Begriff und rechtliche Einordnung der Vermögensteuer
Die Vermögensteuer ist eine ertragsunabhängige Steuer, die auf das Nettovermögen natürlicher oder juristischer Personen erhoben wird. Sie zählt zu den Substanzsteuern und knüpft steuerliche Belastungstatbestände direkt an das Vorhandensein und den Wert des Vermögens. Das Vermögen als Steuerobjekt ist von der Fähigkeit des Steuerpflichtigen zur Erzielung von Einkommen oder Erträgen unabhängig. In zahlreichen Staaten wurden Vermögensteuern in unterschiedlicher Ausprägung und Ausgestaltung implementiert; auch in Deutschland existierte eine Vermögensteuer bis zu ihrer faktischen Abschaffung Mitte der 1990er Jahre.
Steuergegenstand
Der steuerliche Gegenstand der Vermögensteuer ist das gesamte Vermögen einer steuerpflichtigen Person oder Gesellschaft. Dieses kann natürliche Personen, Personengesellschaften oder Kapitalgesellschaften betreffen. Erfasst werden typischerweise sowohl unbewegliche (Grundstücke, Immobilien) als auch bewegliche Vermögenswerte (Barvermögen, Wertpapiere, Bankguthaben, Beteiligungen, sonstige Vermögensgegenstände). In der Regel erfolgt eine Bewertung des Vermögens nach einem bestimmten Stichtag und unter Berücksichtigung von Schulden, sodass das steuerbare Nettovermögen besteuert wird.
Steuerpflicht und persönliche Zugehörigkeit
Die persönliche Steuerpflicht ergibt sich abhängig vom jeweiligen nationalen Steuerrecht. In Deutschland waren mit dem Vermögensteuergesetz (VStG) unbeschränkt steuerpflichtig alle natürlichen Personen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland, sowie Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen mit Sitz oder Geschäftsleitung im Inland. Daneben existierte – wie bei vielen weiteren Steuerarten – eine beschränkte Steuerpflicht, welche auf das inländische Vermögen steuerlich fokussiert war.
Rechtsgrundlagen der Vermögensteuer in Deutschland
Historische Entwicklung
Die Vermögensteuer wurde in Deutschland erstmals im Jahr 1893 im Königreich Sachsen eingeführt. Reichsweit galt ab 1922 das Vermögensteuergesetz (VStG 1922), das später durch das Vermögensteuergesetz von 1934 (VStG 1934) ersetzt wurde. Im Zuge der Wiedervereinigung wurde 1995 die Erhebung der Vermögensteuer in Deutschland aufgrund verfassungsrechtlicher Bedenken für verfassungswidrig erklärt (BVerfG, Beschluss vom 22. Juni 1995 – 2 BvL 37/91). Das Vermögensteuergesetz ist jedoch weiterhin formal gültig, die Erhebung der Steuer jedoch seit 1997 ausgesetzt.
Wesentliche steuerrechtliche Regelungen im VStG
Das VStG (vor Aussetzung) definierte folgende Eckpunkte:
- Steuerobjekt: Gesamtes Inlandsvermögen abzüglich Schulden
- Freibeträge: Gewährung von Freibeträgen (zum Beispiel für Familien) und besonderen Freibeträgen bei bestimmten Vermögensbestandteilen
- Tarif: Die Steuer war progressiv ausgestaltet; zuletzt betrug der Steuersatz 0,5 % des steuerpflichtigen Nettovermögens
- Bewertung: Die steuerliche Bewertung des Vermögens erfolgte auf Basis von Einheitswerten gemäß Bewertungsgesetz (BewG), die regelmäßig erhebliche Abweichungen vom tatsächlichen Marktwert aufwiesen.
Verfassungsrechtliche Aspekte
Gleichheitssatz und Belastungsgleichheit
Das Bundesverfassungsgericht hat die Erhebung der Vermögensteuer mit Urteil vom 22. Juni 1995 insbesondere deshalb für verfassungswidrig erklärt, weil die Bewertung von Immobilien gegenüber anderen Vermögenswerten nicht gleichwertig erfolgte und hiermit der Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) verletzt wurde. Die unterschiedliche Gewichtung von Vermögenskomponenten führte zu einer steuerlichen Ungleichheit, die die Einführung oder Fortführung der Vermögensteuer nur auf Basis einer Anpassung der Bewertungsmaßstäbe möglich machen würde.
