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Verlustausgleich


Begriff und rechtliche Grundlagen des Verlustausgleichs

Der Begriff Verlustausgleich beschreibt im deutschen Recht die Möglichkeit, steuerliche oder wirtschaftliche Verluste mit Gewinnen zu verrechnen, um so die steuerliche Belastung zu minimieren oder auszugleichen. Der Verlustausgleich bildet insbesondere im Steuerrecht sowie im Handels- und Gesellschaftsrecht einen zentralen Aspekt zur Bestimmung der tatsächlichen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit von Unternehmen und Privatpersonen. Dieser Artikel beleuchtet die verschiedenen Facetten des Verlustausgleichs, die gesetzlichen Rahmenbedingungen sowie die praktische Bedeutung in unterschiedlichen Rechtsgebieten.


Verlustausgleich im Steuerrecht

Grundsatz des Verlustausgleichs gemäß Einkommensteuergesetz (EStG)

Das Einkommensteuergesetz (EStG) regelt den Verlustausgleich im Rahmen der persönlichen Einkommensteuer. Nach § 2 Abs. 3 EStG sind negative Einkünfte mit positiven Einkünften desselben Jahres zu verrechnen – dies bezeichnet man als horizontalen und vertikalen Verlustausgleich.

Horizontaler Verlustausgleich

Beim horizontalen Verlustausgleich (§ 2 Abs. 3 Satz 2 EStG) werden Verluste innerhalb derselben Einkunftsart (z. B. innerhalb der Einkünfte aus Gewerbebetrieb) miteinander verrechnet.

Vertikaler Verlustausgleich

Der vertikale Verlustausgleich erlaubt die Verrechnung von Verlusten aus einer Einkunftsart (z. B. Gewerbebetrieb) mit positiven Einkünften aus einer anderen Einkunftsart (z. B. Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung).

Verlustabzug: Verlustrücktrag und Verlustvortrag

Sind nach horizontalem und vertikalem Verlustausgleich verbleibende negative Einkünfte nicht sofort ausgleichbar, greift der Verlustabzug nach § 10d EStG.

Verlustrücktrag

Ein Verlustrücktrag ermöglicht die Verrechnung des Verlustes mit positiven Einkünften des unmittelbar vorangegangenen Jahres. Dies mindert die Steuerlast des Vorjahres und führt oft zu Steuererstattungen.

Verlustvortrag

Nicht ausgeglichene Verluste werden gemäß § 10d Abs. 2 EStG in die folgenden Jahre vorgetragen und können mit zukünftigen Gewinnen verrechnet werden. Die Höhe und Bedingungen des Verlustvortrags sind gesetzlich limitiert.

Ausnahmen und Beschränkungen

Einzelne Einkunftsarten unterliegen Einschränkungen. So sind z. B. Verluste aus privaten Veräußerungsgeschäften oder Verlusten aus Kapitalvermögen, insbesondere nach Einführung der Abgeltungsteuer seit 2009 (§ 20 Abs. 6 EStG), nur begrenzt oder ausschließlich mit Gewinnen gleicher Art verrechenbar.


Verlustausgleich im Körperschaftsteuerrecht

Grundlagen und Besonderheiten

Im Körperschaftsteuerrecht gelten gesonderte Vorschriften. Nach § 8 Abs. 1 KStG i. V. m. § 10d EStG ist auch hier ein Verlustabzug durch Vortrag oder Rücktrag möglich.

Mindestbesteuerung

Mit der Mindestbesteuerung (§ 10d Abs. 2 Satz 1 und 2 EStG) wurde eine Begrenzung eingeführt: Im Rahmen des Verlustvortrags können nur bis zu 1 Million Euro vollständig mit Gewinnen verrechnet werden; darüber hinausgehende Gewinne sind nur zu 60 % verrechenbar.

Verlustuntergang bei Anteilseignerwechsel

Ein weiterer zentraler Aspekt ist der Verlustuntergang bei Änderung der Beteiligungsverhältnisse (§ 8c KStG). Erfolgt ein schädlicher Anteilseignerwechsel, gehen bestehende Verlustvorträge ganz oder anteilig verloren.


Verlustausgleich bei Personengesellschaften und Mitunternehmerschaften

Bei Personengesellschaften wird der Verlustausgleich durch die sog. Mitunternehmerstellung geprägt. Die erzielten Verluste werden den jeweiligen Gesellschaftern entsprechend ihrer Beteiligung zugewiesen und können bei deren persönlicher Einkommensteuer geltend gemacht werden.

