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Versetzung des Arbeitnehmers


Versetzung des Arbeitnehmers

Die Versetzung des Arbeitnehmers ist ein zentraler Begriff im deutschen Arbeitsrecht. Sie bezeichnet die einseitige Anordnung des Arbeitgebers, die den Inhalt, den Arbeitsort oder die Arbeitszeit des bestehenden Arbeitsverhältnisses erheblich ändert. Die rechtlichen Rahmenbedingungen, Voraussetzungen und Beschränkungen der Versetzung sind im Wesentlichen durch das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) und § 106 Gewerbeordnung (GewO) geregelt.


Begriff und rechtliche Einordnung

Definition der Versetzung

Eine Versetzung liegt vor, wenn der Arbeitgeber einem Arbeitnehmer eine andere als die vertraglich vereinbarte Arbeitsaufgabe oder einen anderen Arbeitsort bzw. eine andere Arbeitszeit dauerhaft oder für eine längere Zeitdauer zuweist. Entscheidend ist, dass die Maßnahme nicht lediglich geringfügig, sondern wesentlich von der bisherigen Beschäftigung abweicht. Abzugrenzen ist die Versetzung insbesondere von der bloßen Umsetzung (kurzfristige Änderung) und der Änderungskündigung.

Rechtsgrundlagen

Die gesetzlichen Grundlagen finden sich vor allem in:

  • § 611a BGB – Grundregel zur Arbeitsleistung
  • § 106 GewO – Weisungsrecht des Arbeitgebers (Direktionsrecht)
  • § 99 BetrVG – Beteiligung des Betriebsrats
  • Arbeitsvertragliche Vereinbarungen

Im öffentlichen Dienst gelten ergänzende Regelungen nach dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) und vergleichbaren Tarifwerken.


Ausübung des Direktionsrechts

Umfang und Grenzen des Weisungsrechts

Das arbeitgeberseitige Weisungsrecht (Direktionsrecht) gem. § 106 GewO gestattet, die Arbeitsinhalte, den Arbeitsort und die Arbeitszeit nach billigem Ermessen zu bestimmen, soweit keine anderweitigen vertraglichen, tariflichen oder gesetzlichen Regelungen bestehen. Das Direktionsrecht findet seine Grenzen insbesondere:

  • im Arbeitsvertrag
  • in Tarifverträgen bzw. Betriebsvereinbarungen
  • im Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB)
  • im Gleichbehandlungsgrundsatz

Die Versetzung darf nicht willkürlich erfolgen und muss für den betroffenen Arbeitnehmer zumutbar sein.

Anforderungen an die Ausübung

Das Weisungsrecht ist im Rahmen des billigen Ermessens (§ 315 BGB) auszuüben. Dabei sind sowohl die betrieblichen Belange des Arbeitgebers als auch die persönlichen Umstände des Arbeitnehmers zu berücksichtigen. Eine unangemessene Härte oder eine Benachteiligung einzelner Arbeitnehmer ist zu vermeiden.


Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats

Beteiligung nach § 99 BetrVG

In Betrieben mit Betriebsrat ist dessen Mitbestimmung zwingend vorgesehen. Nach § 99 Abs. 1 BetrVG ist der Betriebsrat vor jeder geplanten Versetzung anzuhören und seine Zustimmung einzuholen. Eine Versetzung nach Betriebsverfassungsgesetz liegt vor, wenn ein Arbeitnehmer einem anderen Arbeitsbereich zugeordnet wird und die Maßnahme länger als einen Monat dauert oder mit einer erheblichen Änderung der Umstände verbunden ist.

Folgen fehlender Zustimmung

Erteilt der Betriebsrat keine Zustimmung zur Versetzung, kann der Arbeitgeber beim Arbeitsgericht die Ersetzung der Zustimmung beantragen (§ 99 Abs. 4 BetrVG). Ohne Zustimmung oder gerichtliche Ersetzung ist die Versetzung unwirksam und darf nicht durchgeführt werden.


Besonderheiten und Abgrenzungen

Unterschied zwischen Versetzung, Umsetzung und Änderungskündigung

  • Umsetzung: Kurzfristige Änderung des Arbeitsbereichs oder -orts ohne wesentliche Auswirkung auf die vertraglich vereinbarte Tätigkeit, oft vom Weisungsrecht umfasst.
  • Versetzung: Dauerhafte oder erhebliche Änderung des Arbeitsbereichs, des Arbeitsorts oder der Arbeitszeit, die über die normale Ausgestaltung der arbeitsvertraglichen Pflichten hinausgeht.
  • Änderungskündigung: Beendigung des bisherigen Arbeitsvertrages verbunden mit dem Angebot, das Arbeitsverhältnis zu geänderten Bedingungen fortzusetzen, wenn eine Versetzung nicht mehr vom Direktionsrecht gedeckt ist.

Versetzung im öffentlichen Dienst

Im öffentlichen Dienst regeln spezifische Tarifverträge wie der TVöD die Voraussetzungen für die Versetzung. Der Arbeitgeber ist häufig an weitergehende Regelungen, Mitwirkungspflichten und Zustimmungserfordernisse gebunden.


