Definition und Grundprinzip
Die Versicherung auf erste Gefahr (auch „erstes Risiko“) ist eine besondere Deckungsform, bei der der Versicherer einen Schaden bis zu einer im Vertrag festgelegten Summe ersetzt, ohne den Gesamtwert der versicherten Sache zugrunde zu legen. Maßgeblich ist allein die vereinbarte Summe auf erste Gefahr als Höchstentschädigung pro Schadenereignis; eine Kürzung wegen Unterversicherung findet bis zu dieser Grenze nicht statt. Übersteigt der Schaden die vereinbarte Summe, bleibt der darüber hinausgehende Teil unberücksichtigt.
Abgrenzung zur Versicherung zum Vollwert
Im Unterschied zur Versicherung zum Vollwert wird bei der Versicherung auf erste Gefahr kein vollständiger Gesamtwert (Vollwert) der versicherten Sachen ermittelt. Die Deckung ist auf eine pauschale Höchstentschädigung ausgerichtet, die typischerweise für Schäden gedacht ist, die zwar erheblich, aber erfahrungsgemäß unterhalb des Gesamtwerts liegen. Dadurch entfällt die Prüfung, ob der angegebene Versicherungswert den tatsächlichen Wert vollständig abbildet. Die Deckung eignet sich insbesondere, wenn der Gesamtwert schwer bestimmbar ist oder sich laufend verändert, während ein realistischer Höchstschaden benannt werden kann.
Rechtsnatur und Vertragsgestaltung
Die Versicherung auf erste Gefahr ist eine vertraglich definierte Ausgestaltung des Sachversicherungsschutzes. Der Umfang ergibt sich aus dem individuell vereinbarten Bedingungswerk. Typische Vertragsbestandteile sind:
- Deckungsumfang: Benennung der versicherten Gefahren (z. B. Feuer, Einbruchdiebstahl, Leitungswasser, Sturm) sowie der mitversicherten Kosten (z. B. Aufräumung, Schutzkosten), soweit vereinbart.
- Summe auf erste Gefahr: Höchstentschädigung pro Schadenereignis; sie wirkt als Deckel der Leistungspflicht.
- Selbstbehalte und Franchisen: Vereinbarte Eigenanteile mindern die Leistung entsprechend.
- Örtlicher und zeitlicher Geltungsbereich: Festlegung, wo und ab wann die Deckung gilt, einschließlich etwaiger zeitlich begrenzter Zusagen.
- Obliegenheiten: Pflichten vor und nach dem Schaden (z. B. Sorgfalts-, Sicherungs-, Anzeige- und Auskunftspflichten) und die möglichen rechtlichen Folgen bei Pflichtverletzungen.
- Mehrfach- und Doppelversicherung: Regelungen zur Verteilung der Entschädigung, wenn gleichartige Risiken bei mehreren Versicherern gedeckt sind.
Entschädigungsberechnung und Verhältnis zu Unter- und Überversicherung
Die Entschädigung ist auf die Summe auf erste Gefahr beschränkt. Eine anteilige Kürzung wegen Unterversicherung erfolgt bis zu dieser Summe nicht. Übersteigt der Schaden die vereinbarte Summe, bleibt der darüber hinausgehende Betrag unversichert. Der tatsächliche Gesamtwert der Sache ist für die Berechnung innerhalb der Deckungsgrenze unerheblich. Bewertungsmaßstäbe (z. B. Neu- oder Zeitwert) ergeben sich aus den vertraglichen Bedingungen. Vereinbarungen zu Abzügen, etwa bei grober Fahrlässigkeit, können die Leistung beeinflussen, soweit sie wirksam einbezogen wurden. Bei Überversicherung (Summe über realistischer Höchstschadenerwartung) bleibt die Leistung trotz höherer Summen auf den tatsächlich eingetretenen Schaden begrenzt.
Typische Einsatzbereiche und Deckungskombinationen
Die Deckung auf erste Gefahr wird häufig dort eingesetzt, wo:
- der Gesamtwert schwankt oder schwer exakt bestimmbar ist,
- bestimmte Positionen durch pauschale Höchstbeträge abgesichert werden sollen,
- zusätzliche Deckungsbausteine mit eigenem Limit vereinbart werden (z. B. Außenanlagen, Messegüter, Baustelleneinrichtungen, Glasbruch, Kunst- oder Sammlungsgegenstände).
Üblich sind Kombinationen mit einer Vollwertversicherung, bei der einzelne Risiken oder Kostenpositionen zusätzlich „auf erste Gefahr“ mit eigenen Höchstentschädigungen abgesichert sind.
Pflichten vor Vertragsschluss und während der Laufzeit
Vor Vertragsschluss sind risikorelevante Umstände vollständig und richtig anzugeben. Während der Laufzeit können Anzeigepflichten bestehen, etwa bei erheblichen Veränderungen des Risikos. Sorgfalts- und Sicherheitsvorgaben aus dem Vertrag sind einzuhalten. Bei Pflichtverletzungen kommen je nach Art, Schwere und Ursächlichkeit Kürzungen der Leistung oder Leistungsausschlüsse in Betracht. Die vertraglichen Bestimmungen regeln regelmäßig, in welchen Fällen und in welchem Umfang solche Rechtsfolgen eintreten.