Negative Sonderbetriebseinnahmen und Sonderbetriebsausgaben

Verluste können auch auf Ebene der Sonderbetriebseinnahmen und -ausgaben entstehen und fließen in die Gesamthandsbilanz ein.

Beschränkungen des Verlustausgleichs nach § 15a EStG

Insbesondere bei Kommanditisten gilt nach § 15a EStG: Verluste dürfen nur bis zur Höhe des Kapitalkontos ausgeglichen werden. Negative Kapitalkonten führen dazu, dass Verluste vorübergehend nicht ausgleichsfähig sind.


Verlustausgleich im Handelsrecht

Im Handelsrecht ist der Verlustausgleich primär bilanzrechtlich von Bedeutung. Nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung sind Verluste in Bilanz und Gewinn- und Verlustrechnung zu erfassen. Überschüsse aus laufenden Geschäften können mit Verlustvorträgen aus Vorjahren saldiert werden.


Verlustausgleich und Insolvenz

Eine weitere bedeutende Facette des Verlustausgleichs ergibt sich im Zusammenhang mit Insolvenzverfahren. Nach einer Insolvenzeröffnung sind Verlustvorträge unter Umständen nicht mehr nutzbar. Der Fiskus kann zudem Steuerschulden aus Vorjahren nicht über die verbleibenden Verlustvorträge reduzieren, wenn das insolvente Unternehmen liquidiert wird.


Verlustausgleich bei Spezialsachverhalten

Verluste aus privaten Veräußerungsgeschäften

Nach § 23 EStG dürfen Verluste aus privaten Veräußerungsgeschäften nur mit Gewinnen aus entsprechenden Geschäften innerhalb desselben Kalenderjahrs ausgeglichen werden (Verlustverrechnungsbeschränkung).

Verluste aus Kapitalvermögen

Seit der Einführung der Abgeltungsteuer können Verluste aus Kapitalvermögen, mit Ausnahmen, nur mit Gewinnen aus Kapitalvermögen verrechnet werden (§ 20 Abs. 6 EStG). Ein Ausgleich mit anderen Einkünften ist ausgeschlossen.


Verlustausgleich in der internationalen Steuerplanung

Im internationalen Steuerrecht bestehen sowohl in Bezug auf die Verrechnung grenzüberschreitender Verluste als auch hinsichtlich der Regelungen zum finalen Verlustausgleich (z. B. EuGH-Rechtsprechung) zahlreiche Spezifika. Die grenzüberschreitende Verlustverrechnung unterliegt teils strengen Bedingungen und Einschränkungen, insbesondere um doppelte Verlustnutzung zu vermeiden.


Reformen und aktuelle Entwicklungen

Die Regelungen zum Verlustausgleich unterliegen regelmäßigen Gesetzesänderungen. Politische Initiativen und Reformen zielen häufig darauf ab, den internationalen Steuerwettbewerb zu berücksichtigen, Steuervermeidung zu verhindern und die wirtschaftliche Stabilität in Krisenzeiten zu gewährleisten (etwa durch erweiterte Rücktragsmöglichkeiten in Pandemiezeiten).


Quellen und weiterführende Literatur

  • § 2, § 10d, § 15a, § 20 EStG
  • § 8 KStG, § 8c KStG
  • Handelsgesetzbuch (HGB)
  • Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH)
  • Literatur: Tipke/Lang, Steuerrecht; Schmidt, Einkommensteuergesetz; Herrmann/Heuer/Raupach, EStG Kommentar

Dieser Artikel stellt die wichtigsten rechtlichen Rahmenbedingungen und Begriffsabgrenzungen zum Thema Verlustausgleich dar und ermöglicht eine differenzierte Betrachtung der einschlägigen Vorschriften im deutschen Recht.

Häufig gestellte Fragen

Wie funktioniert der Verlustausgleich im deutschen Steuerrecht bei Einkünften aus Kapitalvermögen?

