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Versandapotheke


Begriff und rechtliche Grundlagen der Versandapotheke

Eine Versandapotheke ist eine Apotheke, die Arzneimittel und apothekenübliche Waren im Wege des Versands, insbesondere über das Internet, an Endverbraucher abgibt. Dieser Vertriebsweg ist in Deutschland sowie in der Europäischen Union durch zahlreiche Gesetze, Verordnungen und Richtlinien geregelt. Der Begriff „Versandapotheke“ bezeichnet dabei keine eigene Apothekenform, sondern eine Betriebsweise zugelassener Apotheken. Versandapotheken unterliegen speziellen rechtlichen Vorgaben, um Arzneimittelsicherheit, Verbraucherschutz sowie den Wettbewerb sicherzustellen.

Historische Entwicklung

Die Einführung des legalen Arzneimittelversandhandels in Deutschland erfolgte am 1. Januar 2004 im Rahmen des „Gesetzes zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung“ (GKV-Modernisierungsgesetz – GMG). Seitdem sind unter strengen Voraussetzungen sowohl öffentliche Apotheken mit einer behördlichen Erlaubnis als auch bestimmte EU-ausländische Apotheken berechtigt, Arzneimittel an Endverbraucher (Patienten) zu versenden.

Voraussetzungen zur Führung einer Versandapotheke

Apothekenzulassung und Erlaubnis zum Versand

Versandhandel mit Arzneimitteln ist ausschließlich zugelassenen Apotheken vorbehalten, die eine gesonderte behördliche Versandhandelserlaubnis nach § 11a Apothekengesetz (ApoG) beantragen und erhalten müssen. Voraussetzung dafür ist unter anderem:

  • Die geforderte persönliche und fachliche Leitung der Apotheke durch eine approbierte Person (Apothekerin oder Apotheker)
  • Ein entsprechender schriftlicher Antrag bei der zuständigen Behörde
  • Nachweis eines funktionsfähigen, qualitätsgesicherten Versandhandelskonzeptes

Geeignete räumliche und organisatorische Ausstattung

Die Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) verlangt für den Versandhandel besonders gesicherte Lagerungs-, Versand- und Dokumentationsprozesse. Es müssen Vorrichtungen zur Sicherstellung von Temperatur, Lichtschutz und Diebstahlsicherung existieren. Die Einhaltung der guten Vertriebspraxis (GDP) sowie die Umsetzung geeigneter Maßnahmen zur Sicherstellung der Arzneimittelqualität sind ausdrücklich vorgeschrieben.

Kennzeichnungspflichten und Informationspflichten

Anbieter von Versandapotheken müssen nach § 74 Arzneimittelgesetz (AMG) und der Verordnung über den elektronischen Geschäftsverkehr (EGV) umfangreiche Informationspflichten erfüllen. Hierzu zählen:

  • Deutliche Kennzeichnung als Versandapotheke
  • Angabe der verantwortlichen Apothekerin oder des Apothekers
  • Darstellung der Versand- und Rückgabebedingungen
  • Sichtbarmachung von behördlicher Erlaubnis und Registerinformationen

Zulässige und unzulässige Sortimente

Verschreibungspflichtige Medikamente

Der Versandhandel ist insbesondere für nicht verschreibungspflichtige sowie rezeptpflichtige Arzneimittel zugelassen. Eine Belieferung mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln darf nur nach Vorlage einer gültigen ärztlichen Verschreibung erfolgen. Dies schließt Originalrezepte im Falle von Papierverordnungen oder eine qualifizierte elektronische Verordnung ein.