Schadenfall: Meldung und Regulierung
Nach Eintritt eines Schadens enthalten die Bedingungen Vorgaben zur Meldung, zur Mitwirkung bei der Feststellung des Sachverhalts und zur Beibringung von Nachweisen (z. B. Belege, Verzeichnisse, Gutachten). Der Versicherer prüft Ursache, Umfang und Höhe des Schadens. Die Fälligkeit der Entschädigung richtet sich nach den vereinbarten Regelungen, insbesondere zur vollständigen Aufklärung des Versicherungsfalls. Bei Beteiligung mehrerer Versicherer wird die Entschädigung nach den vertraglichen Verteilungsgrundsätzen aufgeteilt.
Grenzen, Ausschlüsse und Kumulrisiken
Die Versicherung auf erste Gefahr unterliegt wie jede Sachversicherung vertraglichen Ausschlüssen. Häufig ausgenommen sind beispielsweise vorsätzliche Herbeiführung von Schäden, bestimmte außergewöhnliche Ereignisse und Risiken, die generell nicht versichert werden. Zudem ist die Deckung durch die Summe auf erste Gefahr begrenzt. Treffen mehrere Ereignisse zeitlich oder örtlich zusammen, können Kumulrisiken entstehen; maßgeblich sind dann die vertraglichen Definitionen von Schadenereignis, Serienschaden und Jahreshöchstleistung, sofern vereinbart.
Prämienkalkulation und Risikofaktoren
Die Prämie orientiert sich regelmäßig an der Höhe der Summe auf erste Gefahr, den versicherten Gefahren, dem individuellen Risikoprofil, vereinbarten Selbstbehalten, vorhandenen Sicherungen und der Schadenhistorie. Je nach Markt- und Risikosituation können Zuschläge oder Nachlässe vorgesehen sein.
Verhältnis zu Sublimits, Pauschaldeckungen und Höchstentschädigungen
Die Summe auf erste Gefahr ist eine eigenständige Höchstentschädigung, die unabhängig vom Gesamtwert gilt. Sublimits sind demgegenüber interne Begrenzungen innerhalb eines umfassenderen Versicherungsschutzes. In der Praxis können Sublimits als Deckungen auf erste Gefahr ausgestaltet sein, müssen es aber nicht. Maßgeblich ist der genaue Wortlaut der vertraglichen Klausel.
Internationale Einordnung und Terminologie
International entspricht der Begriff regelmäßig dem Konzept der „first loss insurance“. Der Kern bleibt gleich: Die Entschädigung ist auf einen vertraglich bestimmten Höchstbetrag je Schadenereignis begrenzt, ohne dass eine anteilige Kürzung wegen Unterversicherung innerhalb dieser Grenze erfolgt. Terminologische und bedingungsseitige Ausgestaltungen können je nach Markt variieren.
Häufig gestellte Fragen
Was bedeutet „auf erste Gefahr“ im Hinblick auf Unterversicherung?
Innerhalb der vereinbarten Summe auf erste Gefahr erfolgt keine Kürzung wegen Unterversicherung. Der Versicherer leistet bis zu dieser Grenze, unabhängig vom Gesamtwert. Übersteigt der Schaden die Summe, bleibt der Mehrbetrag unberücksichtigt.
Gilt die Summe auf erste Gefahr pro Schadenfall oder pro Jahr?
Regelmäßig ist die Summe auf erste Gefahr eine Höchstentschädigung pro Schadenereignis. Manche Verträge sehen zusätzlich jahresbezogene Aggregatsgrenzen vor. Maßgeblich ist die vertragliche Definition von Schadenereignis und etwaigen Jahreshöchstleistungen.
Wie wirkt sich grobe Fahrlässigkeit aus?
Die Behandlung grober Fahrlässigkeit richtet sich nach den vereinbarten Bedingungen. Je nach Ausgestaltung sind Kürzungen bis zur vollständigen Leistungsfreiheit möglich oder es gelten abgestufte Quotenregelungen.
Kann eine Deckung auf erste Gefahr neben einer Vollwertversicherung bestehen?
Ja, häufig werden in einer Vollwertversicherung einzelne Positionen ergänzend mit einer Summe auf erste Gefahr abgesichert. In diesem Fall gilt für die benannten Positionen die spezielle Höchstentschädigung; sonstige Schäden richten sich nach dem Vollwert.
Welche Angaben sind vor Vertragsschluss bedeutsam?
Risikorelevante Informationen, die für die Einschätzung des Versicherungsrisikos maßgeblich sind, sind vollständig und richtig mitzuteilen. Unzutreffende oder unvollständige Angaben können leistungsrelevante Folgen haben.
Was passiert bei Mehrfachversicherung?
Besteht für dasselbe Interesse bei mehreren Versicherern Deckung, greifen vertragliche Verteilungsregeln. Die Gesamterstattung überschreitet den Schaden nicht; die Beteiligung der Versicherer richtet sich nach den vereinbarten Quoten.
Welche Nachweise werden im Schadenfall verlangt?
Üblich sind Nachweise zur Ursache und Höhe des Schadens, etwa Belege, Verzeichnisse, Fotos oder Gutachten. Die konkreten Anforderungen ergeben sich aus den Bedingungen und den Umständen des Einzelfalls.