Weitere verfassungsrechtliche Rahmenbedingungen
Über den Gleichheitsgrundsatz hinaus sind das Sozialstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 1 GG) sowie das Grundrecht auf Eigentum (Art. 14 GG) von Bedeutung. Insbesondere ist zu prüfen, inwiefern eine Vermögensteuer eine unverhältnismäßige Belastung des Eigentumsstatbestandes darstellt und dadurch den Wesensgehalt des Eigentums beschränkt.
Gesetzgebungskompetenz für die Vermögensteuer
Die Vermögensteuer gehört zu den sogenannten Gemeinschaftsteuern. Ihre Erhebungskompetenz ist im Grundgesetz geregelt (Art. 105 GG). Die Ertragshoheit steht sowohl dem Bund als auch den Ländern zu. Eine Reaktivierung der Vermögensteuer würde daher auf Bundes- oder Länderebene gesetzgeberisch erfolgen können, sofern die verfassungsrechtlichen Einwände beachtet werden.
Internationale Ausgestaltung der Vermögensteuer
Europa
In Europa wird die Vermögensteuer derzeit nur noch vereinzelt erhoben. Zu den wenigen Staaten mit einer solchen Steuer zählen (Stand 2024) Spanien, Norwegen und die Schweiz. Die Regularien unterscheiden sich stark:
- In Spanien werden ab bestimmten Freibeträgen Steuersätze auf das Nettovermögen fällig.
- Norwegen erhebt eine Vermögensteuer auf das weltweite Vermögen seiner Einwohner.
- Die Schweiz kennt kantonal organisierte Vermögenssteuern, die ebenfalls auf das Nettovermögen natürlicher Personen abstellen.
Weltweite Praxis und Reformbestrebungen
Weltweit ist die Vermögensteuer in den meisten hochentwickelten Volkswirtschaften abgeschafft oder ausgesetzt worden. In der Diskussion sind Vorschläge zu ihrer Wiedereinführung im Kontext wachsender Vermögensungleichheit und als Instrument zur Gegenfinanzierung öffentlicher Aufgaben.
Abgrenzung zu anderen Steuerarten
Die Vermögensteuer unterscheidet sich von ähnlichen Besteuerungsformen wie:
- Erbschaftsteuer und Schenkungsteuer: Anfallend bei Vermögensübergängen durch Erbschaft oder Schenkung.
- Einkommensteuer: Erfasst laufende Einkünfte und ist ertragsbezogen.
- Grundsteuer: Bezieht sich spezifisch auf Grundbesitz, jedoch unabhängig von weiteren Vermögenswerten.
Vermögensteuern sind hingegen stets am Vorhandensein und dem Wert des gesamten Vermögens zu einem Stichtag orientiert.
Bewertung, Bemessungsgrundlage und Stichtag
Bewertungsvorschriften
Die Bewertung des Vermögens als Bemessungsgrundlage erfolgt in Abhängigkeit von nationalen gesetzlichen Vorgaben. In Deutschland wurde die Bewertung nach den Einheitswerten des Bewertungsgesetzes vorgenommen. In der Schweiz und Norwegen werden regelmäßig Marktwerte herangezogen, während Spanien sowohl Katasterwerte als auch Bewertungstabellen verwendet.
Maßgeblicher Stichtag
Der steuerliche Stichtag ist der für die Wertermittlung maßgebliche Zeitpunkt (meist der 1. Januar eines Kalenderjahres). Feststellungen von Steuerbehörden und eventuelle Wertanpassungen richten sich nach diesem Zeitpunkt.
Praktische Bedeutung, Erhebung und Verwaltung
Steuererhebung und Festsetzung
Die Erhebung einer Vermögensteuer erfolgt in der Regel durch Veranlagung, basierend auf einer Steuererklärung des Steuerpflichtigen über sein Vermögen. Verwaltung, Bewertung und Durchsetzung obliegen den zuständigen Finanzbehörden. Melde- und Mitwirkungspflichten gewährleisten die korrekte Erfassung des Steuerobjekts. Bei Nichtangabe oder unvollständigen Angaben können steuerliche Sanktionen erhoben werden.