Ausschluss bestimmter Arzneimittel

Nicht alle apothekenpflichtigen Produkte sind für den Versandhandel zugelassen. Die Apothekenbetriebsordnung listet zahlreiche Ausnahmen auf, darunter:

  • Betäubungsmittel im Sinne des BtMG
  • Flüssige Zubereitungen zu parenteralen Anwendung
  • Defekturarzneimittel, sofern sie in besonderen Fällen individuell hergestellt werden
  • Kühlkettenpflichtige oder besonders zu lagere Produkte, soweit deren Unversehrtheit während des Transports nicht gewährleistet werden kann

Zulassung ausländischer Versandapotheken

Unter bestimmten Bedingungen können auch Apotheken aus anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union oder des Europäischen Wirtschaftsraums Arzneimittel nach Deutschland versenden. Dies setzt voraus:

  • Vorliegen einer gültigen Betriebserlaubnis im jeweiligen Herkunftsstaat
  • Registrierung bei der zuständigen Stelle in Deutschland
  • Einhaltung deutscher und europäischer Sicherheits- und Qualitätspflichten (z. B. Fälschungsschutzrichtlinie)
  • Auswahl der in Deutschland verkehrsfähigen Arzneimittel

EU-Versandapotheken müssen zudem auf ihren Internetseiten das EU-weite Sicherheitslogo führen und den Verbraucher deutlich auf die Zulassung hinweisen.

Versandprozess und Pharmakovigilanz

Versandapotheken müssen sicherstellen, dass Arzneimittel ordnungsgemäß, schnell und sicher an den Endverbraucher geliefert werden. Hierzu zählen:

  • Verwendung geeigneter Transportmittel und Logistikdienstleister
  • Schutz gegen Manipulation, Beschädigung und Verlust
  • Überprüfung des Empfängeralters bei bestimmten Arzneimitteln (Jugendschutz)
  • Rückrufverfahren bei fehlerhaften Arzneimitteln
  • Lückenlose Dokumentation der Versendungen

Des Weiteren sind Versandapotheken verpflichtet, Nebenwirkungen und Verdachtsfälle von Arzneimittelrisiken (Pharmakovigilanz) zu erfassen und weiterzuleiten (vgl. § 63b AMG).

Datenschutz und Sicherheitsmaßnahmen

Der Online-Vertrieb von Arzneimitteln erfordert höchste Datensicherheitsstandards. Versandapotheken verarbeiten besonders schützenswerte Gesundheitsdaten. Diese unterliegen der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) sowie einschlägigen telemedizinischen Gesetzen. Es sind erforderliche technische und organisatorische Maßnahmen zu treffen, um Missbrauch und Datenverlust auszuschließen.

Werberechtliche Besonderheiten

Für Versandapotheken gelten die regulatorischen Vorgaben des Heilmittelwerbegesetzes (HWG) und des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG). Die Werbung für verschreibungspflichtige Arzneimittel ist untersagt, ebenso irreführende Angaben zu Heilwirkungen, Anwendungen oder Preisvorteilen. Rabattgewährung auf verschreibungspflichtige Arzneimittel ist deutschen Versandapotheken dabei grundsätzlich untersagt (§ 78 Abs. 2 AMG), während dies – je nach einschlägiger Rechtsprechung – in Bezug auf ausländische Versandapotheken (Stichwort: „DocMorris-Urteil“) anders gehandhabt werden kann.

Aufsicht und Sanktionen

Die Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen überwachen die Landesbehörden unter Einbeziehung des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM). Bei Verstößen drohen aufsichtliche Maßnahmen bis hin zum Widerruf der Betriebserlaubnis, Bußgelder und strafrechtliche Konsequenzen.

Literaturverzeichnis und weiterführende Gesetze

  • Apothekengesetz (ApoG)
  • Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO)
  • Arzneimittelgesetz (AMG)
  • Betäubungsmittelgesetz (BtMG)
  • Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO)
  • Heilmittelwerbegesetz (HWG)
  • Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG)
  • Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GMG)
  • Fälschungsschutzrichtlinie (Richtlinie 2011/62/EU)
  • EU-Verordnung über Arzneimittel für den Humanbereich (VO [EU] 2019/6)

Fazit

Die Versandapotheke ist eine Sonderform des Apothekenbetriebs, die umfassenden gesetzlichen Anforderungen unterliegt. Ziel der gesetzlichen Regelungen ist es, ein hohes Maß an Arzneimittel- und Patientensicherheit zu gewährleisten, den Verbraucherschutz auszubauen und einen rechtskonformen Wettbewerb zwischen Präsenz- und Versandapotheken innerhalb Deutschlands und Europas sicherzustellen.

