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Verkehrswert von Grundstücken


Verkehrswert von Grundstücken

Der Verkehrswert von Grundstücken ist ein zentraler Begriff des Immobilienrechts und bezeichnet den Preis, der im gewöhnlichen Geschäftsverkehr bei einer Veräußerung eines Grundstücks erzielt werden kann. Er spiegelt den objektiven Wert einer Immobilie oder eines Grundstücks wider und ist wesentlich für zahlreiche rechtliche und wirtschaftliche Vorgänge, etwa bei Kauf, Verkauf, Beleihung, Zwangsversteigerungen oder der steuerlichen Bewertung.


Definition und rechtliche Grundlagen

Gesetzliche Verankerung

Der Begriff Verkehrswert ist im deutschen Recht ausdrücklich im § 194 Baugesetzbuch (BauGB) definiert. Dort heißt es:

„Der Verkehrswert (Marktwert) wird durch den Preis bestimmt, der in dem Zeitpunkt, auf den sich die Wertermittlung bezieht, im gewöhnlichen Geschäftsverkehr nach den rechtlichen Gegebenheiten und tatsächlichen Eigenschaften, der sonstigen Beschaffenheit und der Lage des Grundstücks oder des sonstigen Gegenstands der Wertermittlung ohne Rücksicht auf ungewöhnliche oder persönliche Verhältnisse zu erzielen wäre.“

Anwendungsbereiche

Der Verkehrswert ist bei folgenden rechtlichen Vorgängen von Bedeutung:

  • Kauf und Verkauf von Grundstücken und Immobilien
  • Zwangsversteigerung und Zwangsverwaltung
  • Enteignungsverfahren
  • Erbschafts- und Schenkungssteuer
  • Vermögensauseinandersetzungen bei Scheidungen
  • Sicherungsübereignungen und Hypotheken

Jeder dieser Anwendungsbereiche unterliegt spezifischen gesetzlichen Vorgaben, bei denen der Verkehrswert eine maßgebliche Rolle zur Wahrung der Interessen aller Beteiligten spielt.


Methodik der Verkehrswertermittlung

Grundlagen der Wertermittlung

Die Ermittlung des Verkehrswerts erfolgt nach den vom Gesetzgeber und den Wertermittlungsrichtlinien (insbesondere der Immobilienwertermittlungsverordnung – ImmoWertV) festgelegten Verfahren. Hierbei sind sowohl die rechtlichen als auch die tatsächlichen Eigenschaften des Grundstücks einzubeziehen:

  • baurechtlicher Zustand
  • Größe und Zuschnitt
  • Erschließungsgrad
  • Lage und Umgebung
  • mögliche Nutzung und Bebauung
  • sonstige wertbestimmende Faktoren

Wertermittlungsverfahren

Nach ImmoWertV werden verschiedene Verfahren unterschieden:

  1. Vergleichswertverfahren (§§ 15 ff. ImmoWertV): Orientiert sich am Preis vergleichbarer Grundstücke, die innerhalb eines bestimmten Zeitraums verkauft wurden.
  2. Ertragswertverfahren (§§ 17 ff. ImmoWertV): Bezieht sich auf die zu erwartenden Erträge aus dem Grundstück (insbesondere bei vermieteten Immobilien).
  3. Sachwertverfahren (§§ 21 ff. ImmoWertV): Ermittelt den Wert anhand der Boden- und Bauherstellungskosten abzüglich etwaiger Wertminderungen.

Die Auswahl des Verfahrens richtet sich nach der Art des zu bewertenden Grundstücks und dessen Nutzung.


Rechtliche Besonderheiten und Einzelfragen

Stichtagswert

Der Verkehrswert ist immer stichtagsbezogen. Der Stichtag kann formell vorgegeben oder im Rahmen eines Wertermittlungsauftrags vorab festgelegt werden. In rechtlichen Auseinandersetzungen – beispielsweise in Erbauseinandersetzungen – ist dieser Stichtag besonders relevant.

