit des Versicherungsbeirats?
Die zentralen gesetzlichen Grundlagen für die Arbeit des Versicherungsbeirats sind im Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG) sowie in branchenspezifischen Einzelgesetzen (z. B. dem Versicherungsvertragsgesetz – VVG) enthalten. Besonders relevant ist § 153 VAG, der für Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit sowie für Anbieter der substitutiven Krankenversicherung spezifische Vorgaben für die Einführung und Arbeitsweise eines Beirats macht. Darüber hinaus ergeben sich Rechte und Pflichten aus den jeweiligen Satzungen der Versicherungsunternehmen, sofern dort weitergehende Regelungen getroffen werden. Die Vorschriften betreffen sowohl die Mindestzusammensetzung und Aufgabenverteilung als auch die Anforderungen an die Unabhängigkeit und die Mitwirkungsrechte des Beirats. Ergänzend finden sich in der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO), im Aktiengesetz sowie im Handelsgesetzbuch relevante Vorschriften, soweit der Beirat personenbezogene Daten verarbeitet oder in den Bereich der Geschäftsleitung eingreift.
Welche Haftungsregelungen bestehen für Mitglieder des Versicherungsbeirats?
Die Haftung der Beiratsmitglieder richtet sich nach den allgemeinen zivilrechtlichen Vorschriften sowie den spezialgesetzlichen Regelungen, insbesondere dem VAG. Grundsätzlich haften die Mitglieder für Schäden, die sie durch vorsätzliche oder grob fahrlässige Pflichtverletzungen verursachen (§ 823 BGB analog). Ihre Sorgfaltspflichten ähneln denen eines Aufsichtsrats- oder Verwaltungsratsmitglieds, wobei eine Haftung regelmäßig dann ausgeschlossen ist, wenn sie ihre Aufgaben ordnungsgemäß und nach bestem Wissen und Gewissen erledigt haben. In der Satzung können Haftungsbeschränkungen oder -freistellungen vorgesehen sein, wobei diese nicht für Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit gelten dürfen. In ihrer Funktion sind die Mitglieder außerdem zur Verschwiegenheit verpflichtet, deren Verletzung zu Schadensersatzansprüchen oder gar strafrechtlicher Verfolgung führen kann. Bei beiratsbezogener Gremienarbeit können unter Umständen auch versicherungsrechtliche D&O-Policen (Directors-and-Officers-Versicherungen) einen ergänzenden Haftungsschutz bieten.
Welche Mitwirkungsrechte hat der Versicherungsbeirat im Vergleich zu anderen Aufsichtsgremien?
Der Versicherungsbeirat ist als beratendes Organ nicht mit einem klassischen Aufsichtsrat vergleichbar, besitzt aber wichtige Mitwirkungsrechte, die über bloße Anhörungspflichten hinausgehen. Bei wesentlichen Entscheidungen wie Änderungen der Allgemeinen Versicherungsbedingungen, der Überschussverteilung oder der Anpassung von Tarifen ist der Versicherungsbeirat gemäß § 153 VAG zwingend zu beteiligen, häufig ist seine Zustimmung erforderlich. Anders als der Aufsichtsrat, der im Sinne des Aktienrechts auch Kontroll- und sogar Leitungsbefugnisse wahrnimmt, beschränkt sich der Beirat auf thematische und betriebsinterne Mitwirkung im Sinne der Versichertengemeinschaft. In bestimmten Konstellationen kann seine Ablehnung von Maßnahmen rechtliche Wirkung entfalten und somit den Handlungsspielraum des Vorstandes beschränken oder sogar bestimmte Entscheidungen blockieren. Dennoch bleibt die operative Unternehmenslenkung weiterhin beim Vorstand/Vorstandsgremium, sodass die Mitwirkung des Beirats rechtlich klar abgegrenzt ist.
Wie ist der Datenschutz im Rahmen der Beiratstätigkeit rechtlich gesichert?
Der Versicherungsbeirat ist gemäß Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) wie auch nach dem Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) verpflichtet, sämtliche personenbezogenen Daten, die ihm im Rahmen seiner Tätigkeit übermittelt werden, vertraulich zu behandeln und nur für die Zwecke der Beiratstätigkeit zu verwenden. Dies betrifft insbesondere alle versicherungsbezogenen Daten sowie interne Wirtschafts- und Unternehmensdaten. Beiratsmitglieder sind daher regelmäßig schriftlich auf die Einhaltung der datenschutzrechtlichen Geheimhaltungspflichten zu verpflichten. Zudem muss das Versicherungsunternehmen organisatorische und technische Maßnahmen bereitstellen, um den Zugriff auf Daten nur im Rahmen der erforderlichen Mitwirkung zu ermöglichen. Datenschutzverstöße können nicht nur zivilrechtliche, sondern auch aufsichtsrechtliche und strafrechtliche Konsequenzen haben. Die Einhaltung der Datenschutzvorgaben wird von der internen Datenschutzkontrolle des Unternehmens sowie ggf. externen Datenschutzbeauftragten überwacht.
Welche Melde- und Berichtspflichten bestehen gegenüber der Aufsichtsbehörde (BaFin)?
Der Versicherungsbeirat unterliegt keiner eigenständigen direkten Meldepflicht gegenüber der BaFin, die Berichtspflicht obliegt vielmehr regelmäßig dem Vorstand oder der Geschäftsleitung des Versicherungsunternehmens. Allerdings ist die BaFin im Rahmen der Versicherungsaufsicht berechtigt, die Protokolle, Berichte und Beschlüsse des Beirats jederzeit einzusehen sowie Auskünfte und Stellungnahmen direkt von den Beiratsmitgliedern einzufordern. Darüber hinaus kann sie bei gravierenden Verstößen oder Missständen die Einsetzung spezifischer Beiräte anordnen, besondere Kontrollmaßnahmen einleiten oder ein formales aufsichtsrechtliches Verfahren gegen Beiratsmitglieder in Gang setzen. In der Praxis ist der Beirat regelmäßig in die Erstellung und Prüfung von aufsichtsrechtlich relevanten Dokumenten eingebunden und kann verpflichtet werden, an Berichtspflichten des Unternehmens maßgeblich mitzuwirken.