Rechte und Pflichten des Arbeitnehmers

Mitwirkungspflichten

Der Arbeitnehmer ist im Rahmen des Direktionsrechts grundsätzlich verpflichtet, der rechtswirksam angeordneten Versetzung Folge zu leisten, sofern diese vom Arbeitsvertrag gedeckt und zumutbar ist. Bei unzumutbaren oder vertraglich nicht gedeckten Weisungen kann der Arbeitnehmer diese ablehnen und im Streitfall arbeitsgerichtlich klären lassen.

Rechtsschutzmöglichkeiten

Arbeitnehmer haben das Recht, gegen eine ihrer Ansicht nach rechtswidrige Versetzung mit einer sogenannten Feststellungsklage beim Arbeitsgericht vorzugehen. Eilrechtsschutz kann im Wege einer einstweiligen Verfügung beantragt werden, wenn im Raum steht, dass durch die Versetzung unzumutbare oder nicht wiedergutzumachende Nachteile drohen.


Versetzungsschutz und besondere Personengruppen

Schutz besonders schutzbedürftiger Arbeitnehmer

Für bestimmte Gruppen wie Schwerbehinderte, Schwangere oder Mitglieder des Betriebsrats bestehen weitergehende Schutzrechte und Einschränkungen. So ist beispielsweise vor einer Versetzung eines Schwerbehinderten die Zustimmung der Schwerbehindertenvertretung erforderlich (§ 178 SGB IX).

Versetzung bei Elternzeit und Mutterschutz

Während der Elternzeit oder des Mutterschutzes gelten besondere arbeitsrechtliche Schutzbestimmungen, die eine Versetzung einschränken oder verbieten können.


Folgen unrechtmäßiger Versetzung

Wird die Versetzung entgegen den gesetzlichen Vorgaben, dem Arbeitsvertrag, den Regeln des billigen Ermessens oder ohne erforderliche Zustimmung des Betriebsrats ausgesprochen, ist sie unwirksam. Der Arbeitnehmer kann nicht zur Arbeitsaufnahme am neuen Einsatzort oder zu geänderten Vertragsbedingungen gezwungen werden.


Fazit

Die Versetzung des Arbeitnehmers ist ein rechtlich komplexes Instrument zur Anpassung personeller Ressourcen an betriebliche Erfordernisse. Ihre Zulässigkeit und Ausgestaltung sind durch vielfältige arbeits- und betriebsverfassungsrechtliche Regelungen bestimmt. Für Arbeitnehmer und Arbeitgeber empfiehlt es sich, vor einer Versetzung eine sorgfältige Prüfung der vertraglichen und gesetzlichen Rahmenbedingungen vorzunehmen, um Rechtsstreitigkeiten zu vermeiden und die Interessen beider Seiten zu wahren.

Häufig gestellte Fragen

Was muss der Arbeitgeber bei einer Versetzung rechtlich beachten?

Bei einer Versetzung muss der Arbeitgeber insbesondere die arbeitsvertraglichen Regelungen sowie § 106 Gewerbeordnung (GewO) beachten. Zunächst ist zu prüfen, ob die angestrebte Maßnahme überhaupt vom sogenannten Weisungsrecht (Direktionsrecht) des Arbeitgebers gedeckt ist. Das Direktionsrecht erlaubt dem Arbeitgeber, unter Berücksichtigung der berechtigten Interessen des Arbeitnehmers, Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung näher zu bestimmen, soweit keine verbindlichen arbeitsvertraglichen, tariflichen oder gesetzlichen Regelungen entgegenstehen. Der Arbeitgeber muss daher prüfen, ob der Arbeitsvertrag bestimmte Einsatzorte, Tätigkeitsfelder oder Arbeitszeiten festlegt oder einschränkt. Bei einer erheblichen Änderung der Arbeitsbedingungen – beispielsweise mit längeren Fahrtzeiten, geänderten Aufgabenbereichen oder signifikant anderen Arbeitszeiten – handelt es sich rechtlich um eine Versetzung im Sinne des § 95 Abs. 3 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG), die unter Umständen der Zustimmung des Betriebsrats bedarf. Zudem hat der Arbeitgeber nach § 315 BGB ein billiges Ermessen auszuüben, d.h., er muss die Interessen des Arbeitnehmers angemessen berücksichtigen und abwägen. Insbesondere bei Personen mit Schutzstatus (Schwerbehinderte, Schwangere) sind zusätzliche Vorschriften und Beteiligungsrechte zu beachten.

Ist der Betriebsrat bei einer Versetzung zu beteiligen?