Berücksichtigung privater und außergewöhnlicher Umstände

Bei der Verkehrswertermittlung sind atypische oder persönliche Verhältnisse grundsätzlich auszublenden. Maßgeblich ist derjenige Wert, der unter Berücksichtigung der allgemeinen Marktverhältnisse zwischen unabhängigen Dritten erzielt werden könnte. Dazu zählt insbesondere nicht der Wert, der aufgrund besonderer, individueller Beziehungen oder Gegebenheiten vereinbart werden kann.

Besondere Grundstücksarten

Bestimmte Grundstücke erfordern zusätzliche rechtliche Würdigungen, etwa:

  • Erbbaurechtsgrundstücke
  • land- und forstwirtschaftliche Grundstücke
  • mit öffentlichen Lasten oder sonstigen Rechten und Belastungen behaftete Grundstücke

Hier gelten teilweise abweichende Bewertungsgrundlagen und Vorschriften über die Berücksichtigung spezifischer wertbeeinflussender Faktoren.


Verkehrswert im Zwangsversteigerungsrecht

Bedeutsamkeit bei der Zwangsversteigerung

Im Verfahren der Zwangsversteigerung (§ 74a ZVG) ist der Verkehrswert die Grundlage für die Festsetzung des Mindestgebots sowie die Entscheidung, ob ein Gebot angenommen wird. Die Feststellung des Verkehrswerts erfolgt durch das Gericht unter Einholung eines Sachverständigengutachtens.

Rechtsfolgen der Verkehrswertfestsetzung

Gegen die Festsetzung des Verkehrswerts kann unter engen Voraussetzungen Beschwerde eingelegt werden. Die Wertfestsetzung hat bindende Wirkung für die Versteigerung, ist aber nicht identisch mit dem späteren Zuschlagswert, der sich nach dem Bieterverlauf richtet.


Steuerrechtliche Bedeutung

Verkehrswert und Bewertungsgesetz (BewG)

Im Steuerrecht, insbesondere bei Erbschafts- und Schenkungssteuer, wird der Verkehrswert gemäß Bewertungsgesetz (§ 9 Abs. 1 BewG, § 198 BewG) herangezogen. Die Finanzbehörden ermitteln ihn meist nach standardisierten Verfahren, greifen bei Bedarf aber auf individuelle Gutachten zurück.

Doppelbesteuerungsabkommen und internationale Bewertung

Für grenzüberschreitende Bewertungsfragen und steuerliche Zwecke ist der Verkehrswert auch bei der Anwendung von Doppelbesteuerungsabkommen beachtlich, wobei nationale und internationale Bewertungsstandards zu beachten sind.


Rolle des Verkehrswerts bei Immobilientransaktionen

Bedeutung für Vertragsparteien

Der Verkehrswert stellt für Käufer und Verkäufer die zentrale Referenz für Preisverhandlungen dar. Eine Abweichung zwischen Verkehrswert und tatsächlichem Kaufpreis kann steuerliche oder haftungsrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen.

Verkehrswert und Darlehenssicherung

Banken und andere Kreditgeber orientieren sich bei der Bestimmung der Besicherungsgrenze (Beleihungswert) am Verkehrswert des betreffenden Grundstücks. Dieser stellt allerdings nicht notwendigerweise den maßgeblichen Beleihungswert dar, weil hierbei zusätzliche Risikofaktoren bewertet werden.


Gutachterliche Verkehrswertermittlung

Bestellung und Aufgaben

Für gerichtliche Verfahren oder für offizielle Zwecke wird der Verkehrswert regelmäßig durch öffentlich bestellte, qualifizierte Sachverständige festgestellt. Das Gutachten enthält eine transparente und nachvollziehbare Erläuterung des angewandten Verfahrens und eine ausführliche Darstellung der wertrelevanten Umstände.