Der Verlustausgleich bei Einkünften aus Kapitalvermögen unterliegt in Deutschland besonderen gesetzlichen Regelungen (§ 20 Abs. 6 EStG). Verluste aus Kapitalanlagen, wie beispielsweise Aktien, können ausschließlich mit Gewinnen aus derselben Einkunftsart verrechnet werden („horizontaler Verlustausgleich“). Ein vertikaler Verlustausgleich, also die Verrechnung mit anderen Einkunftsarten, wie etwa Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit oder Vermietung, ist grundsätzlich ausgeschlossen. Weiterhin ist zu beachten, dass spezifisch Verluste aus dem Verkauf von Aktien nach § 20 Abs. 6 Satz 5 EStG lediglich mit Gewinnen aus anderen Aktienverkäufen verrechnet werden dürfen. Eine Verrechnung mit Zinsen oder Dividenden ist demnach nicht möglich. Verluste, die in dem betreffenden Veranlagungszeitraum nicht ausgeglichen werden können, können auf Folgejahre vorgetragen werden. Dabei muss der Verlustvortrag mit der Steuererklärung beantragt und korrekt dokumentiert werden. Unzulässig ist der Ausgleich von Verlusten aus Finanzinnovationen oder Investmentfonds mit Gewinnen aus anderen Kapitalanlagen, sofern dies nicht gesetzlich ausdrücklich geregelt ist. Im Rahmen einer Verlustbescheinigung kann auf Antrag zudem der Verlustausgleich innerhalb einer Bank über mehrere Depots hinweg für das betreffende Jahr eingeschränkt werden.

Gibt es eine Verjährungsfrist für den Verlustvortrag nach deutschem Recht?

Im deutschen Steuerrecht gilt für den Verlustvortrag keine eigenständige kurze Verjährungsfrist, doch unterliegt dieser den allgemeinen Festsetzungsfristen des § 169 AO (Abgabenordnung). Grundsätzlich beträgt die reguläre steuerliche Festsetzungsfrist vier Jahre. Der einmal festgestellte Verlustvortrag kann jedoch zeitlich unbegrenzt in Folgejahren genutzt werden, solange er noch nicht ausgeglichen ist und die steuerlichen Rahmenbedingungen bestehen bleiben. Zu beachten ist, dass ein Verlustvortrag nur dann berücksichtigt wird, wenn er mit der Einkommensteuererklärung ordnungsgemäß erklärt und vom Finanzamt anerkannt wurde. Wird die Verlustfeststellung versäumt oder nicht beantragt, besteht die Gefahr, dass der entsprechende Verlust nicht mehr für eine Verrechnung in den Folgejahren zur Verfügung steht. Die Antrags- und Mitwirkungspflichten des Steuerpflichtigen sind hierbei strikt zu beachten.

Wie erfolgt der Verlustausgleich bei gewerblichen Einkünften?

Gewerbliche Verluste können nach § 10d EStG (Einkommensteuergesetz) sowohl im Rahmen des Verlustausgleichs als auch des Verlustabzugs berücksichtigt werden. Der unmittelbare Verlustausgleich findet innerhalb desselben Veranlagungsjahres statt; hier kann der Verlust vorrangig mit positiven Einkünften anderer Einkunftsarten desselben Steuerpflichtigen verrechnet werden („vertikaler Verlustausgleich“). Sollte ein Ausgleich im gleichen Jahr nicht möglich sein (z.B. wenn kein entsprechendes Einkommen vorhanden ist), greift der Verlustabzug: Der Verlust kann bis zu einem Höchstbetrag (in bestimmten Fällen sogar unbegrenzt) in das Vorjahr zurückgetragen werden („Verlustrücktrag“) oder in zukünftige Jahre vorgetragen und mit zukünftigen Gewinnen verrechnet werden („Verlustvortrag“). Die Höhe des Verlustrücktrags ist seit 2022 betragsmäßig auf 10 Millionen Euro (bei Zusammenveranlagung 20 Millionen Euro) limitiert. Zudem sind bestimmte Missbrauchsverhinderungsregelungen, etwa § 8c KStG bei Kapitalgesellschaften, zu beachten.

Welche Besonderheiten gelten beim Verlustausgleich für selbstständige Tätigkeiten?