Sofern im Unternehmen ein Betriebsrat besteht, ist dessen Beteiligung zwingend. Nach § 99 BetrVG hat der Arbeitgeber den Betriebsrat vor jeder Versetzung zu informieren und dessen Zustimmung einzuholen. Eine Versetzung in diesem Sinne liegt vor, wenn einem Arbeitnehmer auf Dauer oder für länger als einen Monat eine andere Arbeitsaufgabe oder ein anderer Arbeitsort zugewiesen wird, sofern dies mit wesentlichen Änderungen der Arbeitsumstände verbunden ist oder den Arbeitsplatz wechselt. Lehnt der Betriebsrat die Zustimmung ab, kann der Arbeitgeber beim Arbeitsgericht die Zustimmung ersetzen lassen. Wird der Betriebsrat nicht beteiligt, ist die Versetzung grundsätzlich unwirksam. Zudem kann der Betriebsrat auch aus eigenen Initiativen nach § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG darauf achten, dass die zugrunde liegenden Rechtsvorschriften eingehalten werden.

Wann ist eine Versetzung unzulässig?

Eine Versetzung ist unzulässig, wenn sie gegen geltende Gesetze, Tarifverträge oder den individuellen Arbeitsvertrag verstößt. Grundsätzlich darf eine Versetzung nicht willkürlich oder aus sachfremden Motiven erfolgen. Sie ist auch unzulässig, wenn sie das Prinzip des billigen Ermessens (§ 315 BGB) nicht wahrt, also die Interessen des Arbeitnehmers nicht angemessen berücksichtigt werden. Außerdem dürfen bestimmte Schutzgesetze – beispielsweise das Mutterschutzgesetz, das Schwerbehindertenrecht oder das Jugendarbeitsschutzgesetz – nicht unterlaufen werden. Auch eine Benachteiligung aus Gründen der Rasse, des Geschlechts, der Religion oder aus anderen in § 1 AGG (Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz) genannten Gründen macht die Versetzung unzulässig. Fehlt es an einer angemessenen Ankündigungsfrist oder wird der Betriebsrat nicht ordnungsgemäß beteiligt, kann die Umsetzung ebenfalls unwirksam sein.

Muss der Arbeitnehmer einer Versetzung zustimmen?

Ob eine Zustimmung des Arbeitnehmers erforderlich ist, hängt von den konkreten Umständen ab. Ist die Versetzung vom Direktionsrecht des Arbeitgebers und vom Arbeitsvertrag abgedeckt, bedarf es keiner ausdrücklichen Zustimmung des Arbeitnehmers. Der Arbeitnehmer ist dann verpflichtet, der Versetzung Folge zu leisten. Überschreitet die Anordnung jedoch den vertraglich eingeräumten Rahmen – z.B. Änderung des Arbeitsortes, wenn dieser vertraglich festgelegt war – handelt es sich um eine sogenannte Änderungskündigung. In diesem Fall muss der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer eine Änderung der Vertragsbedingungen anbieten, welche dieser annehmen oder ablehnen kann. Bei Ablehnung bleibt nur die Möglichkeit der ordentlichen Kündigung unter Beachtung der gesetzlichen oder vertraglichen Kündigungsfristen.

Welche Mitbestimmungsrechte hat der Arbeitnehmer bei einer Versetzung?

Der einzelne Arbeitnehmer hat im Rahmen der Versetzung kein unmittelbares Mitbestimmungsrecht, wohl aber bestimmte Rechte auf Beteiligung und Anhörung. Vor einer Versetzung muss der Arbeitgeber dessen Interessen umfassend berücksichtigen und ihm Gelegenheit zur Stellungnahme geben. In bestimmten Fällen, beispielsweise bei Schwerbehinderten oder werdenden Müttern, bestehen individuelle Beteiligungsrechte nach den entsprechenden Schutzgesetzen (z.B. Zustimmung des Integrationsamtes bei Schwerbehinderten nach § 164 SGB IX). Zudem kann sich der Arbeitnehmer im Widerspruchsfall an den Betriebsrat wenden, der dann dessen Interessen vertreten und ggf. ein Beschwerdeverfahren einleiten kann.

Welche rechtlichen Folgen hat eine unwirksame Versetzung?

Eine vom Arbeitgeber ausgesprochene Versetzung, deren Voraussetzungen nicht eingehalten wurden, ist unwirksam und muss vom Arbeitnehmer nicht befolgt werden. In der Praxis sollte der Arbeitnehmer jedoch gegen eine aus seiner Sicht unwirksame Versetzung nicht einfach widersprechen, sondern dies schriftlich mitteilen und sich arbeitsrechtlich beraten lassen, um Abmahnungen oder eine Kündigung zu vermeiden. Erfolgt eine Versetzung ohne wirksame Betriebsratsbeteiligung, kann der Betriebsrat die Unterlassung verlangen (§ 101 BetrVG). Der Arbeitnehmer kann ggf. auf Weiterbeschäftigung an seinem bisherigen Arbeitsplatz klagen und im Einzelfall Schadensersatz wegen entgangener Leistungen oder Mehrkosten (z.B. Pendeln, Umzug) geltend machen. Auch arbeitsgerichtliche Eilverfahren zur Durchsetzung der Rechte sind möglich.