Anfechtung und Überprüfung

Im Fall von Streitigkeiten kann die Verkehrswertermittlung über- oder durchgerichtlich überprüft und – bei Fehlerhaftigkeit – durch ein weiteres Gutachten ersetzt werden. Maßgeblich ist dann die jeweilige Beweiswürdigung durch das zuständige Gericht.


Literatur und weiterführende Hinweise

§ 194 BauGB – Gesetzestext
Immobilienwertermittlungsverordnung (ImmoWertV)
Bewertungsgesetz (BewG)
Zwangsversteigerungsgesetz (ZVG)
* Kommentarliteratur zu BauGB, ImmoWertV, BewG, ZVG


Fazit:
Der Verkehrswert von Grundstücken ist ein zentrales Rechts- und Bewertungsinstrument im Immobilienbereich. Er basiert auf klaren gesetzlichen Grundlagen und normierten Bewertungsmethoden und ist in zahlreichen rechtlichen und wirtschaftlichen Zusammenhängen von entscheidender Bedeutung. Die sorgfältige und nachvollziehbare Ermittlung des Verkehrswerts ist insbesondere für eine rechtssichere und faire Abwicklung von Immobilientransaktionen, Zwangsversteigerungen sowie steuerlichen Bewertungen unverzichtbar.

Häufig gestellte Fragen

Welche Bedeutung hat der Verkehrswert bei der Zwangsversteigerung eines Grundstücks?

Der Verkehrswert dient im Rahmen der Zwangsversteigerung eines Grundstücks gemäß § 74a Abs. 5 ZVG als maßgeblicher Orientierungswert für die Festsetzung des Mindestgebots sowie der Zuschlagsgrenzen. Er wird durch das Gericht auf Basis eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens festgestellt. Dieser Wert spiegelt den im gewöhnlichen Geschäftsverkehr zu erzielenden Preis wider, wobei weder ungewöhnliche noch persönliche oder spekulative Umstände Berücksichtigung finden sollen. Der festgelegte Verkehrswert beeinflusst maßgeblich, ob und zu welchem Gebot der Zuschlag erteilt werden darf, da das Mindestgebot meist 50 % und die Zuschlagsgrenze regelmäßig 70 % des Verkehrswerts betragen. Damit wird das Risiko gemindert, dass das Grundstück deutlich unter Wert veräußert wird, und sowohl Schuldner- als auch Gläubigerinteressen werden ausgewogen geschützt.

Welche Rolle spielt der Verkehrswert bei der Erbschafts- und Schenkungssteuer?

Bei der Festsetzung der Erbschafts- und Schenkungssteuer ist der Verkehrswert eines Grundstücks gemäß § 198 BewG (Bewertungsgesetz) die steuerrechtlich relevante Größe. Das Finanzamt ermittelt auf Grundlage der Vorschriften des BewG und der Immobilienwertermittlungsverordnung (ImmoWertV) den Verkehrswert, nicht etwa den Kaufpreis oder einen subjektiven Wert. Maßgeblich für die Steuerhöhe ist damit stets der objektive Verkehrswert zum Zeitpunkt der Übertragung, was eine Gleichbehandlung der Steuerpflichtigen gewährleistet. Für die Wertermittlung werden neben dem Sachwert-, Vergleichswert- oder Ertragswertverfahren auch Marktschwankungen und wertbeeinflussende Besonderheiten des Grundstücks berücksichtigt.

Welche rechtliche Relevanz hat der Verkehrswert bei der Vermögensauseinandersetzung von Eheleuten?

Im Scheidungsfall ist der Grundstücksverkehrswert für den Zugewinnausgleich nach §§ 1373 ff. BGB entscheidend. Für die Ermittlung des Anfangs- und Endvermögens einer Ehe wird grundsätzlich der objektive Verkehrswert des Immobilienbesitzes zum jeweiligen Stichtag berechnet, unabhängig davon, zu welchem Preis die Immobilie tatsächlich erworben wurde. Dieser Wert dient zur gerechten Aufteilung des gemeinschaftlichen Vermögens und verhindert einseitige Benachteiligungen. Streitig bleibt gelegentlich die Bestimmung des genauen Bewertungsstichtags; in der Praxis entscheidet regelmäßig der Zeitpunkt der Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags.

