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Verlustabzug


Definition und Grundlagen des Verlustabzugs

Der Begriff Verlustabzug bezeichnet im Steuerrecht die Möglichkeit, negative Einkünfte, sogenannte Verluste, mit positiven Einkünften anderer Veranlagungszeiträume zu verrechnen. Ziel des Verlustabzugs ist die Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit, indem es steuerpflichtigen Personen erlaubt wird, Verluste, die sie in einem Jahr erzielt haben, steuerlich zu berücksichtigen, um eine gleichmäßigere Steuerlast zu gewährleisten.

Im deutschen Steuerrecht ist der Verlustabzug insbesondere in den §§ 10d Einkommensteuergesetz (EStG) sowie in weiteren steuerlichen Nebengesetzen geregelt. Die Vorschriften zum Verlustabzug finden Anwendung im Bereich der Einkommensteuer, Körperschaftsteuer und teilweise bei der Gewerbesteuer.


Arten des Verlustabzugs

Verlustvortrag

Der Verlustvortrag (§ 10d Abs. 2 EStG) ermöglicht es, einen in einem Veranlagungszeitraum nicht ausgeglichenen Verlust in die folgenden Veranlagungszeiträume vorzutragen. Der Verlust kann dann bei der Ermittlung des zu versteuernden Einkommens in zukünftigen Jahren abgezogen werden. Dies ist insbesondere relevant, wenn in dem Jahr, in dem der Verlust entstanden ist, keine oder nur geringe steuerpflichtige Einkünfte vorhanden sind.

Rechtsgrundlagen: Der Verlustvortrag ist betragsmäßig grundsätzlich unbegrenzt möglich. Allerdings darf im Folgejahr ein Grundfreibetrag (Sockelbetrag) nicht unterschritten werden. Ein Vortrag ist so lange möglich, bis der Verlust vollständig verrechnet wurde.

Verlustrücktrag

Der Verlustrücktrag (§ 10d Abs. 1 EStG) erlaubt es, einen im laufenden Veranlagungszeitraum entstandenen Verlust auf das unmittelbar vorherige Jahr rückzubeziehen und dort mit den positiven Einkünften zu verrechnen. Der Verlustrücktrag ist der Höhe nach limitiert und regelmäßig nur auf das unmittelbar vorhergehende Jahr beschränkt, ein Rücktrag auf frühere Jahre ist nicht zulässig.

Begrenzungen: Im Jahr 2024 beträgt der maximale Betrag des Verlustrücktrags nach § 10d Abs. 1 Satz 1 EStG 1 Mio. EUR (bei Einzelveranlagung) beziehungsweise 2 Mio. EUR (bei Zusammenveranlagung).


Verlustabzug bei Körperschaften

Für Körperschaften (z. B. GmbH, AG) gelten besondere Regelungen zum Verlustabzug, insbesondere im Hinblick auf den sogenannten Mindestbesteuerungsmechanismus (§ 10d Abs. 2 Satz 1 EStG i.V.m. § 8c KStG).

Mindestbesteuerung

Seit dem Veranlagungszeitraum 2004 unterliegt der Verlustvortrag der Mindestbesteuerung. Verluste können bis zu einem Sockelbetrag (jährlich bis zu 1 Mio. EUR) vollständig verrechnet werden. Darüber hinaus ist ein Abzug nur zu 60 % des diesen Betrag übersteigenden Einkommens möglich.

Verlustuntergang bei Anteilsübertragung nach § 8c KStG

Mit § 8c KStG wird geregelt, dass der Verlustabzug bei Körperschaften in bestimmten Fällen (unter anderem bei Anteilsübertragungen) eingeschränkt wird. Bei Übertragung von mehr als 25 %, aber weniger als 50 % der Anteile innerhalb von fünf Jahren gehen Verluste anteilig unter. Bei Übertragung von mehr als 50 % gehen die nicht genutzten Verlustvorträge vollständig verloren (sogenannter Mantelkauf).


Verlustabzug bei der Gewerbesteuer

Im Gewerbesteuerrecht ist der Verlustabzug gemäß § 10a Gewerbesteuergesetz (GewStG) geregelt. Hier wird ein gesonderter Gewerbeverlust festgestellt, der ausschließlich vorgetragen, nicht aber rückgetragen werden kann. Der Gewerbeverlustvortrag ist der Höhe nach nicht begrenzt, erfolgt jedoch wie bei der Einkommensteuer unter Beachtung der Mindestbesteuerung.