Aussetzung und Wiedereinführung in Deutschland
In Deutschland wird seit 1997 keine Vermögensteuer mehr erhoben. Diskussionen zur Wiedereinführung bestehen fortwährend, insbesondere im Rahmen fiskal- und sozialpolitischer Debatten. Voraussetzung einer Wiedereinführung wäre eine verfassungskonforme Neuregelung des Bewertungsrechts und der Gleichbehandlung unterschiedlicher Vermögensarten.
Literaturhinweise, Gesetzestexte und weiterführende Informationen
- Vermögensteuergesetz (VStG) [Stand: ausgesetzt]
- Bewertungsgesetz (BewG)
- Grundgesetz (GG), insbesondere Art. 3, 14 und 105
- Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 22. Juni 1995 – 2 BvL 37/91
Für weitergehende Informationen zu internationalen Ausformulierungen und Entwicklungen empfiehlt sich die Recherche nach aktuellen Publikationen der OECD sowie nationalen Gesetzestexten der jeweiligen Staaten.
Hinweis: Eine Aktualisierung des Themas ist angesichts fortlaufender politischer Debatten zur Vermögensbesteuerung und potenziellen Änderungen im Steuerrecht ratsam.
Häufig gestellte Fragen
Welche rechtlichen Regelungen existieren derzeit zur Vermögensteuer in Deutschland?
Die rechtliche Grundlage für die Erhebung der Vermögensteuer ist das Vermögensteuergesetz (VStG), das zuletzt in seiner Fassung von 1997 Anwendung gefunden hat. Die Vermögensteuer ist allerdings seit 1997 aufgrund einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) ausgesetzt. Das Gericht erklärte die damalige Ausgestaltung der Bewertungsvorschriften für verfassungswidrig, da sie gegen den Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes (Art. 3 GG) verstieß. Das Gesetz selbst wurde jedoch nicht aufgehoben und bleibt nach wie vor als „schlafendes Gesetz“ im deutschen Steuerrecht bestehen. Eine Wiedererhebung der Vermögensteuer wäre grundsätzlich durch einfachgesetzliche Änderungen zur Bewertung von Vermögensgegenständen möglich, sofern diese den Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts entsprechen. Weiterhin bleibt das grundlegende Aufkommen der Steuer den Bundesländern vorbehalten, was auch im Grundgesetz Art. 106 Abs. 2 Nr. 1 geregelt ist.
In welchem Verhältnis steht die Vermögensteuer zu anderen Steuern wie der Einkommensteuer oder Erbschaftsteuer?
Die Vermögensteuer ist eine sogenannte Substanzsteuer und unterscheidet sich sowohl in ihrer Bemessungsgrundlage als auch in der Zielsetzung grundlegend von der Einkommensteuer und der Erbschaft- bzw. Schenkungsteuer. Während die Einkommensteuer periodisch das erzielte Einkommen einer Person erfasst, bezieht sich die Vermögensteuer periodisch auf das gesamte vorhandene Nettovermögen am Besteuerungsstichtag. Die Erbschaft- und Schenkungsteuer hingegen fallen nur anlässlich eines Erwerbs von Todes wegen oder einer Schenkung an und stellen damit sogenannte Verkehrsteuern dar. Rechtlich gesehen war und ist im Vermögensteuergesetz geregelt, dass die Vermögensteuer als selbstständige Steuer neben diesen anderen Steuerarten besteht. Doppelbesteuerungsvermeidung und Anrechnungsmechanismen wie bei der Körperschaftsteuer existieren nicht ausdrücklich für die Vermögensteuer.
Welche juristischen Kriterien setzt das Bundesverfassungsgericht für die Ausgestaltung der Vermögensteuer?
Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner maßgeblichen Entscheidung von 1995 (BVerfGE 93, 121) festgelegt, dass Gleichmäßigkeit und Folgerichtigkeit der Besteuerung zwingende Voraussetzungen sind. Dies bedeutet konkret, dass die Bewertung von Vermögensgegenständen sachgerecht und gleichmäßig zu erfolgen hat, insbesondere darf es keine systematischen Begünstigungen bestimmter Vermögensarten, wie z.B. Immobilien gegenüber Geldvermögen, geben. Eine verfassungskonforme Ausgestaltung benötigt daher ein objektives und modernes Bewertungsverfahren für alle Vermögensarten. Zudem muss der Gesetzgeber das Sozialstaatsprinzip und das Gebot zur Belastung nach der Leistungsfähigkeit achten. Die Steuer darf in ihrer Substanzwirkung nicht zu einer übermäßigen Belastung führen, die das Existenzminimum gefährden oder gegen das Übermaßverbot verstoßen könnte.