Häufig gestellte Fragen

Wer darf eine Versandapotheke in Deutschland betreiben?

Nur öffentliche Apotheken, die über eine gültige Betriebserlaubnis nach § 2 Apothekengesetz (ApoG) verfügen, dürfen in Deutschland einen Versandhandel mit apothekenpflichtigen Arzneimitteln betreiben. Die Erlaubnis zum Versandhandel nach § 11a ApoG muss zusätzlich von der zuständigen Apothekerkammer oder Behörde beantragt werden. Filialapotheken benötigen eine zusätzliche Genehmigung. Die rechtlichen Rahmenbedingungen schreiben vor, dass die Versandapotheke an einen bestehenden Apothekenbetrieb angegliedert sein muss; reine Versandapotheken ohne physische Betriebsstätte sind in Deutschland nicht zulässig. Zudem ist eine Meldung an das Deutsche Institut für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) erforderlich, damit die Versandapotheke in das offizielle Versandapothekenregister aufgenommen wird. Verstöße gegen die Vorgaben können strafrechtliche und berufsrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen, darunter Geldbußen oder der Entzug der Apothekenbetriebserlaubnis.

Welche gesetzlichen Anforderungen gelten für die Lagerung und den Versand von Medikamenten?

Für die Lagerung und den Versand von Arzneimitteln durch Versandapotheken gelten strenge Anforderungen aus dem Arzneimittelgesetz (AMG), der Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) sowie der Arzneimittel- und Wirkstoffherstellungsverordnung (AMWHV). Arzneimittel müssen während Lagerung und Transport gemäß den Vorgaben zu Temperatur, Feuchtigkeit und Lichtschutz aufbewahrt werden. Die Lieferkette ist lückenlos zu dokumentieren und zu kontrollieren, insbesondere bei kühlkettenpflichtigen Präparaten, deren Temperaturführung nachweislich gesichert werden muss. Die Versandverpackungen müssen manipulationssicher sein und dürfen keine Rückschlüsse auf den sensiblen Inhalt zulassen. Zudem müssen Versandapotheken sicherstellen, dass die Arzneimittel erst nach pharmakologischer Kontrolle durch befugtes pharmazeutisches Personal das Haus verlassen. Der Versand an Endkunden ist nur innerhalb Deutschlands und – bei nicht verschreibungspflichtigen Arzneimitteln – innerhalb der Europäischen Union möglich. Verstöße werden als Ordnungswidrigkeit oder Straftat nach AMG geahndet.

Welche Informationspflichten hat eine Versandapotheke gegenüber Kunden?

Versandapotheken unterliegen umfangreichen Informationspflichten nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB), dem Arzneimittelgesetz sowie der Apothekenbetriebsordnung. Vor Vertragsschluss müssen Verbraucher nach Artikel 246a EGBGB klar und verständlich über Identität und Anschrift des Betreibers, die wesentlichen Eigenschaften der angebotenen Arzneimittel, den Gesamtpreis inklusive Nebenkosten sowie das Widerrufsrecht informiert werden. Zusätzlich ist die Apothekenbetriebsordnung maßgeblich: Kunden müssen einen direkten, niedrigschwelligen Zugang zu pharmazeutischer Beratung (z.B. Telefon, E-Mail, Chat) erhalten. Gesetzlich vorgeschrieben ist außerdem ein deutlicher Hinweis auf das Apotheken-Betriebslogo nach § 11a ApoG, das signalisiert, dass es sich um eine zugelassene Versandapotheke handelt. Die Informationspflichten umfassen auch Hinweise zu den Lieferzeiten, Beipackzettel, ordnungsgemäße Hinweise zum Datenschutz und, bei rezeptpflichtigen Produkten, klare Vorgaben zur Einlösung von Rezepten.

Welche Regelungen gelten für den Versand von rezeptpflichtigen Medikamenten?