Sonderfälle und weitere Aspekte des Verlustabzugs

Verluste aus der Veräußerung von Kapitalanlagen

Nach § 20 Abs. 6 EStG können Verluste aus Kapitalvermögen nur mit Gewinnen derselben Einkunftsart verrechnet werden (sog. Verlustverrechnungsbeschränkung). Ein allgemeiner Verlustabzug mit anderen Einkünften ist ausgeschlossen.

Verluste bei Vermietung und Verpachtung

Verluste aus Einkünften aus Vermietung und Verpachtung unterliegen grundsätzlich den allgemeinen Regelungen des Verlustabzugs. Hier gilt das Prinzip, dass negative Einkünfte mit anderen positiven Einkünften im selben Jahr oder in anderen Jahren verrechnet werden dürfen, soweit die gesetzliche Regelung dies erlaubt.

Verluste bei gewerblichen Einkünften

Auch bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb gelten die allgemeinen Regeln des Verlustabzugs. Besonderheiten können sich durch das Gewerbesteuergesetz und die Regelungen zum gewerbesteuerlichen Verlustvortrag ergeben.


Verfahren und praktische Durchführung

Der Verlustabzug erfolgt im Rahmen der jährlichen Steuererklärung. Verluste werden dabei durch Abgabe der entsprechenden Anlagen (zum Beispiel Anlage G für gewerbliche Einkünfte, Anlage S für selbständige Arbeit) deklariert. Das Finanzamt stellt fest, in welcher Höhe ein Verlustabzug möglich ist und nimmt regelmäßig einen gesonderten Verlustfeststellungsbescheid (§ 10d Abs. 4 EStG) vor.

Der Steuerpflichtige kann auf Antrag den Verlustabzug auch teilweise oder vollständig auf künftige Jahre beschränken (sogenannter „verbleibender Verlustvortrag“).


Gesetzliche Grundlagen des Verlustabzugs in Deutschland

Die wichtigsten gesetzlichen Bestimmungen sind:

  • Einkommensteuergesetz (EStG): §§ 10d, 20, 23 EStG
  • Körperschaftsteuergesetz (KStG): § 8c KStG
  • Gewerbesteuergesetz (GewStG): § 10a GewStG

Verlustabzug im internationalen Kontext

Der internationale Verlustabzug unterliegt den jeweiligen nationalen Steuergesetzen. Im DBA-Recht (Doppelbesteuerungsabkommen) bestehen regelmäßig keine Vorgaben zum grenzüberschreitenden Verlustabzug. Innerhalb der Europäischen Union haben einzelne EuGH-Urteile zur zeitweisen Anwendung grenzüberschreitender Verlustabzüge geführt, deren praktische Umsetzung jedoch mit zahlreichen Einschränkungen verbunden ist.


Bedeutung des Verlustabzugs in der Steuerplanung

Der Verlustabzug ist ein wesentliches Instrument der steuerlichen Gestaltung und gilt als wichtiger Bestandteil eines ausgewogenen Steuersystems, das die tatsächliche Leistungsfähigkeit abbildet. Insbesondere Unternehmen können über die Jahre schwankende Erträge durch den Verlustabzug steuerlich glätten. Auch für Privatpersonen ergibt sich durch den Verlustabzug häufig eine Optimierungsmöglichkeit im Hinblick auf die Steuerlast.


Literatur und weiterführende Informationen

  • Einkommensteuergesetz, Körperschaftsteuergesetz, Gewerbesteuergesetz
  • BMF-Schreiben zum Verlustabzug (aktuelle Verwaltungspraxis)
  • Fachliteratur zu steuerlichen Verlustabzugsbeschränkungen

Hinweis: Der Verlustabzug ist in seiner konkreten Ausprägung und sachlichen Anwendung vielfältigen Änderungen durch Gesetzgebung und Rechtsprechung unterworfen. Eine genaue Prüfung der jeweils aktuellen Gesetzesfassung ist daher unerlässlich.

Häufig gestellte Fragen

Wie funktioniert der Verlustabzug nach deutschem Einkommensteuerrecht?