Wie beeinflusst der Verkehrswert die Berechnung der Grunderwerbsteuer?

Die Grunderwerbsteuer richtet sich grundsätzlich nach dem im notariellen Kaufvertrag angegebenen Kaufpreis (§ 8 GrEStG). Ist der Kaufpreis allerdings ungewöhnlich niedrig (insbesondere bei nahestehenden Personen), prüft das Finanzamt, ob der vereinbarte Preis dem tatsächlichen Verkehrswert des Grundstücks entspricht. Ergibt sich hierbei eine offensichtliche Unterschreitung, kann der Verkehrswert gemäß § 8 Abs. 2 GrEStG zur Steuerbemessung herangezogen werden. Das soll Steuerumgehungen verhindern und eine einheitliche Bewertungsgrundlage schaffen.

Welche Möglichkeiten bestehen rechtlich gegen einen festgestellten Verkehrswert vorzugehen?

Falls ein Verkehrswert im Rahmen eines behördlichen oder gerichtlichen Verfahrens festgestellt wurde, bestehen verschiedene Rechtsmittel. Im Zwangsversteigerungsverfahren können Beteiligte gemäß § 74a Abs. 5 ZVG gegen das Sachverständigengutachten, das die Grundlage für den Verkehrswert bildet, Einwendungen erheben. Im steuerlichen Kontext ist ein Einspruch gegen den Steuerbescheid möglich, falls der Verkehrswert aus Sicht des Steuerpflichtigen fehlerhaft ermittelt wurde. Im Rahmen privatrechtlicher Auseinandersetzungen kann durch Vorlage eines eigenen Sachverständigengutachtens auf eine Neubewertung hingewirkt werden. Letztlich entscheidet das zuständige Gericht unter Würdigung der vorgelegten Beweismittel.

Welche Auskunftsrechte zu Verkehrswerten bestehen gegenüber Behörden oder Gutachterausschüssen?

Gemäß § 195 BauGB besteht für jeden Bürger ein grundsätzliches Auskunftsrecht hinsichtlich der von den Gutachterausschüssen ermittelten Verkehrswerte, Bodenrichtwerte und vergleichbaren Daten. Die Gutachterausschüsse sollen Transparenz schaffen und dienen Gerichten, Behörden sowie Privatpersonen als objektive Informationsquelle. Die Entgeltlichkeit und der Umfang der Auskunft können jedoch je nach Bundesland unterschiedlich geregelt sein. Besonders relevant sind diese Informationen bei der Vorbereitung von Immobilientransaktionen, steuerlichen Bewertungen oder gerichtlichen Verfahren.

Welche Bedeutung hat der Verkehrswert bei der Enteignung?

Im Falle einer Enteignung nach deutschem Recht ist gemäß Art. 14 Abs. 3 GG und §§ 93 ff. BauGB zur Bemessung der fälligen Entschädigung der Verkehrswert des betroffenen Grundstücks zugrunde zu legen. Die Entschädigung muss dem Wert entsprechen, den das Grundstück in unbebautem oder bebautem Zustand bei einer freien Veräußerung erzielen würde. Im Zentrum stehen hierbei der Zeitwert und aktuelle Marktbedingungen, wobei Preisspitzen oder Markteinbrüche mitberücksichtigt werden können. Das Verfahren stellt sicher, dass der Eigentümer keine Vermögenseinbußen durch die Enteignung befürchten muss. Bei Meinungsverschiedenheiten über die Höhe des Verkehrswerts besteht ein Rechtsanspruch auf Überprüfung durch Sachverständige und Gerichte.