Beim Versand von rezeptpflichtigen Medikamenten besteht eine strenge Verpflichtung zur Prüfung und korrekten Einlösung des Originalrezepts. Nach § 17 Apothekenbetriebsordnung dürfen Versandapotheken solche Arzneimittel ausschließlich nach Vorlage eines gültigen ärztlichen Rezepts abgeben. Elektronische Rezepte (E-Rezepte) gewinnen zunehmend an Bedeutung und müssen rechtssicher akzeptiert und dokumentiert werden. Die Apotheke ist verpflichtet, die Verschreibung auf ihre formale und inhaltliche Richtigkeit zu überprüfen. Erst nach ausreichender pharmazeutischer Kontrolle und Prüfung der Rezeptgültigkeit darf der Versand erfolgen. Die Übersendung der Medikamente darf ausschließlich an die Person erfolgen, die das Rezept ausgestellt bekommen hat, oder einen bevollmächtigten Dritten. Der Arzneimittelversand in Länder außerhalb Deutschlands ist, mit Ausnahme des EU-Auslands und nur bei erlaubten Arzneimitteln, untersagt. Jede Abweichung kann berufsrechtliche und strafrechtliche Folgen haben.

Wie ist die Beratungspflicht im Versandhandel mit Arzneimitteln gesetzlich geregelt?

Gemäß § 20 der Apothekenbetriebsordnung und § 17 Abs. 2a ApBetrO besteht eine uneingeschränkte Beratungspflicht auch im Versandhandel. Versandapotheken sind dazu verpflichtet, vor Abschluss des Kaufvertrags und erneut bei der Arzneiabgabe auf beratungsbedürftige Arzneimittel hinzuweisen. Kunden müssen die Möglichkeit erhalten, sich unmittelbar und unentgeltlich durch pharmazeutisches Personal beraten zu lassen, z. B. per Telefon oder digital. Beratungshinweise sind sowohl im Bestellprozess als auch auf den Versanddokumenten zwingend erforderlich. Wird ein Kunde auf die Beratungsmöglichkeit hingewiesen, muss die Apotheke dokumentieren, ob und wie die Beratung durchgeführt wurde. Die Beratungsdokumentation dient sowohl der Qualitätssicherung als auch der rechtlichen Absicherung der Apotheke und ist mindestens fünf Jahre aufzubewahren.

Unterliegen Versandapotheken besonderen Vorschriften zum Datenschutz?

Ja, Versandapotheken unterliegen den besonderen Vorgaben des Datenschutzes, konkret der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) sowie § 203 StGB (Schweigepflicht). Aufgrund der sensiblen Gesundheitsdaten der Kunden müssen besonders hohe technische und organisatorische Maßnahmen getroffen werden, um die vertrauliche Verarbeitung, Speicherung und Übertragung der Kundendaten zu gewährleisten. Die Übermittlung von Rezept- und Gesundheitsdaten darf nur verschlüsselt und an berechtigte Personen erfolgen. Weiterhin ist eine umfassende Datenschutzinformation und Einwilligung der Kunden erforderlich. Datenschutzverstöße können schwerwiegende Bußgelder und zivilrechtliche Schadensersatzansprüche nach sich ziehen. Außerdem besteht für Versandapotheken die Pflicht, jeden Datenschutzverstoß unverzüglich der zuständigen Aufsichtsbehörde zu melden.

Welche Haftungsregelungen gelten für Versandapotheken im Falle von Verstößen oder Fehlern?

Versandapotheken haften gemäß den allgemeinen zivilrechtlichen Regelungen (BGB), dem Arzneimittelgesetz sowie dem Produkthaftungsgesetz für Schäden, die durch fehlerhaften Versand, falsche Beratung oder die Abgabe unzureichend geprüfter oder gefälschter Arzneimittel entstehen. Darüber hinaus bestehen besondere berufsrechtliche Haftungsregelungen für Apotheker. Im Schadensfall kann die Haftung sowohl die natürliche als auch die juristische Person betreffen. Die Apothekenleitung muss eine ausreichende Betriebshaftpflichtversicherung vorweisen, die insbesondere Vermögensschäden durch fehlerhafte Arzneimittelabgabe abdeckt. Bei Verstößen gegen gesetzliche Bestimmungen drohen neben zivilrechtlichen Ansprüchen auch Bußgelder, Strafanzeigen und der Entzug der Betriebserlaubnis durch die Aufsichtsbehörde.