Der Verlustabzug nach deutschem Einkommensteuerrecht ist in den §§ 10d EStG geregelt und gibt Steuerpflichtigen die Möglichkeit, negative Einkünfte (Verluste), die in einem Veranlagungszeitraum erzielt wurden, steuerlich zu berücksichtigen. Dies unterteilt sich in den Verlustrücktrag und in den Verlustvortrag. Der Verlustrücktrag erlaubt es, einen Verlust bis zu einer Grenze von 1 Mio. Euro (bei Zusammenveranlagung 2 Mio. Euro) in das unmittelbar vorangegangene Jahr zurückzutragen und dort mit positiven Einkünften zu verrechnen, wodurch sich im Regelfall eine Steuererstattung ergibt. Soweit der Verlust so nicht vollständig genutzt werden kann, kommt der Verlustvortrag zum Einsatz: Dieser ermöglicht es, verbleibende Verluste in den Folgejahren mit bis zu 1 Mio. Euro uneingeschränkt und darüber hinaus mit bis zu 60 % der Einkünfte zu verrechnen. Der Antrag auf Verlustrücktrag kann im Rahmen der Steuererklärung gestellt werden. Für Körperschaften gelten besondere Vorschriften (§ 8c KStG) etwa bei einem Wechsel der Gesellschafterstruktur, weshalb rechtliche Beratung angebracht ist. Entscheidend ist, dass Verluste nur innerhalb bestimmter steuerlicher Regelungen und Zeiträume geltend gemacht werden können; zudem sind bestimmte Verluste, etwa solche aus privaten Veräußerungsgeschäften, gesondert zu behandeln (Verlustausgleichsbeschränkungen).

Welche Beschränkungen gibt es beim Verlustvortrag und Verlustrücktrag?

Beim Verlustvortrag kann ein im Vorjahr nicht ausgeglichener negativer Gesamtbetrag der Einkünfte zeitlich unbegrenzt in zukünftige Jahre übertragen werden, wobei seit dem Veranlagungszeitraum 2004 ein Sockelbetrag von 1 Mio. Euro (bzw. 2 Mio. Euro bei Ehegatten) ohne Prozentbeschränkungen verrechenbar ist. Für darüber hinausgehende Verluste greift die Mindestbesteuerung: Es sind höchstens 60 % der den Sockelbetrag übersteigenden positiven Einkünfte verrechenbar, um eine unendliche Verlustverrechnung zu verhindern und eine Mindestbesteuerung sicherzustellen. Der Verlustrücktrag ist auf einen Zeitraum von einem Jahr und einen maximalen Betrag von 1 Mio. Euro (Einzelveranlagung) bzw. 2 Mio. Euro (Zusammenveranlagung) beschränkt. Außerdem kann der Steuerpflichtige beantragen, ganz oder teilweise von einem Verlustrücktrag abzusehen, etwa wenn dies aus Liquiditätsgründen günstiger ist. Verluste aus bestimmten Einkunftsarten, z. B. aus privaten Veräußerungsgeschäften, sind wiederum nur beschränkt oder gar nicht rücktrag- oder vortragsfähig.

Welche Einkünftearten sind vom Verlustabzug ausgeschlossen?

Nicht alle Einkünfte unterliegen in vollem Umfang dem Verlustabzug. So regelt § 23 EStG, dass Verluste aus privaten Veräußerungsgeschäften nur mit Gewinnen aus der gleichen Besteuerungsschicht verrechnet werden dürfen (sogenannter vertikaler Verlustausgleich). Ebenso sind Verluste aus Kapitalvermögen nach der Abgeltungsteuer-Systematik (§ 20 Abs. 6 EStG) grundsätzlich nur mit positiven Einkünften aus Kapitalvermögen verrechenbar, eine Ausweitung dieser Verluste auf andere Einkünfte ist gesetzlich ausgeschlossen. Bei den gewerblichen Verlusten gilt zudem, dass Verluste aus einer Mitunternehmerschaft, die auf einen Kommanditisten entfallen, der beschränkten Verlustverrechnung nach § 15a EStG unterliegen und somit allenfalls bis zur Höhe des Kapitalkontos berücksichtigt werden können. Verluste aus Steuerstundungsmodellen sind nach § 15b EStG nur beschränkt abziehbar. Auch bei Körperschaften gibt es – neben § 8c KStG (Schädlicher Beteiligungserwerb) – Einschränkungen im Bereich der Organschaft.

Was sind die rechtlichen Besonderheiten beim Verlustabzug für Körperschaften?