Für Einkünfte aus selbstständiger Arbeit (z.B. freie Berufe oder Einzelunternehmer) finden die Regelungen zum allgemeinen Verlustausgleich (§ 2 Abs. 3 EStG) und zum Verlustabzug (§ 10d EStG) Anwendung. Verluste aus selbstständiger Tätigkeit können daher grundsätzlich auch mit anderen positiven Einkünften des Steuerpflichtigen ausgleichsfähig sein (z.B. mit Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit oder Vermietung und Verpachtung). Ist dies im selben Veranlagungsjahr nicht möglich, besteht die Möglichkeit, den Verlust auf das Vorjahr zurückzutragen oder unbegrenzt vorzutragen. Allerdings ist der Verlustabzug von eventuellen steuerlichen Einschränkungen abhängig, wie etwa bei besonders gestalteten Verlustverrechnungstopfsystemen oder bei Mitunternehmerschaften, insbesondere unter Anwendung des § 15a EStG (Haftungsbeschränkung bei Kommanditisten). Zusätzlich müssen steuerrechtliche Nachweispflichten und Dokumentationsvorschriften beachtet werden, um eine Anerkennung des Verlustausgleichs sicherzustellen.

Welche Rolle spielt der Verlustrücktrag im Kontext des Verlustausgleichs?

Der Verlustrücktrag ist eine Komponente des Verlustausgleichs, die es ermöglicht, einen im aktuellen Jahr entstandenen steuerlichen Verlust mit dem Einkommen des Vorjahres zu verrechnen (§ 10d EStG). Dies hat zur Folge, dass eine etwaige Steuererstattung für das Vorjahr ausgelöst wird, sofern der Rücktrag zu einer Reduzierung der festgesetzten Steuer führt. Der Verlustrücktrag ist betragsmäßig begrenzt (seit 2022 auf 10 Mio. Euro bzw. 20 Mio. Euro bei Ehegatten) und erfolgt automatisch, sofern der Steuerpflichtige nicht explizit einen Antrag auf Ausschluss oder Beschränkung stellt. Voraussetzung ist die rechtzeitige und korrekte Erklärung des Verlustes sowie die Anerkennung durch das Finanzamt. Der Verlustrücktrag ist insbesondere für Unternehmen und Selbstständige von Bedeutung, da er Liquiditätsvorteile durch eine schnellere Steuerentlastung verschaffen kann. Besteht nach dem Rücktrag noch ein verbleibender Verlust, wird dieser in die Folgejahre vorgetragen.

Gibt es Einschränkungen für den Verlustausgleich bei Immobiliengeschäften?

Ja, im Immobilienbereich gibt es im Steuerrecht spezifische Einschränkungen beim Verlustausgleich. Verluste aus privaten Veräußerungsgeschäften (§ 23 EStG), etwa dem Verkauf von Immobilien innerhalb der zehnjährigen Spekulationsfrist, sind ausschließlich mit Gewinnen aus anderen privaten Veräußerungsgeschäften ausgleichsfähig (horizontaler Verlustausgleich). Eine Verrechnung mit anderen Einkunftsarten ist gesetzlich ausgeschlossen. Im Bereich der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung (§ 21 EStG) hingegen können Verluste grundsätzlich mit positiven Einkünften anderer Einkunftsarten im selben Jahr verrechnet werden. Wird ein Anteil an geschlossenen Immobilienfonds gehalten, gelten zudem spezielle Regelungen, wie z.B. die Anwendung von Verlustfeststellungskreisen und Verlustverrechnungsbeschränkungen, insbesondere nach § 15b EStG bei sogenannten Steuerstundungsmodellen.

Welche Bedeutung haben Verlustverrechnungstöpfe bei Banken für private Anleger?

Verlustverrechnungstöpfe sind im Kontext des Verlustausgleichs für private Kapitalanleger ein wesentliches steuerliches Instrument, das seit Einführung der Abgeltungsteuer im Jahr 2009 bei Banken geführt wird. Diese Verrechnungstöpfe unterscheiden strikt zwischen verschiedenen Verlustarten – vor allem zwischen Verlusten aus Aktienverkäufen (Aktienverlustverrechnungstopf) und anderen Kapitalanlagen (Allgemeiner Verlustverrechnungstopf). Verluste aus Aktiengeschäften können nur mit zukünftigen Gewinnen aus Aktienverkäufen verrechnet werden, während Verluste aus anderen Kapitalanlagen (z.B. Fonds, Derivate) mit entsprechenden Gewinnen oder Einnahmen aus Kapitalvermögen verrechnet werden dürfen. Die Bank zieht die entsprechenden Steuern erst nach Verrechnung der Verluste automatisch ein und dokumentiert diese im Rahmen einer sogenannten Steuerbescheinigung. Verluste, die am Jahresende nicht ausgeglichen werden konnten, können auf Antrag über eine Verlustbescheinigung beim Finanzamt steuerlich berücksichtigt und in die Steuererklärung übernommen werden.