Darf die Vermögensteuer rückwirkend wieder erhoben werden?
Eine rückwirkende Erhebung der Vermögensteuer wäre aus verfassungsrechtlichen Gründen problematisch. Grundsätzlich gilt im deutschen Steuerrecht das Rückwirkungsverbot, das durch das Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 GG) geschützt ist. Gesetze dürfen danach nicht rückwirkend für vergangene Sachverhalte gelten, insbesondere wenn sie die Bürger nachträglich belasten („echte Rückwirkung“). Eine „unechte Rückwirkung“ ist allerdings dann erlaubt, wenn an gegenwärtige, noch nicht abgeschlossene Sachverhalte angeknüpft wird. Im Falle der Reaktivierung der Vermögensteuer müsste der Gesetzgeber demnach eine Neuregelung schaffen, die nur für künftige Besteuerungszeiträume gilt. Vergangene Steuerzeiträume dürfen nicht nachträglich einer Steuerpflicht unterworfen werden.
Wie erfolgt die Bewertung von Vermögensgegenständen rechtlich für die Vermögensteuer?
Für die Bewertung von Vermögensgegenständen war nach dem Vermögensteuergesetz ursprünglich das Bewertungsgesetz (BewG) maßgeblich. Das Bundesverfassungsgericht hat jedoch die damaligen Bewertungsmaßstäbe 1995 für verfassungswidrig erklärt, da sie zu einer Ungleichbehandlung führten (z.B. bei Immobilien und Betriebsvermögen). Eine neue, verfassungsgemäße Bewertung müsste sich streng an aktuellen Markt- bzw. Verkehrswerten orientieren und alle Vermögensarten nach einheitlichen, transparenten und sachlichen Kriterien einbeziehen. Es ist Aufgabe des Gesetzgebers, hierzu neue Regelungen zu erarbeiten, wenn die Steuer wieder erhoben werden soll. Steuerlich relevante Ausnahmen und Freibeträge können in einem neuen Rechtssystem vorgesehen werden, müssen aber ebenfalls am Gleichheitsgrundsatz gemessen werden.
Welche verfassungsrechtlichen Hürden bestehen bei der Wiedereinführung der Vermögensteuer?
Die zentralen verfassungsrechtlichen Hürden ergeben sich aus dem Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 GG, dem Rückwirkungsverbot, dem Schutz des Eigentums aus Art. 14 GG sowie dem Sozialstaatsprinzip aus Art. 20 GG. Der Gesetzgeber muss bei der Ausgestaltung insbesondere sicherstellen, dass keine systematische Benachteiligung oder Bevorzugung unterschiedlicher Vermögensarten und -träger erfolgt (z.B. Privatpersonen und Unternehmen). Weiterhin darf die Steuer nicht zu einer erdrosselnden Wirkung führen, also die Substanz des Vermögens nicht so stark angreifen, dass die wirtschaftliche Existenz gefährdet wird. Auch der Bundesrat und die Länder müssen im Gesetzgebungsverfahren eingebunden werden, da die Vermögensteuer den Ländern zusteht.
Welche Mitwirkungspflichten bestehen für Steuerpflichtige hinsichtlich einer künftigen Vermögensteuer?
Im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen zur Vermögensteuer wären Steuerpflichtige verpflichtet, ihr gesamtes weltweites Vermögen umfassend zu deklarieren. Hierzu gehören insbesondere die Pflicht zur Abgabe vollständiger und wahrheitsgemäßer Steuererklärungen nach Vorlage durch die Finanzämter und die Mitwirkungspflichten nach den Vorschriften der Abgabenordnung (AO), insbesondere §§ 90 ff. AO. Steuerpflichtige sind verpflichtet, alle relevanten Unterlagen, Nachweise und Belege auf Anforderung vorzulegen. Im Rahmen von Kontrollmitteilungen und internationalen Auskunftsabkommen nach dem Außensteuergesetz (AStG) können zudem Auslandssachverhalte geprüft werden, insbesondere im Hinblick auf die Vermeidung von Steuerumgehung oder Steuerhinterziehung. Bei Verstoß gegen die Mitwirkungspflichten drohen ggf. Schätzungen durch das Finanzamt sowie steuerstrafrechtliche Konsequenzen.