Für Körperschaften bestehen beim Verlustabzug erweiterte Einschränkungen nach § 8c KStG: Es handelt sich hierbei um die sogenannte Mantelkaufregelung. Beim Erwerb von mehr als 50 % der Anteile (Anteils- oder Stimmrechtsmehrheit) innerhalb von fünf Jahren gehen bestehende steuerliche Verlustvorträge grundsätzlich vollständig unter. Bei einem Anteilserwerb von mehr als 25 %, aber nicht mehr als 50 %, reduziert sich der Verlustvortrag anteilig. Gesetzliche Ausnahmen bestehen beispielsweise dann, wenn die Körperschaft ausschließlich denselben Geschäftsbetrieb fortführt und keine schädlichen Ereignisse (z. B. Zuführung neuen Betriebsvermögens oder Wechsel in Geschäftsführung) vorliegen (sog. fortführungsgebundener Verlustvortrag, § 8d KStG). Zusätzlich können die Mindestbesteuerungsregelungen auch bei Körperschaften anwendbar sein. Auch länderspezifisch, etwa im Bereich der Gewerbesteuer, gibt es vergleichbare Vorschriften (§ 10a GewStG), so dass eine individuelle rechtliche und steuerliche Prüfung regelmäßig unerlässlich ist.

Wie und innerhalb welcher Frist können Verluste geltend gemacht werden?

Verluste sind im Rahmen der jährlichen Einkommensteuererklärung anzugeben – im amtlichen Formular ist hierzu der sogenannte „Verlustfeststellungsbescheid“ relevant. Die Erklärung ist regelmäßig bis zum 31. Juli des Folgejahres abzugeben, bei Vertretung durch einen Steuerberater verlängert sich die Frist in der Regel bis zum letzten Februartag des übernächsten Jahres. Eine gesonderte und einheitliche Feststellung gemäß § 10d Abs. 4 EStG ist erforderlich, wenn Verluste auf mehrere Personen entfallen (z. B. GbR, OHG), oder wenn der Verlust nicht im Erklärungsjahr ausgleichsfähig ist. Die Feststellung bindet für Folgejahre hinsichtlich Verlustvorträgen und Verlustverrechnung. Werden Verluste dagegen nicht rechtzeitig erklärt oder beantragt, droht der Verlustverfall. Es gilt die vierjährige Festsetzungsfrist (§ 169 AO); bei offenem Bescheid kann eine Änderung nachträglich beantragt werden.

Unter welchen Voraussetzungen können ausgeschiedene Verluste im Rahmen einer Betriebsaufgabe oder -veräußerung noch abgezogen werden?

Im Fall der Betriebsaufgabe oder -veräußerung sieht § 10d Abs. 2 EStG vor, dass verbleibende, nicht ausgeglichene (vortragsfähige) Verluste zu 100 % mit dem Aufgabe- oder Veräußerungsgewinn verrechnet werden können. Ein Verlustrücktrag in Vorjahre ist jedoch nicht mehr möglich. Zu beachten ist, dass der Verlustabzug nur für „echte“ fortlaufende Verluste aus der betrieblichen Tätigkeit gilt, nicht jedoch für Sonderabschreibungen oder steuerliche Begünstigungen, die bereits bei der Aufgabe oder Veräußerung beansprucht wurden. Zudem sind steuerliche Besonderheiten im Bereich der Mitunternehmerschaften sowie etwaige Sperrfristen und -tatbestände, insbesondere bei Umwandlungsvorgängen, zu beachten.

Wie wirkt sich eine Betriebsübertragung oder Umwandlung auf bestehende Verlustvorträge aus?

Im Rahmen von Umwandlungen nach dem Umwandlungssteuergesetz (UmwStG) gelten besondere Regelungen hinsichtlich der Übertragbarkeit bestehender Verluste. Nach § 12 UmwStG können Verluste unter bestimmten Voraussetzungen – insbesondere wenn die übernehmende Gesellschaft wirtschaftlich identisch fortgeführt wird und keine schädlichen Ereignisse nach § 8c KStG eintreten – fortgeführt werden. Bei Verschmelzungen, Spaltungen und Einbringungen ist die sorgfältige rechtliche Prüfung der Verlustnutzung zwingend, insbesondere unter Berücksichtigung von Missbrauchsregelungen (§ 42 AO, § 8c KStG, § 12 UmwStG). Bei Nichtbeachtung können relevante Verluste verloren gehen oder dürfen nicht übertragen werden, weshalb eine präzise Dokumentation sowie Einbindung steuerlicher Fachberatung dringend empfohlen wird.