Legal Lexikon

Versicherer


Begriff und rechtliche Einordnung des Versicherers

Der Begriff Versicherer bezeichnet nach deutschem Recht die Partei eines Versicherungsvertrages, die gegen Zahlung einer Prämie die Verpflichtung zur Deckung eines bestimmten Risikos übernimmt. Der Versicherer ist ein zentraler Akteur im Versicherungswesen und wird auch als Versicherungsgesellschaft oder Versicherungsunternehmen bezeichnet. Seine rechtliche Stellung, Aufgaben sowie die Form und Zulässigkeit der Tätigkeit werden durch eine Vielzahl gesetzlicher Regelungen bestimmt.

Versicherungsunternehmen: Typisierung und Rechtsformen

Zulässige Rechtsformen

Versicherer können unter verschiedenen zulässigen Rechtsformen auftreten. Gemäß § 7 Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG) dürfen Versicherungsgeschäfte in Deutschland in folgenden Rechtsformen betrieben werden:

  • Aktiengesellschaft (AG)
  • Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit (VVaG)
  • Öffentliche Rechtsträger (z.B. Anstalten des öffentlichen Rechts)
  • Sonstige durch besondere Gesetze zugelassene Rechtsformen

Personengesellschaften sind als Versicherer nicht zulässig, da eine uneingeschränkte Haftung gewährleistet sein muss.

Eintragung und Zulassungspflicht

Versicherer bedürfen gemäß § 8 VAG der Zulassung durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin). Die Tätigkeit ohne diese Erlaubnis ist nach § 6 VAG untersagt und wird strafrechtlich verfolgt. Erst nach Eintragung in das Handelsregister und Erteilung der Erlaubnis durch die BaFin ist ein Unternehmen rechtlich als Versicherer zur Geschäftsausübung befugt.

Aufgaben und Pflichten des Versicherers

Prämienannahme und Versicherungsschutz

Das Grundgeschäft des Versicherers besteht in der Übernahme von bestimmten Risiken gegen Zahlung einer Versicherungsprämie. Der Versicherer schuldet dem Versicherungsnehmer dabei Versicherungsschutz im vereinbarten Umfang, meist in Form der Zahlung einer Geldleistung oder der Erbringung von Dienstleistungen im Versicherungsfall.

Informations- und Beratungspflichten

Vor Abschluss eines Vertrages bestehen umfangreiche Informationspflichten seitens des Versicherers gegenüber dem Versicherungsnehmer. Diese sind insbesondere im Versicherungsvertragsgesetz (VVG) geregelt. Dazu zählen unter anderem:

  • Aufklärung über Leistungsumfang und Ausschlüsse (§§ 1 ff. VVG)
  • Mitteilung von Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB)
  • Rechtzeitige und verständliche Information über Prämiensätze, Laufzeiten sowie Rechte und Pflichten aus dem Versicherungsvertrag

Leistungsprüfung und Regulierungspflicht

Im Versicherungsfall ist der Versicherer verpflichtet, das Vorliegen des Versicherungsfalls zu prüfen und die vereinbarte Leistung fristgerecht zu erbringen (§§ 14, 15 VVG). Kommt der Versicherer seinen Zahlungsverpflichtungen schuldhaft nicht nach, haftet er für daraus entstehende Schäden.

Treuepflicht und Interessenwahrung

Der Versicherer ist verpflichtet, die Interessen des Versicherungsnehmers während der Vertragslaufzeit zu wahren und etwaige Treuepflichten einzuhalten. Ein Verstoß kann unter Umständen Schadensersatzansprüche auslösen.

Beaufsichtigung und Kontrolle

Aufsichtsbehörden

Die Tätigkeit von Versicherern unterliegt in Deutschland der Aufsicht durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) nach Maßgabe des VAG sowie ggf. ergänzender europarechtlicher Regelungen (Solvency II). Ziel ist der Schutz der Versichertengemeinschaft und die Sicherstellung der dauerhaften Erfüllbarkeit der Versicherungsverträge durch den Versicherer.

Solvabilitätsanforderungen und Kapitalunterlegung

Versicherer sind verpflichtet, jederzeit eine ausreichende Eigenmittelausstattung nachzuweisen. Diese Solvabilitätsanforderungen regeln insbesondere §§ 89 ff. VAG sowie europarechtlich die Solvency-II-Richtlinie. Die Einhaltung dieser Anforderungen wird fortlaufend von der Aufsichtsbehörde überwacht.

Berichtspflichten und Rechnungslegung

Versicherer sind zur ordnungsgemäßen Rechnungslegung und zur Erstattung regelmäßiger Geschäftsberichte verpflichtet (§§ 341 ff. Handelsgesetzbuch, VAG). Zudem bestehen spezielle Publizitäts- und Informationspflichten gegenüber den Aufsichtsbehörden.

Versicherer im Versicherungsvertragsrecht

Stellung im Versicherungsvertrag

Der Versicherer tritt als vertragliche Hauptpartei im Versicherungsverhältnis auf, mit dem Versicherungsnehmer als Gegenpartei. Der Versicherungsvertrag wird durch zwei übereinstimmende Willenserklärungen sowie ggf. besondere Formvorschriften (§§ 33 ff. VVG) geschlossen. Vertragsänderungen und Kündigungen sind jeweils an bestimmte formelle und materielle Voraussetzungen geknüpft.

Rechte und Pflichten während der Vertragslaufzeit

Der Versicherer ist zur Leistungserbringung nach Eintritt des Versicherungsfalls verpflichtet und erhält im Gegenzug Prämien vom Versicherungsnehmer. Pflichten zur Risikoprüfung, Leistungsabwicklung und Vertragstransparenz sind zentrale Aufgaben während der Vertragslaufzeit.

Kündigung und Beendigung des Versicherungsverhältnisses

Das Versicherungsvertragsgesetz regelt die ordentliche und außerordentliche Kündigung des Versicherungsvertrages, auch seitens des Versicherers (§§ 92 ff. VVG). Darüber hinaus bestehen Sonderkündigungsrechte beispielsweise im Falle einer Prämienerhöhung ohne gleichzeitige Leistungsverbesserung.

Versicherungszweige und Geschäftsfelder

Versicherer können in verschiedenen Sparten tätig werden, hierzu zählen insbesondere:

  • Lebensversicherung
  • Krankenversicherung
  • Schaden- und Unfallversicherung
  • Rückversicherung

Für bestimmte Sparten gelten zusätzliche spezifische rechtliche Vorgaben.

Fazit

Der Begriff Versicherer bezeichnet diejenige Personenvereinigung oder Organisation, die im Rahmen eines rechtmäßig abgeschlossenen Versicherungsvertrages die Verpflichtung zur Risikoübernahme gegen Entgelt eingeht. Ihr Handeln unterliegt strenger gesetzlicher Regulierung, staatlicher Aufsicht und umfangreichen Pflichten gegenüber Versicherungsnehmern und Aufsichtsbehörden. Die rechtliche Ausgestaltung der Versicherer-Tätigkeit bildet das Fundament eines funktionierenden Versicherungssystems im Interesse des Verbraucherschutzes und der Stabilität des Versicherungsmarktes.

Häufig gestellte Fragen

Welche rechtlichen Pflichten hat ein Versicherer im Rahmen eines Versicherungsvertrags?

Ein Versicherer ist nach deutschem Recht verpflichtet, dem Versicherungsnehmer Versicherungsschutz entsprechend den vertraglich vereinbarten Bedingungen zu gewähren. Zu den Hauptpflichten zählen insbesondere die Leistungspflicht nach Eintritt des Versicherungsfalls, die ordnungsgemäße Information und Beratung des Versicherungsnehmers sowie die sachgemäße Verwaltung der Verträge. Die Leistungspflicht ergibt sich insbesondere aus § 1 VVG (Versicherungsvertragsgesetz), während die Informationspflichten vorvertraglich (§§ 6, 7 VVG), bei Vertragsabschluss sowie im Schadens- bzw. Leistungsfall greifen. Der Versicherer muss zudem den Schutz der personenbezogenen Daten des Versicherungsnehmers gemäß Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) sowie dem Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) gewährleisten. Darüber hinaus bestehen Treuepflichten, die den Versicherer insbesondere dazu verpflichten, keine Maßnahmen zu ergreifen, die den Versicherungsschutz unangemessen einschränken könnten. Im Falle der Leistungsregulierung hat der Versicherer nach § 14 VVG grundsätzlich binnen eines Monats nach Einreichung der erforderlichen Unterlagen zu leisten. Kommt der Versicherer diesen Pflichten nicht nach, können dem Versicherungsnehmer Schadenersatzansprüche zustehen.

Wann hat ein Versicherer das Recht, einen Vertrag zu kündigen?

Versicherungsverträge können vom Versicherer grundsätzlich nur unter bestimmten, gesetzlich festgelegten oder im Vertrag vereinbarten Voraussetzungen gekündigt werden. Die wichtigsten Kündigungsrechte ergeben sich insbesondere aus § 92 VVG (außerordentliche Kündigung wegen Gefahrerhöhung oder Verletzung vorvertraglicher Anzeigepflichten) und § 314 BGB (wichtiger Grund). Ferner besitzt der Versicherer ein ordentliches Kündigungsrecht beispielsweise bei einigen Sachversicherungen zum Ablauf der Vertragslaufzeit; dies ist aber zwingend an Frist- und Formvorschriften gebunden. Ein außerordentliches Kündigungsrecht entsteht etwa, wenn der Versicherungsnehmer bei Vertragsschluss relevante Gefahrumstände verschwiegen oder falsch angegeben hat (vgl. §§ 19 ff. VVG). Nach Eintritt eines Versicherungsfalls kann es bestimmte Branchenregelungen und eingeschränkte Kündigungsrechte geben, z.B. nach § 92 VVG. Der Versicherer darf jedoch nicht willkürlich oder treuwidrig kündigen; die Vorschriften zum Verbraucherschutz und die Grenzen der AGB-Kontrolle (vgl. §§ 305 ff. BGB) sind zu beachten.

Welche Auskunfts- und Mitwirkungspflichten treffen den Versicherer im Schadenfall?

Im Schadensfall trifft den Versicherer gemäß § 14 VVG die Pflicht, nach Eingang der Schadenanzeige unverzüglich zu prüfen, ob und in welcher Höhe eine Verpflichtung zur Leistung besteht. Dabei ist der Versicherer verpflichtet, dem Versicherungsnehmer jede angeforderte Auskunft über den Stand der Leistungsprüfung sowie über die zur Schadensregulierung notwendigen Unterlagen zu geben. Ebenso muss der Versicherer dem Versicherungsnehmer mitteilen, welche Informationen oder Nachweise noch benötigt werden, um den Schaden abschließend regulieren zu können. Kommt der Versicherer diesen Auskunftspflichten nicht rechtzeitig oder nicht vollständig nach, so kann dies die Leistungsfrist in Gang setzen oder Schadenersatzansprüche des Versicherungsnehmers auslösen. Der Versicherer hat im Rahmen der Schadenregulierung neutral und objektiv zu prüfen und darf den Anspruch nicht grundlos hinauszögern oder verweigern.

Welche rechtlichen Konsequenzen hat eine Pflichtverletzung des Versicherers?

Verletzt der Versicherer seine im Versicherungsvertrag oder gesetzlich festgelegten Pflichten, können für ihn erhebliche rechtliche Konsequenzen entstehen. Zunächst ist denkbar, dass der Versicherungsnehmer Anspruch auf Schadenersatz hat, wenn ihm durch die Pflichtverletzung ein Vermögensnachteil entsteht (vgl. § 280 BGB i.V.m. den speziellen Vorschriften des VVG). Darüber hinaus kann bei Verzug der Leistungspflicht unter den Voraussetzungen des § 286 BGB Verzugszinsen geltend gemacht werden. Werden Informations-, Beratungs- oder Dokumentationspflichten verletzt, kann dies zur Unwirksamkeit oder Anfechtbarkeit bestimmter Vertragsklauseln führen oder den Versicherungsnehmer zum Rücktritt berechtigen. Bei schwerwiegenden Pflichtverletzungen, wie etwa einem Verstoß gegen die Datenschutzvorgaben, drohen dem Versicherer zudem behördliche Sanktionen und Bußgelder.

Inwieweit unterliegt der Versicherer einer behördlichen Aufsicht und Kontrolle?

Versicherer unterliegen in Deutschland einer strengen staatlichen Aufsicht, die primär durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) wahrgenommen wird. Die rechtliche Grundlage hierfür bildet das Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG). Die Aufsicht erstreckt sich auf die wirtschaftliche Solidität, Zuverlässigkeit der Geschäftsleitung, ausreichende Solvabilität sowie ordnungsgemäße Geschäftsführung. Die BaFin prüft regelmäßig, ob der Versicherer seine Verpflichtungen im Interesse der Versicherten erfüllen kann und ob er die gesetzlichen Vorschriften und aufsichtsrechtlichen Anforderungen einhält. Bei festgestellten Verstößen kann die Behörde aufsichtsrechtliche Maßnahmen wie z.B. die Erteilung von Auflagen, die Abberufung von Geschäftsleitern oder im Extremfall den Entzug der Geschäftserlaubnis anordnen. Versicherer sind zudem verpflichtet, regelmäßig Berichte und Prüfungen (z.B. Solvency II-Berichterstattung) vorzulegen.

Wann haftet der Versicherer für Erfüllungsgehilfen oder Dritte?

Der Versicherer haftet für seine gesetzlichen Vertreter, Mitarbeiter sowie für eingeschaltete Erfüllungsgehilfen nach den allgemeinen haftungsrechtlichen Vorschriften im Bürgerlichen Gesetzbuch (insbesondere § 278 BGB). Das bedeutet, dass Pflichtverletzungen, die durch diese Personen erfolgen, dem Versicherer stets zugerechnet werden, sofern sie in Ausübung ihrer Tätigkeit für den Versicherer handeln. Dies umfasst auch externe Dienstleister, die z.B. im Rahmen der Schadensregulierung oder Risikoprüfung tätig werden. Der Versicherer kann sich somit nicht darauf berufen, dass Pflichtverletzungen durch beauftragte Dritte oder Subunternehmer außerhalb seines Verantwortungsbereichs liegen. Im Schadensfall ist der Versicherer verpflichtet, eine ordnungsgemäße und sorgfältige Auswahl und Überwachung seiner Hilfspersonen sicherzustellen, um Schadenersatz- oder Haftungsansprüche zu vermeiden.

Welche Besonderheiten gelten für den Widerruf von Versicherungsverträgen durch den Versicherer?

Ein gesetzliches Widerrufsrecht steht grundsätzlich dem Versicherungsnehmer zu (§ 8 VVG), dem Versicherer jedoch nicht. Der Versicherer kann den Versicherungsvertrag nicht durch einseitigen Widerruf beenden, sondern muss stattdessen auf die im Vertrag und Gesetz vorgesehenen Kündigungs- oder Rücktrittsrechte zurückgreifen. Ausnahmefälle, in denen sich aus einem speziellen gesetzlichen Tatbestand (z.B. arglistige Täuschung, §§ 22, 123 BGB sowie § 19 VVG) ein Rücktrittsrecht zugunsten des Versicherers ergibt, sind im Gesetz abschließend geregelt. Einseitige Änderungen des Vertrags durch den Versicherer sind im Allgemeinen nicht zulässig, es sei denn, der Vertrag sieht diese Möglichkeit ausdrücklich – etwa bei Prämienanpassungsklauseln in der Krankenversicherung – unter enger Beachtung der gesetzlichen Vorgaben vor.